• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Rom · Date: 09.04.1806
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Rom
  • Date: 09.04.1806
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 304‒306.
  • Incipit: „Coppet d. 9 April [180]6
    Ein Brief von mir an Sie und Ihren Bruder muß dem Ihrigen entgegengekommen seyn. Ich antworte sogleich [...]“
    Language
  • German
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 329]/version-10-19/letters/view/119" data-language="">
Coppet d. 9 April [180]6
Ein Brief von mir an Sie und Ihren Bruder muß dem Ihrigen entgegengekommen seyn. Ich antworte sogleich auf den Theil Ihres Briefes der das von unserm Freunde Knorring mir aufgetragne Geschäft betrifft. Ich werde mit allem Eifer das möglichste thun, um es nach Wunsch zu besorgen, aber leider sehe ich hier sehr große Schwierigkeiten dabey. Zuvörderst war ich bey Empfang Ihres Briefes schon nicht mehr in Genf und komme dahin gar nicht mehr zurück, als anfangs nächster Woche auf wenige Stunden bloß um durchzureisen. Ferner habe ich daselbst durchaus keine andern Bekanntschaften als durch Frau von Stael, und auch diese habe ich nur nothdürftig im Gange erhalten, indem ich [mich] so wohl in ihrem Hause als auswärts so viel möglich der Gesellschaft entzogen. Ich kenne nur Einen Banquier, denselben, der die Geschäfte meiner Freundin besorgt; dieser hat mir manche kleine Gefälligkeiten erzeigt, d. h. für mir verschaffte Wechsel um Geld zu versenden keine Provision genommen, allein zu einer so bedeutenden reicht mein Credit bey ihm nicht hin. Überhaupt sind die Genfer in Geldsachen höchst vorsichtig und mistrauisch, ja wahre Juden und Wucherer. Auf meinen eignen Namen würde ich eine solche Summe gewiß nicht geliehen bekommen, wenn Frau von Stael nicht für mich gut sagte, und diesen Dienst kann ich jetzt aus tausend Gründen nicht von ihr verlangen. Für diejenigen aber, welchen Knorrings Namen, Familie und Vermögensumstände nicht bekannt sind, ist es dasselbe als ob ich das Geld für mich selbst verlangte, ja das Geschäft wird durch seinen Aufenthalt an einem entfernten Orte, und wo vielleicht das Wechselrecht nicht in aller Strenge gilt, noch verwickelter. Wenn Kn.[orring] selbst hier gegenwärtig wäre, würde er das Verlangte unstreitig ohne alle Schwierigkeit bekommen können. Allein ich habe ja nicht einmal einen Brief von ihm mit dem Auftrage vorzuweisen. Mein Vorschlag wäre daher, daß mir Kn.[orring] einen ostensiblen Brief in französischer Sprache schriebe, worin er mir etwa Banquiers in Paris oder Genf nennte, die er bey seinem Aufenthalte an diesen Örtern gekannt, und die daher bereitwillig seyn würden, ihm das Geschäft, das er, bey den großen Erwartungen zu denen er berechtigt ist, als nicht sehr bedeutend betrachten dürfte, zu besorgen. Alsdann will ich mir alle Mühe geben, das Darlehen in Paris zu negoziiren, wohin ich sehr bald gehen werde, vermuthlich so bald, als nur irgend ein Brief von Rom zurückkommen kann. Sollte es mir nicht glücken, so glaube ich, würde es Kn.[orring] ein leichtes seyn, wenn er selbst nach Livorno gehen wollte, wo ja ein russischer Consul seyn muß, der den andern Banquiers die gehörigen Begriffe über die Sicherheit die er ihnen geben kann, beybringen könnte, dieß Geschäft oder selbst ein noch bedeutenderes in Richtigkeit zu bringen. Und die Reise nach Livorno müßte sich in wenigen Tagen machen lassen. Doch dieß ist nur ein hingeworfner Gedanke auf allen Fall. Was Sie mir von dem Wucher in Rom sagen, ist in der That entsetzlich. Ist es denn gar nicht möglich, dort auf geringere Zinsen, als die Sie mir angeben, Geld geliehen zu erhalten?
