• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: 24.03.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.03.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 86‒87.
  • Incipit: „[1] No I
    Leipzig den 24ten März.
    Liebster Bruder,
    den Brief mit dem Gelde habe ich richtig empfangen. Da ich ihn erhielt war ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.22
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] No I
Leipzig den 24ten März.
Liebster Bruder,
den Brief mit dem Gelde habe ich richtig empfangen. Da ich ihn erhielt war ich über den Hauptpunct schon ganz beruhigt; und gewiß auch Du; denn obgleich ich aus allen Nachrichten des Moniteur, der Gazette de Leyden pp. von der Lage der Dumouriezʼschen Armee, und dem Verluste der Franzosen keine gründliche Kenntniß bekommen habe; so ist doch sicher, daß Ihr für den Anfang des Feldzugs ganz außer Gefahr seyd. – Ich habe diesen Brief numerirt, weil Du mich fragst, ob ich das Pacquet an den Buchhändler erhalten. Ich dächte seit der Zeit schon zweymal geschrieben [zu haben]. Ueberhaupt sind seit Weyhnachten viele (doch genau weiß ichs nicht) meistens aber nur kurze Briefe an Dich abgegangen: und ich besorge beynahe, Du hast sie nicht alle erhalten. – Ich werde Dir [2] so viel schreiben, als mir möglich ist, das heißt nicht der Zeit wegen, sondern der Aufgelegtheit. Es gehört Ueberwindung dazu, so unangenehme Erinnrungen zu wecken, und ich fühle nur zu sehr die üble Wirkung davon. Zudem bin ich itzt auf der Abreise nach Dreßden begriffen, und habe einige kleine störende und zerstreuende Geschäfte. Doch von da erhältst Du bald viel. Den Brief von Hardenb.[erg] bitte sobald als möglich zurück: nach Dreßden zu addreßiren. Briefe so Du nach dem 18ten April abschickst, addreßirst Du Leipzig, Grimmaische Gasse, Löwen-Apotheke, drey Treppen. Ich will mich gern gedulden, biß Du <wieder> Zeit hast, aber dann hoffe ich auch, und bitte mich nicht Car.[olinen] nachzusetzen.
Ich empfehle Dir einen sehr intereßanten Aufsatz im zweyten oder dritten Stück der Thalia dieses Jahres von W.[ilhelm] Humbold. ‚Wie weit darf sich die Sorge des Staats für das Wohl der Bürger erstrecken?ʻ Er ver[3]spricht einen sehr guten Schriftsteller. – Ich habe hier den Bruder von Foelkersohm gesehen; der ist ein Thaps. – Was den andern betrifft, so gestehe ich sehr gern, daß ich ihn nur oberflächlich kenne, und daß er bewundernswürdige Kühnheit und Verstand für seine Zwecke hat. Aber eben die rechten Zwecke machen den Werth des Menschen, und ächter Verstand, und ächter Muth können nur mit diesen verbunden seyn. Die erwähnten Briefe von ihm wirst Du mir wohl nicht mittheilen dürfen, sonst wünschte ich es sehr: dabey fällt mir meine alte Bitte wieder ein; besonders da Du mir nicht schreibst, könntest Du mir wohl ein Pacquet von B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefen nach Dreßden schicken. –
Vielleicht ist es für die Dauer Deiner Verbindung gut, daß sie mit Gefahr und Einschränkung verbunden ist. Doch kann ich Dir nicht sagen, wie sehr mich solche einzelne ängstliche Aeußerungen, ohne völlige Mittheilung, beunruhigen, und laß es Dein erstes seyn, wenn Du [4] wieder Zeit hast, mich von Deiner Lage ganz zu unterrichten. Wo möglich schicke mir auch etwas von ihr; ich gestehe Dir, daß mir die kleinen Stellen aus Ihren Briefen, die Du vorigen Sommer schicktest, ich will nicht sagen beßer gefallen haben, doch eben so intereßant gewesen sind, als irgend was von der B. [Caroline Böhmer] – Es ist <wahre> Weiblichkeit darin. – Du schreibst von einer zu fürchtenden Trennung; ‚alle unsre Lebensfreude wäre dahinʻ. – Ich muß Dich darüber bey Dir selbst anklagen, als Dein Freund – und als Dein Genius. – Bin ich Dir denn gar nichts? – Und es ist Deine Pflicht, die reinste Freudenquelle in Deinem Innern, nicht versiegen zu lassen. Laß doch ja nicht die Gottheit aus Deiner Brust aus Trägheit allmählig entweichen. Vielleicht habe ich Unrecht, aber nur die Möglichkeit macht mich zittern; Schicksale und Geschäftigkeit sind keine Einwendungen, denn unser wahrstes Daseyn ist davon nicht unabhängig, und braucht gar keine Zeit. –
[5] Hast Du schon darauf gedacht, welche Lebensart Du zu ergreifen gedenkst, nach beendigten Hofmeisterjahren? – Unabhängigkeit wäre Dir das beste – es ist ja wohl möglich, daß ich dann schon dazu beytragen kann, sie Dir zu erhalten; und von der ungeheuren Schuld etwas abzutragen. Ferner ist Hoffnung, auf Reisen zu gehen, und einmal Deutschland zu besuchen?
