• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Unknown · Date: 06.10.1807 bis 07.10.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 06.10.1807 bis 07.10.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 449‒454.
  • Incipit: „[1] Rom den 6 8br [= Oktober] 1807.
    Es sind acht Tage das ich Deinen sehr lieben Brief erhalten habe, und ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,75
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 24,5 x 19,7 cm
    Language
  • German
[1] Rom den 6 8br [= Oktober] 1807.
Es sind acht Tage das ich Deinen sehr lieben Brief erhalten habe, und ich kann Dir nicht sagen welche ungemeine Freude er mir gemacht hatt. Ich habe auch seitdem einen Brief von der Schwester schon aus München erhalten, vom 19, sie war danach am 17 angekommen, doch daß wird sie Dir wohl selbst geschrieben haben. Deine Anordnung wegen des Geldes hatte Hard:[enberg] noch nicht erfüllt, denn sehr wahrscheinlich gehn die Briefe von Dir aus zu ihm hin doch langsamer als Du Dir gedacht hast. Mitten in der grösten Traurigkeit hatt mich Dein Brief getröstet, denn ich durfte doch nun nicht mehr in Sorgen sein, wie es der Schwester in München ergienge. Doch [Du] mahnst mich an nicht schwermütig zu sein und doch kann ich nicht anders als traurig sein, besonders um des jetzigen Augenblikks willen, Hoffnung auf beßere Zeiten, habe ich freilich nie verlohren, aber für meine eigentliche Existenz als Bildhauer bin ich diese zwei Jahre hier in Rom so gut als Todt gewesen, denn Armuth hatt mich verhindert etwas zu machen, also das ich neuer Zeit bedarf um nun erst etwas zu thun um durchzukommen. Im Grunde habe ich nichts gemacht als das Basrelief für Fr.[au] v. St.[aël] und ein paar Büsten die in Marmor noch nicht fertig sind, weil mir immer die wenigen Taler die ich noch daran zu verwenden hätte gefehlt. Das also an grösseren Arbeiten in Modellen nicht zu denken war versteth sich von selbst, auch versagt in solcher herzdrükenden Noth der Geist, und es kann sehr sein das ich um vieles dummer geworden bin, wenigstens kömmt es mir vor als wollte auch nicht das kleinste mehr gelingen. Ich quäle mich mit ein paar unbedeutenden Composizionen zu Gemählden, und kann nichts hervorbringen, und auch zum Mahlen fehlt mir das Geld, da es hier besonders etwas lächerliches ordentlich sein würde, ohne Ultramarin zu mahlen, wozu man den[n] doch wenigstens immer eine Auslage von drei bis vier Scudi braucht. Doch ist seit einiger Zeit all mein Bestreben drauf gerichtet zu mahlen. Wenn mir nur der Himmel einigermassen günstiger wäre. Aber ich lebe in diesem Augenblik ungemein traurig. Wäre ich allein so gienge alles gut, aber so war Jette wenige Wochen vor der Abreise meiner Schwester niedergekommen, mit dem neugebohrnen Kinde und einer Amme wäre die Reise gar nicht zu machen gewesen, ich kan also mit diesen im Hause nicht mit weniger als vier Scudi fertig werden, und muß nun beinahe seit der Schwester abreise von einem Freunde leben, der selbst nichts übrig hatt, bis man mir etwas aus Deutschland schikken kann, und wann das ist, weis Gott. Dazu kommt für mich daß allerschlimmste, das ich in spetestens 14 Tagen, die Wohnung die ich noch habe verlassen muß, hier soll ich einige fehlende Sachen, dann nothwendig ersetzen, und ein andres Logis suchen wo ich doch auch einige Scudi alsdann vorausbezahlen muß, so bin ich beengt, und seufze jeden Morgen das der Tag aufgegangen, und diesen Augenblik mich näher führt, wo ich fürchten muß, ohne Wohnung zu sein, und Händel mit dem Hauswirth noch dazu zu bekommen. [2] Kurz ich habe in meinem Leben in keine solche Armuth gelebt und ich kann von Niemanden hier etwas bekommen, unsre hiesigen Gönner haben der Schwester den grösten Theil des Geldes verschafft das zur Abreise nötig war, H.