• Ludwig Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Berlin · Date: [Anfang Juni 1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Ludwig Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [Anfang Juni 1801]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 69‒72.
  • Incipit: „[1] [Dresden, Anfang Juni 1801]
    Liebster Freund,
    Daß du böse auf mich bist, ist wohl ganz natürlich, und ich habe es redlich verdient. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36934
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.28,Nr.68
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,8 x 19,1 cm
    Language
  • German
[1] [Dresden, Anfang Juni 1801]
Liebster Freund,
Daß du böse auf mich bist, ist wohl ganz natürlich, und ich habe es redlich verdient. Aber doch nicht so sehr, als du vielleicht glaubst, ich bin wohl nachlässig und zu Geschäften untüchtig, doch kann ich einen Freund, wie dich, niemals vergessen. Sei also nicht zu sehr böse, doch weiß ich ja, du lässest dich viel leichter versöhnen, als erzürnen. Ich habe auch unsrer Poesien gedacht, und schicke dir fürs Erste nur 2 kleine Gedichte, von denen ich nicht weiß, wie sie dir vorkommen werden. Es ist recht schlimm, daß du dein Versprechen nicht hälst, herzukommen, was doch besonders der Ordnung der Gedichte wegen sehr nothwendig wäre, ich hätte auch das neue von der Schwester gerne vorher gesehn, weil du vielleicht zu artig gegen sie bist, und ihr nicht genug darüber sagst, ich bin gegen sie immer ein strenger Richter gewesen, ohne ihr, wie ich glaube, Unrecht zu thun, oder sie abzuschrecken. Die beiden Gedichte von mir müssen durchaus nicht unmittelbar auf einander folgen, sie ergänzen sich gewissermaßen mit einem dritten, das ich dir nächstens sende, aber eben darum wünsche ich sie aus einander gestellt. Deine Aufträge in Leipzig habe ich so besorgt, wie ich es für dich am vortheilhaftesten hielt: die Stimmung aller schien so, daß keiner es für jezt unternehmen wollte, weil jeder der es thut, die vorigen Bände von Unger kaufen muß, ich habe mit Cotta (der es gewiß nicht unternimmt) schon weitläufig und aufrichtig darüber gesprochen; so viel ist gewiß, daß wir den Absatz und Ungers Vortheil zu hoch angeschlagen haben. Mir ist der ganze Handel verdrüßlich, Unger hat Unrecht, und du nicht so ganz Recht, wenn ich aufrichtig sein soll, besonders wenn du ihn verklagt hast, wie er mir noch am lezten Tage sagte. Er [2] hat die Sache sehr hoch aufgenommen, gewiß anders, als du sie erst gemeint hast. Glaube nicht alles so unbedingt, was dir manche Menschen in Berlin sagen mögen: sein Weib ist nichts werth, das ist gewiß, aber daß Woltmann dabei verwickelt ist, kann ich kaum glauben. Vergieb mir, wenn ich glaube, daß die Sache dich doch verstimmen muß, und wenn dies geschieht, so wäre es besser gewesen, du hättest nachgegeben: ich fürchte, das Unternehmen wird dadurch gehindert. Ich habe mit Nicolovius darüber gesprochen, der nicht unlustig war, nur für jezt nicht, so mit mehren, aber keinem gesagt, daß ich von dir den Auftrag habe, so daß du mit jedem von neuem anfangen kannst. Dies schien mir das zuträglichste. Laß dich nur nicht darauf ein, von deinen bisherigen Bedingungen abzugehn, denn das werden sie nun alle erwarten, diese Höker, wie es die meisten sind. Ich sprach mit Wilmanns, Vieweg, Nicolovius, Cotta. Gehst du nach Jena von Berlin? Kommst du nicht, wenigstens einige Tage hieher? Carl Hardenberg habe ich in Leipzig über seine Gedichte gesprochen; ich denke, wir nehmen keins in den Almanach, er ist es zufrieden. Schick mir doch Hardenbergs Roman, ich habe eine Sehnsucht danach, die ich dir nicht sagen kann. Mit der fahrenden Post schreib ich an Bernhardi, mit dieser will ich die geistlichen Lieder senden. Ich habe auch Friedrich in Leipzig gesehn; von seinen Beiträgen ist es wohl besser, die kleinen Gedichte wegzulassen, weil sie etwas zu muthwillig sind, der Schwachen wegen, für die ein solcher Almanach doch hauptsächlich gemacht wird. Schreib mir doch die No. deines Hauses, damit ich ein andermal geradezu