• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: 17.05.1792
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 17.05.1792
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 50‒53.
  • Incipit: „[1] Leipzig den 17ten May 92.
    Jetzt ist es ein Jahr, da wir zusammen in Hann.[over] lebten; eine Zeit, bey der meine [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.11
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] Leipzig den 17ten May 92.
Jetzt ist es ein Jahr, da wir zusammen in Hann.[over] lebten; eine Zeit, bey der meine Erinnerung gern verweilt. Ich werde nie vergeßen, als Du wiederkamst, wie wir allein zusammen waren, da standst Du vor mir und zeigtest mir die Kette, – in der Du gefangen warst. Dein ganzes Wesen zeugte von einem Glück, welches ich nicht begreifen konnte, daß man es haben könne. Du vergaßest, daß Du Dich in wenigen Tagen von Deiner Heimath trennen solltest, Du dachtest, dieses Glück sey unvergänglich. Und als nun der Augenblick kam, wo das Gefühl der Trennung Dich faßte, da ich trostlos nichts vermochte als Deine Klagen in treuer Brust aufzunehmen.
Verzeih, daß ich diese Gedanken anrege – ich war so ganz in Betrachtung dieser Zeit verloren und ich hoffe daß der Blick auf [2] Dein Herz bey Dir ist, wie die schmerzlich-süße Erinnerung an ein sehr entferntes Leiden. Was läßt mich Dein Stillschweigen fürchten? – Ich wage kaum zu hoffen, doch will ich die Hoffnung hegen, bis Du selbst sie mir nimmst. Ich denke mir Dich, wie Du itzt die Ruhe wieder erkämpft hast, heiter auf Deinen Schmerz herabsiehest, zum Geschäft Fröhlichkeit um Dich verbreitest, und Dir <dann> Stunden zu einsamer Seeligkeit erringst. Laß mich immer dasselbe wiedersagen, in jedem Briefe Dir sagen, wie groß Deine Kräfte sind, – Dich beschwören, daß Du sie anstrengst und Dich bitten, so glücklich zu seyn, als Du seyn kannst. Dieses ist ja das einzige, was mir übrigbleibt. Ich darf nicht um Dich seyn, nicht in Dir leben, und rastlos die Furchen (dieses Wort hat meinen ungewohnten Augen [3] Thränen entrissen) von Deiner Stirne zu verscheuchen suchen. Ach dürfte ich mich nur einmal, nur ein einzigesmal an Deinen Umarmungen, an Deinen Gesprächen sättigen! Und daran darf ich gar nicht denken, was Du mir itzt seyn könntest, und daß ich vielleicht itzt wirklich die Kraft hätte, Dich zu erheitern. – Meine verborgensten Kräfte sind lebendig, alles in mir ist rege geworden, und ich suche nur das, wo ich zuerst mich von meiner drängenden Fülle erleichtern könnte. Ich läugne Dir nicht, daß ich noch mit geheimer Bangigkeit mich selbst beobachte, in der Furcht, es möchten, beim Mißlingen, mit doppelter Verzweiflung alle diese Kräfte in ihren vorigen angstvollen Schlaf zurücksinken. Diesen Sommer darf ich mehr für mich selbst leben, und kann es, da ich sehr gestärkt bin. Das Denken über moral.[ische] Gegenstände, welches mich [4] zuerst zur Metaphysik trieb, <wird mich beschäftigen,> und vielleicht auch – die Kunst. Vom Denken ließ ich nur aus vollendeter Verzweiflung ab – und hier bin ich des Gelingens gewisser. Nicht so in der Kunst; ich habe aber sehr guten Grund zu glauben, daß sie mich glücklicher machen würde. – Mein Geist gewinnt an Stärke und Ruhe, ja auch an Heiterkeit, und vielleicht werde ich einmal den Entschluß die Welt zu verlassen, den ich nur aufgeschoben hatte, vollends aufgeben.
