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$viewFile = '/var/www/awschlegel/version-10-19/app/View/Letters/view.ctp' $dataForView = array( 'html' => '<span class="index-887 tp-20581 ">Bonn</span> d. 19 Sept. [18]37<br>Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch <span class="doc-1217 ">Ihren Brief</span> und <span class="index-3866 tp-20582 ">Ihre Abhandlung</span>; auch <span class="index-6721 tp-45246 ">der Akademie</span> bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre <span class="index-3842 tp-45245 ">Babylonische</span> Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit <span class="index-3824 tp-20583 ">Letronne</span>, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen <span class="index-3544 tp-20584 ">Raoul-Rochette</span> und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist <span class="index-3847 tp-20585 ">seine Schrift </span><span class="index-3847 tp-20585 slant-italic ">Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens</span>, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in <span class="index-15 tp-20586 ">Berlin</span> leicht <span class="index-3829 tp-20587 ">die </span><span class="index-3829 tp-20587 slant-italic ">Revue des deux mondes</span> verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift <span class="doc-1218 ">meines Briefes an ihn</span>, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <span class="index-3867 tp-20588 ">Tentyra</span> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <span class="index-3561 tp-20591 ">von Bohlen</span> und <span class="index-3845 tp-20590 ">Stuhr</span>! Welche Nachbarschaft!<br>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <span class="index-4004 tp-45247 slant-italic ">Tros Rutulusve fuat</span><span class="slant-italic ">!</span> Die <span class="index-3842 tp-45248 ">Babylonier</span>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<br>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<br><span class="index-3824 tp-45249 ">Letronne</span>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <span class="index-3841 tp-20595 ">der Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-20595 index-3839 tp-20593 index-3840 tp-20594 ">Prichard</span> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<br>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<br>Lesen Sie doch, was ich in <span class="index-2322 tp-20596 ">der Ind. Bibl.</span> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <span class="index-2566 tp-20597 index-3868 tp-20599 weight-bold ">Lassen</span> (in <span class="index-3787 tp-20598 index-3869 tp-20600 ">Ewalds</span><span class="index-3869 tp-20600 "> Zeitschrift</span>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<br>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <span class="index-3870 tp-20602 ">die Vedaʼs</span> und <span class="index-3717 tp-20601 ">das Gesetzbuch des Manus</span>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <span class="weight-bold ">çruti</span>, auditio, das Gesetz <span class="weight-bold ">smriti</span>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<span class="offset-4 ">ten</span> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<br><span class="index-3824 tp-45250 ">Letronne</span> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <span class="index-2385 tp-20603 ">Colebrooke</span>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <span class="index-3872 tp-20606 ">Original-Werk von </span><span class="index-3872 tp-20606 index-3871 tp-20604 ">Ârya-bhaṫṫa</span> verschaffen: in <span class="index-3873 tp-20607 index-3524 tp-45251 ">Mackenzieʼs</span><span class="index-3524 tp-45251 "> Catalog</span> steht schon eines, oder gar zwei.<br>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <span class="index-2385 tp-45253 ">Colebrooke</span> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<br>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <span class="index-1821 tp-20605 index-3874 tp-20608 ">des Euklides</span>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<br>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <span class="index-2600 tp-20614 ">Réflexions</span>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<br>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <span class="index-3766 tp-20613 ">Jones</span>, <span class="index-3882 tp-20651 ">Davies</span> und <span class="index-2385 tp-45254 ">Colebrooke</span> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<br>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <span class="index-3763 tp-45256 ">das von </span><span class="index-3763 tp-45256 index-3898 tp-45255 ">Amara-Sinha</span>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, ein Bild des Thierkreises, <span class="slant-italic ">lagna</span> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <span class="slant-italic ">râçi</span>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <span class="weight-bold ">Sterngruppe</span> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <span class="weight-bold slant-italic ">mêsha</span>, aries; <span class="slant-italic ">râçayah mêshâdayah</span>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<br>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 ">mit </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-900 tp-20609 ">Chézy</span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 "> und </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-3590 tp-20610 ">Langlois</span>, mit <span class="index-2208 tp-20611 ">Heeren</span>, mit <span class="index-2553 tp-20612 ">Wilson</span>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <span class="index-2327 tp-20615 ">Niebuhr</span> sagte in <span class="index-3875 tp-20616 ">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</span>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <span class="index-3876 tp-20617 ">Bayerus</span> redivivus!<br>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <span class="index-3842 tp-45257 ">Babylonier</span> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<br>Ferner: wie erklären Sie <span class="index-2218 tp-20618 index-3879 tp-20622 ">Herodot.</span> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <span class="index-3877 tp-20619 ">Ihren Philolaos</span>, den <span class="index-3824 tp-45259 ">Letronne</span> citirt.<br>Die Angabe <span class="index-3879 tp-45260 ">Herodot.</span> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <span class="index-3824 tp-45261 ">Letronne</span> so modern macht. Und wie war ein <span class="slant-italic ">horoscopus genethliacus</span> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<br>Hat etwa <span class="index-3824 tp-45258 ">Letronne</span> <span class="index-3879 tp-20621 ">den Herodotus</span> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <span class="index-3878 tp-20620 ">Champollion</span> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<br>Was hat <span class="index-3899 tp-45264 ">Hr. Ideler</span> über <span class="index-3841 tp-45262 ">meine Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-45262 index-3840 tp-45263 ">Prichard</span> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<br>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<br>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <span class="index-6004 tp-45265 ">Rector</span> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<br>Ihr treuer Antimodernist<br><span class="weight-bold ">A. W. v. 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Ab 1803 begann er ein Studium der Theologie an der Universität Halle. Unter dem Einfluß von Friedrich August Wolf wandte er sich der Philologie zu. 1807 erfolgte die Promotion, noch im selben Jahr habilitierte er sich und bekam eine außerordentliche Professur an der Universität Heidelberg. 1809 erhielt er dort das Ordinariat. Böckh stand in Kontakt mit Heidelberger Romantikern. 1811 wechselte er an die neugegründete Universität Berlin. Dabei arbeitete er eng mit Wilhelm von Humboldt zusammen und hatte wiederholt das Amt des Dekans und das des Rektors inne. Zu seinen wissenschaftlichen Leistungen gehörte die Herausgabe der Pindarausgabe (1811–1821). Ab 1815 arbeitete Böckh am „Corpus inscriptionum Graecarum“ und begründete damit die wissenschaftliche griechische Epigraphik. 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Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 527‒532.', 'Incipit' => '„Bonn d. 19 Sept. 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Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <span class="index-3867 tp-20588 ">Tentyra</span> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <span class="index-3561 tp-20591 ">von Bohlen</span> und <span class="index-3845 tp-20590 ">Stuhr</span>! Welche Nachbarschaft!<br>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <span class="index-4004 tp-45247 slant-italic ">Tros Rutulusve fuat</span><span class="slant-italic ">!</span> Die <span class="index-3842 tp-45248 ">Babylonier</span>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<br>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<br><span class="index-3824 tp-45249 ">Letronne</span>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <span class="index-3841 tp-20595 ">der Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-20595 index-3839 tp-20593 index-3840 tp-20594 ">Prichard</span> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<br>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<br>Lesen Sie doch, was ich in <span class="index-2322 tp-20596 ">der Ind. Bibl.</span> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <span class="index-2566 tp-20597 index-3868 tp-20599 weight-bold ">Lassen</span> (in <span class="index-3787 tp-20598 index-3869 tp-20600 ">Ewalds</span><span class="index-3869 tp-20600 "> Zeitschrift</span>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<br>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <span class="index-3870 tp-20602 ">die Vedaʼs</span> und <span class="index-3717 tp-20601 ">das Gesetzbuch des Manus</span>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <span class="weight-bold ">çruti</span>, auditio, das Gesetz <span class="weight-bold ">smriti</span>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<span class="offset-4 ">ten</span> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<br><span class="index-3824 tp-45250 ">Letronne</span> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <span class="index-2385 tp-20603 ">Colebrooke</span>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <span class="index-3872 tp-20606 ">Original-Werk von </span><span class="index-3872 tp-20606 index-3871 tp-20604 ">Ârya-bhaṫṫa</span> verschaffen: in <span class="index-3873 tp-20607 index-3524 tp-45251 ">Mackenzieʼs</span><span class="index-3524 tp-45251 "> Catalog</span> steht schon eines, oder gar zwei.