• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Unknown · Date: 05.11.1806
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 05.11.1806
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 368‒373.
  • Incipit: „[1] Rom den 5ten Novb 1806
    So eben komt Ihr Brief mein geliebter Freund und Bruder an, und er erfült mich mit [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,49
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 12,5 cm
    Language
  • German
[1] Rom den 5ten Novb 1806
So eben komt Ihr Brief mein geliebter Freund und Bruder an, und er erfült mich mit dem lebhaftesten Schmerz. Sie glauben sich von uns vergessen und haben also meine beiden Briefe nicht erhalten Gott weiß ob auch dieser zu Ihnen gelangt, und ich empfinde nun mit rechter Wehmut den Schmerz der Trennung, wo wir ohne unsere Schuld oft unsere geliebten Freunde verwunden missen, und gezwungen sind es dem Zufall zu überlassen, ob unsere Worte, welche die Ewigkeit unserer Liebe ausdrüken sollen ihn treffen oder nicht. Ich kann mein theurer Freund den Schmerz in mir nicht bezwingen daß ich Sie muß in der Entfernung von mir wissen bei so schwankender Gesundheit. Sie haben Ihre besten Kräfte die zärtlichste Sorgfalt angewendet um mir beizustehen, und Ihre Liebe hat mich fast mit Gewalt vom Grabe zurickgehalten, und ich kann nichts für Sie in der Entfernung thun, als über dieß Unvermögen weinen, und muß Sie gegen meine Schuld noch kränken. Sie haben mir selbst geschrieben ich solte Ihre Briefe nach Coppet adressiren ich habe es gethan und mein erster war vom 3ten September der zweite vom 13ten September, wozwischen Ihr Brief ankam, ich habe Ihnen auf alles sehr weitläuftig geantwortet, und es wäre für mich sehr kränkend wen[n] diese Briefe verlohren währen, wen[n] sie noch in Ihre Hände gerathen sind werden Sie darauß sehen, wie wenig wir Sie jemals vergessen können. Ich bin heut von einer so unbegränzten Wehmuth beherscht, es giebt Tage wo sich mir die Vergangenheit so lebhaft aufdrängt, ich möchte sie dan auch mit aller Kraft in Ihnen zurickru[2]fen, und werde umso muhtloser es zu thun, wen[n] ich denken muß daß meine Worte Sie gar nicht erreichen. Morgen wird Felix 4 Jahr alt und ich muß es denken, wie viele Hoffnungen des Lebens wir beide bauten, als die Stunde seiner Geburth vorüber war, bei der ich mich schon verlohren gab. Wie vieles haben wir seitdem beide erlebt, und ich fühle alle die Schmerzen nach welche mich in der Vergangenheit berührt haben. Mein geliebter Freund lassen Sie es mich hoffen, und glauben Sie es mit mir, noch ist die Blüthe des Lebens nicht vorüber, die ewig jugendliche Poesie muß uns erst recht von neuen erwachen, wir missen erst recht das Anmuhtige des Lebens empfinden. Ich gestehe Ihnen ich habe mich immer mit der Hoffnung genährt und geschmeichelt es wirde einmal eine Zeit kommen, in welcher ich Ihnen recht das Leben angenehm machen könte, wo wir befreit von den irdischen Sorgen miteinander im edlen Weteifer die Poesie ausüben dürften, wo ich wieder Ihre schöne reine Freude an allen meinen Hervorbringungen empfände und wo ich es wieder entzückt bewundern könte wie der Geist der Sprache von Ihnen angeruft sich belebt, und wunderbahr bewegt. Wer recht die Süssigkeit der Poesie empfinden will wird sich doch in allen Zeiten dankbahr zu Ihnen wenden wer die Tiefe den Reiz den Wohllaut der Sprache und ihren Reichthum studieren will, wird immer aus der unversiegbaren Quelle Ihrer Dichtungen schöpfen. Ich muß mich oft in Träumen verliehren wie schön es sein könte wen[n] Sie hier eine Zeitlang in unserer Mitte lebten, und ich kann es nicht lassen Plane zu entwerfen wie dieß angehen könte. Ich möchte sie [3] Ihnen gern mittheilen und fürchte dan daß meine Hoffnungen aus sind, den[n] wen[n] ich es Ihnen schreibe und Sie antworten dann es geht nicht es kann nicht sein, so fühle ich daß es mich unendlich niederschlagen würde. Dennoch aber will ich es thun und ich sehe dan mit Ungeduld Ihrer Antwort entgegen. Ich habe Ihnen von der großen Noth geschrieben welche wir hier erlitten haben. Dieß hoffe ich ist in wenigen Tagen vorüber. Knorrings Geld komt an, alsdan bezahlen wir das dringendste und er geht auf eine kurze Zeit nach Deutschland um sich dort in dem Besiz seines mütterlichen Vermögens zu setzen, und kehrt so schleunig als möglich wieder hieher zurick. Sie sehen also daß ich in einigen Tagen, auch Knorring wenigstens auf eine Zeitlang verliehren werde. Doch bitte ich Sie dieß durchaus zu verschweigen weil es ihm bei dem jetzigen Kriege und auch seiner Familie wegen unangenehm sein könte.
