• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Amsterdam · Date: 05.12.1791
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 05.12.1791
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 33‒34.
  • Incipit: „[1] Den 5ten December 91.
    Die Nachrichten Deines letzten Briefs haben mich überrascht. – Deine Absicht zu B. [Caroline Böhmer] zu gehen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.7
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] Den 5ten December 91.
Die Nachrichten Deines letzten Briefs haben mich überrascht. – Deine Absicht zu B. [Caroline Böhmer] zu gehen habe ich geahndet; die Entwicklung war mir sehr fremd und – erlaube mir es zu sagen – auch Dein sehr männliches Betragen hat mich beinahe überrascht. Das habe ich Dir doch nicht zugetraut. – Ich verstehe Deinen ganzen Verlust – ich fürchte fast daß Dich dieser Brief nicht in der besten Stimmung trifft; und so wünschte ich, daß er eine tröstende Kraft bey sich führen möchte. Wenigstens wünschte ich das ganze Feuer meines Herzens auf dieses Blatt ergießen zu können, damit Du gewiß würdest daß Du doch eine Seele Dein nennen darfst. –
Ich danke Dir für Dein Zutrauen und Deine Mittheilungen. Fahre fort mich an allem was in Dir vorgeht, Theil nehmen zu lassen, und gieb mir besonders noch einige historische Aufschlüße die Du in Deinem letzten auch versprochen hast und ich werde dann Dich immer besser verstehen und auch urtheilen können. Alle Deine Schritte haben meinen ganzen Beifall. – Deinen Plan in Mainz zu [2] leben finde ich nichts weniger als einen „gewagten unüberlegten Schritt“ und würde auch itzt nicht unzufrieden seyn, wenn Du nach Deutschl[and] zurückkehrtest und dieß Leben führtest. – Du glaubst es würde schwer gewesen seyn in diesem Falle meine Eltern zu beruhigen. – Sie sind aber doch nicht schwer zu beruhigen. – Ich sehe nicht was eine Civilbedienung, wenn sie Dir auch gleich offen stünde, vor jener Lebensart voraus hätte; dahingegen die herrliche Unabhängigkeit und der Schwung den der Geist dadurch erhält nicht aufzuwiegen ist: nicht zu erwähnen daß der Weg zu jener Carriere nie verschlossen ist, und es Dir um früher oder später nicht zu thun ist. – Mein Rath ist, daß Du wenn nicht Deine strengsten Forderungen befriedigt werden, Dich nicht in diese achtjährige Dienerschaft begibst, die den besten Theil Deiner Jugend wegnehmen würde. –
[3] Wenn B. [Caroline Böhmer] Dich liebte, so dürftest Du auch vielleicht die Zukunft nicht achten, und alles aufopfern. – Wie sehr mir die Art gefällt, wie Du nachher gehandelt, kann ich nicht sagen und wenn alles so fortgeht so wirst Du mit Recht sagen können „mehr gewonnen als verloren zu haben“. Du bist der Herrschaft entgangen, willst Du ein Bündnis schließen? – Ich will sehen ob man nicht in der männlichen Liebe die weibliche vergeßen kann, und ich fordere Dich auf nach Jahren <über den Vorzug> zu urtheilen. – In der Tiefe meiner Seele dämmert ein erhabnes Bild der Freundschaft; wenn wir noch einmal zusammen leben, so soll dieß wirklich werden. – Erwarte nicht zuviel von mir; – nur an einem dürfen Deine Forderungen ohne Grenzen seyn, an Liebe und Aufopferung für Dich. – Glaube nicht daß ich in bald vergeßnem Taumel rede.
[4] Da ich Dir oben meine Gedanken über Dein Bleiben in Amsterd[am] mitgetheilt habe, so finde ich nöthig noch etwas darüber zu sagen, damit es nicht scheinen möchte, ich hätte eigennützig gesprochen. Ich will die Vortheile und Nachtheile beider Carrieren so wie ich sie einsehe darstellen. Wenn Du in Amst.[erdam] bleibst so findest Du eine bequemere Lebensart und eine wiewohl nicht reichliche Sicherheit auf die Zukunft; setztest Dich aber außer Connexion. Bey der andern risquirst Du höchstens eine Zeit lang Dich einschränken zu müssen – dagegen rechne die Unabhängigkeit, daß Du für jede glückliche Aussicht bereit bleibst, und Beschäftigung nach eigner Liebe. – Ueberlege wohl was Schriftsteller Ruhm Dir seyn kann und das Vergnügen der Schöpfung; nur überlege reiflich. – Wenn Du nach Deutschl[and] zurückkehrst so ist in meinen Augen nicht vielleicht sondern gewiß daß Du hieher kömmst. Die Gründe will ich alsdenn weitläuftig auseinandersetzen.
