• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 07.07.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 07.07.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 418‒421.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 220‒223.
  • Incipit: „[1] Kölln. Den 7ten Juli 1807.
    Geliebter Bruder,
    Dein lang erwarteter Brief ist zu meiner großen Freude endlich angekommen, und ich danke Dir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,36
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,4 x 12,5 cm
    Language
  • German
[1] Kölln. Den 7ten Juli 1807.
Geliebter Bruder,
Dein lang erwarteter Brief ist zu meiner großen Freude endlich angekommen, und ich danke Dir herzlich für alle darin mitgetheilten Nachrichten. Besonders lieb ist es mir, daß Du Dir unser Mittelalter so eifrig angelegen sein läßt, wenn gleich Deine ersten Studien dafür nicht gleich Früchte getragen haben. Doch solltest Du keine derselben verlohren sein lassen; hast Du einmal den Ottfried darauf betrachtet, ob er sich neu umbilden liesse, und die ganze Eneidt zu lesen Dir Mühe gegeben, so solltest Du auch eine Probe wenn auch nur von 50–100 Versen des Ottfried geben, woraus sich wenigstens sehen liesse, was sich überhaupt damit thun liesse; denn auch der kleinste Versuch dieser Art von Dir wird verständigen Nachfolgern lehrreich und erwünscht sein, wie auch nur wenige Umrisse von der Hand eines Mahlers. Desgleichen solltest Du die einzige Stelle in der Eneidt von Friedrich I, verständlich umgeschrieben, geben, so weiß man wenigstens, daß nur das über diesen Punkt darin zu finden ist; und hast Du nicht zur Hand, woraus sich jene Erwähnung des alten Grabmahls vollständig erklären läßt, so wird vielleicht ein andrer dadurch aufmerksam, und [2] stellt Untersuchungen darüber an. Ich denke es ist gut außer den großen Stücken, auch eine große Menge einzelner solcher Proben, Studien und Miscellen zu geben. Desto größer ist die Mannichfaltigkeit. – Der Anno verdient gewiß eine Behandlung von Dir, und ein Leben von ihm, so wie es dazu nöthig ist, werde ich hier wohl auch zusammen arbeiten können. – Der Walther von Aquitanien wäre freilich ein herrliches Stück, wenn es möglich wäre, daß Du Muße genug dazu fändest. – Cotta schrieb mir wegen des Mittelalters; es würde wohl zu Ostern erscheinen können, da gewiß bis dahin Friede würde. Worauf ich ihm geantwortet, wenn ich es nur im September erfahre, ob es zu Ostern erscheinen soll, sei es früh genug; dann wünschte ich es aber auch bestimmt zu wissen. – Bei dem Percival, und bei Wolframʼs Sachen überhaupt wird Dir freilich der Scherz unentbehrlich sein. Wann sichs noch lange mit Deiner Bibliothek hinzieht, solltest Du ihn Dir noch einmal kommen lassen, da Du doch so nah bei Straßburg bist. Er ist so im Preise, daß er Dir immer für baares Geld gilt. Oder willst Du mir dann Dein altes Exemplar ablassen, da ich lange danach gestanden [3] habe, so kann ich Dir den Theuerdank mit Holzschnitten, Sanchez poesias Castellanas oder sonst etwas sehr gutes dafür abtreten. – Vom Percival möchte ich Dir den alten Druck schicken können, den ich von Wallraff geliehen habe. Wolfram von Eschelbach ist doch wohl vorzüglich deswegen so schwer, weil er der eigenthümlichste und tiefste unter allen jenen Dichtern ist. – Wegen aller Behandlung des Niebelungen Liedes und Cyklus glaube ich kannst Du ganz ruhig sein. Es hat doch keiner das Zeug dazu, als Du; und ich sehe diese Arbeit als eine an die durchaus auf Dich wartet. – Mit dem Ottfried ist es mir in einer Rücksicht recht lieb, daß Du ein großes Stück von ihm zu geben, nicht rathsam findest. Ich will, noch außer Tauler, wenn es irgend möglich ist, von noch einem Deutschen Philosophen des Mittelalters eine Charakteristik geben; aber es mag nun Albertus Magnus oder Reuchlin werden, so wird es doch immer in ziemlich starker Beziehung auf Theologie sein. Da möchte denn das Christliche zu viel werden, da die Leute ohnehin ja eine solche Angst haben, daß wir sie zu Christen machen wollen. In dieser Rücksicht wäre der Walther von Aquitanien etwas ganz herrliches.