Wen[n] Knorring zurickkomt, dan sind alle jene drükende Bande des irdischen Bedürfnisses wie wir hoffen auf immer gelößt, könten Sie sich dan nicht mein theurer Freund entschliessen auf ein halbes Jahr, zum Beispiel, Ihre Freundin zu verlassen, um einmal wieder mit mir die doch ältere Rechte auf Ihre Freundschaft hatt, in schöner Eintracht, in Ausübung der Poesie, in einer reichen großen Natur, in einem milden Clima zu leben, alsdan wirde sich Ihre Gesundheit wiederherstellen, ich könte vieles dazu beitragen, Sie erfülten meines Bruders Friedrich Sehnsucht einmal ohne äussere Stöhrung mit Ihnen und hier in Rom zu leben. Sie befried[4]igten Knorrings Verlangen, welcher Ihnen so gern in recht naher Verbindung beweisen möchte wie sehr er Sie liebt und achtet, Sie wären von meinen Kindern einmal wieder umgeben und sehen sie wachsen und blühen. Und könte sich Ihre Freundin nicht dazu entschliessen da Sie doch dan mehrere Jahre ihr täglicher Geselschafter gewesen waren Sie auf einige Zeit zu entbehren? Ja ich möchte einen noch kühnern Vorschlag thun könte es sich nicht einrichten, da Ihr Bruder Friedrich doch jezt viel von seinem eigentlichen Wohnort entfernt ist, daß er zum Beispiel Frau v. Stael stadt Ihrer im Frühjahr begleitete, und so lange bei ihr bliebe biß Sie zurick kämen, und Sie im Frühling von der Schweiz hieher zu uns kämen? Ich glaube und bin fest überzeugt daß Sie uns noch der Alte sind, und daß Sie also meinen Vorschlag so aufnehmen wie ich ihn mache, nemlich mit dem besten Herzen, wen[n] Sie kommen könten wolten wir uns alle bestreben waß wir könten zu Ihrer Aufheiterung und zu Ihrem Vergnügen beizutragen, und Sie selbst wen[n] Sie uns noch lieben missen ja eine Sehnsucht haben uns wiederzusehen. Ich meine oft noch ist mir so wenig Glückliches begegnet, daß sich nun einmal alles meinen Wünschen fügen miste. Glauben Sie für uns alle giebt es nichts so erfreuliches als wen[n] Sie antworten daß Sie sich unsern Wünschen fügen, und daß Frau v. Stael sich entschließt Sie eine Zeitlang zu entbehren, um uns einmal den frohen freien Genuß Ihrer Gegenwart zu schenken, aber auch nichts so niederschlagendes können Sie schreiben als wen[n] Sie uns unsere Hoffnung rauben. Knorring bittet Sie recht herzlich meine Bitte zu erfüllen er wirde sich unendlich freuen Ihnen zeigen zu [5] können wie sehr er Sie liebt, er wird Ihnen gewiß von Deutschland aus selbst schreiben, und Ihnen dan näher alle seine Einrichtungen mittheilen die Sie gewiß nicht abschreken werden, einmal wieder unser lieber treuer Haußgenosse zu sein. Mit welcher Freude wolte ich Sie wilkommen heissen. Ich möchte gar nicht aufhören über diesen Gegenstand zu schreiben weil ich immer denke ich könte mich noch auf etwaß besinnen waß Sie bewegen könte, und ich muß doch aufhören um Ihnen noch über Geschäfte zu schreiben. Mein Bruder schreibt selbst um Sie befriedigend über das Monument zu benachrichtigen, und mit seinen Bitten Sie zu bewegen.