Schiller hat sehr <gut> von Dir geredet; vorzüglich Dein Dante hat ihm sehr gefallen, und nach dem was er von andern vom Dante gehört, glaubt er daß Du deßen Geist vortrefflich gefaßt hättest. Dieß hat er Hardenberg gesagt, nicht mir, [5] ob ich ihn gleich oft gesehen habe; denn er konnte mich nicht leiden, und wir haben nicht viel über sechs Worte mit einander gewechselt. Ich habe zufällig Körners und seine Urtheile über mich erfahren. Solltest Du glauben, daß ich Ihnen ein unbescheidner, kalter Witzling geschienen? und auch Schillern? (Doch hat dieser mehrere Proben seiner Einseitigkeit im Urtheilen gegeben). Sie haben mein Herz ordentlich versteigert, wer den meisten Tadel darauf bieten möchte. – Hier ist meine Schilderung von ihnen, die mich eigentlich in Dr.[esden] am meisten intereßirt haben. Schiller ist ein aufmerksamer Beobachter, welches ich gar nicht erwartet hatte. Die Stock ist ein <sehr> kluges Mädchen übrigens ist sie mir zu räthselhaft, um so früh über sie zu urtheilen. Hardenberg wirft ihr ‚erlerntes Wohlwollenʻ und ‚künstliche Natürlichkeitʻ ich glaube nicht mit [6] Unrecht vor. Mit Güte und Natur brüstet sie sich sehr, – aber ihr Gefühl hat so etwas verbrauchtes. – Von Schiller hätte ich noch sagen sollen, daß er mir im ganzen außerordentlich gefällt, ich würde ohne seinen Namen einen großen Mann in ihm gesucht haben. Sein Urtheil über Deinen Dante hat mehr Werth, als das einliegende aus der Allg.[emeinen] Litt.[eratur] Zeitung April. Du magst mir immer für die Bemühung, das mit meinen Händen zu schreiben, danken. Ich verlange aber, daß Du dieser Recension nie erwähnst, sollte man es auch für Affectation halten. Schillers Frau scheint gutmüthig zu seyn. Man redet <auch> von liebenswürdiger, kindlicher Unschuld. Wenn es nur nicht von der künstlich zubereiteten Unschuld ist, die sich in der vornehmen Welt findet. Körners Frau, geht nur darauf [7] aus, unzüchtige Begierde zu erregen, und sie geht hiebey mit tiefer Einsicht zu Werke. Eine sehr verständige, vielleicht auch schätzbare Frau. Er, heiter, thätig und verständig, zieht mich am meisten an. Doch bin ich ihm nicht nahe gekommen.
Ich habe in Dr.[esden] mich mit vielen gut unterhalten, Hardenberg ist mir durch einen sehr edlen Zug noch schätzbarer geworden – und doch ist unter allen diesen niemand, gar niemand den ich lieben könnte, als nur Du allein. Ist es mein Mangel an Geschick, das Gute zu suchen, und mich ihm leicht zu nähern, oder ist es die Beschaffenheit dessen was ich suche? Eine Verbindung mit mir, die lange bestehen soll, muß auf gegenseitiger Anregung der Sittlichkeit beruhen – denn diese Verbindung nimmt ewig zu. Vor allem aber muß der, den ich lieben soll, fähig seyn nur in einem zu leben, und über einem alles zu vergessen. Vor allem aber dieselbe Stärke der Liebe, die aus der Sehnsucht nach dem unendlichen herrühren [8] kann, indem das Herz, das unendliche Gut, was ihm fehlt, in dem Geliebten zu finden vermeint. – Dieses <alles> findet mein kältestes Nachdenken bey Dir, und darum würde ich itzt auch von dem häufigsten Genuß keinen Ueberdruß befürchten. Zwar Ebbe und Fluth ist nothwendig in der Liebe; das Herz glaubt einen Augenblick im Besitze des unendlichen Gutes zu seyn, und sinkt dann wieder nieder. Aber man kann doch gewiß voraussehen, daß die Fluth ewig wiederkommen würde.