[4] So eben ist die Corinna ganz fertig übersetzt. Nur aber mit der Zahlung sieht es schlecht aus, so daß ich es außerordentlich bereuen muß, den Verlag nicht an Cotta gegeben zu halten. Statt der versprochnen Hälfte des Honorars in baarem Gelde hat sie ein halb Dutzend Assignationen geschickt, eine kleiner als die andre, und wovon da einige nicht acceptirt wurden, so daß ich überhaupt nur 400 francs erhalten, und ob ich noch etwas bekommen werde weiß ich nicht. Es ist dieß recht unglücklich für mich; nach allem Streben Sorgen und Arbeiten, bin ich nun ungefähr eben so weit als vorher, und von allen Seiten von ängstlicher Rücksicht gequält. – In der Indischen Arbeit bin ich nun schon so weit vorgerückt, daß es zu spät und auch Schade wäre, mir abzurathen; wünsche mir vielmehr ein fröhliches Ende, damit ich recht bald und recht eifrig an den Karl V gehen kann, wozu ich jetzt mehr als je entschlossen bin, so bald ich von dem Indischen frei bin, Hand ans Werk zu legen.
Meine Frau hat eine große Freude mit Deinem Brief gehabt; sie wird Dir gewiß recht bald antworten. Einen Gegenstand zu einer Romanze weiß sie jetzt nicht; Du müßtest denn der Ungern ihr Nichtbezahlen zu einer Romanze in ù verwenden wollen. [5] Einen Brief von Henriette habe ich Dir am 10ten Juni zugeschickt. Ich hoffe Du hast ihn richtig erhalten. – Mit einer Recension des Dichter-Gartens wirst Du Dir gewiß ein großes Verdienst um uns machen und auch besonders um den guten Hardenberg. Ich fürchte sonst, der Absatz möchte sehr schlecht sein; er hätte auch gewiß besser gethan meinen Nahmen mit auf den Titel zu setzen. – Der Sophie Bernhardi danke ich aufs beste für Ihr freundschaftliches Andenken. Den DichterGarten hatte sie noch wohl nicht erhalten? – Mit einer neuen Ausgabe Deiner Gedichte, das ist sehr gut und löblich; laß Dich ja nicht die Hypochondrie befallen, wenn Du Deine eigne Sachen wieder liesest. In einer grossen Menge vermischter Gedichte ist gewiß allemal einige Ungleichheit der gelungenen Ausführung und nicht in allen kann ein gleicher Schwung des Gefühls sein; man muß sie daher nicht anders als zur guten Stunde lesen und nur im Ganzen beurtheilen. Wenn ich so hypochondrisch sein wollte, so hätte ich gewiß noch mehr Grund dazu; denn wenn ich mich so allgemein verkannt und verlassen sehe, so wird es mir wohl niemand sehr verargen können, wenn ich wünschte ich hätte überhaupt viel weniger und manches gar nicht drucken lassen. Und doch ist es Unrecht, denn es läßt sich doch eigentlich das Ganze unsrer und meiner litterarischen Wirkung und Ausbildung nicht trennen und auflösen. Man muß also nur frisch weiter dichten [6] ohne Grillen. Uebrigens ist Dein Vorrath an neuen Gedichten so groß, daß wenn Dir einige unter den alten gar nicht mehr gefallen wollen Du sie ohne Nachtheil des Ganzen zurücklassen kannst. – Soll ich einmal meine Gedichte sammeln, so muß ich mich auch drein finden daß in meinen ersten Versuchen fast nirgends der Ausdruck bis zur völligen Klarheit gelungen ist. Ich habe dieß schon oft ändern wollen; aber das geht nicht, es hängt alles viel zu sehr zusammen. Du hast übrigens sehr Recht, daß eine solche Sammlung meiner Gedichte sehr an der Zeit wäre. Ich würde es vielleicht auch Cotta vorschlagen, aber der Kerl ist mir gar zu hochmüthig, so daß ich ihm eigne Sachen gar nicht antragen mag; vielleicht hast Du bei Gelegenheit der Deinigen Anlaß, ihn einmal indirekt anzufragen. Doch die Hauptsache bleibt mir immer der Karl V., woran ich mich mit ganzer Kraft geben und durch nichts will zerstreuen lassen. – Vor allen Dingen aber erhalte Dich in heitrer oder wenigstens in ruhiger und thätiger Stimmung. Ich bin gewiß daß es Dir gelingen wird, wenn Du nur jedes Scherflein freier Zeit einen Tag wie den andern [7] sorgsam zum Dichten oder poetischen Arbeiten nutzest, und übrigens Deine Verhältnisse so nimmst wie sie einmal sind. Aeußres Unglück (woran ich niemals Mangel leide) hast Du nicht; innres ist freilich auf die Länge noch drückender und störender, aber Arbeiten und Dichten ist ein siegreiches Mittel dagegen.