<br>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <span class="index-2385 tp-45253 ">Colebrooke</span> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<br>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <span class="index-1821 tp-20605 index-3874 tp-20608 ">des Euklides</span>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<br>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <span class="index-2600 tp-20614 ">Réflexions</span>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<br>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <span class="index-3766 tp-20613 ">Jones</span>, <span class="index-3882 tp-20651 ">Davies</span> und <span class="index-2385 tp-45254 ">Colebrooke</span> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<br>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <span class="index-3763 tp-45256 ">das von </span><span class="index-3763 tp-45256 index-3898 tp-45255 ">Amara-Sinha</span>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, ein Bild des Thierkreises, <span class="slant-italic ">lagna</span> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <span class="slant-italic ">râçi</span>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <span class="weight-bold ">Sterngruppe</span> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <span class="weight-bold slant-italic ">mêsha</span>, aries; <span class="slant-italic ">râçayah mêshâdayah</span>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<br>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 ">mit </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-900 tp-20609 ">Chézy</span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 "> und </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-3590 tp-20610 ">Langlois</span>, mit <span class="index-2208 tp-20611 ">Heeren</span>, mit <span class="index-2553 tp-20612 ">Wilson</span>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <span class="index-2327 tp-20615 ">Niebuhr</span> sagte in <span class="index-3875 tp-20616 ">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</span>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <span class="index-3876 tp-20617 ">Bayerus</span> redivivus!<br>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <span class="index-3842 tp-45257 ">Babylonier</span> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<br>Ferner: wie erklären Sie <span class="index-2218 tp-20618 index-3879 tp-20622 ">Herodot.</span> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <span class="index-3877 tp-20619 ">Ihren Philolaos</span>, den <span class="index-3824 tp-45259 ">Letronne</span> citirt.<br>Die Angabe <span class="index-3879 tp-45260 ">Herodot.</span> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <span class="index-3824 tp-45261 ">Letronne</span> so modern macht. Und wie war ein <span class="slant-italic ">horoscopus genethliacus</span> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<br>Hat etwa <span class="index-3824 tp-45258 ">Letronne</span> <span class="index-3879 tp-20621 ">den Herodotus</span> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <span class="index-3878 tp-20620 ">Champollion</span> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<br>Was hat <span class="index-3899 tp-45264 ">Hr. Ideler</span> über <span class="index-3841 tp-45262 ">meine Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-45262 index-3840 tp-45263 ">Prichard</span> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<br>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<br>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <span class="index-6004 tp-45265 ">Rector</span> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<br>Ihr treuer Antimodernist<br><span class="weight-bold ">A. W. v. Schlegel</span>', '36_xml' => '<p><placeName key="887">Bonn</placeName> d. 19 Sept. 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Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <persName key="2385">Colebrooke</persName> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<lb/>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <persName key="1821"><name key="3874" type="work">des Euklides</name></persName>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<lb/>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <name key="2600" type="work">Réflexions</name>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<lb/>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <persName key="3766">Jones</persName>, <persName key="3882">Davies</persName> und <persName key="2385">Colebrooke</persName> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<lb/>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <name key="3763" type="work">das von <persName key="3898">Amara-Sinha</persName></name>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, ein Bild des Thierkreises, <hi rend="slant:italic">lagna</hi> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <hi rend="slant:italic">râçi</hi>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <hi rend="weight:bold">Sterngruppe</hi> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <hi rend="weight:bold;slant:italic">mêsha</hi>, aries; <hi rend="slant:italic">râçayah mêshâdayah</hi>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<lb/>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <name key="9946" type="work"><name key="14597" type="work"><name key="3592" type="work">mit <persName key="900">Chézy</persName> und <persName key="3590">Langlois</persName></name></name></name>, mit <persName key="2208">Heeren</persName>, mit <persName key="2553">Wilson</persName>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <persName key="2327">Niebuhr</persName> sagte in <name key="3875" type="work">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</name>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <persName key="3876">Bayerus</persName> redivivus!<lb/>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <placeName key="3842">Babylonier</placeName> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<lb/>Ferner: wie erklären Sie <persName key="2218"><name key="3879" type="work">Herodot.</name></persName> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <name key="3877" type="work">Ihren Philolaos</name>, den <persName key="3824">Letronne</persName> citirt.<lb/>Die Angabe <name key="3879" type="work">Herodot.</name> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <persName key="3824">Letronne</persName> so modern macht. Und wie war ein <hi rend="slant:italic">horoscopus genethliacus</hi> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<lb/>Hat etwa <persName key="3824">Letronne</persName> <name key="3879" type="work">den Herodotus</name> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <persName key="3878">Champollion</persName> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<lb/>Was hat <persName key="3899">Hr. Ideler</persName> über <name key="3841" type="work">meine Vorrede zum <name key="3840" type="work">Prichard</name></name> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<lb/>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<lb/>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <orgName key="6004">Rector</orgName> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<lb/>Ihr treuer Antimodernist<lb/><hi rend="weight:bold">A. W. v. Schlegel</hi></p>', '36_xml_standoff' => '<anchor type="b" n="887" ana="10" xml:id="NidB20581"/>Bonn<anchor type="e" n="887" ana="10" xml:id="NidE20581"/> d. 19 Sept. [18]37<lb/>Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch <ref target="fud://1217">Ihren Brief</ref> und <anchor type="b" n="3866" ana="12" xml:id="NidB20582"/>Ihre Abhandlung<anchor type="e" n="3866" ana="12" xml:id="NidE20582"/>; auch <anchor type="b" n="6721" ana="15" xml:id="NidB45246"/>der Akademie<anchor type="e" n="6721" ana="15" xml:id="NidE45246"/> bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45245"/>Babylonische<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45245"/> Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB20583"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE20583"/>, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen <anchor type="b" n="3544" ana="11" xml:id="NidB20584"/>Raoul-Rochette<anchor type="e" n="3544" ana="11" xml:id="NidE20584"/> und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist <anchor type="b" n="3847" ana="12" xml:id="NidB20585"/>seine Schrift <hi rend="slant:italic">Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens</hi><anchor type="e" n="3847" ana="12" xml:id="NidE20585"/>, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB20586"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE20586"/> leicht <anchor type="b" n="3829" ana="13" xml:id="NidB20587"/>die <hi rend="slant:italic">Revue des deux mondes</hi><anchor type="e" n="3829" ana="13" xml:id="NidE20587"/> verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift <ref target="fud://1218">meines Briefes an ihn</ref>, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <anchor type="b" n="3867" ana="10" xml:id="NidB20588"/>Tentyra<anchor type="e" n="3867" ana="10" xml:id="NidE20588"/> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <anchor type="b" n="3561" ana="11" xml:id="NidB20591"/>von Bohlen<anchor type="e" n="3561" ana="11" xml:id="NidE20591"/> und <anchor type="b" n="3845" ana="11" xml:id="NidB20590"/>Stuhr<anchor type="e" n="3845" ana="11" xml:id="NidE20590"/>! Welche Nachbarschaft!<lb/>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <hi rend="slant:italic"><anchor type="b" n="4004" ana="12" xml:id="NidB45247"/>Tros Rutulusve fuat<anchor type="e" n="4004" ana="12" xml:id="NidE45247"/>!</hi> Die <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45248"/>Babylonier<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45248"/>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<lb/>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<lb/><anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45249"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45249"/>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <anchor type="b" n="3841" ana="12" xml:id="NidB20595"/>der Vorrede zum <anchor type="b" n="3839" ana="11" xml:id="NidB20593"/><anchor type="b" n="3840" ana="12" xml:id="NidB20594"/>Prichard<anchor type="e" n="3840" ana="12" xml:id="NidE20594"/><anchor type="e" n="3839" ana="11" xml:id="NidE20593"/><anchor type="e" n="3841" ana="12" xml:id="NidE20595"/> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<lb/>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<lb/>Lesen Sie doch, was ich in <anchor type="b" n="2322" ana="13" xml:id="NidB20596"/>der Ind. Bibl.