Um endlich mit den Geschäften anzufangen so bitte ich Sie an Knorring nach Deutschland zu schreiben und ihn dort zu benachrichtigen waß in den Jahren unserer Abwesenheit Merckwürdiges im Druck erschienen ist damit er es mitbringen kann Sie mißen aber bald nach Empfang dieses Briefs schreiben, und Ihren Brief mit einem besondern Couvert an Karl v. Hardenberg nach Weißenfels adressiren, weil ich noch nicht genau weiß ob K[norring] mit seinen eignen Nahmen reisen kann.
Dan muß ich Sie mit meinen Planen bekant machen und um Ihren Beistand bitten. Ich bin hier in die Nohtwendigkeit gekommen, der Herzogin ein Gedicht zuzueignen, natürlich kan dieß nichts anders als eine Legende sein, da sie selbst Äbtissin von Prag ist, und ich habe dazu die Geschichte der heiligen Eufrosine gewält welche ich dramatisch bearbeite. Dabei hat sich uns der Gedanke natürlich erzeugt da die Erzherzogin und der Erzherzog Karl einander zärtlich lieben, und sie sich selbst Poetisch als die Fromme und der Held gegenüber stehen, ein ande[6]res Gedicht ihm zuzueignen, welches für mich von doppeltem Gewicht währe, da er durch seine Schwester so vieles von mir weiß, und ich ein solches Gedicht durch Ihre Hände, mit dem zärtlichsten und angelegentlichsten Brief an ihn könte gelangen lassen. Es wird Ihnen einleuchten wie bedeutsam wir zu diesem Behuf den Rudolpf von Hapsburg gewählt haben, und ich bitte Sie mir nun darin beizustehn, und mir alles waß Sie von seinem Leben wissen mitzutheilen, ich bitte Sie lassen Sie sich die Mühe nicht verdriessen, welche es Ihnen macht, und bedenken Sie nur wie wichtig es für mich ist, ich komme dadurch mit ihm der schon auf das Vortheilhafteste über mich unterrichtet ist in persöhnliche Verbindung, und ich glaube es läßt sich ein schönes Drama aus dem Leben Rudolpf von Hapsburg machen, und die schöne leise Bedeutung welche darin liegt daß es dem Erzherzog Karl zugeeignet wird, giebt sich von selbst ohne daß es mir schaden kann. Auch sind ja in Rudolpf[s] Leben alle Elemente der Religion Tapferkeit und Poesie gemischt. Schreiben Sie mir darüber ja recht bald, ich wirde dan wen[n] ich es angefangen habe Ihnen jeden einzelnen Ackt zuschiken, mit dem Plan für das Ganze, und Sie bitten es darnach zu korrigiren und dan an Karl Hardenberg der ein treuer Freund ist zu schiken. Ich bin gewiß Sie sehen die Wichtigkeit dieser Unternehmung ein und helfen mir nach Ihren besten Kräften darin.
Jezt noch einige Worte über die verhaßte Angelegenheit mit Bernhardi. Ich bitte Sie wenden Sie alles an um meine beide an Sie geschrie[7]bene Briefe zu bekommen, den[n] sie enthalten über den Prozeß wichtige Nachrichten die ich nun nicht wiederholen kann weil ich durch viele Geschäfte in dieser Sache confus geworden bin. Bernhardi hat mich die Hefen der Gemeinheit zu versuchen gegeben, er hat meine Klage beantwortet und seine Gegenklage eingereicht, und dieß ist in dem Styl ongefehr abgefaßt als der Brief an Sie. Ich bitte Sie suchen Sie ja die verlohrnen Briefe zu erhalten damit Ihnen der Gang der Klage immer gegenwärtig bleibt. Ich schike Ihnen hier die Abschrift Ihres an meinen Bruder Ludwig geschriebenen Briefes. Bernhardi behandelt mich in seiner Klage wie die gemeinste schlechteste Creatur, Ihr Herz würde sich empören wen[n] Sie es lesen misten. Ich will Sie nur noch bitten sich ins Gedächtniß zu rufen, daß als Wilhelm so an den Geschlechtstheilen geschwollen und wund war, Bernhardi Ihnen sagte daß dieß von der alten Magd bei seinen Eltern herrühre, schon mein Bruder hat sich in der Klage darauf berufen. Bernhardi leugnet es jezt, und nur Ihr Ausspruch kann entscheiden. Ferner hat er als Zeugin die Miene aufgestelt welche wie Sie wissen bei uns diente, um sie das Niederträchtigste von mir behaupten