• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Unknown · Date: 22.12.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 22.12.1807
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 488‒489.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 293‒294.
  • Incipit: „[1] Kölln den 22ten Decemb 1807
    Geliebter Freund, ich schicke Dir hier einen Brief des Herrn von Hagen, den ich durch die [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,44
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,9 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Kölln den 22ten Decemb 1807
Geliebter Freund, ich schicke Dir hier einen Brief des Herrn von Hagen, den ich durch die Unger erhalten. Da ich wußte, daß er von diesem sei, so habe ich da der Brief noch eine so lange Reise zu machen hat, das sehr dicke Couvert darum abgemacht. In der Ausgabe der Nibelungen habe ich bis jetzt nur blättern können; doch kommt es mir vor, als wäre die Behandlung doch gründlicher und kritischer als sie von Tieck zu erwarten gewesen wäre. – Von Hannover habe ich auch Briefe; Karl ist munter und froh, die Mutter klagt etwas, zwar hat sie keine Einquartierung selbst mehr, muß aber doch für einen halben Mann solche fortdauernd bezahlen und hat dabei noch keine Aussicht, die rückständige Pension zu erhalten. Am 29ten November war der Wechsel von Thurneisen noch nicht angekommen. – Sehr unangenehm war es mir, vor einigen Tagen den Artikel über die St.[aël] in dem Journal dʼEmpire zu lesen und ich bin nicht wenig über diese leidigen Preußen ergrimmt, daß sie doch immer das Klatschen und mit dem Maule tapfer sein nicht lassen können. Wie unedel ist es, die Gastfreundschaft mit der sie bei der St.[aël] aufgenommen worden, so zu lohnen. Die Klatscherei von dem Heirathen der St[aël] ist auch gewiß durch diesen Kanal in Umlauf gekommen. – Ich beschwöre Dich, gegen alle [2] Menschen, besonders aber reisende Preußen, die strengste Vorsicht zu beobachten. Denn es ist nichts an sich so unschuldig, was nicht solche Menschen mißdeuten, verdrehen und einen üblen Gebrauch davon machen könnten. – Die Stelle von dem Claus.[ewitz] in Deinem Briefe war uns gleich sehr aufs Herz gefallen; wären doch diese fatalen Preußen alle wo der Pfeffer wächst, sie haben durch alles Unglück nicht das mindeste Gefühl bekommen, was schicklich zu thun und zu lassen und zu sagen ist.
Von Reimer lege ich Dir ein Blatt bei an mich. Sein Hauptgrund gegen meinen Vorschlag, den standhaften Prinzen allein auszugeben ist eine bloße Sophisterei; übrigens ist es freilich fatal, daß die Sache durch die Auslage der Druckkosten so verwickelt wird; wäre es bloß Vorschuß von Honorar, so ließe sichs leicht schlichten. – Ich möchte Dir vorschlagen, Dir an der Uebersetzung zu helfen; aber freilich würde ich nur zu den eigentlich katholischen Stücken Trieb genug haben, um meine natürliche Unfähigkeit zum Uebersetzen zu überwinden. Gut denke ich wollte ichs wohl machen, doch würde ich mir nicht trauen, wenn Du nicht eine letzte Revision darüber halten könntest. Lebten wir an einem Orte, so ginge es gewiß gar gut und leicht. Immer muß ich wieder darauf zurück kommen. [3] Nie fühlte ich es lebhafter, daß wir schon zu lange getrennt sind, und daß wir nothwendig einmal wieder eine Zeitlang zusammen leben und vereint arbeiten müssen.
Die Umrisse kann ich Dir nun nicht rathen drucken zu lassen; denn, wolltest Du sie mit Zwang schreiben, so würden sie für Dich selbst und für den Leser den besten Reiz verliehren. Es ist jetzt gewiß aber die angespannteste Aufmerksamkeit und Beobachtung nothwendig, wie es weiter geht. Die Sache scheint mir in der That sehr ernsthaft.
