• Sulpiz Boisserée to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Stuttgart · Place of Destination: Bonn · Date: 05.07.1824
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sulpiz Boisserée
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Stuttgart
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 05.07.1824
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 411‒413.
  • Incipit: „[1] Stuttgart am 5t Juli 1824
    Ich habe Ihnen, mein verehrtester Freund, zu Ende des Winters durch Buchhändler Dumont in Köln ein [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.65
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21 x 12,7 cm
    Language
  • German
[1] Stuttgart am 5t Juli 1824
Ich habe Ihnen, mein verehrtester Freund, zu Ende des Winters durch Buchhändler Dumont in Köln ein Exemplar meines Textes zur 1t und 2t Lieferung des Werks über den Cölner Dom zugesandt, konnte aber wegen den vielen Geschäften, worin mich dieses Prachtwerk und das Lithographie-Wesen verwickelt haben, während meines Aufenthalts in Paris nicht dazu gelangen, Ihnen zu schreiben. Seit meiner Rückkehr, welche erst im Mai erfolgte, wurde ich dann hier auch so sehr durch die dringendsten Arbeiten in Anspruch genommen, daß ich mir es immer noch versagen mußte, mich mit Ihnen zu unterhalten.
Ich erwarte von Ihrer Güte, daß Sie dieses lange Stillschweigen nicht übel werden gedeutet haben. Und was mein Buch betrift, so hoffe ich, Sie werden es als ein Zeichen meines freundschaftlichen Andenkens wohlwollend aufgenommen haben.
Doch das ist nicht genug; ich wünsche von Ihnen über diese meine erste literarische Arbeit von größerm Umfang ein offenes und ausführliches Urtheil. Sie würden mich dadurch auf das innigste [2] verpflichten. Sie wissen selbst am besten, wie wenig Männer wir in der literarischen Welt haben, die fähig und geneigt wären, über einen Gegenstand von so gemischter Natur ein für den Verfasser wahrhaft belehrendes Urtheil zu fällen. Und von der andern Seite müßen Sie auch überzeugt seyn, daß es mir nicht blos um Beifall zu thun, sondern daß mein Bestreben vor allem darauf gerichtet ist, über unsere ältere Kunst und KulturGeschichte Licht zu verbreiten, und das erforschte so viel als möglich mit Klarheit und Wahrhaftigkeit darzustellen. Ich habe mich seit vielen Jahren dazu vorbereitet und von der Nothwendigkeit überzeugt, die wörtliche Darstellung mit befriedigenden Anschauungen zu unterstützen, habe ich so wie ihrer Seits mein Bruder und Bertram keine Aufopferung gescheut, zu sammeln, zu meßen, zu zeichnen, und zeichnen und stechen zu lassen. Wenn nun ein Mann von Ihrem ebenso durchdringenden als umfaßenden Geist erkannte, daß der Versuch meine Forschungen schriftlich mitzutheilen, nicht mislungen wäre, und Sie wollten mir zugleich die Mängel anzeigen und freundliche Rathschläge zu künftiger Vermeidung und überhaupt zu weiterer Entwickelung geben, so würde mich das mit der grösten Freude und dem herzlichsten Dank erfüllen. Ich würde dadurch aufgemuntert werden, meinen Lieblingswunsch um so eifriger zu verfolgen [3] und von nun an meine Thätigkeit mehr der literarischen Seite zuzuwenden. Ich habe über Baukunst, Malerei und Sculptur so Vieles planmäßig gesammelt, daß ich wohl für mein ganzes Leben zu thun habe, wenn ich es gehörig vervollständigen und mit Sorgfalt ausarbeiten will.
Mögen Sie nun eines früheren Versprechens eingedenk, außer der verlangten vertraulichen Mittheilung Ihres Urtheils auch öffentlich etwa in den Wiener oder Heidelberger Jahrbüchern oder wo Sie es sonst für gut finden eine Beurtheilung meiner Arbeit geben, so werden Sie mich doppelt verbinden. Die Ausführung des Kupferwerks, wovon Sie ein Exemplar auf der Universitäts-Bibliothek haben, wird ohne Zweifel Ihren Forderungen entsprechen; es ist dies der lästigste und verdrießlichste Theil des Unternehmens, und wäre ich nicht innig überzeugt, daß um ein vollständiges, deutliches, zur wissenschaftlichen Demonstration taugliches Musterbild aufzustellen diese kostbahre Ausführung in dem großen Format durchaus nothwendig gewesen, so könnte ich den außerordentlichen Aufwand an Geld und Zeit gegen mich selbst nicht verantworten. Der Ruhm, welcher mir durch diese nothgedrungene Pracht erwachsen, ist eine sehr geringe oder vielmehr gar keine Entschädigung für die unsägliche Plage, die ich davon gehabt, und die ich noch ferner haben werde; denn bis die drei übrigen Lieferungen fertig sind, werde ich noch Vieles zu ertragen haben, und werden noch drei [4] bis vier Jahre vergehen.