zu lassen, und giebt in seiner Klage vor ich habe diese Persohn so plözlich damals aus dem Hause geschaft weil sie ihm diese Schändlichkeiten in ansehung meiner habe entdeken wollen. Ich habe mich auf Ihr Zeugniß berufen, daß ich diese Persohn ihres liederlichen Lebenswandels wegen fortgeschickt habe, und daß es in Bernhardis Gegenwart geschehen ist, daß er ihre Liederlichkeit so gut als ich, und noch besser gewußt hat. Dieß [8] können Sie mit gutem Gewissen bezeugen, den[n] Sie missen es sich erinnern wie oft Bernhardi und wir alle darüber gesprochen haben. Endlich noch beruft sich B[ernhardi] auf diese Magd als Zeugin daß er mich immer liebevoll und zärtlich behandelt habe, ich habe unter andern Sie als Gegenzeuge genant daß es nicht wahr sei. Ich kann ohnmöglich heut weitläuftiger über die Sache mit Bernhardi schreiben, ich habe seine Klage so weitläuftig beantworten missen also recht in dem Kern der Schlechtigkeiten eindringen, daß ich ganz zerrißen von dem Gefühl bin mit einem so äusserst nichtswirdigen Menschen verbunden gewesen zu sein. Es wirde, wen[n] es sich ziemt für mich, mich selbst so zu erniedrigen daß ich ein solches Wort brauche über mich, für meine Ehre sehr gut sein wen[n] Sie den Entschluß faßten eine Zeitlang mit uns zu leben, indem nicht Bernhardi allein mein Verhältniß zu Ihnen für beendigt ausgiebt, Ihr feiner Sinn fühlt alles Schmähliche waß für mich darin liegt, doch muß Sie dieß mein theurer Freund nicht bestimmen, sondern die alte brüderliche Liebe, wie ich es nur aus der reinsten Zärtlichkeit ohne andere Rüksichten bitte. Noch haben wir niemals die reine Freude des ungestörten freundlichen Beisammenlebens ohne Sorgen und Verdruß empfunden, lassen Sie uns dieß nun einmal geniessen. Ich würde mich dan unglaublich freuen wen[n] wieder Werke von Ihnen erschienen, und einen neuen Genuß in der Ausübung der Poesie unter Ihrer Anleitung finden, den[n] Sie bleiben doch ewig mein Lehrer. Felix fragt so oft von Ihnen die Rede ist wan komt Herr Schlegel, er hat es nicht vergessen daß Sie ihm versprochen haben bald wieder zu kommen als Sie abreißten. Da mein Bruder so beschäf[9]tigt ist kann er Ihnen nicht schreiben, und trägt mir auf Ihnen vorläufig zu sagen, daß Sie über das Ba[s]relief mit der allernächsten Post die ausführlichsten Nachrichten erhalten solten. Kürzlich will ich Ihnen nur melden, daß es nicht seine Schuld ist daß Es Frau v. Stael noch nicht hat, schon im April ist sein Model fertig gewesen, aber er hat bis jezt noch keinen Marmor dazu bekommen können, den[n] die Barken welche aus Carrara erwartet werden sind noch nicht gekommen. Nichts destoweniger wird ohne allen Zweifel das Basrelief im Frühling an Ort und Stelle sein, und er bittet nur ihm den Monath zu nennen, wan Frau v. Stael dort sein wird. Er bittet Sie ausser alle Sorge deshalb zu sein, und sich auf sein Wort zu verlassen.
Noch einmal muß ich zu Bernhardi zurickkehren, ich bitte Sie wen[n] Sie meine Briefe haben, sich zu überlegen ob nicht meine Vorschläge welche ich wegen Ihrer Bücher gethan habe die besten sind. Solte aber ein Prozeß unvermeidlich sein, welchen Bernhardi bloß sucht, um Sie als Zeugen verwerfen zu können, so bitte ich Sie die Sache dem Justiz Commisarius Troschel zu übertragen, welcher auch meinen Prozeß führt, und der dan die Sache so einrichten kann, wie sie für mich am wenigsten schädlich wird. Ich schliesse damit dieser Brief noch Heute abgeht, und bitte Sie ihn recht bald zu beantworten, und zwar so daß wir Ihnen alle dankbahr sind. Leben Sie wohl, biß wir uns wie ich hoffe bald wiedersehen. Alle grüssen Sie brüderlich [10] und bitten Sie so unser Freund zu bleiben wie Sie von allen auf das zärtlichste geliebt werden. Daß ich ewig Ihre Freundin bin wissen Sie.