Sollte Eure Reise im Spätherbst oder Winter eine solche Richtung nach Deutschland nehmen, daß dadurch die Hoffnung oder der Plan entstünde, daß ich Euch wieder sehen könnte, so bitte ich Dich, mich das recht früh wissen zu lassen. Ich bin eigentlich noch ganz unbestimmt, und weiß nirgends recht hin, doch muß ich freilich bald einen Entschluß fassen. – Noch schrieb mir die Stael nicht. Diese Gleichgültigkeit ist mir doch etwas empfindlich. – Ich habe der U.[nger] aufgetragen ihr ein Exemplar der Uebersetzung zu schicken. Es wird ihr insofern Freude machen, daß es wirklich sehr elegant gedruckt ist.
Litterarische Neuigkeiten aus Deutschland giebts gar nicht. Schleiermacher hält Vorlesungen über Griechische Philosophie in Berlin.
[8] Wie viel ist schon von Simondeʼs Werk heraus, und wer hat die Deutsche Übersetzung besorgt? – Es ist mir recht leid, daß ichs nicht früh genug erfahren und bedacht. Ich hätte sie recht gut zur Besorgung übernehmen können. Meine Frau ist jetzt sehr gesund; und Geld verdienen ist gar zu nothwendig. – Lebe wohl, liebster Bruder und grüße mir auch die Kinder. Hat August die Abschrift von der französischen Vorlesung über Philosophie gemacht? – Ich sollte ja auch den Tristan haben.
Dein treuer Fried.[rich] S.[chlegel]

Das letzte kleine Gedicht was Du mitgeschickt ist eins der lieblichsten, klarsten und rührendsten die Du in der letzten Zeit gedichtet.
[1] Kölln. Den 7ten Juli 1807.
Geliebter Bruder,
Dein lang erwarteter Brief ist zu meiner großen Freude endlich angekommen, und ich danke Dir herzlich für alle darin mitgetheilten Nachrichten. Besonders lieb ist es mir, daß Du Dir unser Mittelalter so eifrig angelegen sein läßt, wenn gleich Deine ersten Studien dafür nicht gleich Früchte getragen haben. Doch solltest Du keine derselben verlohren sein lassen; hast Du einmal den Ottfried darauf betrachtet, ob er sich neu umbilden liesse, und die ganze Eneidt zu lesen Dir Mühe gegeben, so solltest Du auch eine Probe wenn auch nur von 50–100 Versen des Ottfried geben, woraus sich wenigstens sehen liesse, was sich überhaupt damit thun liesse; denn auch der kleinste Versuch dieser Art von Dir wird verständigen Nachfolgern lehrreich und erwünscht sein, wie auch nur wenige Umrisse von der Hand eines Mahlers. Desgleichen solltest Du die einzige Stelle in der Eneidt von Friedrich I, verständlich umgeschrieben, geben, so weiß man wenigstens, daß nur das über diesen Punkt darin zu finden ist; und hast Du nicht zur Hand, woraus sich jene Erwähnung des alten Grabmahls vollständig erklären läßt, so wird vielleicht ein andrer dadurch aufmerksam, und [2] stellt Untersuchungen darüber an. Ich denke es ist gut außer den großen Stücken, auch eine große Menge einzelner solcher Proben, Studien und Miscellen zu geben. Desto größer ist die Mannichfaltigkeit. – Der Anno verdient gewiß eine Behandlung von Dir, und ein Leben von ihm, so wie es dazu nöthig ist, werde ich hier wohl auch zusammen arbeiten können. – Der