<anchor type="e" n="2322" ana="13" xml:id="NidE20596"/> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <anchor type="b" n="2566" ana="11" xml:id="NidB20597"/><anchor type="b" n="3868" ana="12" xml:id="NidB20599"/><hi rend="weight:bold">Lassen</hi><anchor type="e" n="3868" ana="12" xml:id="NidE20599"/><anchor type="e" n="2566" ana="11" xml:id="NidE20597"/> (in <anchor type="b" n="3869" ana="13" xml:id="NidB20600"/><anchor type="b" n="3787" ana="11" xml:id="NidB20598"/>Ewalds<anchor type="e" n="3787" ana="11" xml:id="NidE20598"/> Zeitschrift<anchor type="e" n="3869" ana="13" xml:id="NidE20600"/>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<lb/>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <anchor type="b" n="3870" ana="12" xml:id="NidB20602"/>die Vedaʼs<anchor type="e" n="3870" ana="12" xml:id="NidE20602"/> und <anchor type="b" n="3717" ana="12" xml:id="NidB20601"/>das Gesetzbuch des Manus<anchor type="e" n="3717" ana="12" xml:id="NidE20601"/>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <hi rend="weight:bold">çruti</hi>, auditio, das Gesetz <hi rend="weight:bold">smriti</hi>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<hi rend="offset:4">ten</hi> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<lb/><anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45250"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45250"/> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <anchor type="b" n="2385" ana="11" xml:id="NidB20603"/>Colebrooke<anchor type="e" n="2385" ana="11" xml:id="NidE20603"/>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <anchor type="b" n="3872" ana="12" xml:id="NidB20606"/>Original-Werk von <anchor type="b" n="3871" ana="11" xml:id="NidB20604"/>Ârya-bhaṫṫa<anchor type="e" n="3871" ana="11" xml:id="NidE20604"/><anchor type="e" n="3872" ana="12" xml:id="NidE20606"/> verschaffen: in <anchor type="b" n="3524" ana="12" xml:id="NidB45251"/><anchor type="b" n="3873" ana="11" xml:id="NidB20607"/>Mackenzieʼs<anchor type="e" n="3873" ana="11" xml:id="NidE20607"/> Catalog<anchor type="e" n="3524" ana="12" xml:id="NidE45251"/> steht schon eines, oder gar zwei.<lb/>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <anchor type="b" n="2385" ana="11" xml:id="NidB45253"/>Colebrooke<anchor type="e" n="2385" ana="11" xml:id="NidE45253"/> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<lb/>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <anchor type="b" n="1821" ana="11" xml:id="NidB20605"/><anchor type="b" n="3874" ana="12" xml:id="NidB20608"/>des Euklides<anchor type="e" n="3874" ana="12" xml:id="NidE20608"/><anchor type="e" n="1821" ana="11" xml:id="NidE20605"/>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<lb/>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <anchor type="b" n="2600" ana="12" xml:id="NidB20614"/>Réflexions<anchor type="e" n="2600" ana="12" xml:id="NidE20614"/>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<lb/>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <anchor type="b" n="3766" ana="11" xml:id="NidB20613"/>Jones<anchor type="e" n="3766" ana="11" xml:id="NidE20613"/>, <anchor type="b" n="3882" ana="11" xml:id="NidB20651"/>Davies<anchor type="e" n="3882" ana="11" xml:id="NidE20651"/> und <anchor type="b" n="2385" ana="11" xml:id="NidB45254"/>Colebrooke<anchor type="e" n="2385" ana="11" xml:id="NidE45254"/> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<lb/>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <anchor type="b" n="3763" ana="12" xml:id="NidB45256"/>das von <anchor type="b" n="3898" ana="11" xml:id="NidB45255"/>Amara-Sinha<anchor type="e" n="3898" ana="11" xml:id="NidE45255"/><anchor type="e" n="3763" ana="12" xml:id="NidE45256"/>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, ein Bild des Thierkreises, <hi rend="slant:italic">lagna</hi> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <hi rend="slant:italic">râçi</hi>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <hi rend="weight:bold">Sterngruppe</hi> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <hi rend="weight:bold;slant:italic">mêsha</hi>, aries; <hi rend="slant:italic">râçayah mêshâdayah</hi>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<lb/>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <anchor type="b" n="9946" ana="12" xml:id="NidB89180"/><anchor type="b" n="14597" ana="12" xml:id="NidB89178"/><anchor type="b" n="3592" ana="12" xml:id="NidB89179"/>mit <anchor type="b" n="900" ana="11" xml:id="NidB20609"/>Chézy<anchor type="e" n="900" ana="11" xml:id="NidE20609"/> und <anchor type="b" n="3590" ana="11" xml:id="NidB20610"/>Langlois<anchor type="e" n="3590" ana="11" xml:id="NidE20610"/><anchor type="e" n="3592" ana="12" xml:id="NidE89179"/><anchor type="e" n="14597" ana="12" xml:id="NidE89178"/><anchor type="e" n="9946" ana="12" xml:id="NidE89180"/>, mit <anchor type="b" n="2208" ana="11" xml:id="NidB20611"/>Heeren<anchor type="e" n="2208" ana="11" xml:id="NidE20611"/>, mit <anchor type="b" n="2553" ana="11" xml:id="NidB20612"/>Wilson<anchor type="e" n="2553" ana="11" xml:id="NidE20612"/>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <anchor type="b" n="2327" ana="11" xml:id="NidB20615"/>Niebuhr<anchor type="e" n="2327" ana="11" xml:id="NidE20615"/> sagte in <anchor type="b" n="3875" ana="12" xml:id="NidB20616"/>seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte<anchor type="e" n="3875" ana="12" xml:id="NidE20616"/>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <anchor type="b" n="3876" ana="11" xml:id="NidB20617"/>Bayerus<anchor type="e" n="3876" ana="11" xml:id="NidE20617"/> redivivus!<lb/>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45257"/>Babylonier<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45257"/> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<lb/>Ferner: wie erklären Sie <anchor type="b" n="2218" ana="11" xml:id="NidB20618"/><anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB20622"/>Herodot.<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE20622"/><anchor type="e" n="2218" ana="11" xml:id="NidE20618"/> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <anchor type="b" n="3877" ana="12" xml:id="NidB20619"/>Ihren Philolaos<anchor type="e" n="3877" ana="12" xml:id="NidE20619"/>, den <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45259"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45259"/> citirt.<lb/>Die Angabe <anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB45260"/>Herodot.<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE45260"/> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45261"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45261"/> so modern macht. Und wie war ein <hi rend="slant:italic">horoscopus genethliacus</hi> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<lb/>Hat etwa <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45258"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45258"/> <anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB20621"/>den Herodotus<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE20621"/> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <anchor type="b" n="3878" ana="11" xml:id="NidB20620"/>Champollion<anchor type="e" n="3878" ana="11" xml:id="NidE20620"/> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<lb/>Was hat <anchor type="b" n="3899" ana="11" xml:id="NidB45264"/>Hr. Ideler<anchor type="e" n="3899" ana="11" xml:id="NidE45264"/> über <anchor type="b" n="3841" ana="12" xml:id="NidB45262"/>meine Vorrede zum <anchor type="b" n="3840" ana="12" xml:id="NidB45263"/>Prichard<anchor type="e" n="3840" ana="12" xml:id="NidE45263"/><anchor type="e" n="3841" ana="12" xml:id="NidE45262"/> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<lb/>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<lb/>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <anchor type="b" n="6004" ana="15" xml:id="NidB45265"/>Rector<anchor type="e" n="6004" ana="15" xml:id="NidE45265"/> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<lb/>Ihr treuer Antimodernist<lb/><hi rend="weight:bold">A. W. v. Schlegel</hi>', '36_datengeber' => 'Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden', '36_purl' => '343347008', '36_briefid' => '343347008_AWSanBoeckh_19091837', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datumvon' => '1837-09-19', '36_absender' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_leitd' => 'Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 527‒532.', '36_sprache' => array( (int) 0 => 'Deutsch' ), '36_status' => 'Einmal kollationierter Druckvolltext mit Registerauszeichnung', '36_purl_web' => '757', '36_anmerkungextern' => 'Beilage dazu: s. 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[18]37<br>Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch <span class="doc-1217 ">Ihren Brief</span> und <span class="index-3866 tp-20582 ">Ihre Abhandlung</span>; auch <span class="index-6721 tp-45246 ">der Akademie</span> bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre <span class="index-3842 tp-45245 ">Babylonische</span> Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit <span class="index-3824 tp-20583 ">Letronne</span>, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen <span class="index-3544 tp-20584 ">Raoul-Rochette</span> und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist <span class="index-3847 tp-20585 ">seine Schrift </span><span class="index-3847 tp-20585 slant-italic ">Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens</span>, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in <span class="index-15 tp-20586 ">Berlin</span> leicht <span class="index-3829 tp-20587 ">die </span><span class="index-3829 tp-20587 slant-italic ">Revue des deux mondes</span> verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift <span class="doc-1218 ">meines Briefes an ihn</span>, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <span class="index-3867 tp-20588 ">Tentyra</span> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <span class="index-3561 tp-20591 ">von Bohlen</span> und <span class="index-3845 tp-20590 ">Stuhr</span>! Welche Nachbarschaft!<br>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <span class="index-4004 tp-45247 slant-italic ">Tros Rutulusve fuat</span><span class="slant-italic ">!</span> Die <span class="index-3842 tp-45248 ">Babylonier</span>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<br>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<br><span class="index-3824 tp-45249 ">Letronne</span>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <span class="index-3841 tp-20595 ">der Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-20595 index-3839 tp-20593 index-3840 tp-20594 ">Prichard</span> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<br>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<br>Lesen Sie doch, was ich in <span class="index-2322 tp-20596 ">der Ind. Bibl.