Ich habe bey Weibern nie etwas von diesem Triebe nach dem unendlichen gefunden, und ich habe noch keine gesehen, bey der ich die Möglichkeit einsähe, sie lieben zu können. – Nur bey einer findet es sich; ich weiß aber nicht ob ich sie selbst verehre oder ihr verschönertes Bild in dem Spiegel einer edlen männlichen Seele. – [9]
Noch eine Bitte. Du lebst itzt vielleicht auf sehr lange, nur unter alltäglichen Menschen. – Ich glaube in der Kunst mit diesen umzugehen, kannst Du noch lernen. Dem tiefen Beobachter geben sie reichen Stoff; es sind in dem gemeinsten Menschen viele wunderbare Kräfte tief verborgen, dem gemeinen Auge, dem Besitzer selbst ganz unsichtbar. (Ich gestehe, daß mich oft, auch bey Betrachtung eines Narren oder eines Bösewichts, diese verborgenen Kräfte mit Ehrfurcht gegen die Erhabenheit unsrer Natur erfüllen). Wie angenehm wäre es, unsichtbar wie Gott, aus der Tiefe eines geschwächten Herzens neue Tugenden hervorzulocken – indeß andre vielleicht nichts darin sehen würden, als daß man einen Fröhlichen gemacht habe. – Ich brauche Dir nicht zu sagen, was Du kannst im Umgange. Doch könnte nun zu langer Uebung auch das Nachdenken hinzukommen. Von dem Wollen [10] sage ich nichts, weil ich Dein Herz kenne, dessen Wesen die Menschlichkeit ist – und es kann durch unmuthige Laune und Gewohnheiten nur <auf> kurze Zeit gehemmt werden. – Du siehst die alltäglichen Menschen mit zuviel Verachtung an. Vergleiche sie nie mit Dir, erforsche was sie sind, und erwäge was Du ihnen seyn kannst.
Dein Fr. Schl.
[1] Leipzig den 17ten May 92.
Jetzt ist es ein Jahr, da wir zusammen in Hann.[over] lebten; eine Zeit, bey der meine Erinnerung gern verweilt. Ich werde nie vergeßen, als Du wiederkamst, wie wir allein zusammen waren, da standst Du vor mir und zeigtest mir die Kette, – in der Du gefangen warst. Dein ganzes Wesen zeugte von einem Glück, welches ich nicht begreifen konnte, daß man es haben könne. Du vergaßest, daß Du Dich in wenigen Tagen von Deiner Heimath trennen solltest, Du dachtest, dieses Glück sey unvergänglich. Und als nun der Augenblick kam, wo das Gefühl der Trennung Dich faßte, da ich trostlos nichts vermochte als Deine Klagen in treuer Brust aufzunehmen.
