Wohl mein verehrter Freund, hörten wir sehr sehr lange nicht von einander: so sagt die Freundin, der Verlegerin vortretend; und beinahe hätten Sie von mir auch weiter nichts mehr vernommen, als ein dumpfes cy gît: den[n] der ernst stille Genius streifte hart an mich vorbei, und wollte die Fackel aus dem Lager auslöschen, auf welchem ich 6 Wochen lang an einem NervenFieber lag. Doch, das sind odiosa und weg damit!
Auch verschone ich Sie mit der langen Litaney unsrer Noth und Klagen; mit meinem eignen [ . ? .] usw. Sie können sich das alles nicht groß und schwer genug denken; die aimables versezzen uns in eine höchst trübe Stimmung, die ich gern wegscherze so gut es gehen will.
Der arme Shakespear! muß also wieder ruhen und nachstehen. (Sie hören ich werfe mich in meiner Berufsmiene, und nun erscheint die Verlegerin) doch erst a propos von Shakespear. In der Berliner Zeitung N 70 steth unter den Theater Artikel folgendes.
Berichtigung
In Schlegels Hamlet fehlt ein Vers, der um so nothwendiger ißt, da er kurz nachher zu Hamlets Fragen Anlaß gibt. Horatio erzählt dem Prinzen, er habe den Geist seines Vaters gesehen,
. . . Ein Schatte, wie euer Vater,
Erscheinet, geth mit ernstem Tritt
Langsam vorbei und stattlich usw.
[2] Nach dem Worte Tritt, steht im Original der Vers
Armed at all points exactly cap a pé
Geharnischt von dem Wirbel bis zur Zeh.
Der Vers sollte um so weniger fehlen, da eben er es ist den Hamlet aufgreift, weil er gern noch zweifeln möchte. Geharnischt sagt ihr? Vom Wirbel bis zur Zeh? so sath ihr sein Gesicht nicht! usw.
Und jezt die Verlegerin! zum Schriftsteller! Shakespear muß wieder zurückstehen? sagte ich. Ach Herr wie so lange! Wie wird dem Herzen bange! Theurer Freund, Sie machen mich, mir selber untreu; denn fest sagte ich es mir zu, bei der so ganz traurigen Stellung, oder Lage des Buchhandels, nichts Neues, sondern nur Fortsezzungen, und zwar auch von diesen nur, die berühmter Männer Arbeit zu verlegen. Nun aber sind Ihre Vorlesungen funkel nagel neu! und ich hätte sie doch so seelengern: und würde recht Weibermäßig auf jeden Verleger eifersüchtig sein, der sie hätte: helfen Sie selbst mich hier heraus; Ich denke mir überhaupt daß Sie in so bequemer Lage sind, daß Ihnen mehr am Ruhm als am oeconomischen Betriebe liege; und daß Sie es mit dem Honorar nicht so gar arg mit einer Wittwe machen würden: wenn Sie überdem annehmen, daß diese Vorlesungen schon reichlich Zinsen getragen haben, und ich dagegen von den langen Vorschuß keine bekomme: so werden Sie vieleicht die Summe mildern, die allerdings kein Equivalent für Genie und Talent ist, für mich, die bei weitem so reich nicht ist, als die Welt [3] es gern glaubt, immer bedeutend genug bleibt. Ihren Entschluß erwarte ich eben sobald, und zwar mit umgehender Post. – Meinen Entschluß nichts neues zu übernehmen, bleibe ich in Ansehung der Gedichte treu; ich habe schon Nataliens Gedichte (Frau von Ahlefeld) übernommen; und mag diese mit keine andre in Collision setzen. Heißt jene Freundin, die Dichterin nicht Theurer, tentirt mich: aber ich darf, ich kann nicht. Bei uns ist Schmaalhanz Küchmeister und pauvreté Hofmarschall. –
Im Fall Sie mein werther Schlegel, mir ihre Vorlesungen zudächten, könnten Sie mir (ausser dem Buchhandel) eine gute Addresse für Wien geben? ich kenne dort nur Collin, und den Grafen Carl Harrach, von dem ich nicht weiß ob er jezt in Wien lebt? und Collin den stillen leisen Mann, mag ich nicht mit dergleichen zu Halse gehen. Ich denke an eine Su[b]scribtion keine Pränumeration: dazu wäre der Termin bis Michaelis wohl zu kurz. Fried.[rich] v. Gentz kenne ich wohl; aber den Bock, bestellt man nicht zur GartenWache.
Jezt darf die Freundin wieder reden, nicht wahr? – Ich hatte mir ein ganz hübsches Plänchen darauf gebaut, daß Sie nach der Sage der Zeitungen, in Weimar eine Zeit lang leben würden; da wollte ich den[n] ja was wollte ich an Geist und Gemüth Kranke nicht alles – ich wollte entre autre Ihnen meine Pauline schicken, und diese sollte mich bei Frau v. Staël einführen; den[n] sie kann sich gar artig nehmen, und ist meine besterzogendste Tochter. aber, da fliegen Sie nun durch Deutschland zu Ihrem [4] reizenden Copet hin, und ich schiebe es auf, bis Sie Ihre Bibliothek erhalten. a propos dieser Bibliothek! Ich muß Sie arg geizig schelten, daß Sie die den Vorzug haben, in der Nähe des Originals zu leben, mir die Copie entziehen wollen? wie viel Genuß gewährt mir Einsamen, dieser sprechende Geist, aus der interressanten Bildung! mit wie viele der Fremden, sprach ich hierüber, alle drückten gleiche Begeisterung aus. Besonders ein junger Savoyarde aus Turin Mr. de Morand, ein interressanter Jüngling, der mit Sohnes Liebe an mir hing. Sehr sehr ungern trenne ich mich von diesem schönen Bilde: daß mir die Geistreichste meines Geschlechts vergegenwärtigt.
Viel sprach ich über Sie mit Clausewitz den Adjudanten des Prinzen August: er verehrt Sie enthusiastisch. Wie wohl ward mir jemand zu sprechen, der Sie gesehen hatte!
In meiner Krankheit schwebte mir immer eine dunkle Sehnsucht nach etwas Fernem, Unbekanndten, vor, daß ich in meiner Schwachheit nicht zu entwickeln vermochte. Da erschien, ein Cocarden Träger, ein Berner Mann, der erzählte mir viel, von seinem Lande den schönen grünen Savoyischen Gebirgen: der schönen hohen Weyde usw. Weg war der Schleyer, und das schöne Bild stand lebendig vor mir: und ich erkandte, das Ferne das Unbekandte das Fremde. Komm ich je so weit, meine Last abzustreifen und mich aus dem Sande hervorzuwühlen, so fliehe ich dahin, was immerdar meiner Sehnsucht begegnet; nach Copet. Würde ich Aufnahme finden? ich brächte freilich nur ein Herz mit; aber an Geist ist ja ohnehin dort schon üppige Fülle; aus der ich schöpfen würde, wie die Existencen aus dem lebendigen Quel. – Leben Sie wohl und bleiben treuer mein Freund, als Viele andre, die gleich jedem leichten Wölkchen mit dem Sonnenschein meines Lebens verschwanden. Ich bin für immer mit hoher Achtung und Freundschaft die Ihrige
Unger