Übrigens mag diese Pracht freilich auch etwas dazu beigetragen haben, die Aufmerksamkeit der Franzosen auf meine Forschungen zu ziehen; obschon im Ganzen der Grund mehr der neuen Richtung zuzuschreiben ist, welche Ihre und Ihrer seeligen Freundinn Bemühungen und später die vielen Übersetzungen englischer und deutscher Werke dem französischen Geiste gegeben haben. Man kennt in der That die alten Franzosen kaum wieder in ihren jetzigen Literatoren. Selbst das Klag und Zetergeschrei, welches Villemain und Auger erhoben und die schlechte Aufnahme, die besonders letzterer gefunden, sind ein Beweiß, daß das romantische Element die engen Schranken der Schule überrannt und einen Umschwung hervorgebracht hat, der sich nicht mehr hemmen läßt.
Wäre nur die Erinnerung an die Beleidigung der National Eitelkeit durch Ihre Comparaison de la Phedre nicht noch zu frisch, so wären Sie schon längst zur Academie des belles lettres ernannt worden. Ich habe das bei Gelegenheit einer Wahldiscussion erfahren, die diesen Winter statt hatte und bis jetzt noch unentschieden geblieben ist; dabei bemerke ich auch mit Freuden, daß Sie außer Rainouard, Remusat und andern auch an Raoul-Rochette einen Freund und Verehrer besitzen, der doppelt zu schätzen, weil er mit unserer Literatur durch Lesen der Originale vielfach bekannt ist.
Doch Zeit und Papier gehen mir zu Rand, und so schließe ich für diesmal mit den besten Grüßen und Wünschen worin auch mein Bruder und Bertram einstimmen. Ihr aufrichtig verehrender Freund
Sulpiz Boisserée
NS. Wie geht es denn dem armen Hundeshagen? Sein wunderlicher Brief an mich in dem Roemischen Wochenblatt ist mir zugesandt worden, ich habe ihn aber nicht verstanden, denn aller Verkehr den ich mit ihm gehabt, war daß ich seine Werke gekauft und ihm einige Subskribenten dafür verschafft habe.
[1] Stuttgart am 5t Juli 1824
Ich habe Ihnen, mein verehrtester Freund, zu Ende des Winters durch Buchhändler Dumont in Köln ein Exemplar meines Textes zur 1t und 2t Lieferung des Werks über den Cölner Dom zugesandt, konnte aber wegen den vielen Geschäften, worin mich dieses Prachtwerk und das Lithographie-Wesen verwickelt haben, während meines Aufenthalts in Paris nicht dazu gelangen, Ihnen zu schreiben. Seit meiner Rückkehr, welche erst im Mai erfolgte, wurde ich dann hier auch so sehr durch die dringendsten Arbeiten in Anspruch genommen, daß ich mir es immer noch versagen mußte, mich mit Ihnen zu unterhalten.
Ich erwarte von Ihrer Güte, daß Sie dieses lange Stillschweigen nicht übel werden gedeutet haben. Und was mein Buch betrift, so hoffe ich, Sie werden es als ein Zeichen meines freundschaftlichen Andenkens wohlwollend aufgenommen haben.