an dich schreiben kann. – Deine Gedichte lese ich wiederholt, und mit den recht schönen geht es mir, wie mit den Gemählden auf der Gallerie, sie werden immer herrlicher, ich sehe auch, daß sie auf jedes Gemüth so wirken, denen ich sie mittheile. Einige Sonette sind durchaus göttlich, viele, und ich verstehe sie jezt erst, auch Leonardo und Prometheus, wenn er etwas kürzer wäre, ich hätte gern für die Erlanger Zeitung eine Anzeige gemacht, aber ich höre, daß es nun schon geschehn ist. Ich bin [3] allen Leuten Briefe schuldig, und jezt bin ich einige Wochen durch einen Besuch von Verwandten von allen Dingen abgehalten. Caroline hat mir auch den Fortunat und ein Gedicht (Sonett) auf Buri geschickt. Von dem letztern glaube ich, daß es zu sehr im Tone einer Erklärung ist, wenn ein Wettstreit erlaubt ist, so möchte ich dir auch darüber ein Sonett zuschicken, wenn auch nicht zum Drucken. Auf den Fortunat bin ich recht böse, oder ich sollte es vielleicht auf mich sein, weil er so gar wenig auf mich gewirkt hat, es scheint mir dem Gedichte an Einheit zu mangeln, an dem, warum es eigentlich gemacht sein sollte, ich verstehe es nicht, und die Rosen beleidigen mich: ich begreife das Pferd und den Reiter nicht. Bekommen wir nicht zu viele Gespensterhistorien? Ich habe es mehren vorgelesen und auch keine Wirkung des Grauens an ihnen wahrgenommen. Warum willst du uns aber zum Schauer bringen? Läßt sich überhaupt an dieser Romanze nicht manches aussetzen, was du so trefflich an Bürger gerügt hast? Der Mangel des nothwendigen Zusammenhangs. Ich mag mich irren, aber ich habe dir freimüthig darüber gesprochen. Warum schreibst du nicht wieder etwas göttlich Komisches, wie den Wettgesang, Kotzebues Reise, wo ich, Friedrich und 20 andre uns dem Satan übergeben könnten, und doch nicht so etwas Meisterhaftes zu Stande bringen. Wenn meine Bitte, der Vortheil des Kalenders, etwas bei dir vermag, so gieb noch ein solches herrliches Gedicht hinein, was wir andern zu machen unterlassen müssen, wenn du uns auch dazu aufforderst. Schau Er, daß die Schauer nicht dem Schauer oder Leser scheinen zu sehr zur Schau getragen zu werden; schreib mir bald, und schickst du ein komisches, burleskes Gedicht, so will ich mit allen Schauern der Verehrung sein,
Dein
Dich ewig lesender Freund
L. Tieck.
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[1] [Dresden, Anfang Juni 1801]
Liebster Freund,
Daß du böse auf mich bist, ist wohl ganz natürlich, und ich habe es redlich verdient. Aber doch nicht so sehr, als du vielleicht glaubst, ich bin wohl nachlässig und zu Geschäften untüchtig, doch kann ich einen Freund, wie dich, niemals vergessen. Sei also nicht zu sehr böse, doch weiß ich ja, du lässest dich viel leichter versöhnen, als erzürnen. Ich habe auch unsrer Poesien gedacht, und schicke dir fürs Erste nur 2 kleine Gedichte, von denen ich nicht weiß, wie sie dir vorkommen werden. Es ist recht schlimm, daß du dein Versprechen nicht hälst, herzukommen, was doch besonders der Ordnung der Gedichte wegen sehr nothwendig wäre, ich hätte auch das neue von der Schwester gerne vorher gesehn, weil du vielleicht zu artig gegen sie bist, und ihr nicht genug darüber sagst, ich bin gegen sie immer ein strenger Richter gewesen, ohne ihr, wie ich glaube, Unrecht zu thun, oder sie abzuschrecken. Die beiden Gedichte von mir müssen durchaus nicht unmittelbar auf einander folgen, sie ergänzen sich gewissermaßen mit einem dritten, das ich dir nächstens sende, aber eben darum wünsche ich sie aus einander gestellt. Deine Aufträge in Leipzig habe ich so besorgt, wie ich es für dich am vortheilhaftesten hielt: die Stimmung aller schien so, daß keiner es für jezt unternehmen wollte, weil jeder der es thut, die vorigen Bände von Unger kaufen muß, ich habe mit Cotta (der es gewiß nicht unternimmt) schon weitläufig und aufrichtig darüber gesprochen; so viel ist gewiß, daß wir den Absatz und Ungers Vortheil zu hoch angeschlagen haben. Mir ist der ganze Handel verdrüßlich, Unger hat Unrecht, und du nicht so ganz Recht, wenn ich aufrichtig sein