S[ophie] Tieck
[1] Rom den 5ten Novb 1806
So eben komt Ihr Brief mein geliebter Freund und Bruder an, und er erfült mich mit dem lebhaftesten Schmerz. Sie glauben sich von uns vergessen und haben also meine beiden Briefe nicht erhalten Gott weiß ob auch dieser zu Ihnen gelangt, und ich empfinde nun mit rechter Wehmut den Schmerz der Trennung, wo wir ohne unsere Schuld oft unsere geliebten Freunde verwunden missen, und gezwungen sind es dem Zufall zu überlassen, ob unsere Worte, welche die Ewigkeit unserer Liebe ausdrüken sollen ihn treffen oder nicht. Ich kann mein theurer Freund den Schmerz in mir nicht bezwingen daß ich Sie muß in der Entfernung von mir wissen bei so schwankender Gesundheit. Sie haben Ihre besten Kräfte die zärtlichste Sorgfalt angewendet um mir beizustehen, und Ihre Liebe hat mich fast mit Gewalt vom Grabe zurickgehalten, und ich kann nichts für Sie in der Entfernung thun, als über dieß Unvermögen weinen, und muß Sie gegen meine Schuld noch kränken. Sie haben mir selbst geschrieben ich solte Ihre Briefe nach Coppet adressiren ich habe es gethan und mein erster war vom 3ten September der zweite vom 13ten September, wozwischen Ihr Brief ankam, ich habe Ihnen auf alles sehr weitläuftig geantwortet, und es wäre für mich sehr kränkend wen[n] diese Briefe verlohren währen, wen[n] sie noch in Ihre Hände gerathen sind werden Sie darauß sehen, wie wenig wir Sie jemals vergessen können. Ich bin heut von einer so unbegränzten Wehmuth beherscht, es giebt Tage wo sich mir die Vergangenheit so lebhaft aufdrängt, ich möchte sie dan auch mit aller Kraft in Ihnen zurickru[2]fen, und werde umso muhtloser es zu thun, wen[n] ich denken muß daß meine Worte Sie gar nicht erreichen. Morgen wird Felix 4 Jahr alt und ich muß es denken, wie viele Hoffnungen des Lebens wir beide bauten, als die Stunde seiner Geburth vorüber war, bei der ich mich schon verlohren gab. Wie vieles haben wir seitdem beide erlebt, und ich fühle alle die Schmerzen nach welche mich in der Vergangenheit berührt haben. Mein geliebter Freund lassen Sie es mich hoffen, und glauben Sie es mit mir, noch ist die Blüthe des Lebens nicht vorüber, die ewig jugendliche Poesie muß uns erst recht von neuen erwachen, wir missen erst recht das Anmuhtige des Lebens empfinden. Ich gestehe Ihnen ich habe mich immer mit der Hoffnung genährt und geschmeichelt es wirde einmal eine Zeit kommen, in welcher ich Ihnen recht das Leben angenehm machen könte, wo wir befreit von den irdischen Sorgen miteinander im edlen Weteifer die Poesie ausüben dürften, wo ich wieder Ihre schöne reine Freude an allen meinen Hervorbringungen empfände und wo ich es wieder entzückt bewundern könte wie der Geist der Sprache von Ihnen angeruft sich belebt, und wunderbahr bewegt. Wer recht die Süssigkeit der Poesie empfinden will wird sich doch in allen Zeiten dankbahr zu Ihnen wenden wer die Tiefe den Reiz den Wohllaut der Sprache und ihren Reichthum studieren will, wird immer aus der unversiegbaren Quelle Ihrer Dichtungen schöpfen. Ich muß mich oft in Träumen verliehren wie schön es sein könte wen[n] Sie hier eine Zeitlang in unserer Mitte lebten, und ich kann es nicht lassen Plane zu entwerfen wie dieß angehen könte. Ich möchte sie [3] Ihnen gern mittheilen und fürchte dan daß meine Hoffnungen aus sind, den[n] wen[n] ich es Ihnen schreibe und Sie antworten dann es geht nicht es kann nicht sein, so fühle ich daß es mich unendlich niederschlagen würde. Dennoch aber will ich es thun und ich sehe dan mit Ungeduld Ihrer Antwort entgegen. Ich habe Ihnen von der großen Noth geschrieben welche wir hier erlitten haben. Dieß hoffe ich ist in wenigen Tagen vorüber. Knorrings Geld komt an, alsdan bezahlen wir das dringendste und er geht auf eine kurze Zeit nach Deutschland um sich dort in dem Besiz seines mütterlichen Vermögens zu setzen, und kehrt so schleunig als möglich wieder hieher zurick. Sie sehen also daß ich in einigen Tagen, auch Knorring wenigstens auf eine Zeitlang verliehren werde. Doch bitte ich Sie dieß durchaus zu verschweigen weil es ihm bei dem jetzigen Kriege und auch seiner Familie wegen unangenehm sein könte.