Des Mittelalters bitte ich Dich in München und in Wien so sehr eingedenk zu sein, als Deine übrigen Absichten nur immer erlauben. Was Altdeutsche Poesie betrift, so habe doch meinetwegen ein besondres Augenmerk auf alles von Wolfram von Eschilbach; denn diesen hab ich mir unter allen als Hauptgegenstand meiner Untersuchungen ausgesehen. – Ferner frage doch nach Handschriften von Meister Eccardus – ein Theolog und Philosoph des 14ten Jahrhunderts der außer seinen lateinischen auch Deutsche Schriften und Predigten geschrieben hat – er lebte und blühte besonders in Oesterreich – er war sehr berühmt nach Urtheilen und Anführungen späterer zu urtheilen – vielleicht der tiefsinnigste Philosoph den Deutschland je gehabt hat; Du findest etwas über ihn im Trithemius de scriptoribus ecclesiasticis. Desgleichen im Bellarmin de scriptoribus eccles[4]iasticis. Henricus Suso (oder Süß) hat in derselben Zeit auch Deutsch geschrieben, florirte besonders in Schwaben. – Alles dieß ist mir an sich und auch für den Tauler wichtig. In Heidelberg kommt eine Art neue Litt.[eratur] Z.[eitung] heraus – Heidelberger Jahrbücher der Litteratur. Sie haben mich zur Theilnahme eingeladen und ich habe auch eine Recension von Goethes Werken übernommen. – Ich lese und denke tüchtig zum Karl den V. Aber leider fehlt mir hier der fast unentbehrliche Sandoval. Erfährst Du in Wien pp etwas besonders wichtiges und weniger Bekanntes, von ineditis pp zu Karl Vt, so sei um meinetwillen aufmerksam darauf. – Meine Frau grüßt Dich vielmals. Wir denken mit immer gleicher Liebe und Sorge an Dich.
Dein Friedrich

Hast Du Nachricht von S.[ophie] B.[ernhardi]? Es scheint mir nicht gut, daß sie nun so ganz nahe bei ihren alten wüsten Verhältnissen sich befindet. Das Aufsehen wird von neuem dadurch erregt; es wird unglaublich viel von dieser Sache in Deutschland gesprochen, wie ich fast an jedem hier durchkommenden Fremden gewahr werde.
[1] Kölln den 22ten Decemb 1807
Geliebter Freund, ich schicke Dir hier einen Brief des Herrn von Hagen, den ich durch die Unger erhalten. Da ich wußte, daß er von diesem sei, so habe ich da der Brief noch eine so lange Reise zu machen hat, das sehr dicke Couvert darum abgemacht. In der Ausgabe der Nibelungen habe ich bis jetzt nur blättern können; doch kommt es mir vor, als wäre die Behandlung doch gründlicher und kritischer als sie von Tieck zu erwarten gewesen wäre. – Von Hannover habe ich auch Briefe; Karl ist munter und froh, die Mutter klagt etwas, zwar hat sie keine Einquartierung selbst mehr, muß aber doch für einen halben Mann solche fortdauernd bezahlen und hat dabei noch keine Aussicht, die rückständige Pension zu erhalten. Am 29ten November war der Wechsel von Thurneisen noch nicht angekommen. – Sehr unangenehm war es mir, vor einigen Tagen den Artikel über die St.[aël] in dem Journal dʼEmpire zu lesen und ich bin nicht wenig über diese leidigen Preußen ergrimmt, daß sie doch immer das Klatschen und mit dem Maule tapfer sein nicht lassen können. Wie unedel ist es, die Gastfreundschaft mit der sie bei der St.[aël] aufgenommen worden, so zu lohnen. Die Klatscherei von dem Heirathen der St[aël] ist auch gewiß durch diesen Kanal in Umlauf gekommen. – Ich beschwöre Dich, gegen alle [2] Menschen, besonders aber reisende Preußen, die strengste Vorsicht zu beobachten. Denn es ist nichts an sich so unschuldig, was nicht solche Menschen mißdeuten, verdrehen und einen üblen Gebrauch davon machen könnten. – Die Stelle von dem Claus.[ewitz] in Deinem Briefe war uns gleich sehr aufs Herz gefallen; wären doch diese fatalen Preußen alle wo der Pfeffer wächst, sie haben durch alles Unglück nicht das mindeste Gefühl bekommen, was schicklich zu thun und zu lassen und zu sagen ist.