Das Geld war mir sehr willkommen; ich hoffe, daß es Dir nicht unangenehm, was ich Dir letzthin wegen des Buchhändlers schrieb. Ich muß bitten diese Ostern, und noch fürs erste zu thun was Du kannst. Ich werde auf ein zweyhundert zum allerwenigsten dieß Ostern bey meiner Zurückkunft Rath schaffen müssen; wovon ich doch kaum hundert von meinen Eltern bekomme, die jedoch sehr viel thun. Aber ich sitze viel tiefer drinne als ich selbst geglaubt. Und heraus muß ich, ich mag nun hier bleiben, oder wollte ich L[eipzig] plötzlich verlassen, so [6] könnte die Kleinigkeit mich ganz unglücklich machen. Bey der ganzen Lage meiner Angelegenheiten hier, ist doch sehr möglich, daß ich L[eipzig] einmal plötzlich verlassen könnte – und ich bitte deshalb ein aufmerksames Auge zu haben, auf alle Gelegenheit wo ich ein vortheilhaftes Engagement treffen könnte, durch Dich oder Deine Freunde, sey es auch ein andres als eine Hofmeisterstelle. Laß dieß ja nicht außer Acht, ich werde ordentlich darüber schreiben.
F. Schlegel.
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[1] No I
Leipzig den 24ten März.
Liebster Bruder,
den Brief mit dem Gelde habe ich richtig empfangen. Da ich ihn erhielt war ich über den Hauptpunct schon ganz beruhigt; und gewiß auch Du; denn obgleich ich aus allen Nachrichten des Moniteur, der Gazette de Leyden pp. von der Lage der Dumouriezʼschen Armee, und dem Verluste der Franzosen keine gründliche Kenntniß bekommen habe; so ist doch sicher, daß Ihr für den Anfang des Feldzugs ganz außer Gefahr seyd. – Ich habe diesen Brief numerirt, weil Du mich fragst, ob ich das Pacquet an den Buchhändler erhalten. Ich dächte seit der Zeit schon zweymal geschrieben [zu haben]. Ueberhaupt sind seit Weyhnachten viele (doch genau weiß ichs nicht) meistens aber nur kurze Briefe an Dich abgegangen: und ich besorge beynahe, Du hast sie nicht alle erhalten. – Ich werde Dir [2] so viel schreiben, als mir möglich ist, das heißt nicht der Zeit wegen, sondern der Aufgelegtheit. Es gehört Ueberwindung dazu, so unangenehme Erinnrungen zu wecken, und ich fühle nur zu sehr die üble Wirkung davon. Zudem bin ich itzt auf der Abreise nach Dreßden begriffen, und habe einige kleine störende und zerstreuende Geschäfte. Doch von da erhältst Du bald viel. Den Brief von Hardenb.[erg] bitte sobald als möglich zurück: nach Dreßden zu addreßiren. Briefe so Du nach dem 18ten April abschickst, addreßirst Du Leipzig, Grimmaische Gasse, Löwen-Apotheke, drey Treppen. Ich will mich gern gedulden, biß Du <wieder> Zeit hast, aber dann hoffe ich auch, und bitte mich nicht Car.[olinen] nachzusetzen.
