Ihren lieben Brief, mein werthester Freund, nebst Inlagen und Wechsel habe ich erhalten, und Troschel hat jezt schon die Papiere incl. einer von mir an ihn übertragenen Vollmacht in Händen; – Nach dem Rath meines Consulenten habe ich weder Geld noch Wechsel mitgeschikt, um beydes nicht in ein gerichtliches Deposit zu verwandeln, wo man immer Schwierigkeiten und vergebene Unkosten hat; dagegen habe ich bey Troschel, der mich kennt, für die Unkosten gutgesagt, und mich erboten, sobald es verlangt wird, sogleich das Geld baar gerichtlich niederzulegen. – Bis jezt habe ich noch keine Antwort, hoffe aber, daß schon Alles eingeleitet ist; sobald ich Nachricht erhalte, lasse ich sie Ihnen zukommen. – Von unsern Freunden aus Rom habe ich lange keine Nachricht; Knorring ist nicht dort; er scheint der Welt entflohen zu seyn; ich selbst muß leider darauf dringen, daß er auf eine Zeitlang wieder dahin zurükkehrt; die jetzigen Zeiten sind so dürftig und bey uns armseelig, daß ich mit dem besten Willen Nichts thun kann, und um seinen Freunden in Rom eine unabhängige Lage zu verschaffen, sehe ich keine Möglichkeit, als daß er auf 1 Jahr zu seinem Vater zurükkehrt, so schwer ihm dies auch werden mag; aber dies Leben ist ein Leben des Elends und der Sorgen; und wäre ich nicht jezt tief im Schooße ewigen, unvergänglichen Friedens, so mögte mich das Schicksal meiner Lieben oft betrübt machen; so weiß ich, daß auch sie sicher ruhen, und daß die Zeit der Bedrängniß schnell vorübergehen wird. – Knorring ist ein trefflicher Mensch, mit einer Tiefe der Kindlichkeit, wie man sie kaum zum 2ten mal finden wird; – Er lebt ganz in seeliger Beschauung; das Studium der morgenländischen Sprachen, ist seine Hauptbeschäftigung. – Florio und Bl.[anscheflur], dieses wundervolle Gedicht, voll der süßesten Süßigkeit und Lieblichkeit, sollen Sie zur Correction erhalten, sobald ich Hoffnung habe, es drukken lassen zu können; Aber bis jezt sind die Aussichten zur Fortsetzung des DichterGartens schlecht; Sie können überzeugt seyn, daß Ihren Wünschen im Betreff Ihrer Gedichte ganz entsprochen wird. – Darf ich Sie um Ihre Meynung über meine Gedichte bitten? Wo möglich führen Sie mir einige an, woran Sie zu tadeln oder zu loben haben. – Von den Begebenheiten der Zeit suche ich mich Immer mehr zurük, und in das Innre meines Gemüths, zu ziehen; Wollte Gott! Es gelänge mir Ganz und Vollkommen! – Von den wunderbaren Erscheinungen dieser Periode wäre viel zu sagen; und seltsam ist es gewiß, wie Alles sich immer mehr polarisirt, wie die Gegensätze immer schneidender werden, und so Alles sich auf einen mächtigen elektrischen Schlag vorbereitet; auf einen hellen Bliz der Alles vereinen, oder zertrümmern wird; – doch sind die Menschen wie zur Zeit der Sündflut, unbekümmert, und leichtsinnig; Eine liebenswürdige schriftliche Bekanntschaft habe ich an F. L. Stollberg, dessen Geschichte der Religion Jesu Sie wohl besitzen, gemacht; bald hoffe ich ihn persönlich zu sehen; – Er ist ein überaus kräftiges Bild alter Andacht und Liebe. – Ihren Bruder hoffe ich immer noch in diesem Jahr zu sehen; bis Ende September bin ich in Würzburg und hier; dann kehre ich für den Winter nach Sachsen zurük, und wohne in Weißenfels. – Leben Sie wohl, geliebter Freund; Lassen Sie mich nicht zu lange auf einen freundlichen Gruß warten; Ganz der Ihrige
Carl Hardenberg