</span> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <span class="index-2566 tp-20597 index-3868 tp-20599 weight-bold ">Lassen</span> (in <span class="index-3787 tp-20598 index-3869 tp-20600 ">Ewalds</span><span class="index-3869 tp-20600 "> Zeitschrift</span>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<br>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <span class="index-3870 tp-20602 ">die Vedaʼs</span> und <span class="index-3717 tp-20601 ">das Gesetzbuch des Manus</span>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <span class="weight-bold ">çruti</span>, auditio, das Gesetz <span class="weight-bold ">smriti</span>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<span class="offset-4 ">ten</span> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<br><span class="index-3824 tp-45250 ">Letronne</span> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <span class="index-2385 tp-20603 ">Colebrooke</span>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <span class="index-3872 tp-20606 ">Original-Werk von </span><span class="index-3872 tp-20606 index-3871 tp-20604 ">Ârya-bhaṫṫa</span> verschaffen: in <span class="index-3873 tp-20607 index-3524 tp-45251 ">Mackenzieʼs</span><span class="index-3524 tp-45251 "> Catalog</span> steht schon eines, oder gar zwei.<br>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <span class="index-2385 tp-45253 ">Colebrooke</span> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<br>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <span class="index-1821 tp-20605 index-3874 tp-20608 ">des Euklides</span>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<br>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <span class="index-2600 tp-20614 ">Réflexions</span>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<br>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <span class="index-3766 tp-20613 ">Jones</span>, <span class="index-3882 tp-20651 ">Davies</span> und <span class="index-2385 tp-45254 ">Colebrooke</span> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<br>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <span class="index-3763 tp-45256 ">das von </span><span class="index-3763 tp-45256 index-3898 tp-45255 ">Amara-Sinha</span>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, ein Bild des Thierkreises, <span class="slant-italic ">lagna</span> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <span class="slant-italic ">râçi</span>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <span class="weight-bold ">Sterngruppe</span> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <span class="weight-bold slant-italic ">mêsha</span>, aries; <span class="slant-italic ">râçayah mêshâdayah</span>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<br>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 ">mit </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-900 tp-20609 ">Chézy</span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 "> und </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-3590 tp-20610 ">Langlois</span>, mit <span class="index-2208 tp-20611 ">Heeren</span>, mit <span class="index-2553 tp-20612 ">Wilson</span>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <span class="index-2327 tp-20615 ">Niebuhr</span> sagte in <span class="index-3875 tp-20616 ">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</span>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <span class="index-3876 tp-20617 ">Bayerus</span> redivivus!<br>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <span class="index-3842 tp-45257 ">Babylonier</span> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<br>Ferner: wie erklären Sie <span class="index-2218 tp-20618 index-3879 tp-20622 ">Herodot.</span> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <span class="index-3877 tp-20619 ">Ihren Philolaos</span>, den <span class="index-3824 tp-45259 ">Letronne</span> citirt.<br>Die Angabe <span class="index-3879 tp-45260 ">Herodot.</span> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <span class="index-3824 tp-45261 ">Letronne</span> so modern macht. Und wie war ein <span class="slant-italic ">horoscopus genethliacus</span> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<br>Hat etwa <span class="index-3824 tp-45258 ">Letronne</span> <span class="index-3879 tp-20621 ">den Herodotus</span> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <span class="index-3878 tp-20620 ">Champollion</span> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<br>Was hat <span class="index-3899 tp-45264 ">Hr. Ideler</span> über <span class="index-3841 tp-45262 ">meine Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-45262 index-3840 tp-45263 ">Prichard</span> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<br>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<br>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <span class="index-6004 tp-45265 ">Rector</span> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<br>Ihr treuer Antimodernist<br><span class="weight-bold ">A. W. v. Schlegel</span>' $isaprint = true $isnewtranslation = false $statemsg = 'betamsg13' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/757' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an August Böckh am 19.09.1837, Bonn' $adressatort = 'Unknown' $absendeort = 'Bonn <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/1001909-1">GND</a>' $date = '19.09.1837' $adressat = array( (int) 7541 => array( 'ID' => '7541', 'project' => '1', 'timecreate' => '2015-08-10 09:44:24', 'timelastchg' => '2017-10-04 11:30:04', 'key' => 'AWS-ap-00k2', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_gebdatum' => '1785-11-24', '39_geschlecht' => 'm', '39_name' => 'Böckh, August', '39_namevar' => 'Böckh, August Boeck, August Boeckh, August', '39_geburtsort' => array( 'ID' => '5039', 'content' => 'Karlsruhe', 'bemerkung' => 'GND:4029713-5', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_toddatum' => '1867-08-03', '39_sterbeort' => array( 'ID' => '15', 'content' => 'Berlin', 'bemerkung' => 'GND:2004272-3', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_lebenwirken' => 'Gräzist August Böckh besuchte das Gymnasium in Karlsruhe. Ab 1803 begann er ein Studium der Theologie an der Universität Halle. Unter dem Einfluß von Friedrich August Wolf wandte er sich der Philologie zu. 1807 erfolgte die Promotion, noch im selben Jahr habilitierte er sich und bekam eine außerordentliche Professur an der Universität Heidelberg. 1809 erhielt er dort das Ordinariat. Böckh stand in Kontakt mit Heidelberger Romantikern. 1811 wechselte er an die neugegründete Universität Berlin. Dabei arbeitete er eng mit Wilhelm von Humboldt zusammen und hatte wiederholt das Amt des Dekans und das des Rektors inne. Zu seinen wissenschaftlichen Leistungen gehörte die Herausgabe der Pindarausgabe (1811–1821). Ab 1815 arbeitete Böckh am „Corpus inscriptionum Graecarum“ und begründete damit die wissenschaftliche griechische Epigraphik. 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[18]37<br>Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch <span class="doc-1217 ">Ihren Brief</span> und <span class="index-3866 tp-20582 ">Ihre Abhandlung</span>; auch <span class="index-6721 tp-45246 ">der Akademie</span> bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre <span class="index-3842 tp-45245 ">Babylonische</span> Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit <span class="index-3824 tp-20583 ">Letronne</span>, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. 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Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <span class="index-3867 tp-20588 ">Tentyra</span> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <span class="index-3561 tp-20591 ">von Bohlen</span> und <span class="index-3845 tp-20590 ">Stuhr</span>! Welche Nachbarschaft!<br>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <span class="index-4004 tp-45247 slant-italic ">Tros Rutulusve fuat</span><span class="slant-italic ">!</span> Die <span class="index-3842 tp-45248 ">Babylonier</span>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<br>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<br><span class="index-3824 tp-45249 ">Letronne</span>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <span class="index-3841 tp-20595 ">der Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-20595 index-3839 tp-20593 index-3840 tp-20594 ">Prichard</span> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<br>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<br>Lesen Sie doch, was ich in <span class="index-2322 tp-20596 ">der Ind. Bibl.</span> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <span class="index-2566 tp-20597 index-3868 tp-20599 weight-bold ">Lassen</span> (in <span class="index-3787 tp-20598 index-3869 tp-20600 ">Ewalds</span><span class="index-3869 tp-20600 "> Zeitschrift</span>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<br>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <span class="index-3870 tp-20602 ">die Vedaʼs</span> und <span class="index-3717 tp-20601 ">das Gesetzbuch des Manus</span>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <span class="weight-bold ">çruti</span>, auditio, das Gesetz <span class="weight-bold ">smriti</span>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<span class="offset-4 ">ten</span> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<br><span class="index-3824 tp-45250 ">Letronne</span> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <span class="index-2385 tp-20603 ">Colebrooke</span>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <span class="index-3872 tp-20606 ">Original-Werk von </span><span class="index-3872 tp-20606 index-3871 tp-20604 ">Ârya-bhaṫṫa</span> verschaffen: in <span class="index-3873 tp-20607 index-3524 tp-45251 ">Mackenzieʼs</span><span class="index-3524 tp-45251 "> Catalog</span> steht schon eines, oder gar zwei.