soll, besonders wenn du ihn verklagt hast, wie er mir noch am lezten Tage sagte. Er [2] hat die Sache sehr hoch aufgenommen, gewiß anders, als du sie erst gemeint hast. Glaube nicht alles so unbedingt, was dir manche Menschen in Berlin sagen mögen: sein Weib ist nichts werth, das ist gewiß, aber daß Woltmann dabei verwickelt ist, kann ich kaum glauben. Vergieb mir, wenn ich glaube, daß die Sache dich doch verstimmen muß, und wenn dies geschieht, so wäre es besser gewesen, du hättest nachgegeben: ich fürchte, das Unternehmen wird dadurch gehindert. Ich habe mit Nicolovius darüber gesprochen, der nicht unlustig war, nur für jezt nicht, so mit mehren, aber keinem gesagt, daß ich von dir den Auftrag habe, so daß du mit jedem von neuem anfangen kannst. Dies schien mir das zuträglichste. Laß dich nur nicht darauf ein, von deinen bisherigen Bedingungen abzugehn, denn das werden sie nun alle erwarten, diese Höker, wie es die meisten sind. Ich sprach mit Wilmanns, Vieweg, Nicolovius, Cotta. Gehst du nach Jena von Berlin? Kommst du nicht, wenigstens einige Tage hieher? Carl Hardenberg habe ich in Leipzig über seine Gedichte gesprochen; ich denke, wir nehmen keins in den Almanach, er ist es zufrieden. Schick mir doch Hardenbergs Roman, ich habe eine Sehnsucht danach, die ich dir nicht sagen kann. Mit der fahrenden Post schreib ich an Bernhardi, mit dieser will ich die geistlichen Lieder senden. Ich habe auch Friedrich in Leipzig gesehn; von seinen Beiträgen ist es wohl besser, die kleinen Gedichte wegzulassen, weil sie etwas zu muthwillig sind, der Schwachen wegen, für die ein solcher Almanach doch hauptsächlich gemacht wird. Schreib mir doch die No. deines Hauses, damit ich ein andermal geradezu an dich schreiben kann. – Deine Gedichte lese ich wiederholt, und mit den recht schönen geht es mir, wie mit den Gemählden auf der Gallerie, sie werden immer herrlicher, ich sehe auch, daß sie auf jedes Gemüth so wirken, denen ich sie mittheile. Einige Sonette sind durchaus göttlich, viele, und ich verstehe sie jezt erst, auch Leonardo und Prometheus, wenn er etwas kürzer wäre, ich hätte gern für die Erlanger Zeitung eine Anzeige gemacht, aber ich höre, daß es nun schon geschehn ist. Ich bin [3] allen Leuten Briefe schuldig, und jezt bin ich einige Wochen durch einen Besuch von Verwandten von allen Dingen abgehalten. Caroline hat mir auch den Fortunat und ein Gedicht (Sonett) auf Buri geschickt. Von dem letztern glaube ich, daß es zu sehr im Tone einer Erklärung ist, wenn ein Wettstreit erlaubt ist, so möchte ich dir auch darüber ein Sonett zuschicken, wenn auch nicht zum Drucken. Auf den Fortunat bin ich recht böse, oder ich sollte es vielleicht auf mich sein, weil er so gar wenig auf mich gewirkt hat, es scheint mir dem Gedichte an Einheit zu mangeln, an dem, warum es eigentlich gemacht sein sollte, ich verstehe es nicht, und die Rosen beleidigen mich: ich begreife das Pferd und den Reiter nicht. Bekommen wir nicht zu viele Gespensterhistorien? Ich habe es mehren vorgelesen und auch keine Wirkung des Grauens an ihnen wahrgenommen. Warum willst du uns aber zum Schauer bringen? Läßt sich überhaupt an dieser Romanze nicht manches aussetzen, was du so trefflich an Bürger gerügt hast? Der Mangel des nothwendigen Zusammenhangs. Ich mag mich irren, aber ich habe dir freimüthig darüber gesprochen. Warum schreibst du nicht wieder etwas göttlich Komisches, wie den Wettgesang, Kotzebues Reise, wo ich, Friedrich und 20 andre uns dem Satan übergeben könnten, und doch nicht so etwas Meisterhaftes zu Stande bringen. Wenn meine Bitte, der Vortheil des Kalenders, etwas bei dir vermag, so gieb noch ein solches herrliches Gedicht hinein, was wir andern zu machen unterlassen müssen, wenn du uns auch dazu aufforderst. Schau Er, daß die Schauer nicht dem Schauer oder Leser scheinen zu sehr zur Schau getragen zu werden; schreib mir bald, und schickst du ein komisches, burleskes Gedicht, so will ich mit allen Schauern der Verehrung sein,
Dein
Dich ewig lesender Freund
L. Tieck.
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