Walther von Aquitanien wäre freilich ein herrliches Stück, wenn es möglich wäre, daß Du Muße genug dazu fändest. – Cotta schrieb mir wegen des Mittelalters; es würde wohl zu Ostern erscheinen können, da gewiß bis dahin Friede würde. Worauf ich ihm geantwortet, wenn ich es nur im September erfahre, ob es zu Ostern erscheinen soll, sei es früh genug; dann wünschte ich es aber auch bestimmt zu wissen. – Bei dem Percival, und bei Wolframʼs Sachen überhaupt wird Dir freilich der Scherz unentbehrlich sein. Wann sichs noch lange mit Deiner Bibliothek hinzieht, solltest Du ihn Dir noch einmal kommen lassen, da Du doch so nah bei Straßburg bist. Er ist so im Preise, daß er Dir immer für baares Geld gilt. Oder willst Du mir dann Dein altes Exemplar ablassen, da ich lange danach gestanden [3] habe, so kann ich Dir den Theuerdank mit Holzschnitten, Sanchez poesias Castellanas oder sonst etwas sehr gutes dafür abtreten. – Vom Percival möchte ich Dir den alten Druck schicken können, den ich von Wallraff geliehen habe. Wolfram von Eschelbach ist doch wohl vorzüglich deswegen so schwer, weil er der eigenthümlichste und tiefste unter allen jenen Dichtern ist. – Wegen aller Behandlung des Niebelungen Liedes und Cyklus glaube ich kannst Du ganz ruhig sein. Es hat doch keiner das Zeug dazu, als Du; und ich sehe diese Arbeit als eine an die durchaus auf Dich wartet. – Mit dem Ottfried ist es mir in einer Rücksicht recht lieb, daß Du ein großes Stück von ihm zu geben, nicht rathsam findest. Ich will, noch außer Tauler, wenn es irgend möglich ist, von noch einem Deutschen Philosophen des Mittelalters eine Charakteristik geben; aber es mag nun Albertus Magnus oder Reuchlin werden, so wird es doch immer in ziemlich starker Beziehung auf Theologie sein. Da möchte denn das Christliche zu viel werden, da die Leute ohnehin ja eine solche Angst haben, daß wir sie zu Christen machen wollen. In dieser Rücksicht wäre der Walther von Aquitanien etwas ganz herrliches.
[4] So eben ist die Corinna ganz fertig übersetzt. Nur aber mit der Zahlung sieht es schlecht aus, so daß ich es außerordentlich bereuen muß, den Verlag nicht an Cotta gegeben zu halten. Statt der versprochnen Hälfte des Honorars in baarem Gelde hat sie ein halb Dutzend Assignationen geschickt, eine kleiner als die andre, und wovon da einige nicht acceptirt wurden, so daß ich überhaupt nur 400 francs erhalten, und ob ich noch etwas bekommen werde weiß ich nicht. Es ist dieß recht unglücklich für mich; nach allem Streben Sorgen und Arbeiten, bin ich nun ungefähr eben so weit als vorher, und von allen Seiten von ängstlicher Rücksicht gequält. – In der Indischen Arbeit bin ich nun schon so weit vorgerückt, daß es zu spät und auch Schade wäre, mir abzurathen; wünsche mir vielmehr ein fröhliches Ende, damit ich recht bald und recht eifrig an den Karl V gehen kann, wozu ich jetzt mehr als je entschlossen bin, so bald ich von dem Indischen frei bin, Hand ans Werk zu legen.