[umboldt] hatt den übrigen Theil geben müssen, ich kann also von keinem etwas bekommen. Schick ist jezt mit Wallis Tochter verheurathet, und erwartet in wenigen Wochen ihre Niederkunft, er hatt selbst beinahe Mangel, und ich habe ihm noch nicht alles was ich ihm schuldig geworden zurikbezahlen können. Ich wollte es bestellte irgend Jemand etwas, nur eine Büste in Marmor, oder sonst eine Kleinigkeit, ich wollte gar nicht einmahl voraushaben, nur das ich eine Zeit voraussähe wo ich es haben könnte, so könnte ich mir leichter helfen. Du siehst ich führe ein elendes Leben, und in solcher Sorge von heut auf morgen, wer kann da etwas thun? Ich habe mir den Kopf von meinem Goethe kommen lassen, und will eine Büste hier dazu machen, auch etwas andre Form um ihn dann gelegentlich in Marmor zu machen. Weist Du niemand der die Büste wohl in Marmor haben möchte, ich mache sie zur noth für 150 hiesige Scudi, welches 70 oder so Dukaten macht, und wie gesagt ich fodre nur die Anweisung hier in Rom, zalbar sowie die Arbeit vollendet ist. Gewiß ist keiner von uns schuldig das wir hier in solche Noth gerathen sind. Knorring hatte schon von Deutschland aus geschrieben an seinen Bruder der ein groß Vermögen im Spiel gewonnen er sollte ihm eine Summe zur einrichtung hieher schiken, und um ihm jeden Vorwand zur abschlägigen Antwort abzuschneiden wollte er ihm gleich die Interessen bezahlen. Doch fand dieser saubre Mann Mittel, nemlich er hätte seine Capitalien in Moskau angelegt, wo man das Doppelte zahlte wie in Liefland, Knorring willigte auch hierin, und es wäre gegangen, doch bekam er noch einen Brief, das jener nehmlich nicht den Augenblik es schiken könnte, weil er erst aufkündigen müste, und seiner Verheurathung wegen, die er Projektirt, und seine Tante zu vereiteln suchte, die Summe nicht aufnehmen könnte, es würde also ein par Monathe länger dauern als er dächte. Knorring glaubte nun daher warten zu können aber es kam nichts, ja bis diese Stunde kein Wort darüber mehr. Die grosse Einrichtung hier war blos Ungeschiklichkeit, des Herrn v. Natorp der dessen sich angemaßt, und Mangel eines verständigen hiesigen ansessigen Freundes, den[n] H.[umboldts] waren ja schon damahls boshaft. In grosser Verlegenheit die wir waren weil Knorrings Geld auch über die Zeit ausblieb, muste sich der Bruder (der wie Du weist immer vil braucht,) an Müller wenden, und wir waren das ungeheure zu geben zufrieden, weil wir in wenigen Wochen, die versprochne Summe von Knorrings Bruder, und sein eignes Geld erwarteten, da das eine ganz [ausblieb], das andre über zwei Monathe später als die Zeit ankam, so brauchten wir Müller öfter, und es war nachher nicht mehr möglich ihn zu bezahlen. Eine Schuld bei unsrem Koch hatt gemacht, das wir, da wir ihn nicht bezahlen konnten, auch die Ausgaben nicht gleich so einschränken konnten, als wir es späther thaten. Knorring faßte endlich den Entschluß einen Theil [3] oder das ganze seines Mütterlichen Vermögens zu fodern, um Projekte die wir hier gebildet hatten und die sehr nützlich werden konnten, durchzusetzen. Während der Zeit aber hatte Malchen ihre gewöhnlichen Lügen geltend gemacht, und die Saubre Compagnie dort ihre Cabalen durchgesetzt das man Kn.[orrings] Vater mancherlei in den Kopf gesezt, sein Brief an den Sohn deshalb, und dessen der Geld fodert, kreutzten sich, und natürlich er schlug es ab, und K.[norring] kann es nicht, oder konnte es nicht gleich mit Gewalt durchsetzen. Um uns jeden Weg des Glüks, und der Zufriedenheit abzuschneiden, geschahe zugleich das grosse schreiben von allen Seiten an H.