Von Reimer lege ich Dir ein Blatt bei an mich. Sein Hauptgrund gegen meinen Vorschlag, den standhaften Prinzen allein auszugeben ist eine bloße Sophisterei; übrigens ist es freilich fatal, daß die Sache durch die Auslage der Druckkosten so verwickelt wird; wäre es bloß Vorschuß von Honorar, so ließe sichs leicht schlichten. – Ich möchte Dir vorschlagen, Dir an der Uebersetzung zu helfen; aber freilich würde ich nur zu den eigentlich katholischen Stücken Trieb genug haben, um meine natürliche Unfähigkeit zum Uebersetzen zu überwinden. Gut denke ich wollte ichs wohl machen, doch würde ich mir nicht trauen, wenn Du nicht eine letzte Revision darüber halten könntest. Lebten wir an einem Orte, so ginge es gewiß gar gut und leicht. Immer muß ich wieder darauf zurück kommen. [3] Nie fühlte ich es lebhafter, daß wir schon zu lange getrennt sind, und daß wir nothwendig einmal wieder eine Zeitlang zusammen leben und vereint arbeiten müssen.
Die Umrisse kann ich Dir nun nicht rathen drucken zu lassen; denn, wolltest Du sie mit Zwang schreiben, so würden sie für Dich selbst und für den Leser den besten Reiz verliehren. Es ist jetzt gewiß aber die angespannteste Aufmerksamkeit und Beobachtung nothwendig, wie es weiter geht. Die Sache scheint mir in der That sehr ernsthaft.
Des Mittelalters bitte ich Dich in München und in Wien so sehr eingedenk zu sein, als Deine übrigen Absichten nur immer erlauben. Was Altdeutsche Poesie betrift, so habe doch meinetwegen ein besondres Augenmerk auf alles von Wolfram von Eschilbach; denn diesen hab ich mir unter allen als Hauptgegenstand meiner Untersuchungen ausgesehen. – Ferner frage doch nach Handschriften von Meister Eccardus – ein Theolog und Philosoph des 14ten Jahrhunderts der außer seinen lateinischen auch Deutsche Schriften und Predigten geschrieben hat – er lebte und blühte besonders in Oesterreich – er war sehr berühmt nach Urtheilen und Anführungen späterer zu urtheilen – vielleicht der tiefsinnigste Philosoph den Deutschland je gehabt hat; Du findest etwas über ihn im Trithemius de scriptoribus ecclesiasticis. Desgleichen im Bellarmin de scriptoribus eccles[4]iasticis. Henricus Suso (oder Süß) hat in derselben Zeit auch Deutsch geschrieben, florirte besonders in Schwaben. – Alles dieß ist mir an sich und auch für den Tauler wichtig. In Heidelberg kommt eine Art neue Litt.[eratur] Z.[eitung] heraus – Heidelberger Jahrbücher der Litteratur. Sie haben mich zur Theilnahme eingeladen und ich habe auch eine Recension von Goethes Werken übernommen. – Ich lese und denke tüchtig zum Karl den V. Aber leider fehlt mir hier der fast unentbehrliche Sandoval. Erfährst Du in Wien pp etwas besonders wichtiges und weniger Bekanntes, von ineditis pp zu Karl Vt, so sei um meinetwillen aufmerksam darauf. – Meine Frau grüßt Dich vielmals. Wir denken mit immer gleicher Liebe und Sorge an Dich.
Dein Friedrich

Hast Du Nachricht von S.[ophie] B.[ernhardi]? Es scheint mir nicht gut, daß sie nun so ganz nahe bei ihren alten wüsten Verhältnissen sich befindet. Das Aufsehen wird von neuem dadurch erregt; es wird unglaublich viel von dieser Sache in Deutschland gesprochen, wie ich fast an jedem hier durchkommenden Fremden gewahr werde.
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