Wen[n] Knorring zurickkomt, dan sind alle jene drükende Bande des irdischen Bedürfnisses wie wir hoffen auf immer gelößt, könten Sie sich dan nicht mein theurer Freund entschliessen auf ein halbes Jahr, zum Beispiel, Ihre Freundin zu verlassen, um einmal wieder mit mir die doch ältere Rechte auf Ihre Freundschaft hatt, in schöner Eintracht, in Ausübung der Poesie, in einer reichen großen Natur, in einem milden Clima zu leben, alsdan wirde sich Ihre Gesundheit wiederherstellen, ich könte vieles dazu beitragen, Sie erfülten meines Bruders Friedrich Sehnsucht einmal ohne äussere Stöhrung mit Ihnen und hier in Rom zu leben. Sie befried[4]igten Knorrings Verlangen, welcher Ihnen so gern in recht naher Verbindung beweisen möchte wie sehr er Sie liebt und achtet, Sie wären von meinen Kindern einmal wieder umgeben und sehen sie wachsen und blühen. Und könte sich Ihre Freundin nicht dazu entschliessen da Sie doch dan mehrere Jahre ihr täglicher Geselschafter gewesen waren Sie auf einige Zeit zu entbehren? Ja ich möchte einen noch kühnern Vorschlag thun könte es sich nicht einrichten, da Ihr Bruder Friedrich doch jezt viel von seinem eigentlichen Wohnort entfernt ist, daß er zum Beispiel Frau v. Stael stadt Ihrer im Frühjahr begleitete, und so lange bei ihr bliebe biß Sie zurick kämen, und Sie im Frühling von der Schweiz hieher zu uns kämen? Ich glaube und bin fest überzeugt daß Sie uns noch der Alte sind, und daß Sie also meinen Vorschlag so aufnehmen wie ich ihn mache, nemlich mit dem besten Herzen, wen[n] Sie kommen könten wolten wir uns alle bestreben waß wir könten zu Ihrer Aufheiterung und zu Ihrem Vergnügen beizutragen, und Sie selbst wen[n] Sie uns noch lieben missen ja eine Sehnsucht haben uns wiederzusehen. Ich meine oft noch ist mir so wenig Glückliches begegnet, daß sich nun einmal alles meinen Wünschen fügen miste. Glauben Sie für uns alle giebt es nichts so erfreuliches als wen[n] Sie antworten daß Sie sich unsern Wünschen fügen, und daß Frau v. Stael sich entschließt Sie eine Zeitlang zu entbehren, um uns einmal den frohen freien Genuß Ihrer Gegenwart zu schenken, aber auch nichts so niederschlagendes können Sie schreiben als wen[n] Sie uns unsere Hoffnung rauben. Knorring bittet Sie recht herzlich meine Bitte zu erfüllen er wirde sich unendlich freuen Ihnen zeigen zu [5] können wie sehr er Sie liebt, er wird Ihnen gewiß von Deutschland aus selbst schreiben, und Ihnen dan näher alle seine Einrichtungen mittheilen die Sie gewiß nicht abschreken werden, einmal wieder unser lieber treuer Haußgenosse zu sein. Mit welcher Freude wolte ich Sie wilkommen heissen. Ich möchte gar nicht aufhören über diesen Gegenstand zu schreiben weil ich immer denke ich könte mich noch auf etwaß besinnen waß Sie bewegen könte, und ich muß doch aufhören um Ihnen noch über Geschäfte zu schreiben. Mein Bruder schreibt selbst um Sie befriedigend über das Monument zu benachrichtigen, und mit seinen Bitten Sie zu bewegen.