[umboldt] um der Schwester die Kinder zu nehmen, das einzige was bei ihm aber wirkte war ein Brief oder mehre von Burgsdorf. Dem zu Gefallen war alles sogleich umgewendet, sie unsre geschwornen Feinde. Und ein halb Jahr nachher fand es unser Bruder ja blos natürlich, das M.[alchen] sich einbildet meine Schwester wendete alle möglichen Intriguen an ihn ihr zu entziehn, und sie müste ja denken das wenn sie uns alle Mittel entzogen hätte, ihn hier weiter zu ernähren so müsten wir ihn wohl reisen lassen. Deßhalb war er aber doch noch 6 Monathe wohl hier geblieben, und hatt sich von unsrem Mark, Blut, und Thränen genährt, die innre Verzweiflung unser aller hatt ihn nicht vermocht nur einen Tag früher zu reisen, als er sich es gleich anfangs vorgenommen, und die heftigsten Kränkungen musten wir erfahren weil wir ihn nicht reich genug mit Essen, und mit Taschengeld versorgen konnten. So ist es, warlich ohne unsre Schuld. Es kann sein es wäre uns dennoch besser gegangen aber wer kann so geitzig sein als es wohl nöthig gewesen wäre. Nun haben noch andre Menschen um ihres Vortheils willen, besonders Kohlrausch durch Klatsch Humboldts noch mehr empört, das er seinerseits auch alles gewiß gethan hatt mich und meine Arbeiten zurückzuhalten. Er mag jezt zum Theil eines bessern belehrt sein, denn er hatt es mir zimlich deutlich sagen lassen das es ihm leid sei und es würde vieles in dieser Rüksicht besser werden, wenn nicht die Umstände äußerlich für ihn selbst so verderblich wären. Er wird in zwei Monathen ungefähr von hier gehen und soll geäußert haben das er nicht wieder käme, und das in einem Jahre die andre Familie nachfolgen sollte. Was daran ist weis ich nicht, ich habe es blos von hören sagen. Was unsre jetzigen Plane betrift, und die Ursache der Reise der Schwester, so hatt sie Dir selbige wahrscheinlich schon geschrieben, oder thut es doch bald. Gebe Gott das dies gelingt, es ist so gut, und so sicher, und wäre für alle unsre Freunde so ersprieslich. Wie unendlich sehne ich mich danach Dich wieder einmal zu umarmen, aber ohne solche Sorgen zu haben wie mich jezt umgeben, und von denen ich herzlich wünsche das sie bald mögen vorüber sein. – Ich soll Dir von dem schreiben was ich mache, es ist nicht viel mehr als nichts, ich mache studien Zeichnungen zu ein par Gemählden, wovon eins für Hardenberg ist, wo ich mit der Composizion gar nicht fertig werden kann, ich soll auch für ihn ein Cruzifix machen, er will aber keine grösse angeben, und so ist es übel zu machen. Ich mache also von Scul[p]tur jezt nichts, denn ein grosses Basrelief, das ich angefangen, und wegen Mangel an Gelde, immer nicht vollenden konte, ist weil der Thon zu lange [4] stand, eingefallen, und ich muß von vorn anfangen, ich habe viele Plane zu mancherlei Scul[p]turen, aber nun kann ich sie doch nicht ausführen. Thorwaldsen, hatt mancherlei gemacht, es ist aber nichts so gut als die Dinge die Du gesehn hast, manche darunter können sogar schlecht genannt werden, besonders von seinen Büsten in Marmor, er ist zu geitzig, um gute Sachen zu machen. Jezt höre ich will er in kurtzen etwas grosses anfangen, ich weis aber nicht was. – Das Koch sich seit einem Jahr verheurathet hatt wirst Du wissen. Er läßt Dich sehr grüssen, und erinerte sich Dir eine Zeichnung aus dem Purgatorio des Dante versprochen zu haben, aber bis jezt ist diese noch nicht gemacht, denn er ist mit seiner Hölle noch nicht zu Ende. Schik ist seit dem ersten Januar verheurathet, und erwartet in 6 Wochen die niederkunft seiner Frau. Er mahlt an einem Bilde welches beträchtlich besser wird als sein voriges, besonders in rüksicht des Colorits, den[n] es bekömt ganz andre Wärme und Kraft, auch ist der Gegenstand mehr seinem Gemüthe angemessen, welches sich in die