• August Wilhelm von Schlegel to August Böckh

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 09.05.1841
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: August Böckh
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 09.05.1841
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 553‒554.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 9t Mai [18]41
    Mein hochverehrter Herr College!
    Ihren freundschaftlichen Brief vom 30sten April empfing ich vor einigen Tagen, und war [...]“
    Manuscript
  • Provider: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Berlin
  • Classification Number: II-VII, 59 Bl. 110-111
  • Number of Pages: 2 S., hs. m. U.
    Language
  • German
  • French
[1] Bonn d. 9t Mai [18]41
Mein hochverehrter Herr College!
Ihren freundschaftlichen Brief vom 30sten April empfing ich vor einigen Tagen, und war erfreut daraus zu ersehen, daß durch meine verzögerte Abreise nichts versäumt worden ist. Früher hätte ich mich ohnehin nicht auf den Weg machen können: ich bin ein alter Invalide, der nicht vor dem Eintritt der guten Jahrszeit sich aus den Winterquartieren hinauswagen darf. Jetzt lasse ich alles stehn und liegen, um den Befehlen Sr Majestät nach Kräften baldigst zu entsprechen.
In der Freude über die erste unbestimmte Zeitungsnachricht, daß eine authentische und würdige Ausgabe der Werke Friedrichs des Großen veranstaltet werden solle, ist mir der Einfall durch den Kopf gefahren, ich könne vielleicht auf irgend eine Weise dabei nütz[2]lich seyn. Ich habe nicht geglaubt, daß meine flüchtige Äußerung in einen höheren Kreis gelangen werde. Nun, da das Gegentheil erfolgt ist, erfüllt es mich mit Sorgen und Bedenklichkeiten. Ich war jedoch seitdem nicht müßig: ich habe die Sache vielfältig zum Gegenstande meines Nachdenkens gemacht, aber bei einem sehr mangelhaften Bücher-Vorrath noch nicht zu einer Übersicht gelangen können. Auch wäre es voreilig, meine Ansichten darzulegen, bevor ich von den Resultaten Ihrer bisherigen Berathungen in Kenntniß gesetzt bin.
Die Sprache, worin der große König schrieb, ist mir nicht fremd. Ich weiß Bescheid von dem himmelweiten Unterschied zwischen: – t –, und – tʼ, und andern dergleichen Herrlichkeiten. Aber ich finde in diesen Schriften eine Menge Anspielungen, die mir dunkel sind, und die meines Erachtens für heutige Leser, auch für gelehrte, einer Erklärung bedürfen.
[3] Sie verlangen eine Vorrede von mir zu dem Ganzen! und schon jetzt! heut oder morgen! Sie setzen mich in Schrecken, theuerster Freund. Das ist die bronzene Pinie auf dem Mausoleum Hadrians. Sie kann ja nicht in der Luft schweben: die umkreisenden Säulengeschosse müssen erst bis zum obersten Kranz aufgerichtet seyn; sonst würde sich das Verhältniß nicht gehörig ermessen lassen.
Nachdem nun die Säulen im Wuste einer so langen Verwahrlosung gelegen, wird auch der Marmor neu polirt werden müssen. Grammatik, Sprachgebrauch, veralteter oder heutiger, Orthographie, Versification, endlich typographische Sitte, deren Vernachläßigung allein schon einem französischen Buche un air furieusement tudesque geben kann, wie wir an Erdmanns Leibnitz ein Beispiel sehen: dieß alles erfodert eine in unendlich viele Einzelnheiten sich verzweigende Sorgfalt.
Oui, cher Boeckh, de triérarques athéniens [4] et de Brahmanes du Gange que nous avons été tout ce temps-ci, il faudra nous transformer en littérateurs français et, si faire se peut, en académiciens des Quarante.
Ich werde mich sobald wie möglich auf meinen Posten einstellen, kann aber den Tag nicht genau bestimmen. Zum Cabinetscourier tauge ich nicht mehr; und wenn man neun Jahre (so lange ist es her seit meiner letzten Reise nach Paris und London) hinter dem Ofen gehockt hat, so giebt es auch allerlei häusliche Haken loszumachen. Dazu meine immer schwankende Gesundheit! Seit dem Empfange Ihres Briefes war ich wieder zwei Tage lang unwohl. Indessen freue ich mich der nahen Aussicht, mich durch Ihre wissenschaftlichen Mittheilungen zu belehren.
Empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Verehrung.
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel
[1] Bonn d. 9t Mai [18]41
Mein hochverehrter Herr College!
Ihren freundschaftlichen Brief vom 30sten April empfing ich vor einigen Tagen, und war erfreut daraus zu ersehen, daß durch meine verzögerte Abreise nichts versäumt worden ist. Früher hätte ich mich ohnehin nicht auf den Weg machen können: ich bin ein alter Invalide, der nicht vor dem Eintritt der guten Jahrszeit sich aus den Winterquartieren hinauswagen darf. Jetzt lasse ich alles stehn und liegen, um den Befehlen Sr Majestät nach Kräften baldigst zu entsprechen.
In der Freude über die erste unbestimmte Zeitungsnachricht, daß eine authentische und würdige Ausgabe der Werke Friedrichs des Großen veranstaltet werden solle, ist mir der Einfall durch den Kopf gefahren, ich könne vielleicht auf irgend eine Weise dabei nütz[2]lich seyn. Ich habe nicht geglaubt, daß meine flüchtige Äußerung in einen höheren Kreis gelangen werde. Nun, da das Gegentheil erfolgt ist, erfüllt es mich mit Sorgen und Bedenklichkeiten. Ich war jedoch seitdem nicht müßig: ich habe die Sache vielfältig zum Gegenstande meines Nachdenkens gemacht, aber bei einem sehr mangelhaften Bücher-Vorrath noch nicht zu einer Übersicht gelangen können. Auch wäre es voreilig, meine Ansichten darzulegen, bevor ich von den Resultaten Ihrer bisherigen Berathungen in Kenntniß gesetzt bin.
Die Sprache, worin der große König schrieb, ist mir nicht fremd. Ich weiß Bescheid von dem himmelweiten Unterschied zwischen: – t –, und – tʼ, und andern dergleichen Herrlichkeiten. Aber ich finde in diesen Schriften eine Menge Anspielungen, die mir dunkel sind, und die meines Erachtens für heutige Leser, auch für gelehrte, einer Erklärung bedürfen.
[3] Sie verlangen eine Vorrede von mir zu dem Ganzen! und schon jetzt! heut oder morgen! Sie setzen mich in Schrecken, theuerster Freund. Das ist die bronzene Pinie auf dem Mausoleum Hadrians. Sie kann ja nicht in der Luft schweben: die umkreisenden Säulengeschosse müssen erst bis zum obersten Kranz aufgerichtet seyn; sonst würde sich das Verhältniß nicht gehörig ermessen lassen.
Nachdem nun die Säulen im Wuste einer so langen Verwahrlosung gelegen, wird auch der Marmor neu polirt werden müssen. Grammatik, Sprachgebrauch, veralteter oder heutiger, Orthographie, Versification, endlich typographische Sitte, deren Vernachläßigung allein schon einem französischen Buche un air furieusement tudesque geben kann, wie wir an Erdmanns Leibnitz ein Beispiel sehen: dieß alles erfodert eine in unendlich viele Einzelnheiten sich verzweigende Sorgfalt.
Oui, cher Boeckh, de triérarques athéniens [4] et de Brahmanes du Gange que nous avons été tout ce temps-ci, il faudra nous transformer en littérateurs français et, si faire se peut, en académiciens des Quarante.
Ich werde mich sobald wie möglich auf meinen Posten einstellen, kann aber den Tag nicht genau bestimmen. Zum Cabinetscourier tauge ich nicht mehr; und wenn man neun Jahre (so lange ist es her seit meiner letzten Reise nach Paris und London) hinter dem Ofen gehockt hat, so giebt es auch allerlei häusliche Haken loszumachen. Dazu meine immer schwankende Gesundheit! Seit dem Empfange Ihres Briefes war ich wieder zwei Tage lang unwohl. Indessen freue ich mich der nahen Aussicht, mich durch Ihre wissenschaftlichen Mittheilungen zu belehren.
Empfangen Sie die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Verehrung.
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel
· Abschrift , 09.05.1841
· Biblioteka Jagiellońska, Krakau
×
×