Um endlich mit den Geschäften anzufangen so bitte ich Sie an Knorring nach Deutschland zu schreiben und ihn dort zu benachrichtigen waß in den Jahren unserer Abwesenheit Merckwürdiges im Druck erschienen ist damit er es mitbringen kann Sie mißen aber bald nach Empfang dieses Briefs schreiben, und Ihren Brief mit einem besondern Couvert an Karl v. Hardenberg nach Weißenfels adressiren, weil ich noch nicht genau weiß ob K[norring] mit seinen eignen Nahmen reisen kann.
Dan muß ich Sie mit meinen Planen bekant machen und um Ihren Beistand bitten. Ich bin hier in die Nohtwendigkeit gekommen, der Herzogin ein Gedicht zuzueignen, natürlich kan dieß nichts anders als eine Legende sein, da sie selbst Äbtissin von Prag ist, und ich habe dazu die Geschichte der heiligen Eufrosine gewält welche ich dramatisch bearbeite. Dabei hat sich uns der Gedanke natürlich erzeugt da die Erzherzogin und der Erzherzog Karl einander zärtlich lieben, und sie sich selbst Poetisch als die Fromme und der Held gegenüber stehen, ein ande[6]res Gedicht ihm zuzueignen, welches für mich von doppeltem Gewicht währe, da er durch seine Schwester so vieles von mir weiß, und ich ein solches Gedicht durch Ihre Hände, mit dem zärtlichsten und angelegentlichsten Brief an ihn könte gelangen lassen. Es wird Ihnen einleuchten wie bedeutsam wir zu diesem Behuf den Rudolpf von Hapsburg gewählt haben, und ich bitte Sie mir nun darin beizustehn, und mir alles waß Sie von seinem Leben wissen mitzutheilen, ich bitte Sie lassen Sie sich die Mühe nicht verdriessen, welche es Ihnen macht, und bedenken Sie nur wie wichtig es für mich ist, ich komme dadurch mit ihm der schon auf das Vortheilhafteste über mich unterrichtet ist in persöhnliche Verbindung, und ich glaube es läßt sich ein schönes Drama aus dem Leben Rudolpf von Hapsburg machen, und die schöne leise Bedeutung welche darin liegt daß es dem Erzherzog Karl zugeeignet wird, giebt sich von selbst ohne daß es mir schaden kann. Auch sind ja in Rudolpf[s] Leben alle Elemente der Religion Tapferkeit und Poesie gemischt. Schreiben Sie mir darüber ja recht bald, ich wirde dan wen[n] ich es angefangen habe Ihnen jeden einzelnen Ackt zuschiken, mit dem Plan für das Ganze, und Sie bitten es darnach zu korrigiren und dan an Karl Hardenberg der ein treuer Freund ist zu schiken. Ich bin gewiß Sie sehen die Wichtigkeit dieser Unternehmung ein und helfen mir nach Ihren besten Kräften darin.
Jezt noch einige Worte über die verhaßte Angelegenheit mit Bernhardi. Ich bitte Sie wenden Sie alles an um meine beide an Sie geschrie[7]bene Briefe zu bekommen, den[n] sie enthalten über den Prozeß wichtige Nachrichten die ich nun nicht wiederholen kann weil ich durch viele Geschäfte in dieser Sache confus geworden bin. Bernhardi hat mich die Hefen der Gemeinheit zu versuchen gegeben, er hat meine Klage beantwortet und seine Gegenklage eingereicht, und dieß ist in dem Styl ongefehr abgefaßt als der Brief an Sie. Ich bitte Sie suchen Sie ja die verlohrnen Briefe zu erhalten damit Ihnen der Gang der Klage immer gegenwärtig bleibt. Ich schike Ihnen hier die Abschrift Ihres an meinen Bruder Ludwig geschriebenen Briefes. Bernhardi behandelt mich in seiner Klage wie die gemeinste schlechteste Creatur, Ihr Herz würde sich empören wen[n] Sie es lesen misten. Ich will Sie nur noch bitten sich ins Gedächtniß zu rufen, daß als Wilhelm so an den Geschlechtstheilen geschwollen und wund war, Bernhardi Ihnen sagte daß dieß von der alten Magd bei seinen Eltern herrühre, schon mein Bruder hat sich in der Klage darauf berufen. Bernhardi leugnet es jezt, und nur Ihr Ausspruch kann entscheiden. Ferner hat er als Zeugin die Miene aufgestelt welche wie Sie wissen bei uns diente, um sie das Niederträchtigste von mir behaupten zu lassen, und giebt in seiner