Allergnädigster König und Herr!
Ew. Majestät huldreiches Schreiben vom 15ten d. M. hat mich, mehr als ich sagen kann, beglückt und mit neuem Muthe beseelt.
Wenn ich, ohne einen Entscheidungsgrund wogegen keine Einwendung gilt, unternommen hätte, die Einleitung zu der beabsichtigten Ausgabe der Werke Friedrichs des Großen abzufassen, so konnte ich schwerlich dem Tadel der Anmaßung und des unbefugten Ehrgeizes entgehen.
Ew. Majestät allergnädigster Befehl hebt mich über diese Bedenklichkeit hinweg; die andre, welche sich auf die Unzulänglichkeit meiner Einsichten und Mittel bezieht, werde ich durch fortgesetzte Vorbereitung zu beseitigen streben.
Nicht ohne Beschämung und Rührung kann ich erwägen, daß ich gewissermaßen die Stelle eines hochverdienten Mannes vertreten soll, der durch seine vertraute Bekanntschaft mit der neueren Geschichte und der französischen Litteratur, durch seine meisterhafte Behandlung der ihm angeerbten Sprache, worin er Eleganz mit Originalität verband; sogar durch seine Abstammung von den schon längst einheimisch gewordenen Schützlingen der Preußischen Monarchie, einzig dazu berufen war, Herausgeber der Werke Friedrichs II zu werden, wenn er dieß schöne Unternehmen bei noch rüstiger Kraft erlebt hätte; und der gewiß vor dem erneuerten Gebäude ein würdiges Portal aufgestellt haben würde.
Die oberflächliche Rhetorik akademischer Lobreden würde bei dem vorliegenden Gegenstande wenig befriedigen. Die Aufgabe ist, wenn ich die in dem allergnädigsten Schreiben enthaltenen Winke richtig auslege, die Eigenthümlichikeiten des großen Königs als Geschichtschreiber, als Denker, als Dichter, als witziger Kopf und Stifter einer geistreichen Geselligkeit in seinen Umgebungen aufzufassen, dem Gange seiner Ausbildung zu folgen, die Einflüsse des Zeitalters auf ihn, und seine mächtige Gegenwirkung zu schildern.
Diese Aufgabe ist schwierig; das Amt des Vorredners ist ein gefährlicher Ehrenposten: was mich dabei beruhigt ist dieses, daß ein wohlwollender oberster Richter entscheiden wird, ob mein Versuch den Erwartungen entspricht, oder bei Seite gelegt werden muß.
Ich verharre in tiefster Ehrerbietung
Ew. Majestät
treu gehorsamster Unterthan
August Wilhelm von Schlegel
Bonn, d. 26sten Mai 1843