erhabene Region der Poesie allerdings nicht erheben kan, und so das Grandiose, und bedeutende wohl lassen sollte, und sich mehr auf Idillische Gegenstände einschränken. Der Gegenstand seines Bilds ist Apoll unter den Hirten. (Doch glaube ich er will es nicht bekannt gemacht haben, ehe es nicht fertig ist.) Sein ausgezeichnetes Talent für Landschaft thut ihm dabei gute Dienste. Würde er sich blos der Landschaft widmen, so würde er alle Lebenden villeicht in kurtzen übertreffen, besonders seines Talents für Farbe halber. Reinhart muß ich gegen ihn für einen Stümper halten, wie er überhaupt eigentlich nicht viel ist. Koch kann doch eigentlich nur gute Scitzen machen, und Wallis fehlt bei seinen schönen Composizionen zu sehr die Farbe obgleich er seit einem Jahre unendlich darin gewonnen hatt. Leztrer ist noch in England, woher er aber in kurtzen zurik sein will. Wer sonst etwas macht darum bekümre ich mich nicht, Canova misbraucht noch immer sein Talent, seine grosse Statue Napoleons, ist den Kopf abgerechnet, wirklich schlecht und seine neueren Arbeiten sind es noch mehr. Sein Theseus mit dem Centaur ist ein Ungeheuer welches in Rubens Schule entstanden sein könnte, und ein Paris den er seitdem gemacht ist gar nicht anzusehn. Seinen Tanzenden Schneider, den er einen Perseus nennt kenst Du ja, so wie manches andre. An einem Basrelief welches er gemacht zu einem Begräbnisse, nehmlich die trauernde Familie, um das Bett einer sterbenden Tochter, ist eine Figur eines Sohns die außerordentlich schön ist, und durchaus nicht wie seine übrigen Sachen. Auch der Kopf seines Paris, und eine Tänzerin, soll sehr schön sein; ich weis nicht ob es so ist, es war schon zu finster als ich das leztemal dort war, um die schönheit so in kleinen Theilen aufzusuchen.
Ich habe mir Mühe gegeben diesmahl besser und deutlicher zu schreiben, sehe aber das es mir nicht sonderlich gelungen ist. Lebe indeß wohl, villeicht stoße ich an diesen Brief noch Nachmittag ein Blatt an; ich muß aber vorher der Schwester schreiben. Lebe indeß wohl. Ewig Dein Bruder.
Rom den 7. 8br. 1807.
[1] Rom den 6 8br [= Oktober] 1807.
Es sind acht Tage das ich Deinen sehr lieben Brief erhalten habe, und ich kann Dir nicht sagen welche ungemeine Freude er mir gemacht hatt. Ich habe auch seitdem einen Brief von der Schwester schon aus München erhalten, vom 19, sie war danach am 17 angekommen, doch daß wird sie Dir wohl selbst geschrieben haben. Deine Anordnung wegen des Geldes hatte Hard:[enberg] noch nicht erfüllt, denn sehr wahrscheinlich gehn die Briefe von Dir aus zu ihm hin doch langsamer als Du Dir gedacht hast. Mitten in der grösten Traurigkeit hatt mich Dein Brief getröstet, denn ich durfte doch nun nicht mehr in Sorgen sein, wie es der Schwester in München ergienge. Doch [Du] mahnst mich an nicht schwermütig zu sein und doch kann ich nicht anders als traurig sein, besonders um des jetzigen Augenblikks willen, Hoffnung auf beßere Zeiten, habe ich freilich nie verlohren, aber für meine eigentliche Existenz als Bildhauer bin ich diese zwei Jahre hier in Rom so gut als Todt gewesen, denn Armuth hatt mich verhindert etwas zu machen, also das ich neuer Zeit bedarf um nun erst etwas zu thun um durchzukommen. Im Grunde habe ich nichts gemacht als das Basrelief für Fr.[au] v. St.