<br>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <span class="index-2385 tp-45253 ">Colebrooke</span> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<br>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <span class="index-1821 tp-20605 index-3874 tp-20608 ">des Euklides</span>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<br>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <span class="index-2600 tp-20614 ">Réflexions</span>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<br>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <span class="index-3766 tp-20613 ">Jones</span>, <span class="index-3882 tp-20651 ">Davies</span> und <span class="index-2385 tp-45254 ">Colebrooke</span> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<br>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <span class="index-3763 tp-45256 ">das von </span><span class="index-3763 tp-45256 index-3898 tp-45255 ">Amara-Sinha</span>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, ein Bild des Thierkreises, <span class="slant-italic ">lagna</span> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <span class="weight-bold slant-italic ">râçi</span>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <span class="slant-italic ">râçi</span>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <span class="weight-bold ">Sterngruppe</span> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <span class="weight-bold slant-italic ">mêsha</span>, aries; <span class="slant-italic ">râçayah mêshâdayah</span>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<br>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 ">mit </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-900 tp-20609 ">Chézy</span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 "> und </span><span class="index-9946 tp-89180 index-14597 tp-89178 index-3592 tp-89179 index-3590 tp-20610 ">Langlois</span>, mit <span class="index-2208 tp-20611 ">Heeren</span>, mit <span class="index-2553 tp-20612 ">Wilson</span>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <span class="index-2327 tp-20615 ">Niebuhr</span> sagte in <span class="index-3875 tp-20616 ">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</span>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <span class="index-3876 tp-20617 ">Bayerus</span> redivivus!<br>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <span class="index-3842 tp-45257 ">Babylonier</span> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<br>Ferner: wie erklären Sie <span class="index-2218 tp-20618 index-3879 tp-20622 ">Herodot.</span> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <span class="index-3877 tp-20619 ">Ihren Philolaos</span>, den <span class="index-3824 tp-45259 ">Letronne</span> citirt.<br>Die Angabe <span class="index-3879 tp-45260 ">Herodot.</span> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <span class="index-3824 tp-45261 ">Letronne</span> so modern macht. Und wie war ein <span class="slant-italic ">horoscopus genethliacus</span> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<br>Hat etwa <span class="index-3824 tp-45258 ">Letronne</span> <span class="index-3879 tp-20621 ">den Herodotus</span> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <span class="index-3878 tp-20620 ">Champollion</span> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<br>Was hat <span class="index-3899 tp-45264 ">Hr. Ideler</span> über <span class="index-3841 tp-45262 ">meine Vorrede zum </span><span class="index-3841 tp-45262 index-3840 tp-45263 ">Prichard</span> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<br>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<br>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <span class="index-6004 tp-45265 ">Rector</span> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<br>Ihr treuer Antimodernist<br><span class="weight-bold ">A. W. v. Schlegel</span>', '36_xml' => '<p><placeName key="887">Bonn</placeName> d. 19 Sept. 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Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <placeName key="3867">Tentyra</placeName> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <persName key="3561">von Bohlen</persName> und <persName key="3845">Stuhr</persName>! Welche Nachbarschaft!<lb/>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <hi rend="slant:italic"><name key="4004" type="work">Tros Rutulusve fuat</name>!</hi> Die <placeName key="3842">Babylonier</placeName>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<lb/>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<lb/><persName key="3824">Letronne</persName>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <name key="3841" type="work">der Vorrede zum <persName key="3839"><name key="3840" type="work">Prichard</name></persName></name> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<lb/>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<lb/>Lesen Sie doch, was ich in <name key="2322" type="periodical">der Ind. Bibl.</name> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <persName key="2566"><name key="3868" type="work"><hi rend="weight:bold">Lassen</hi></name></persName> (in <name key="3869" type="periodical"><persName key="3787">Ewalds</persName> Zeitschrift</name>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.<lb/>Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind <name key="3870" type="work">die Vedaʼs</name> und <name key="3717" type="work">das Gesetzbuch des Manus</name>. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen <hi rend="weight:bold">çruti</hi>, auditio, das Gesetz <hi rend="weight:bold">smriti</hi>, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<hi rend="offset:4">ten</hi> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<lb/><persName key="3824">Letronne</persName> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <persName key="2385">Colebrooke</persName>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <name key="3872" type="work">Original-Werk von <persName key="3871">Ârya-bhaṫṫa</persName></name> verschaffen: in <name key="3524" type="work"><persName key="3873">Mackenzieʼs</persName> Catalog</name> steht schon eines, oder gar zwei.<lb/>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich <persName key="2385">Colebrooke</persName> besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.<lb/>Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher <persName key="1821"><name key="3874" type="work">des Euklides</name></persName>, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.<lb/>Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <name key="2600" type="work">Réflexions</name>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<lb/>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <persName key="3766">Jones</persName>, <persName key="3882">Davies</persName> und <persName key="2385">Colebrooke</persName> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<lb/>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <name key="3763" type="work">das von <persName key="3898">Amara-Sinha</persName></name>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, ein Bild des Thierkreises, <hi rend="slant:italic">lagna</hi> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <hi rend="slant:italic">râçi</hi>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <hi rend="weight:bold">Sterngruppe</hi> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <hi rend="weight:bold;slant:italic">mêsha</hi>, aries; <hi rend="slant:italic">râçayah mêshâdayah</hi>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<lb/>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <name key="9946" type="work"><name key="14597" type="work"><name key="3592" type="work">mit <persName key="900">Chézy</persName> und <persName key="3590">Langlois</persName></name></name></name>, mit <persName key="2208">Heeren</persName>, mit <persName key="2553">Wilson</persName>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <persName key="2327">Niebuhr</persName> sagte in <name key="3875" type="work">seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte</name>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <persName key="3876">Bayerus</persName> redivivus!<lb/>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <placeName key="3842">Babylonier</placeName> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<lb/>Ferner: wie erklären Sie <persName key="2218"><name key="3879" type="work">Herodot.</name></persName> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <name key="3877" type="work">Ihren Philolaos</name>, den <persName key="3824">Letronne</persName> citirt.<lb/>Die Angabe <name key="3879" type="work">Herodot.</name> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <persName key="3824">Letronne</persName> so modern macht. Und wie war ein <hi rend="slant:italic">horoscopus genethliacus</hi> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<lb/>Hat etwa <persName key="3824">Letronne</persName> <name key="3879" type="work">den Herodotus</name> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <persName key="3878">Champollion</persName> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<lb/>Was hat <persName key="3899">Hr. Ideler</persName> über <name key="3841" type="work">meine Vorrede zum <name key="3840" type="work">Prichard</name></name> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<lb/>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<lb/>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <orgName key="6004">Rector</orgName> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<lb/>Ihr treuer Antimodernist<lb/><hi rend="weight:bold">A. W. v. Schlegel</hi></p>', '36_xml_standoff' => '<anchor type="b" n="887" ana="10" xml:id="NidB20581"/>Bonn<anchor type="e" n="887" ana="10" xml:id="NidE20581"/> d. 19 Sept. [18]37<lb/>Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch <ref target="fud://1217">Ihren Brief</ref> und <anchor type="b" n="3866" ana="12" xml:id="NidB20582"/>Ihre Abhandlung<anchor type="e" n="3866" ana="12" xml:id="NidE20582"/>; auch <anchor type="b" n="6721" ana="15" xml:id="NidB45246"/>der Akademie<anchor type="e" n="6721" ana="15" xml:id="NidE45246"/> bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45245"/>Babylonische<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45245"/> Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB20583"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE20583"/>, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen <anchor type="b" n="3544" ana="11" xml:id="NidB20584"/>Raoul-Rochette<anchor type="e" n="3544" ana="11" xml:id="NidE20584"/> und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist <anchor type="b" n="3847" ana="12" xml:id="NidB20585"/>seine Schrift <hi rend="slant:italic">Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens</hi><anchor type="e" n="3847" ana="12" xml:id="NidE20585"/>, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB20586"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE20586"/> leicht <anchor type="b" n="3829" ana="13" xml:id="NidB20587"/>die <hi rend="slant:italic">Revue des deux mondes</hi><anchor type="e" n="3829" ana="13" xml:id="NidE20587"/> verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift <ref target="fud://1218">meines Briefes an ihn</ref>, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von <anchor type="b" n="3867" ana="10" xml:id="NidB20588"/>Tentyra<anchor type="e" n="3867" ana="10" xml:id="NidE20588"/> so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen <anchor type="b" n="3561" ana="11" xml:id="NidB20591"/>von Bohlen<anchor type="e" n="3561" ana="11" xml:id="NidE20591"/> und <anchor type="b" n="3845" ana="11" xml:id="NidB20590"/>Stuhr<anchor type="e" n="3845" ana="11" xml:id="NidE20590"/>! Welche Nachbarschaft!