Meine Frau hat eine große Freude mit Deinem Brief gehabt; sie wird Dir gewiß recht bald antworten. Einen Gegenstand zu einer Romanze weiß sie jetzt nicht; Du müßtest denn der Ungern ihr Nichtbezahlen zu einer Romanze in ù verwenden wollen. [5] Einen Brief von Henriette habe ich Dir am 10ten Juni zugeschickt. Ich hoffe Du hast ihn richtig erhalten. – Mit einer Recension des Dichter-Gartens wirst Du Dir gewiß ein großes Verdienst um uns machen und auch besonders um den guten Hardenberg. Ich fürchte sonst, der Absatz möchte sehr schlecht sein; er hätte auch gewiß besser gethan meinen Nahmen mit auf den Titel zu setzen. – Der Sophie Bernhardi danke ich aufs beste für Ihr freundschaftliches Andenken. Den DichterGarten hatte sie noch wohl nicht erhalten? – Mit einer neuen Ausgabe Deiner Gedichte, das ist sehr gut und löblich; laß Dich ja nicht die Hypochondrie befallen, wenn Du Deine eigne Sachen wieder liesest. In einer grossen Menge vermischter Gedichte ist gewiß allemal einige Ungleichheit der gelungenen Ausführung und nicht in allen kann ein gleicher Schwung des Gefühls sein; man muß sie daher nicht anders als zur guten Stunde lesen und nur im Ganzen beurtheilen. Wenn ich so hypochondrisch sein wollte, so hätte ich gewiß noch mehr Grund dazu; denn wenn ich mich so allgemein verkannt und verlassen sehe, so wird es mir wohl niemand sehr verargen können, wenn ich wünschte ich hätte überhaupt viel weniger und manches gar nicht drucken lassen. Und doch ist es Unrecht, denn es läßt sich doch eigentlich das Ganze unsrer und meiner litterarischen Wirkung und Ausbildung nicht trennen und auflösen. Man muß also nur frisch weiter dichten [6] ohne Grillen. Uebrigens ist Dein Vorrath an neuen Gedichten so groß, daß wenn Dir einige unter den alten gar nicht mehr gefallen wollen Du sie ohne Nachtheil des Ganzen zurücklassen kannst. – Soll ich einmal meine Gedichte sammeln, so muß ich mich auch drein finden daß in meinen ersten Versuchen fast nirgends der Ausdruck bis zur völligen Klarheit gelungen ist. Ich habe dieß schon oft ändern wollen; aber das geht nicht, es hängt alles viel zu sehr zusammen. Du hast übrigens sehr Recht, daß eine solche Sammlung meiner Gedichte sehr an der Zeit wäre. Ich würde es vielleicht auch Cotta vorschlagen, aber der Kerl ist mir gar zu hochmüthig, so daß ich ihm eigne Sachen gar nicht antragen mag; vielleicht hast Du bei Gelegenheit der Deinigen Anlaß, ihn einmal indirekt anzufragen. Doch die Hauptsache bleibt mir immer der Karl V., woran ich mich mit ganzer Kraft geben und durch nichts will zerstreuen lassen. – Vor allen Dingen aber erhalte Dich in heitrer oder wenigstens in ruhiger und thätiger Stimmung. Ich bin gewiß daß es Dir gelingen wird, wenn Du nur jedes Scherflein freier Zeit einen Tag wie den andern [7] sorgsam zum Dichten oder poetischen Arbeiten nutzest, und übrigens Deine Verhältnisse so nimmst wie sie einmal sind. Aeußres Unglück (woran ich niemals Mangel leide) hast Du nicht; innres ist freilich auf die Länge noch drückender und störender, aber Arbeiten und Dichten ist ein siegreiches Mittel dagegen.
Sollte Eure Reise im Spätherbst oder Winter eine solche Richtung nach Deutschland nehmen, daß dadurch die Hoffnung oder der Plan entstünde, daß ich Euch wieder sehen könnte, so bitte ich Dich, mich das recht früh wissen zu lassen. Ich bin eigentlich noch ganz unbestimmt, und weiß nirgends recht hin, doch muß ich freilich bald einen Entschluß fassen. – Noch schrieb mir die Stael nicht. Diese Gleichgültigkeit ist mir doch etwas empfindlich. – Ich habe der U.[nger] aufgetragen ihr ein Exemplar der Uebersetzung zu schicken. Es wird ihr insofern Freude machen, daß es wirklich sehr elegant gedruckt ist.
Litterarische Neuigkeiten aus Deutschland giebts gar nicht. Schleiermacher hält Vorlesungen über Griechische Philosophie in Berlin.
[8] Wie viel ist schon von Simondeʼs Werk heraus, und wer hat die Deutsche Übersetzung besorgt? – Es ist mir recht leid, daß ichs nicht früh genug erfahren und bedacht. Ich hätte sie recht gut zur Besorgung übernehmen können. Meine Frau ist jetzt sehr gesund; und Geld verdienen ist gar zu nothwendig. – Lebe wohl, liebster Bruder und grüße mir auch die Kinder. Hat August die Abschrift von der französischen Vorlesung über Philosophie gemacht? – Ich sollte ja auch den Tristan haben.
Dein treuer Fried.[rich] S.[chlegel]

Das letzte kleine Gedicht was Du mitgeschickt ist eins der lieblichsten, klarsten und rührendsten die Du in der letzten Zeit gedichtet.
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