Verzeih, daß ich diese Gedanken anrege – ich war so ganz in Betrachtung dieser Zeit verloren und ich hoffe daß der Blick auf [2] Dein Herz bey Dir ist, wie die schmerzlich-süße Erinnerung an ein sehr entferntes Leiden. Was läßt mich Dein Stillschweigen fürchten? – Ich wage kaum zu hoffen, doch will ich die Hoffnung hegen, bis Du selbst sie mir nimmst. Ich denke mir Dich, wie Du itzt die Ruhe wieder erkämpft hast, heiter auf Deinen Schmerz herabsiehest, zum Geschäft Fröhlichkeit um Dich verbreitest, und Dir <dann> Stunden zu einsamer Seeligkeit erringst. Laß mich immer dasselbe wiedersagen, in jedem Briefe Dir sagen, wie groß Deine Kräfte sind, – Dich beschwören, daß Du sie anstrengst und Dich bitten, so glücklich zu seyn, als Du seyn kannst. Dieses ist ja das einzige, was mir übrigbleibt. Ich darf nicht um Dich seyn, nicht in Dir leben, und rastlos die Furchen (dieses Wort hat meinen ungewohnten Augen [3] Thränen entrissen) von Deiner Stirne zu verscheuchen suchen. Ach dürfte ich mich nur einmal, nur ein einzigesmal an Deinen Umarmungen, an Deinen Gesprächen sättigen! Und daran darf ich gar nicht denken, was Du mir itzt seyn könntest, und daß ich vielleicht itzt wirklich die Kraft hätte, Dich zu erheitern. – Meine verborgensten Kräfte sind lebendig, alles in mir ist rege geworden, und ich suche nur das, wo ich zuerst mich von meiner drängenden Fülle erleichtern könnte. Ich läugne Dir nicht, daß ich noch mit geheimer Bangigkeit mich selbst beobachte, in der Furcht, es möchten, beim Mißlingen, mit doppelter Verzweiflung alle diese Kräfte in ihren vorigen angstvollen Schlaf zurücksinken. Diesen Sommer darf ich mehr für mich selbst leben, und kann es, da ich sehr gestärkt bin. Das Denken über moral.[ische] Gegenstände, welches mich [4] zuerst zur Metaphysik trieb, <wird mich beschäftigen,> und vielleicht auch – die Kunst. Vom Denken ließ ich nur aus vollendeter Verzweiflung ab – und hier bin ich des Gelingens gewisser. Nicht so in der Kunst; ich habe aber sehr guten Grund zu glauben, daß sie mich glücklicher machen würde. – Mein Geist gewinnt an Stärke und Ruhe, ja auch an Heiterkeit, und vielleicht werde ich einmal den Entschluß die Welt zu verlassen, den ich nur aufgeschoben hatte, vollends aufgeben.
Schiller hat sehr <gut> von Dir geredet; vorzüglich Dein Dante hat ihm sehr gefallen, und nach dem was er von andern vom Dante gehört, glaubt er daß Du deßen Geist vortrefflich gefaßt hättest. Dieß hat er Hardenberg gesagt, nicht mir, [5] ob ich ihn gleich oft gesehen habe; denn er konnte mich nicht leiden, und wir haben nicht viel über sechs Worte mit einander gewechselt. Ich habe zufällig Körners und seine Urtheile über mich erfahren. Solltest Du glauben, daß ich Ihnen ein unbescheidner, kalter Witzling geschienen? und auch Schillern? (Doch hat dieser mehrere Proben seiner Einseitigkeit im Urtheilen gegeben). Sie haben mein Herz ordentlich versteigert, wer den meisten Tadel darauf bieten möchte. – Hier ist meine Schilderung von ihnen, die mich eigentlich in Dr.[esden] am meisten intereßirt haben. Schiller ist ein aufmerksamer Beobachter, welches ich gar nicht erwartet hatte. Die Stock ist ein <sehr> kluges Mädchen übrigens ist sie mir zu räthselhaft, um so früh über sie zu urtheilen. Hardenberg wirft ihr ‚erlerntes Wohlwollenʻ und ‚künstliche Natürlichkeitʻ ich glaube nicht mit [6] Unrecht vor. Mit Güte und Natur brüstet sie sich sehr, – aber ihr Gefühl hat so etwas verbrauchtes. – Von Schiller hätte ich noch sagen sollen, daß er mir im ganzen außerordentlich gefällt, ich würde ohne seinen Namen einen großen Mann in ihm gesucht haben. Sein Urtheil über Deinen Dante hat mehr Werth, als das einliegende aus der Allg.[emeinen] Litt.[eratur] Zeitung April. Du magst mir immer für die Bemühung, das mit meinen Händen zu schreiben, danken. Ich verlange aber, daß Du dieser Recension nie erwähnst, sollte man es auch für Affectation halten. Schillers Frau scheint gutmüthig zu seyn. Man redet <auch> von liebenswürdiger, kindlicher Unschuld. Wenn es nur nicht von der künstlich zubereiteten Unschuld ist, die sich in der vornehmen Welt findet. Körners Frau, geht nur darauf [7] aus, unzüchtige Begierde zu erregen, und sie geht hiebey mit tiefer Einsicht zu Werke. Eine sehr verständige, vielleicht auch schätzbare Frau. Er, heiter, thätig und verständig, zieht mich am meisten an. Doch bin ich ihm nicht nahe gekommen.