[1] Den 5ten December 91.
Die Nachrichten Deines letzten Briefs haben mich überrascht. – Deine Absicht zu B. [Caroline Böhmer] zu gehen habe ich geahndet; die Entwicklung war mir sehr fremd und – erlaube mir es zu sagen – auch Dein sehr männliches Betragen hat mich beinahe überrascht. Das habe ich Dir doch nicht zugetraut. – Ich verstehe Deinen ganzen Verlust – ich fürchte fast daß Dich dieser Brief nicht in der besten Stimmung trifft; und so wünschte ich, daß er eine tröstende Kraft bey sich führen möchte. Wenigstens wünschte ich das ganze Feuer meines Herzens auf dieses Blatt ergießen zu können, damit Du gewiß würdest daß Du doch eine Seele Dein nennen darfst. –
Ich danke Dir für Dein Zutrauen und Deine Mittheilungen. Fahre fort mich an allem was in Dir vorgeht, Theil nehmen zu lassen, und gieb mir besonders noch einige historische Aufschlüße die Du in Deinem letzten auch versprochen hast und ich werde dann Dich immer besser verstehen und auch urtheilen können. Alle Deine Schritte haben meinen ganzen Beifall. – Deinen Plan in Mainz zu [2] leben finde ich nichts weniger als einen „gewagten unüberlegten Schritt“ und würde auch itzt nicht unzufrieden seyn, wenn Du nach Deutschl[and] zurückkehrtest und dieß Leben führtest. – Du glaubst es würde schwer gewesen seyn in diesem Falle meine Eltern zu beruhigen. – Sie sind aber doch nicht schwer zu beruhigen. – Ich sehe nicht was eine Civilbedienung, wenn sie Dir auch gleich offen stünde, vor jener Lebensart voraus hätte; dahingegen die herrliche Unabhängigkeit und der Schwung den der Geist dadurch erhält nicht aufzuwiegen ist: nicht zu erwähnen daß der Weg zu jener Carriere nie verschlossen ist, und es Dir um früher oder später nicht zu thun ist. – Mein Rath ist, daß Du wenn nicht Deine strengsten Forderungen befriedigt werden, Dich nicht in diese achtjährige Dienerschaft begibst, die den besten Theil Deiner Jugend wegnehmen würde. –
[3] Wenn B. [Caroline Böhmer] Dich liebte, so dürftest Du auch vielleicht die Zukunft nicht achten, und alles aufopfern. – Wie sehr mir die Art gefällt, wie Du nachher gehandelt, kann ich nicht sagen und wenn alles so fortgeht so wirst Du mit Recht sagen können „mehr gewonnen als verloren zu haben“. Du bist der Herrschaft entgangen, willst Du ein Bündnis schließen? – Ich will sehen ob man nicht in der männlichen Liebe die weibliche vergeßen kann, und ich fordere Dich auf nach Jahren <über den Vorzug> zu urtheilen. – In der Tiefe meiner Seele dämmert ein erhabnes Bild der Freundschaft; wenn wir noch einmal zusammen leben, so soll dieß wirklich werden. – Erwarte nicht zuviel von mir; – nur an einem dürfen Deine Forderungen ohne Grenzen seyn, an Liebe und Aufopferung für Dich. – Glaube nicht daß ich in bald vergeßnem Taumel rede.
[4] Da ich Dir oben meine Gedanken über Dein Bleiben in Amsterd[am] mitgetheilt habe, so finde ich nöthig noch etwas darüber zu sagen, damit es nicht scheinen möchte, ich hätte eigennützig gesprochen. Ich will die Vortheile und Nachtheile beider Carrieren so wie ich sie einsehe darstellen. Wenn Du in Amst.[erdam] bleibst so findest Du eine bequemere Lebensart und eine wiewohl nicht reichliche Sicherheit auf die Zukunft; setztest Dich aber außer Connexion. Bey der andern risquirst Du höchstens eine Zeit lang Dich einschränken zu müssen – dagegen rechne die Unabhängigkeit, daß Du für jede glückliche Aussicht bereit bleibst, und Beschäftigung nach eigner Liebe. – Ueberlege wohl was Schriftsteller Ruhm Dir seyn kann und das Vergnügen der Schöpfung; nur überlege reiflich. – Wenn Du nach Deutschl[and] zurückkehrst so ist in meinen Augen nicht vielleicht sondern gewiß daß Du hieher kömmst. Die Gründe will ich alsdenn weitläuftig auseinandersetzen.
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