[aël] und ein paar Büsten die in Marmor noch nicht fertig sind, weil mir immer die wenigen Taler die ich noch daran zu verwenden hätte gefehlt. Das also an grösseren Arbeiten in Modellen nicht zu denken war versteth sich von selbst, auch versagt in solcher herzdrükenden Noth der Geist, und es kann sehr sein das ich um vieles dummer geworden bin, wenigstens kömmt es mir vor als wollte auch nicht das kleinste mehr gelingen. Ich quäle mich mit ein paar unbedeutenden Composizionen zu Gemählden, und kann nichts hervorbringen, und auch zum Mahlen fehlt mir das Geld, da es hier besonders etwas lächerliches ordentlich sein würde, ohne Ultramarin zu mahlen, wozu man den[n] doch wenigstens immer eine Auslage von drei bis vier Scudi braucht. Doch ist seit einiger Zeit all mein Bestreben drauf gerichtet zu mahlen. Wenn mir nur der Himmel einigermassen günstiger wäre. Aber ich lebe in diesem Augenblik ungemein traurig. Wäre ich allein so gienge alles gut, aber so war Jette wenige Wochen vor der Abreise meiner Schwester niedergekommen, mit dem neugebohrnen Kinde und einer Amme wäre die Reise gar nicht zu machen gewesen, ich kan also mit diesen im Hause nicht mit weniger als vier Scudi fertig werden, und muß nun beinahe seit der Schwester abreise von einem Freunde leben, der selbst nichts übrig hatt, bis man mir etwas aus Deutschland schikken kann, und wann das ist, weis Gott. Dazu kommt für mich daß allerschlimmste, das ich in spetestens 14 Tagen, die Wohnung die ich noch habe verlassen muß, hier soll ich einige fehlende Sachen, dann nothwendig ersetzen, und ein andres Logis suchen wo ich doch auch einige Scudi alsdann vorausbezahlen muß, so bin ich beengt, und seufze jeden Morgen das der Tag aufgegangen, und diesen Augenblik mich näher führt, wo ich fürchten muß, ohne Wohnung zu sein, und Händel mit dem Hauswirth noch dazu zu bekommen. [2] Kurz ich habe in meinem Leben in keine solche Armuth gelebt und ich kann von Niemanden hier etwas bekommen, unsre hiesigen Gönner haben der Schwester den grösten Theil des Geldes verschafft das zur Abreise nötig war, H.[umboldt] hatt den übrigen Theil geben müssen, ich kann also von keinem etwas bekommen. Schick ist jezt mit Wallis Tochter verheurathet, und erwartet in wenigen Wochen ihre Niederkunft, er hatt selbst beinahe Mangel, und ich habe ihm noch nicht alles was ich ihm schuldig geworden zurikbezahlen können. Ich wollte es bestellte irgend Jemand etwas, nur eine Büste in Marmor, oder sonst eine Kleinigkeit, ich wollte gar nicht einmahl voraushaben, nur das ich eine Zeit voraussähe wo ich es haben könnte, so könnte ich mir leichter helfen. Du siehst ich führe ein elendes Leben, und in solcher Sorge von heut auf morgen, wer kann da etwas thun? Ich habe mir den Kopf von meinem Goethe kommen lassen, und will eine Büste hier dazu machen, auch etwas andre Form um ihn dann gelegentlich in Marmor zu machen. Weist Du niemand der die Büste wohl in Marmor haben möchte, ich mache sie zur noth für 150 hiesige Scudi, welches 70 oder so Dukaten macht, und wie gesagt ich fodre nur die Anweisung hier in Rom, zalbar sowie die Arbeit vollendet ist. Gewiß ist keiner von uns schuldig das wir hier in solche Noth gerathen sind. Knorring hatte schon von Deutschland aus geschrieben an seinen Bruder der ein groß Vermögen im Spiel gewonnen er sollte ihm eine Summe zur einrichtung hieher schiken, und um ihm jeden Vorwand zur abschlägigen Antwort abzuschneiden wollte er ihm gleich die Interessen bezahlen. Doch fand dieser saubre Mann Mittel, nemlich er hätte seine Capitalien in Moskau angelegt, wo man das Doppelte zahlte wie in Liefland, Knorring willigte auch hierin, und es wäre gegangen, doch bekam er noch einen Brief, das jener nehmlich nicht den Augenblik es schiken könnte, weil er erst aufkündigen müste, und seiner Verheurathung wegen, die er Projektirt, und seine Tante zu vereiteln suchte, die Summe nicht aufnehmen könnte, es würde also ein par Monathe länger dauern als er dächte. Knorring glaubte nun daher warten zu können aber es kam nichts, ja bis diese Stunde kein Wort darüber mehr. Die grosse Einrichtung hier war blos Ungeschiklichkeit, des Herrn v. Natorp der dessen sich angemaßt, und Mangel eines verständigen hiesigen ansessigen Freundes, den[n] H.