Klage vor ich habe diese Persohn so plözlich damals aus dem Hause geschaft weil sie ihm diese Schändlichkeiten in ansehung meiner habe entdeken wollen. Ich habe mich auf Ihr Zeugniß berufen, daß ich diese Persohn ihres liederlichen Lebenswandels wegen fortgeschickt habe, und daß es in Bernhardis Gegenwart geschehen ist, daß er ihre Liederlichkeit so gut als ich, und noch besser gewußt hat. Dieß [8] können Sie mit gutem Gewissen bezeugen, den[n] Sie missen es sich erinnern wie oft Bernhardi und wir alle darüber gesprochen haben. Endlich noch beruft sich B[ernhardi] auf diese Magd als Zeugin daß er mich immer liebevoll und zärtlich behandelt habe, ich habe unter andern Sie als Gegenzeuge genant daß es nicht wahr sei. Ich kann ohnmöglich heut weitläuftiger über die Sache mit Bernhardi schreiben, ich habe seine Klage so weitläuftig beantworten missen also recht in dem Kern der Schlechtigkeiten eindringen, daß ich ganz zerrißen von dem Gefühl bin mit einem so äusserst nichtswirdigen Menschen verbunden gewesen zu sein. Es wirde, wen[n] es sich ziemt für mich, mich selbst so zu erniedrigen daß ich ein solches Wort brauche über mich, für meine Ehre sehr gut sein wen[n] Sie den Entschluß faßten eine Zeitlang mit uns zu leben, indem nicht Bernhardi allein mein Verhältniß zu Ihnen für beendigt ausgiebt, Ihr feiner Sinn fühlt alles Schmähliche waß für mich darin liegt, doch muß Sie dieß mein theurer Freund nicht bestimmen, sondern die alte brüderliche Liebe, wie ich es nur aus der reinsten Zärtlichkeit ohne andere Rüksichten bitte. Noch haben wir niemals die reine Freude des ungestörten freundlichen Beisammenlebens ohne Sorgen und Verdruß empfunden, lassen Sie uns dieß nun einmal geniessen. Ich würde mich dan unglaublich freuen wen[n] wieder Werke von Ihnen erschienen, und einen neuen Genuß in der Ausübung der Poesie unter Ihrer Anleitung finden, den[n] Sie bleiben doch ewig mein Lehrer. Felix fragt so oft von Ihnen die Rede ist wan komt Herr Schlegel, er hat es nicht vergessen daß Sie ihm versprochen haben bald wieder zu kommen als Sie abreißten. Da mein Bruder so beschäf[9]tigt ist kann er Ihnen nicht schreiben, und trägt mir auf Ihnen vorläufig zu sagen, daß Sie über das Ba[s]relief mit der allernächsten Post die ausführlichsten Nachrichten erhalten solten. Kürzlich will ich Ihnen nur melden, daß es nicht seine Schuld ist daß Es Frau v. Stael noch nicht hat, schon im April ist sein Model fertig gewesen, aber er hat bis jezt noch keinen Marmor dazu bekommen können, den[n] die Barken welche aus Carrara erwartet werden sind noch nicht gekommen. Nichts destoweniger wird ohne allen Zweifel das Basrelief im Frühling an Ort und Stelle sein, und er bittet nur ihm den Monath zu nennen, wan Frau v. Stael dort sein wird. Er bittet Sie ausser alle Sorge deshalb zu sein, und sich auf sein Wort zu verlassen.
Noch einmal muß ich zu Bernhardi zurickkehren, ich bitte Sie wen[n] Sie meine Briefe haben, sich zu überlegen ob nicht meine Vorschläge welche ich wegen Ihrer Bücher gethan habe die besten sind. Solte aber ein Prozeß unvermeidlich sein, welchen Bernhardi bloß sucht, um Sie als Zeugen verwerfen zu können, so bitte ich Sie die Sache dem Justiz Commisarius Troschel zu übertragen, welcher auch meinen Prozeß führt, und der dan die Sache so einrichten kann, wie sie für mich am wenigsten schädlich wird. Ich schliesse damit dieser Brief noch Heute abgeht, und bitte Sie ihn recht bald zu beantworten, und zwar so daß wir Ihnen alle dankbahr sind. Leben Sie wohl, biß wir uns wie ich hoffe bald wiedersehen. Alle grüssen Sie brüderlich [10] und bitten Sie so unser Freund zu bleiben wie Sie von allen auf das zärtlichste geliebt werden. Daß ich ewig Ihre Freundin bin wissen Sie.
S[ophie] Tieck
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