über Berlin und Neu-Strelitz
Ihren Brief aus Copet vom 20t Juny habe ich, vor nicht sehr langer Zeit in Berlin erhalten. Ich dancke Ihnen und der lieben treflichen Frau v. Stael recht herzlich für Ihr Andencken. Nach Zeiten wie die welche wir durchlebt haben, und noch durchleben ist der Zuruf gleichgesinnter Freunde doppelt erfreulich! – Wir haben den Krieg mit all seinen Schrecknissen kennen gelernt. Aus dieser, sonst so friedlichen Wohnung, hat uns der Donner der Kanonen des Gefechts bey Waren vertrieben – allen Jammer einer besiegten, fliehenden Armee, alles Elend eines geplünderten und mißhandelten Volcks – allen rohen Uebermuth der Sieger haben wir erdultet –; doch haben wir uns alle, (denn meine Mutter war auch hier) mit viel persönnlichen Glück aus dem Schifbruch gerettet. Denn individuellen Verlust an Eigenthum wurden wir alle gern und freudig tragen, so groß er auch ist – wenn nur jetzt nicht unsere ganze, eigentliche bessere Existenz zernichtet, zertreten wäre. Nicht mehr unsere Leiber, unsere Seelen sollen gemordet werden, und gegen diesen Mord zu kämpfen, daß muß jetzt der Zweck aller Bessern unter uns seyn. Durch den engen Bund der Gleichgesinnten muß der heilige Keim der nur allein in Deutschen Boden ruht, bewahrt und genährt werden. Wie sehr ich mich des Deutschen Geistes gefreut habe, der so glühend aus jeder Zeile Ihres Briefes spricht, brauche ich wohl nicht erst zu sagen. Den Glauben an Ihren ächten Deutschen Sinn, konnte ich zwar nie verlieren – denn wehe dem, der diesen Sinn einmahl hat, und ihn verliert – aber eine so lange Entfernung aus dem Vaterlande, der Genuß des Treflichsten was die Fremde an Menschen und Dingen darbietet, hätten doch leicht mehr Gleichgültigkeit gegen das arme, so weltlich gesunckene Vaterland hervorbringen können! Für jetzt freilich, vernichtet und gesuncken, doch der Keim der Auferstehung liegt in uns, und unsere Kinder, wenigstens werden sie erleben!
Eine recht liebliche Erscheinung war mir die Corinna – ich will die Frau von Stael selbst dancken, für das Vergnügen und den vielen Genuß den sie mir verschaft hat – aber auch Rom sey nicht vergessen in meinen Danck! Daß ich Ihrer bey Corinne oft gedencken würde, haben Sie sehr richtig errathen! – Wann werden Sie uns denn mit Ihren Dichtungen und Arbeiten aus dieser langen Zeit erfreuen? Recht verlangt mich danach, so wie nach der Fortsetzung des verlassenen Shackespear. Die Anti-Phedra ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. Es wird ein schönes Elstern-Geschrey darüber entstehn – denn einen großen Theil der großen Nation, kann ich noch immer nicht recht anders betrachten als abgerichtete Elstern und Affen; Ihre trefliche Freundin weiß nicht, wie wenig sie ihrem Vaterlande angehört, wie hoch sie über ihre Landsleute erhaben ist!
Möchte sich doch Ihr Plan, bald nach Deutschland zu kommen erfüllen! Dann rechne ich recht sicher darauf Sie zu sehen – denn wie unendlich Vieles giebt es jetzt, worüber man sich nur besprechen kann!
Wolf, den ich vor kurzen in Berlin gesehn habe, hat mir sehr viel für Sie und Frau v. Stael aufgetragen; Er will durchaus wissen, warum das Buch der letztern über Deutsche Literatur nicht erschienen sey? – Sie wissen vielleicht noch nicht, daß eine Universität für alle übrig gebliebene Preusische Lande in Berlin errichtet wird, wo Alles was uns von Kunst und Wissenschaft geblieben ist, versammelt werden soll. Wolf hat den Plan dazu entworfen.
Mein Mann empfiehlt sich Ihnen recht angelegentlich! Meine Mutter ist jetzt noch in Berlin – sie wird aber auch herkommen, und einen Theil des Winters mit uns hier zubringen wenn Berlin nicht geräumt wird.
Wo ist Henriette Mendelssohn jetzt? – Sollten Sie sie sehen, oder ihr schreiben, so grüßen Sie sie doch recht herzlich von mir. Ich dencke ihrer sehr oft.
Leben Sie recht wohl! und beweisen Sie mir Ihr freundschaftliches Andencken, dadurch daß Sie mir bald und ausführlich antworten!
Luise Voß-Berg