Ich empfehle Dir einen sehr intereßanten Aufsatz im zweyten oder dritten Stück der Thalia dieses Jahres von W.[ilhelm] Humbold. ‚Wie weit darf sich die Sorge des Staats für das Wohl der Bürger erstrecken?ʻ Er ver[3]spricht einen sehr guten Schriftsteller. – Ich habe hier den Bruder von Foelkersohm gesehen; der ist ein Thaps. – Was den andern betrifft, so gestehe ich sehr gern, daß ich ihn nur oberflächlich kenne, und daß er bewundernswürdige Kühnheit und Verstand für seine Zwecke hat. Aber eben die rechten Zwecke machen den Werth des Menschen, und ächter Verstand, und ächter Muth können nur mit diesen verbunden seyn. Die erwähnten Briefe von ihm wirst Du mir wohl nicht mittheilen dürfen, sonst wünschte ich es sehr: dabey fällt mir meine alte Bitte wieder ein; besonders da Du mir nicht schreibst, könntest Du mir wohl ein Pacquet von B.ʼs [Caroline Böhmers] Briefen nach Dreßden schicken. –
Vielleicht ist es für die Dauer Deiner Verbindung gut, daß sie mit Gefahr und Einschränkung verbunden ist. Doch kann ich Dir nicht sagen, wie sehr mich solche einzelne ängstliche Aeußerungen, ohne völlige Mittheilung, beunruhigen, und laß es Dein erstes seyn, wenn Du [4] wieder Zeit hast, mich von Deiner Lage ganz zu unterrichten. Wo möglich schicke mir auch etwas von ihr; ich gestehe Dir, daß mir die kleinen Stellen aus Ihren Briefen, die Du vorigen Sommer schicktest, ich will nicht sagen beßer gefallen haben, doch eben so intereßant gewesen sind, als irgend was von der B. [Caroline Böhmer] – Es ist <wahre> Weiblichkeit darin. – Du schreibst von einer zu fürchtenden Trennung; ‚alle unsre Lebensfreude wäre dahinʻ. – Ich muß Dich darüber bey Dir selbst anklagen, als Dein Freund – und als Dein Genius. – Bin ich Dir denn gar nichts? – Und es ist Deine Pflicht, die reinste Freudenquelle in Deinem Innern, nicht versiegen zu lassen. Laß doch ja nicht die Gottheit aus Deiner Brust aus Trägheit allmählig entweichen. Vielleicht habe ich Unrecht, aber nur die Möglichkeit macht mich zittern; Schicksale und Geschäftigkeit sind keine Einwendungen, denn unser wahrstes Daseyn ist davon nicht unabhängig, und braucht gar keine Zeit. –
[5] Hast Du schon darauf gedacht, welche Lebensart Du zu ergreifen gedenkst, nach beendigten Hofmeisterjahren? – Unabhängigkeit wäre Dir das beste – es ist ja wohl möglich, daß ich dann schon dazu beytragen kann, sie Dir zu erhalten; und von der ungeheuren Schuld etwas abzutragen. Ferner ist Hoffnung, auf Reisen zu gehen, und einmal Deutschland zu besuchen?
Das Geld war mir sehr willkommen; ich hoffe, daß es Dir nicht unangenehm, was ich Dir letzthin wegen des Buchhändlers schrieb. Ich muß bitten diese Ostern, und noch fürs erste zu thun was Du kannst. Ich werde auf ein zweyhundert zum allerwenigsten dieß Ostern bey meiner Zurückkunft Rath schaffen müssen; wovon ich doch kaum hundert von meinen Eltern bekomme, die jedoch sehr viel thun. Aber ich sitze viel tiefer drinne als ich selbst geglaubt. Und heraus muß ich, ich mag nun hier bleiben, oder wollte ich L[eipzig] plötzlich verlassen, so [6] könnte die Kleinigkeit mich ganz unglücklich machen. Bey der ganzen Lage meiner Angelegenheiten hier, ist doch sehr möglich, daß ich L[eipzig] einmal plötzlich verlassen könnte – und ich bitte deshalb ein aufmerksames Auge zu haben, auf alle Gelegenheit wo ich ein vortheilhaftes Engagement treffen könnte, durch Dich oder Deine Freunde, sey es auch ein andres als eine Hofmeisterstelle. Laß dieß ja nicht außer Acht, ich werde ordentlich darüber schreiben.
F. Schlegel.
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