<lb/>Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. <hi rend="slant:italic"><anchor type="b" n="4004" ana="12" xml:id="NidB45247"/>Tros Rutulusve fuat<anchor type="e" n="4004" ana="12" xml:id="NidE45247"/>!</hi> Die <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45248"/>Babylonier<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45248"/>, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.<lb/>Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.<lb/><anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45249"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45249"/>ʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in <anchor type="b" n="3841" ana="12" xml:id="NidB20595"/>der Vorrede zum <anchor type="b" n="3839" ana="11" xml:id="NidB20593"/><anchor type="b" n="3840" ana="12" xml:id="NidB20594"/>Prichard<anchor type="e" n="3840" ana="12" xml:id="NidE20594"/><anchor type="e" n="3839" ana="11" xml:id="NidE20593"/><anchor type="e" n="3841" ana="12" xml:id="NidE20595"/> angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.<lb/>Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.<lb/>Lesen Sie doch, was ich in <anchor type="b" n="2322" ana="13" xml:id="NidB20596"/>der Ind. Bibl.<anchor type="e" n="2322" ana="13" xml:id="NidE20596"/> B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. <anchor type="b" n="2566" ana="11" xml:id="NidB20597"/><anchor type="b" n="3868" ana="12" xml:id="NidB20599"/><hi rend="weight:bold">Lassen</hi><anchor type="e" n="3868" ana="12" xml:id="NidE20599"/><anchor type="e" n="2566" ana="11" xml:id="NidE20597"/> (in <anchor type="b" n="3869" ana="13" xml:id="NidB20600"/><anchor type="b" n="3787" ana="11" xml:id="NidB20598"/>Ewalds<anchor type="e" n="3787" ana="11" xml:id="NidE20598"/> Zeitschrift<anchor type="e" n="3869" ana="13" xml:id="NidE20600"/>) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. 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Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2<hi rend="offset:4">ten</hi> Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.<lb/><anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45250"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45250"/> steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. <anchor type="b" n="2385" ana="11" xml:id="NidB20603"/>Colebrooke<anchor type="e" n="2385" ana="11" xml:id="NidE20603"/>, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein <anchor type="b" n="3872" ana="12" xml:id="NidB20606"/>Original-Werk von <anchor type="b" n="3871" ana="11" xml:id="NidB20604"/>Ârya-bhaṫṫa<anchor type="e" n="3871" ana="11" xml:id="NidE20604"/><anchor type="e" n="3872" ana="12" xml:id="NidE20606"/> verschaffen: in <anchor type="b" n="3524" ana="12" xml:id="NidB45251"/><anchor type="b" n="3873" ana="11" xml:id="NidB20607"/>Mackenzieʼs<anchor type="e" n="3873" ana="11" xml:id="NidE20607"/> Catalog<anchor type="e" n="3524" ana="12" xml:id="NidE45251"/> steht schon eines, oder gar zwei.<lb/>Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. 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Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. <anchor type="b" n="2600" ana="12" xml:id="NidB20614"/>Réflexions<anchor type="e" n="2600" ana="12" xml:id="NidE20614"/>, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.<lb/>Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die <anchor type="b" n="3766" ana="11" xml:id="NidB20613"/>Jones<anchor type="e" n="3766" ana="11" xml:id="NidE20613"/>, <anchor type="b" n="3882" ana="11" xml:id="NidB20651"/>Davies<anchor type="e" n="3882" ana="11" xml:id="NidE20651"/> und <anchor type="b" n="2385" ana="11" xml:id="NidB45254"/>Colebrooke<anchor type="e" n="2385" ana="11" xml:id="NidE45254"/> gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.<lb/>Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist <anchor type="b" n="3763" ana="12" xml:id="NidB45256"/>das von <anchor type="b" n="3898" ana="11" xml:id="NidB45255"/>Amara-Sinha<anchor type="e" n="3898" ana="11" xml:id="NidE45255"/><anchor type="e" n="3763" ana="12" xml:id="NidE45256"/>, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, ein Bild des Thierkreises, <hi rend="slant:italic">lagna</hi> dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: <hi rend="weight:bold;slant:italic">râçi</hi>, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: <hi rend="slant:italic">râçi</hi>, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier <hi rend="weight:bold">Sterngruppe</hi> bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. <hi rend="weight:bold;slant:italic">mêsha</hi>, aries; <hi rend="slant:italic">râçayah mêshâdayah</hi>, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.<lb/>Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: <anchor type="b" n="9946" ana="12" xml:id="NidB89180"/><anchor type="b" n="14597" ana="12" xml:id="NidB89178"/><anchor type="b" n="3592" ana="12" xml:id="NidB89179"/>mit <anchor type="b" n="900" ana="11" xml:id="NidB20609"/>Chézy<anchor type="e" n="900" ana="11" xml:id="NidE20609"/> und <anchor type="b" n="3590" ana="11" xml:id="NidB20610"/>Langlois<anchor type="e" n="3590" ana="11" xml:id="NidE20610"/><anchor type="e" n="3592" ana="12" xml:id="NidE89179"/><anchor type="e" n="14597" ana="12" xml:id="NidE89178"/><anchor type="e" n="9946" ana="12" xml:id="NidE89180"/>, mit <anchor type="b" n="2208" ana="11" xml:id="NidB20611"/>Heeren<anchor type="e" n="2208" ana="11" xml:id="NidE20611"/>, mit <anchor type="b" n="2553" ana="11" xml:id="NidB20612"/>Wilson<anchor type="e" n="2553" ana="11" xml:id="NidE20612"/>, der aber schnell seinen Frieden schloß. <anchor type="b" n="2327" ana="11" xml:id="NidB20615"/>Niebuhr<anchor type="e" n="2327" ana="11" xml:id="NidE20615"/> sagte in <anchor type="b" n="3875" ana="12" xml:id="NidB20616"/>seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte<anchor type="e" n="3875" ana="12" xml:id="NidE20616"/>, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: <anchor type="b" n="3876" ana="11" xml:id="NidB20617"/>Bayerus<anchor type="e" n="3876" ana="11" xml:id="NidE20617"/> redivivus!<lb/>Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre <anchor type="b" n="3842" ana="10" xml:id="NidB45257"/>Babylonier<anchor type="e" n="3842" ana="10" xml:id="NidE45257"/> die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?<lb/>Ferner: wie erklären Sie <anchor type="b" n="2218" ana="11" xml:id="NidB20618"/><anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB20622"/>Herodot.<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE20622"/><anchor type="e" n="2218" ana="11" xml:id="NidE20618"/> II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf <anchor type="b" n="3877" ana="12" xml:id="NidB20619"/>Ihren Philolaos<anchor type="e" n="3877" ana="12" xml:id="NidE20619"/>, den <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45259"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45259"/> citirt.<lb/>Die Angabe <anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB45260"/>Herodot.<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE45260"/> II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45261"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45261"/> so modern macht. Und wie war ein <hi rend="slant:italic">horoscopus genethliacus</hi> ohne die Figuren des Thierkreises möglich?<lb/>Hat etwa <anchor type="b" n="3824" ana="11" xml:id="NidB45258"/>Letronne<anchor type="e" n="3824" ana="11" xml:id="NidE45258"/> <anchor type="b" n="3879" ana="12" xml:id="NidB20621"/>den Herodotus<anchor type="e" n="3879" ana="12" xml:id="NidE20621"/> eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei <anchor type="b" n="3878" ana="11" xml:id="NidB20620"/>Champollion<anchor type="e" n="3878" ana="11" xml:id="NidE20620"/> bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.<lb/>Was hat <anchor type="b" n="3899" ana="11" xml:id="NidB45264"/>Hr. Ideler<anchor type="e" n="3899" ana="11" xml:id="NidE45264"/> über <anchor type="b" n="3841" ana="12" xml:id="NidB45262"/>meine Vorrede zum <anchor type="b" n="3840" ana="12" xml:id="NidB45263"/>Prichard<anchor type="e" n="3840" ana="12" xml:id="NidE45263"/><anchor type="e" n="3841" ana="12" xml:id="NidE45262"/> geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.<lb/>Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.<lb/>Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie <anchor type="b" n="6004" ana="15" xml:id="NidB45265"/>Rector<anchor type="e" n="6004" ana="15" xml:id="NidE45265"/> geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.<lb/>Ihr treuer Antimodernist<lb/><hi rend="weight:bold">A. W. v. Schlegel</hi>', '36_datengeber' => 'Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden', '36_purl' => '343347008', '36_briefid' => '343347008_AWSanBoeckh_19091837', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '887', 'content' => 'Bonn', 'bemerkung' => 'GND:1001909-1', 'altBegriff' => '', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ) ), '36_datumvon' => '1837-09-19', '36_absender' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '7125', 'content' => 'August Wilhelm von Schlegel', 'bemerkung' => '', 'altBegriff' => 'Schlegel, August Wilhelm von', 'LmAdd' => array( [maximum depth reached] ) ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '7183', 'content' => 'August Böckh', 'bemerkung' => '', 'altBegriff' => 'Böckh, August', 'LmAdd' => array( [maximum depth reached] ) ) ), '36_leitd' => 'Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. 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Bonn d. 19 Sept. [18]37
Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch Ihren Brief und Ihre Abhandlung; auch der Akademie bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre Babylonische Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit Letronne, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen Raoul-Rochette und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist seine Schrift Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in Berlin leicht die Revue des deux mondes verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift meines Briefes an ihn, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von Tentyra so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen von Bohlen und Stuhr! Welche Nachbarschaft!
Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. Tros Rutulusve fuat! Die Babylonier, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.
Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.
Letronneʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in der Vorrede zum Prichard angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.
Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.
Lesen Sie doch, was ich in der Ind. Bibl. B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. Lassen (in Ewalds Zeitschrift) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.
Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind die Vedaʼs und das Gesetzbuch des Manus. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen çruti, auditio, das Gesetz smriti, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2ten Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.
Letronne steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. Colebrooke, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein Original-Werk von Ârya-bhaṫṫa verschaffen: in Mackenzieʼs Catalog steht schon eines, oder gar zwei.
Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich Colebrooke besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.
Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher des Euklides, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.
Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. Réflexions, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.
Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die Jones, Davies und Colebrooke gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.
Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist das von Amara-Sinha, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt râçi, ein Bild des Thierkreises, lagna dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: râçi, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: râçi, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier Sterngruppe bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. mêsha, aries; râçayah mêshâdayah, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.
Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: mit Chézy und Langlois, mit Heeren, mit Wilson, der aber schnell seinen Frieden schloß. Niebuhr sagte in seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: Bayerus redivivus!
Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre Babylonier die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?
Ferner: wie erklären Sie Herodot. II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf Ihren Philolaos, den Letronne citirt.
Die Angabe Herodot. II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die Letronne so modern macht. Und wie war ein horoscopus genethliacus ohne die Figuren des Thierkreises möglich?
Hat etwa Letronne den Herodotus eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei Champollion bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.
Was hat Hr. Ideler über meine Vorrede zum Prichard geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.
Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.
Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie Rector geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.
Ihr treuer Antimodernist
A. W. v. Schlegel
Sie haben mir, mein hochverehrter Freund, eine große Freude gewährt, durch Ihren Brief und Ihre Abhandlung; auch der Akademie bitte ich für die Sendung meinen besten Dank zu sagen. Wo bekommen Sie nur Zeit und Kräfte her, zu allem was Sie unternehmen und ausführen? Ihre Babylonische Untersuchung liegt weit über den Kreis meiner Kenntnisse hinaus: aber sie interessirt mich lebhaft, so wie alles was auf frühe wissenschaftliche Mittheilungen unter den Völkern des Alterthums Bezug hat. Ich sehe, Sie sind auf dem entgegengesetzten Wege mit Letronne, und was die Richtung betrifft, bin ich ganz mit Ihnen. Letronne hat mir einen üblen Streich gespielt: ich denke, ohne böse Absicht, wohl nur aus Eitelkeit. Denn wir waren seit dem Herbste [18]31 in dem freundschaftlichsten Verhältnisse; ja ich glaube, er wünscht gar sehr mich zum Bundesgenossen gegen Raoul-Rochette und dessen Anhang zu haben. Ohne Zweifel ist seine Schrift Sur lʼorigine grecque des zodiaques prétendus égyptiens, in Ihren Händen; widrigen Falles werden Sie sich in Berlin leicht die Revue des deux mondes verschaffen können. Lesen Sie doch die Note p. 26, dann die beiliegende Abschrift meines Briefes an ihn, so sind Sie von der ganzen Lage der Sache unterrichtet. Eigentlich ist es unerlaubt, Gespräche ohne besondere Einwilligung drucken zu lassen; ich war berechtigt, meine Protestation sogleich öffentlich zu machen: aber ich will gern alle Feindseligkeit vermeiden. Doch habe ich nöthig gefunden, die größte Zurückhaltung zu beobachten. Sie glauben mir wohl, daß ich seinen negativen Argumenten positive entgegen zu setzen habe: aber ich werde mich wohl hüten, meine Trumpfe unter dem Tische auszuspielen. Alles muß dem Drucke vorbehalten bleiben. Aber dazu habe ich jetzt keine Muße. Die Sache ist mir höchst verdrießlich, und hat mich einigeTage hindurch recht unglücklich gemacht. Hätte er nur meinen Namen aus dem Spiele gelassen, so hätte er an den hölzernen Haken der Neuheit des Zodiacus von Tentyra so viel verzweiflungsvolle Hypothesen hängen mögen, als er wollte. Aber seine Folgerungen geben auf nichts geringeres aus, als auf den Umsturz des ganzen Indischen Alterthums. Und dazu soll ich meine Zustimmung gegeben haben! Und er zitirt mich zwischen von Bohlen und Stuhr! Welche Nachbarschaft!
Wie schmerzlich vermisse ich hiebei die mündliche Mittheilung mit Ihnen! Sie sind ja doch der einzige wahre Realist unter unsern Philologen. Bei den Nominalisten ist in solchen Dingen kein Trost zu holen. Ich habe mich einmal vergeblich bemüht, einen scharfsinnigen Kritiker zu überzeugen, daß der Stern der Venus, am nächsten Morgen nach dem Abend wo er als Hesperus erschienen war, nicht als Lucifer der Sonne vorangehen könne. Der wußte also noch weniger als ich: das will viel sagen. Ich habe gar keine einseitige Vorliebe für die Indier. Tros Rutulusve fuat! Die Babylonier, Aegyptier und Brahmanen haben gleichermaßen Anspruch auf frühen Anbau der Astronomie. Die Sternbilder im allgemeinen sind, meines Erachtens, ein uraltes mnemonisches Hülfsmittel, um sich in dem zahllosen Gewimmel des gestirnten Himmels zu orientiren. Sie haben sich nachher vermöge der Mythologie und andrer Anlässe mannichfaltig modifizirt; die zwölf Bilder des Thierkreises aber haben sich wegen ihres unendlich häufigen Gebrauchs zur Zeitbestimmung ziemlich unverändert erhalten, und rühren aus einer gemeinsamen Quelle her.
Alles im alten Indien ist original; alles trägt das Gepräge des schöpferischen, erfinderischen, speculativen Geistes. Auch ihre Astronomischen Irrthümer sind wenigstens ihre eignen.
Letronneʼs Behauptungen liegen vor uns; meine Ansichten habe ich, zwar nur sehr flüchtig, in der Vorrede zum Prichard angedeutet. Wenn ich Ihnen alles schreiben wollte, was mir eben jetzt in diesen Tagen zum Behuf der Widerlegung eingefallen ist, so würde dieser Brief niemals fertig.
Wir Indianisten stehen eigentlich im Nachtheil gegen negative Köpfe, die kein Sanskrit wissen. Denn es wird schwer halten, ihnen Erscheinungen anschaulich zu machen, die in der ganzen Geschichte des menschlichen Geistes unvergleichbar bleiben. Wenn es nun vollends an gutem Willen fehlt, so sollte man sich gar nicht einlassen.
Lesen Sie doch, was ich in der Ind. Bibl. B. II, p. 223 über den Homochronismus gesagt. Lassen (in Ewalds Zeitschrift) nennt es sehr treffend die Gegenseitigkeit. Eins setzt das andre voraus, und wird wieder von demselben vorausgesetzt. Ich möchte sagen: bei der kritischen Betrachtung jedes Alt-Indischen Geisteserzeugnisses wird man wie in einer Spiral-Linie gegen ein unerschwinglich hohes Alterthum hinaufgewunden.