[umboldts] waren ja schon damahls boshaft. In grosser Verlegenheit die wir waren weil Knorrings Geld auch über die Zeit ausblieb, muste sich der Bruder (der wie Du weist immer vil braucht,) an Müller wenden, und wir waren das ungeheure zu geben zufrieden, weil wir in wenigen Wochen, die versprochne Summe von Knorrings Bruder, und sein eignes Geld erwarteten, da das eine ganz [ausblieb], das andre über zwei Monathe später als die Zeit ankam, so brauchten wir Müller öfter, und es war nachher nicht mehr möglich ihn zu bezahlen. Eine Schuld bei unsrem Koch hatt gemacht, das wir, da wir ihn nicht bezahlen konnten, auch die Ausgaben nicht gleich so einschränken konnten, als wir es späther thaten. Knorring faßte endlich den Entschluß einen Theil [3] oder das ganze seines Mütterlichen Vermögens zu fodern, um Projekte die wir hier gebildet hatten und die sehr nützlich werden konnten, durchzusetzen. Während der Zeit aber hatte Malchen ihre gewöhnlichen Lügen geltend gemacht, und die Saubre Compagnie dort ihre Cabalen durchgesetzt das man Kn.[orrings] Vater mancherlei in den Kopf gesezt, sein Brief an den Sohn deshalb, und dessen der Geld fodert, kreutzten sich, und natürlich er schlug es ab, und K.[norring] kann es nicht, oder konnte es nicht gleich mit Gewalt durchsetzen. Um uns jeden Weg des Glüks, und der Zufriedenheit abzuschneiden, geschahe zugleich das grosse schreiben von allen Seiten an H.[umboldt] um der Schwester die Kinder zu nehmen, das einzige was bei ihm aber wirkte war ein Brief oder mehre von Burgsdorf. Dem zu Gefallen war alles sogleich umgewendet, sie unsre geschwornen Feinde. Und ein halb Jahr nachher fand es unser Bruder ja blos natürlich, das M.[alchen] sich einbildet meine Schwester wendete alle möglichen Intriguen an ihn ihr zu entziehn, und sie müste ja denken das wenn sie uns alle Mittel entzogen hätte, ihn hier weiter zu ernähren so müsten wir ihn wohl reisen lassen. Deßhalb war er aber doch noch 6 Monathe wohl hier geblieben, und hatt sich von unsrem Mark, Blut, und Thränen genährt, die innre Verzweiflung unser aller hatt ihn nicht vermocht nur einen Tag früher zu reisen, als er sich es gleich anfangs vorgenommen, und die heftigsten Kränkungen musten wir erfahren weil wir ihn nicht reich genug mit Essen, und mit Taschengeld versorgen konnten. So ist es, warlich ohne unsre Schuld. Es kann sein es wäre uns dennoch besser gegangen aber wer kann so geitzig sein als es wohl nöthig gewesen wäre. Nun haben noch andre Menschen um ihres Vortheils willen, besonders Kohlrausch durch Klatsch Humboldts noch mehr empört, das er seinerseits auch alles gewiß gethan hatt mich und meine Arbeiten zurückzuhalten. Er mag jezt zum Theil eines bessern belehrt sein, denn er hatt es mir zimlich deutlich sagen lassen das es ihm leid sei und es würde vieles in dieser Rüksicht besser werden, wenn nicht die Umstände äußerlich für ihn selbst so verderblich wären. Er wird in zwei Monathen ungefähr von hier gehen und soll geäußert haben das er nicht wieder käme, und das in einem Jahre die andre Familie nachfolgen sollte. Was daran ist weis ich nicht, ich habe es blos von hören sagen. Was unsre jetzigen Plane betrift, und die Ursache der Reise der Schwester, so hatt sie Dir selbige wahrscheinlich schon geschrieben, oder thut es doch bald. Gebe Gott das dies gelingt, es ist so gut, und so sicher, und wäre für alle unsre Freunde so ersprieslich. Wie unendlich sehne ich mich danach Dich wieder einmal zu umarmen, aber ohne solche Sorgen zu haben wie mich jezt umgeben, und von denen ich herzlich wünsche das sie bald mögen vorüber sein. – Ich soll