Ich habe in Dr.[esden] mich mit vielen gut unterhalten, Hardenberg ist mir durch einen sehr edlen Zug noch schätzbarer geworden – und doch ist unter allen diesen niemand, gar niemand den ich lieben könnte, als nur Du allein. Ist es mein Mangel an Geschick, das Gute zu suchen, und mich ihm leicht zu nähern, oder ist es die Beschaffenheit dessen was ich suche? Eine Verbindung mit mir, die lange bestehen soll, muß auf gegenseitiger Anregung der Sittlichkeit beruhen – denn diese Verbindung nimmt ewig zu. Vor allem aber muß der, den ich lieben soll, fähig seyn nur in einem zu leben, und über einem alles zu vergessen. Vor allem aber dieselbe Stärke der Liebe, die aus der Sehnsucht nach dem unendlichen herrühren [8] kann, indem das Herz, das unendliche Gut, was ihm fehlt, in dem Geliebten zu finden vermeint. – Dieses <alles> findet mein kältestes Nachdenken bey Dir, und darum würde ich itzt auch von dem häufigsten Genuß keinen Ueberdruß befürchten. Zwar Ebbe und Fluth ist nothwendig in der Liebe; das Herz glaubt einen Augenblick im Besitze des unendlichen Gutes zu seyn, und sinkt dann wieder nieder. Aber man kann doch gewiß voraussehen, daß die Fluth ewig wiederkommen würde.
Ich habe bey Weibern nie etwas von diesem Triebe nach dem unendlichen gefunden, und ich habe noch keine gesehen, bey der ich die Möglichkeit einsähe, sie lieben zu können. – Nur bey einer findet es sich; ich weiß aber nicht ob ich sie selbst verehre oder ihr verschönertes Bild in dem Spiegel einer edlen männlichen Seele. – [9]
Noch eine Bitte. Du lebst itzt vielleicht auf sehr lange, nur unter alltäglichen Menschen. – Ich glaube in der Kunst mit diesen umzugehen, kannst Du noch lernen. Dem tiefen Beobachter geben sie reichen Stoff; es sind in dem gemeinsten Menschen viele wunderbare Kräfte tief verborgen, dem gemeinen Auge, dem Besitzer selbst ganz unsichtbar. (Ich gestehe, daß mich oft, auch bey Betrachtung eines Narren oder eines Bösewichts, diese verborgenen Kräfte mit Ehrfurcht gegen die Erhabenheit unsrer Natur erfüllen). Wie angenehm wäre es, unsichtbar wie Gott, aus der Tiefe eines geschwächten Herzens neue Tugenden hervorzulocken – indeß andre vielleicht nichts darin sehen würden, als daß man einen Fröhlichen gemacht habe. – Ich brauche Dir nicht zu sagen, was Du kannst im Umgange. Doch könnte nun zu langer Uebung auch das Nachdenken hinzukommen. Von dem Wollen [10] sage ich nichts, weil ich Dein Herz kenne, dessen Wesen die Menschlichkeit ist – und es kann durch unmuthige Laune und Gewohnheiten nur <auf> kurze Zeit gehemmt werden. – Du siehst die alltäglichen Menschen mit zuviel Verachtung an. Vergleiche sie nie mit Dir, erforsche was sie sind, und erwäge was Du ihnen seyn kannst.
Dein Fr. Schl.
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