Ich hoffe immer, daß Kn.[orring] ohne Störung wird in Rom bleiben können, falls auch der Krieg mit Rußland fortdauern, oder sich heftiger wieder erneuern sollte. Denn Rom ist ja doch für jetzt ein neutraler Ort, und muß es bleiben, wenn ihm nicht eine gänzliche Veränderung seiner Verfassung bevorsteht, wogegen man freylich nicht gut sagen kann in den gegenwärtigen Zeiten, wo wir fast täglich soviel unerhörtes erleben. Indessen ist ein Landsmann von Kn.[orring], ein HE. von Stakelberg, den ganzen Winter über hier auf französischem Boden völlig unangefochten geblieben. Ich sollte denken Kn.[orring] würde für einen Deutschen angesehn werden; freylich ist sein Name in Frankreich bekannter als ein andrer.
In Absicht auf den Brief an den alten Bernh.[ardi] habe ich noch nichts gethan, da Sie Ihren anfänglichen Gedanken, daß ich ihn verklagen sollte, aufgegeben. Ich hätte Lust, an den alten Bernh.[ardi] einen offnen Brief an Hufeland einzulegen, und diesen zu bitten ihn beliebig in Abschrift in Berlin herum zu zeigen. Diesen Brief wollte ich mit aller Höflichkeit und Beobachtung der von Ihnen mir vorgeschriebnen Vorsichten, so demüthigend als möglich für den Sohn einrichten. Da ich aber nicht wußte, ob Sie es gut heißen würden, habe ich bis jetzt nichts gethan. Entscheiden Sie ob ich es noch thun soll.
Der Brief des Alten ist übrigens ein Muster von Abgeschmacktheit. Die Zitation des Gesetzes vom Kinderstehlen ist gar zu toll, da es darin heißt den Eltern, als ob die Mutter nicht dazu gehörte. Übrigens insistirt er sehr auf das kostenfrey zurückliefern, und will die Auslage der Regierung zuschieben, niemals wird er das Geld zu einer Reise nach Italien, um die Kinder zu hohlen hergeben; der Himmel erhalte ihn lange, so hat der Sohn das Geld nicht dazu, und erlöst uns unterdessen vielleicht durch seinen Tod von allen Schwierigkeiten.
Hier das verlangte Zeugniß von Fr.[au] v. St[aël], das meinige mit nächstem Briefe, ich wollte es mit rechter Überlegung schreiben. Von Lyon aus schreibe ich Ihnen wieder.
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 411]/version-10-19/letters/view/119" data-language="">
Coppet d. 9 April [180]6
Ein Brief von mir an Sie und Ihren Bruder muß dem Ihrigen entgegengekommen seyn. Ich antworte sogleich auf den Theil Ihres Briefes der das von unserm Freunde Knorring mir aufgetragne Geschäft betrifft. Ich werde mit allem Eifer das möglichste thun, um es nach Wunsch zu besorgen, aber leider sehe ich hier sehr große Schwierigkeiten dabey. Zuvörderst war ich bey Empfang Ihres Briefes schon nicht mehr in Genf und komme dahin gar nicht mehr zurück, als anfangs nächster Woche auf wenige Stunden bloß um durchzureisen. Ferner habe ich daselbst durchaus keine andern Bekanntschaften als durch Frau von Stael, und auch diese habe ich nur nothdürftig im Gange erhalten, indem ich [mich] so wohl in ihrem Hause als auswärts so viel möglich der Gesellschaft entzogen. Ich kenne nur Einen Banquier, denselben, der die Geschäfte meiner Freundin besorgt; dieser hat mir manche kleine Gefälligkeiten erzeigt, d. h. für mir verschaffte Wechsel um Geld zu versenden keine Provision genommen, allein zu einer so bedeutenden reicht mein Credit bey ihm nicht hin. Überhaupt sind die Genfer in Geldsachen höchst vorsichtig und mistrauisch, ja wahre Juden und Wucherer. Auf meinen eignen Namen würde ich eine solche Summe gewiß nicht geliehen bekommen, wenn Frau von Stael nicht für mich gut sagte, und diesen Dienst kann ich jetzt aus tausend Gründen nicht von ihr verlangen. Für diejenigen aber, welchen Knorrings Namen, Familie und Vermögensumstände nicht bekannt sind, ist es dasselbe als ob ich das Geld für mich selbst verlangte, ja das Geschäft wird durch seinen Aufenthalt an einem entfernten Orte, und wo vielleicht das Wechselrecht nicht in aller Strenge gilt, noch verwickelter. Wenn Kn.