Dir von dem schreiben was ich mache, es ist nicht viel mehr als nichts, ich mache studien Zeichnungen zu ein par Gemählden, wovon eins für Hardenberg ist, wo ich mit der Composizion gar nicht fertig werden kann, ich soll auch für ihn ein Cruzifix machen, er will aber keine grösse angeben, und so ist es übel zu machen. Ich mache also von Scul[p]tur jezt nichts, denn ein grosses Basrelief, das ich angefangen, und wegen Mangel an Gelde, immer nicht vollenden konte, ist weil der Thon zu lange [4] stand, eingefallen, und ich muß von vorn anfangen, ich habe viele Plane zu mancherlei Scul[p]turen, aber nun kann ich sie doch nicht ausführen. Thorwaldsen, hatt mancherlei gemacht, es ist aber nichts so gut als die Dinge die Du gesehn hast, manche darunter können sogar schlecht genannt werden, besonders von seinen Büsten in Marmor, er ist zu geitzig, um gute Sachen zu machen. Jezt höre ich will er in kurtzen etwas grosses anfangen, ich weis aber nicht was. – Das Koch sich seit einem Jahr verheurathet hatt wirst Du wissen. Er läßt Dich sehr grüssen, und erinerte sich Dir eine Zeichnung aus dem Purgatorio des Dante versprochen zu haben, aber bis jezt ist diese noch nicht gemacht, denn er ist mit seiner Hölle noch nicht zu Ende. Schik ist seit dem ersten Januar verheurathet, und erwartet in 6 Wochen die niederkunft seiner Frau. Er mahlt an einem Bilde welches beträchtlich besser wird als sein voriges, besonders in rüksicht des Colorits, den[n] es bekömt ganz andre Wärme und Kraft, auch ist der Gegenstand mehr seinem Gemüthe angemessen, welches sich in die erhabene Region der Poesie allerdings nicht erheben kan, und so das Grandiose, und bedeutende wohl lassen sollte, und sich mehr auf Idillische Gegenstände einschränken. Der Gegenstand seines Bilds ist Apoll unter den Hirten. (Doch glaube ich er will es nicht bekannt gemacht haben, ehe es nicht fertig ist.) Sein ausgezeichnetes Talent für Landschaft thut ihm dabei gute Dienste. Würde er sich blos der Landschaft widmen, so würde er alle Lebenden villeicht in kurtzen übertreffen, besonders seines Talents für Farbe halber. Reinhart muß ich gegen ihn für einen Stümper halten, wie er überhaupt eigentlich nicht viel ist. Koch kann doch eigentlich nur gute Scitzen machen, und Wallis fehlt bei seinen schönen Composizionen zu sehr die Farbe obgleich er seit einem Jahre unendlich darin gewonnen hatt. Leztrer ist noch in England, woher er aber in kurtzen zurik sein will. Wer sonst etwas macht darum bekümre ich mich nicht, Canova misbraucht noch immer sein Talent, seine grosse Statue Napoleons, ist den Kopf abgerechnet, wirklich schlecht und seine neueren Arbeiten sind es noch mehr. Sein Theseus mit dem Centaur ist ein Ungeheuer welches in Rubens Schule entstanden sein könnte, und ein Paris den er seitdem gemacht ist gar nicht anzusehn. Seinen Tanzenden Schneider, den er einen Perseus nennt kenst Du ja, so wie manches andre. An einem Basrelief welches er gemacht zu einem Begräbnisse, nehmlich die trauernde Familie, um das Bett einer sterbenden Tochter, ist eine Figur eines Sohns die außerordentlich schön ist, und durchaus nicht wie seine übrigen Sachen. Auch der Kopf seines Paris, und eine Tänzerin, soll sehr schön sein; ich weis nicht ob es so ist, es war schon zu finster als ich das leztemal dort war, um die schönheit so in kleinen Theilen aufzusuchen.
Ich habe mir Mühe gegeben diesmahl besser und deutlicher zu schreiben, sehe aber das es mir nicht sonderlich gelungen ist. Lebe indeß wohl, villeicht stoße ich an diesen Brief noch Nachmittag ein Blatt an; ich muß aber vorher der Schwester schreiben. Lebe indeß wohl. Ewig Dein Bruder.
Rom den 7. 8br. 1807.
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