Ein Beispiel wird dieß deutlich machen. Die beiden Quellen der Brahmanischen Religionslehre sind die Vedaʼs und das Gesetzbuch des Manus. Wir kennen nichts, was zwischen beiden mitten innen läge. Die Vedaʼs collectiv heißen çruti, auditio, das Gesetz smriti, memoria: diese Namen beweisen unwidersprechlich, daß mündliche Überlieferung der schriftlichen voranging. Das Gesetzbuch des Manus trägt die Kennzeichen hohen Alterthums an sich, sowohl im Stil, als in Gesetzen, die schon vor Menschengedenken obsolet waren. Daneben entwickelte sich die Metaphysik: orthodoxe und heterodoxe Systeme kamen zum Vorschein. Nun heißt es im 2ten Cap. des Manus: „Ein Brahmane der, im Vertrauen auf philosophische Lehrbücher, jene beiden Auctoritäten gering schätzt, muß aus der Gesellschaft aller Guten verstoßen werden, als ein Atheist und ein Veda-Schänder.“ So alt war also die Freigeisterei! Und doch ist es, bei dem politischen Vorrange der Brahmanen und ihrem geheiligten Ansehen glaublich, daß die negativen Systeme sich nur schüchtern und verhältnißmäßig spät ans Licht gewagt haben werden.
Letronne steift sich auf das geringe Alter der ältesten vorhandenen astronomischen Lehrbücher. Was dieß betrifft, so will ich schon mit ihm fertig werden. Erstlich könnten wohl noch ältere aufgefunden werden als bisher. Colebrooke, als Mitglied des obersten Staatsrathes über alle Mittel gebietend, konnte sich noch kein Original-Werk von Ârya-bhaṫṫa verschaffen: in Mackenzieʼs Catalog steht schon eines, oder gar zwei.
Ferner weisen die vorhandenen Lehrbücher auf frühere zurück. Theils ausdrücklich, durch Citationen: auf dieses Mittel der relativen Zeitbestimmung hat sich Colebrooke besonders verlegt; theils durch die Form des wissenschaftlichen Vortrags; dieß ist mein Lieblingsbeweis.
Ich las vor einiger Zeit die ersten beiden Bücher des Euklides, mit ungemeinem Vergnügen, ich kann sagen, mit Entzücken. Welche Einfachheit und Klarheit! Welche Sauberkeit der Behandlung! Es bewährt sich darin der reine Geschmack und der künstlerische Sinn der Griechen. Es ist die Vollkommenheit für den Elementar-Unterricht.
Gleich vollkommen ist nun der Vortrag der Indischen Mathematiker und Astronomen, aber es ist das entgegengesetzte Äußerste. Diese Männer scheinen für Leser zu schreiben, die schon alles wissen: andre müssen es freilich sehr abstrus finden. Da ist eine Prägnanz, ein Lakonismus ohne Unbestimmtheit, dazu eine Fülle der zweckmäßigsten Terminologie. Alles dieß nun metrisch zusammengefugt, und die ungeheuersten Zahlen durch die technische Bezeichnungsweise sicher gegen jede Verfälschung felsenfest aufgestellt. (cf. Réflexions, p. 197.) In keiner andern Sprache dürfte es möglich seyn. – Eine solche Lehrmethode für einen ersten Versuch zu halten, wäre widersinnig: sie beweist einen viele Jahrhunderte lang fortgesetzten Anbau der Wissenschaft.
Ein kleines Stück Algebra haben wir endlich im Original; noch ist aber kein einziges astronomisches Werk durch den Druck zugänglich gemacht. Den Vortrag beurtheile ich nach den wenigen Textproben, die Jones, Davies und Colebrooke gegeben. Sie reichten hin mich mit Bewunderung zu erfüllen.
Nun auf die Bilder des Thierkreises zu kommen! Das älteste RealLexicon das wir haben, ist das von Amara-Sinha, den eine sehr glaubwürdige Überlieferung in das nächste Jahrhundert vor Chr. Geb. setzt. Auf keinen Fall kann er viel später gelebt haben. Seine Methode ist diese: er stellt die Synonyme zusammen, und erklärt durch das gebräuchlichste die übrigen; wo es nöthig, giebt er ganz kurze Definitionen, bei bekannten Classennamen führt er die ersten Glieder der darunter gehörigen Reihe an. Nun heißt râçi, ein Bild des Thierkreises, lagna dessen Aufgang. Das erste Wort erklärt er nicht anders als so: râçi, aries, taurus etcet. In dem Capitel der vieldeutigen Wörter: râçi, 1) cumulus, 2) aries et cetera. Die Bedeutung des Wortes im gemeinen Leben beweist schon, daß es hier Sterngruppe bedeutet, also nicht bloß den zwölften Theil des Cirkels, sondern die Figur selbst. Nun frage ich, ob der Lexicograph wohl so hätte verfahren dürfen, wenn die Bilder des Thierkreises eine ganz junge, fremde und gelehrte Neuerung gewesen wären? Aber sie waren alt, einheimisch und volksmäßig bekannt; die Schulknaben wußten sie auswendig. Für et cetera haben diese sonderbaren Leute, die Indier, eine declinierbare Endung. Z. B. mêsha, aries; râçayah mêshâdayah, dem Sinne nach: signa, quorum aries primum.
Als Indianist habe ich schon wunderliche polemische Tänze gehabt: mit Chézy und Langlois, mit Heeren, mit Wilson, der aber schnell seinen Frieden schloß. Niebuhr sagte in seinen Vorlesungen über alte Weltgeschichte, die Wichtigkeit, welche man jetzt auf das Sanskrit und Indische Litteratur lege, sey ein Schwindel, bald werde man einsehen, daß die Indier ihre ganze Cultur den Baktrischen Griechen verdankt hätten. Er schlug auf den Sack und meynte den Esel. Er hoffte mich zu ärgern, und ich habe bloß die Achseln gezuckt. Ich konnte in zwei Worten erwiedern: Bayerus redivivus!
Doch ich habe Ihnen schon viel zu viel vorgeschwatzt. Ich möchte gern von Ihnen etwas hören und lernen. Sagen Sie mir, werden Sie sich für Ihre Babylonier die Schmach der späten Schülerschaft unter den Griechen gefallen lassen?
Ferner: wie erklären Sie Herodot. II, 142? Nach dem buchstäblichen Sinne können die Ägyptischen Priester etwas so abgeschmacktes unmöglich gesagt haben; aber der ehrliche Alte hat es doch gewiß nicht erlogen. Ich sehe durchaus keine Möglichkeit es anders zu deuten als auf die Präcession der Aequinoctien: wie sich versteht, von einem unwissenden Dollmetscher schlecht erklärt, und von einem in der Astronomie und Mathematik über alle Maßen unwissenden Griechen verkehrt aufgefaßt. Gegen Sie wage ich mich mit dieser seit Jahren gehegten Meynung um so eher hervor, in Bezug auf Ihren Philolaos, den Letronne citirt.
Die Angabe Herodot. II, 82 init.[ium] beziehe ich auf die Benennung der Wochentage nach den Planeten. Man könnte dieß etwas unbestimmt finden. Aber in den folgenden Sätzen liegt doch die judiciäre Astrologie ganz deutlich vor Augen, die Letronne so modern macht. Und wie war ein horoscopus genethliacus ohne die Figuren des Thierkreises möglich?
Hat etwa Letronne den Herodotus eben so wenig gründlich studirt, als ich es bei Champollion bemerkte? Bei diesem habe ich nur Einen Vormittag kurz vor seinem Tode zugebracht. Er legte mir sehr verbindlich viele Zeichnungen vor. Ich machte ihm, ich weiß nicht mehr worüber, eine Einwendung aus dem Herodot. Er wollte dieß etwas schnöde zurückweisen, ich wurde dann auch hitzig, und Letronne trat vermittelnd ein.
Was hat Hr. Ideler über meine Vorrede zum Prichard geurtheilt? Sollte er wohl geneigt seyn, mir ein astronomisches Orakel zu gewähren? Thun Sie mir den Gefallen, bei ihm anzufragen. Ich möchte mir nicht gern eine abschlägliche Antwort holen. Im Falle der Bejahung, würde ich ihm eine wichtige Stelle in der Lateinischen Übersetzung nebst meiner Anmerkung senden.
Da Sie mit den babylonischen Maaßen beschäftigt sind, so ist es Ihnen vielleicht nicht uninteressant, eine Indische Probe zu sehen. Ich lege sie auf einem besonderen Blatte bei.
Aus den Zeitungen sehe ich, daß Sie Rector geworden sind. Also ein neues nicht wissenschaftliches Geschäft! Antworten Sie mir, wenn auch nur kurz, und leben Sie recht wohl.
Ihr treuer Antimodernist
A. W. v. Schlegel