• Johann Heinrich Pestalozzi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Yverdon-les-Bains · Place of Destination: Coppet · Date: 14.10.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Heinrich Pestalozzi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Yverdon-les-Bains
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 14.10.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen. – Nur Schlussformel und Unterschrift eigenhändig.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 458‒459.
  • Incipit: „[1] Verehrungswürdiger Herr!
    Ich fand mich nicht leicht gegen einen Menschen in einem Verhältniß das mir so viel Mühe machte; Sie ehrten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,67
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl.
  • Format: 25,3 x 20,5 cm
    Language
  • German
[1] Verehrungswürdiger Herr!
Ich fand mich nicht leicht gegen einen Menschen in einem Verhältniß das mir so viel Mühe machte; Sie ehrten mich. Sie zeigten mir Zutrauen und ich antwortete Ihnen nicht einmahl; ich konnte es nicht, ich konnte nur durch mein Stillschweigen zeigen, in welchem Grad ich verlegen bin. Wie gern hätte ich Ihren Wünschen entsprochen, wie wichtig wäre es mir gewesen Ihnen entsprechen zu dörfen; aber wenn ich es gethan und der Erfolg dann Ihrer Erwartung nicht entsprochen hätte, wie unglücklich wäre ich dann gewesen, in welchem Grad hätte ich mir dann Vorwürfe machen müssen und wie beschämend, wie verdient wäre dann der Verlust des Zutrauens und der Achtung gewesen, die ich so sehnlich wünsche bei Ihnen zu erhalten. Wenn ich meine Anstalt ins Aug faßte und in derselben die Leerheit von allem dem sah was Ihr Zögling schon weiß, und mir das Nichtige und das Unbefriedigende und Unausfüllende das unser ganzes Seyn und Thun für Ihren Zögling haben muß, vorstelle und den gänzlichen Mangel dessen was er fordern würde, das nöthige Leben seines vorigen Zustandes in ihm zu erhalten, und das was wir ihm geben könnten bestimmt an dieses Leben anzuknüpfen, dann kann ich nicht anders, ich muß voraussehen, wir können Ihre Hoffnung nicht befriedigen. Ihr Zögling würde im Ganzen seiner Bildung still gestellt sich auf den Tod ennuyiren von einer einzigen und bestimmt von der bisher ungeübtesten Seite, einseitig und mühsam angetrieben zu werden. Nähme ich das Kind aus der Hand eines gewöhnlichen Lehrers und von der Seite einer gewöhnlichen Mutter, Ich würde nur weniges fürchten, aber aus Ihrer Hand und von der Seite der [2] Frau Stael, welch ein unermeßlicher Sprung, für den Zögling vom Leben in der vollendetsten Kunst und in der Fülle der Welt und aller Ihrer Mittel hinab, zu der Einfachheit eines Zustandes der nichts hat, und nichts ist, und nichts will, als was die Menschennatur selber, ohne allen Zusatz des Zufälligen und Willkührlichen fordert. Freund! was hätte unter diesen Umständen herauskommen müssen! Es hätte an sich selbst Zeit, lange Zeit gefordert, die Mittel unsrer Methode einem Jüngling von dem Alter Ihres Zöglings geläufig zu machen und bei ihm hätte es in dem Grad mehr Zeit gebraucht als schon nach andern Grundsätzen Kunst und Krafft zu seiner Bildung verwendet worden. O ja! wenn Sie ihm einen Lehrer mitgegeben hätten der in Ihrem Geist und nach den Bedürfnißen, die der frühere Zustand Ihres Zöglings anspricht, seine Bildung forthin über sich genohmen; den[n] hätten wir und wahrscheinlich mit Erfolg die Mittel unsrer Methode zu dem Thun dieses Mannes hinzugesetzt und uns innig gefreut Ihnen und Frau von Stael durch den grösten Dienst Eifer unsre Achtung und Ergebenheit zeigen zu können. Aber ohne eine solche Mitwirkung bin ich überzeugt, würden unsre bestgemeinten Bemühungen einen unserm Entzweck ganz entgegengesetzten Erfolg haben. Das zu verhüten hal[3]te ich für meine Pflicht und für das Einige Ihre wahre Achtung die mir so schätzbar ist dauerhaft zu erhalten.
Empfehlen Sie mich der Frau von Stael und genehmigen Sie die Versicherung der aufrichtigsten Hochachtung mit der ich die Ehre habe mich zu nennen
verehrungswürdiger Herr
Dero
gehorsamen Diener
Pestalozzi
Iferten d. 14 Weinmonath [= Oktober] 1807.