Doch das ist nicht genug; ich wünsche von Ihnen über diese meine erste literarische Arbeit von größerm Umfang ein offenes und ausführliches Urtheil. Sie würden mich dadurch auf das innigste [2] verpflichten. Sie wissen selbst am besten, wie wenig Männer wir in der literarischen Welt haben, die fähig und geneigt wären, über einen Gegenstand von so gemischter Natur ein für den Verfasser wahrhaft belehrendes Urtheil zu fällen. Und von der andern Seite müßen Sie auch überzeugt seyn, daß es mir nicht blos um Beifall zu thun, sondern daß mein Bestreben vor allem darauf gerichtet ist, über unsere ältere Kunst und KulturGeschichte Licht zu verbreiten, und das erforschte so viel als möglich mit Klarheit und Wahrhaftigkeit darzustellen. Ich habe mich seit vielen Jahren dazu vorbereitet und von der Nothwendigkeit überzeugt, die wörtliche Darstellung mit befriedigenden Anschauungen zu unterstützen, habe ich so wie ihrer Seits mein Bruder und Bertram keine Aufopferung gescheut, zu sammeln, zu meßen, zu zeichnen, und zeichnen und stechen zu lassen. Wenn nun ein Mann von Ihrem ebenso durchdringenden als umfaßenden Geist erkannte, daß der Versuch meine Forschungen schriftlich mitzutheilen, nicht mislungen wäre, und Sie wollten mir zugleich die Mängel anzeigen und freundliche Rathschläge zu künftiger Vermeidung und überhaupt zu weiterer Entwickelung geben, so würde mich das mit der grösten Freude und dem herzlichsten Dank erfüllen. Ich würde dadurch aufgemuntert werden, meinen Lieblingswunsch um so eifriger zu verfolgen [3] und von nun an meine Thätigkeit mehr der literarischen Seite zuzuwenden. Ich habe über Baukunst, Malerei und Sculptur so Vieles planmäßig gesammelt, daß ich wohl für mein ganzes Leben zu thun habe, wenn ich es gehörig vervollständigen und mit Sorgfalt ausarbeiten will.
Mögen Sie nun eines früheren Versprechens eingedenk, außer der verlangten vertraulichen Mittheilung Ihres Urtheils auch öffentlich etwa in den Wiener oder Heidelberger Jahrbüchern oder wo Sie es sonst für gut finden eine Beurtheilung meiner Arbeit geben, so werden Sie mich doppelt verbinden. Die Ausführung des Kupferwerks, wovon Sie ein Exemplar auf der Universitäts-Bibliothek haben, wird ohne Zweifel Ihren Forderungen entsprechen; es ist dies der lästigste und verdrießlichste Theil des Unternehmens, und wäre ich nicht innig überzeugt, daß um ein vollständiges, deutliches, zur wissenschaftlichen Demonstration taugliches Musterbild aufzustellen diese kostbahre Ausführung in dem großen Format durchaus nothwendig gewesen, so könnte ich den außerordentlichen Aufwand an Geld und Zeit gegen mich selbst nicht verantworten. Der Ruhm, welcher mir durch diese nothgedrungene Pracht erwachsen, ist eine sehr geringe oder vielmehr gar keine Entschädigung für die unsägliche Plage, die ich davon gehabt, und die ich noch ferner haben werde; denn bis die drei übrigen Lieferungen fertig sind, werde ich noch Vieles zu ertragen haben, und werden noch drei [4] bis vier Jahre vergehen.
Übrigens mag diese Pracht freilich auch etwas dazu beigetragen haben, die Aufmerksamkeit der Franzosen auf meine Forschungen zu ziehen; obschon im Ganzen der Grund mehr der neuen Richtung zuzuschreiben ist, welche Ihre und Ihrer seeligen Freundinn Bemühungen und später die vielen Übersetzungen englischer und deutscher Werke dem französischen Geiste gegeben haben. Man kennt in der That die alten Franzosen kaum wieder in ihren jetzigen Literatoren. Selbst das Klag und Zetergeschrei, welches Villemain und Auger erhoben und die schlechte Aufnahme, die besonders letzterer gefunden, sind ein Beweiß, daß das romantische Element die engen Schranken der Schule überrannt und einen Umschwung hervorgebracht hat, der sich nicht mehr hemmen läßt.
Wäre nur die Erinnerung an die Beleidigung der National Eitelkeit durch Ihre Comparaison de la Phedre nicht noch zu frisch, so wären Sie schon längst zur Academie des belles lettres ernannt worden. Ich habe das bei Gelegenheit einer Wahldiscussion erfahren, die diesen Winter statt hatte und bis jetzt noch unentschieden geblieben ist; dabei bemerke ich auch mit Freuden, daß Sie außer Rainouard, Remusat und andern auch an Raoul-Rochette einen Freund und Verehrer besitzen, der doppelt zu schätzen, weil er mit unserer Literatur durch Lesen der Originale vielfach bekannt ist.
Doch Zeit und Papier gehen mir zu Rand, und so schließe ich für diesmal mit den besten Grüßen und Wünschen worin auch mein Bruder und Bertram einstimmen. Ihr aufrichtig verehrender Freund
Sulpiz Boisserée
NS. Wie geht es denn dem armen Hundeshagen? Sein wunderlicher Brief an mich in dem Roemischen Wochenblatt ist mir zugesandt worden, ich habe ihn aber nicht verstanden, denn aller Verkehr den ich mit ihm gehabt, war daß ich seine Werke gekauft und ihm einige Subskribenten dafür verschafft habe.
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