[orring] selbst hier gegenwärtig wäre, würde er das Verlangte unstreitig ohne alle Schwierigkeit bekommen können. Allein ich habe ja nicht einmal einen Brief von ihm mit dem Auftrage vorzuweisen. Mein Vorschlag wäre daher, daß mir Kn.[orring] einen ostensiblen Brief in französischer Sprache schriebe, worin er mir etwa Banquiers in Paris oder Genf nennte, die er bey seinem Aufenthalte an diesen Örtern gekannt, und die daher bereitwillig seyn würden, ihm das Geschäft, das er, bey den großen Erwartungen zu denen er berechtigt ist, als nicht sehr bedeutend betrachten dürfte, zu besorgen. Alsdann will ich mir alle Mühe geben, das Darlehen in Paris zu negoziiren, wohin ich sehr bald gehen werde, vermuthlich so bald, als nur irgend ein Brief von Rom zurückkommen kann. Sollte es mir nicht glücken, so glaube ich, würde es Kn.[orring] ein leichtes seyn, wenn er selbst nach Livorno gehen wollte, wo ja ein russischer Consul seyn muß, der den andern Banquiers die gehörigen Begriffe über die Sicherheit die er ihnen geben kann, beybringen könnte, dieß Geschäft oder selbst ein noch bedeutenderes in Richtigkeit zu bringen. Und die Reise nach Livorno müßte sich in wenigen Tagen machen lassen. Doch dieß ist nur ein hingeworfner Gedanke auf allen Fall. Was Sie mir von dem Wucher in Rom sagen, ist in der That entsetzlich. Ist es denn gar nicht möglich, dort auf geringere Zinsen, als die Sie mir angeben, Geld geliehen zu erhalten?
Ich hoffe immer, daß Kn.[orring] ohne Störung wird in Rom bleiben können, falls auch der Krieg mit Rußland fortdauern, oder sich heftiger wieder erneuern sollte. Denn Rom ist ja doch für jetzt ein neutraler Ort, und muß es bleiben, wenn ihm nicht eine gänzliche Veränderung seiner Verfassung bevorsteht, wogegen man freylich nicht gut sagen kann in den gegenwärtigen Zeiten, wo wir fast täglich soviel unerhörtes erleben. Indessen ist ein Landsmann von Kn.[orring], ein HE. von Stakelberg, den ganzen Winter über hier auf französischem Boden völlig unangefochten geblieben. Ich sollte denken Kn.[orring] würde für einen Deutschen angesehn werden; freylich ist sein Name in Frankreich bekannter als ein andrer.
In Absicht auf den Brief an den alten Bernh.[ardi] habe ich noch nichts gethan, da Sie Ihren anfänglichen Gedanken, daß ich ihn verklagen sollte, aufgegeben. Ich hätte Lust, an den alten Bernh.[ardi] einen offnen Brief an Hufeland einzulegen, und diesen zu bitten ihn beliebig in Abschrift in Berlin herum zu zeigen. Diesen Brief wollte ich mit aller Höflichkeit und Beobachtung der von Ihnen mir vorgeschriebnen Vorsichten, so demüthigend als möglich für den Sohn einrichten. Da ich aber nicht wußte, ob Sie es gut heißen würden, habe ich bis jetzt nichts gethan. Entscheiden Sie ob ich es noch thun soll.
Der Brief des Alten ist übrigens ein Muster von Abgeschmacktheit. Die Zitation des Gesetzes vom Kinderstehlen ist gar zu toll, da es darin heißt den Eltern, als ob die Mutter nicht dazu gehörte. Übrigens insistirt er sehr auf das kostenfrey zurückliefern, und will die Auslage der Regierung zuschieben, niemals wird er das Geld zu einer Reise nach Italien, um die Kinder zu hohlen hergeben; der Himmel erhalte ihn lange, so hat der Sohn das Geld nicht dazu, und erlöst uns unterdessen vielleicht durch seinen Tod von allen Schwierigkeiten.
Hier das verlangte Zeugniß von Fr.[au] v. St[aël], das meinige mit nächstem Briefe, ich wollte es mit rechter Überlegung schreiben. Von Lyon aus schreibe ich Ihnen wieder.
×
×