[4]
[1] Verehrungswürdiger Herr!
Ich fand mich nicht leicht gegen einen Menschen in einem Verhältniß das mir so viel Mühe machte; Sie ehrten mich. Sie zeigten mir Zutrauen und ich antwortete Ihnen nicht einmahl; ich konnte es nicht, ich konnte nur durch mein Stillschweigen zeigen, in welchem Grad ich verlegen bin. Wie gern hätte ich Ihren Wünschen entsprochen, wie wichtig wäre es mir gewesen Ihnen entsprechen zu dörfen; aber wenn ich es gethan und der Erfolg dann Ihrer Erwartung nicht entsprochen hätte, wie unglücklich wäre ich dann gewesen, in welchem Grad hätte ich mir dann Vorwürfe machen müssen und wie beschämend, wie verdient wäre dann der Verlust des Zutrauens und der Achtung gewesen, die ich so sehnlich wünsche bei Ihnen zu erhalten. Wenn ich meine Anstalt ins Aug faßte und in derselben die Leerheit von allem dem sah was Ihr Zögling schon weiß, und mir das Nichtige und das Unbefriedigende und Unausfüllende das unser ganzes Seyn und Thun für Ihren Zögling haben muß, vorstelle und den gänzlichen Mangel dessen was er fordern würde, das nöthige Leben seines vorigen Zustandes in ihm zu erhalten, und das was wir ihm geben könnten bestimmt an dieses Leben anzuknüpfen, dann kann ich nicht anders, ich muß voraussehen, wir können Ihre Hoffnung nicht befriedigen. Ihr Zögling würde im Ganzen seiner Bildung still gestellt sich auf den Tod ennuyiren von einer einzigen und bestimmt von der bisher ungeübtesten Seite, einseitig und mühsam angetrieben zu werden. Nähme ich das Kind aus der Hand eines gewöhnlichen Lehrers und von der Seite einer gewöhnlichen Mutter, Ich würde nur weniges fürchten, aber aus Ihrer Hand und von der Seite der [2] Frau Stael, welch ein unermeßlicher Sprung, für den Zögling vom Leben in der vollendetsten Kunst und in der Fülle der Welt und aller Ihrer Mittel hinab, zu der Einfachheit eines Zustandes der nichts hat, und nichts ist, und nichts will, als was die Menschennatur selber, ohne allen Zusatz des Zufälligen und Willkührlichen fordert. Freund! was hätte unter diesen Umständen herauskommen müssen! Es hätte an sich selbst Zeit, lange Zeit gefordert, die Mittel unsrer Methode einem Jüngling von dem Alter Ihres Zöglings geläufig zu machen und bei ihm hätte es in dem Grad mehr Zeit gebraucht als schon nach andern Grundsätzen Kunst und Krafft zu seiner Bildung verwendet worden. O ja! wenn Sie ihm einen Lehrer mitgegeben hätten der in Ihrem Geist und nach den Bedürfnißen, die der frühere Zustand Ihres Zöglings anspricht, seine Bildung forthin über sich genohmen; den[n] hätten wir und wahrscheinlich mit Erfolg die Mittel unsrer Methode zu dem Thun dieses Mannes hinzugesetzt und uns innig gefreut Ihnen und Frau von Stael durch den grösten Dienst Eifer unsre Achtung und Ergebenheit zeigen zu können. Aber ohne eine solche Mitwirkung bin ich überzeugt, würden unsre bestgemeinten Bemühungen einen unserm Entzweck ganz entgegengesetzten Erfolg haben. Das zu verhüten hal[3]te ich für meine Pflicht und für das Einige Ihre wahre Achtung die mir so schätzbar ist dauerhaft zu erhalten.
Empfehlen Sie mich der Frau von Stael und genehmigen Sie die Versicherung der aufrichtigsten Hochachtung mit der ich die Ehre habe mich zu nennen
verehrungswürdiger Herr
Dero
gehorsamen Diener
Pestalozzi
Iferten d. 14 Weinmonath [= Oktober] 1807.
[4]
· Konzept , [14. Oktober 1807]
· Zentralbibliothek Zürich
· Ms. Pestal. 5/202 bzw. 5.202
· Abschrift , [14. Oktober 1807]
· Zentralbibliothek Zürich
· Ms. Pestal. 5/202 bzw. 5.202
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