• Ludwig Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Ziebingen · Place of Destination: Unknown · Date: 13.06.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Ludwig Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Ziebingen
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 13.06.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 555‒556.
  • Weitere Drucke: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 164‒166.
  • Incipit: „[1] Ziebingen, den 13t Juni 1808.
    Mein geliebter Freund; nachdem wir uns seit vielen Jahren nur aus der Ferne haben berühren können, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,87
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23 x 19 cm
    Language
  • German
[1] Ziebingen, den 13t Juni 1808.
Mein geliebter Freund; nachdem wir uns seit vielen Jahren nur aus der Ferne haben berühren können, nähre ich nun die Hofnung, dich wieder einmal in meine Arme zu schliessen. Wie vieles ist seitdem verändert, in und um uns, Länder und Krankheiten haben uns getrennt, niemals aber ein Mißverständniß, oder feindliche Gesinnung, denn ich mag dir nicht sagen, mit welcher Liebe ich dir immer und deinem theuren Bruder bin zugethan gewesen. Ich vermuthe, du gehst von Dresden nach Weimar. Ist es dir dann nicht möglich, wenigstens bis noch den ersten Juli zu bleiben? Dann bin ich gewiß in Dresden. Oder bist du schon fort? Auch die Fr.[au] v. Staël kennen zu lernen, würde mir eine grosse Freude sein. Nach ihrer Corinna habe ich einen hohen Begriff von ihrem Genie bekommen; sage ihr das, wenn es sie interessirt, dieses von mir zu hören. Mich freut es, daß Friedrich uns dies interessante Buch so treflich übersezt hat. – Du hast meine Schwester nun wiedergesehn. Ich habe Briefe von ihr, indessen ist mir aus allen nicht deutlich, was sie eigentlich hat bewegen können, sich wieder in Deutschland aufzuhalten. Ich bin ihrentwegen in beständigen Sorgen, und ich werde, so viel ich nur kann, eilen, sie in Wien aufzusuchen. Ich hoffe wenigstens, daß sie dort gesichert ist. – Sollte es nicht einen guten Einfluß haben, wenn du einmal mit Fichte mündlich oder schriftlich umständlich sprechen könntest, der sich mit dem niederträchtigen Bernhardi familiarisirt hat, und uns allen dadurch vielen Schaden thut. Willst du nicht jezt, da du näher bist, [2] auch etwas für deine Bücher thun? Für meine Schuldigkeit halte ich es, dich für die Annäherung einiger miserablen und in der That niederträchtigen Menschen zu warnen, ich meine die Genellis und Schierstädt, niemals haben wir uns so mißverstanden, als wir diese elenden Geburten jemals zu unsern Freunden rechnen konnten: wenn du gegen meine Schwester noch so wie ehemals gesinnt bist, wenn du noch so wie sonst, mein Freund bist, so darf ich sagen, daß du es uns schuldig bist, diesen Kläglichen niemals wieder nahe zu kommen. Mit dem begierigsten Ohr haben sie die Lügen und Niederträchtigkeiten des Bernhardi aufgenommen, und verbreitet, es war diesen ein Fest, Menschen, von denen sie imponirt wurden, denen sie sich aufdrängten, in ihren Gedanken mit Füssen zu treten. Daß sie mich selbst persönlich beleidigt haben, will ich gar nicht einmal in Betrachtung ziehn. Ich lebe mit ihnen, weil ich in meiner hiesigen Umgebung muß, so, wie man Kröten in seinem Garten dulden muß. Dir schreibe ich dies nur, weil sie, nachdem sie oft in jämmerlichsten Witzeleien über dich sich erschöpft haben, da HE. Genelli (Architekt) hörend, du seist wieder in Deutschland, sich vorgenommen hat, großmüthiger weise an dich zu schreiben, um dich zu unterlassenen Arbeiten aufzumuntern; denn er ist verächtlich genug, sich aus Eitelkeit wieder an dich zu drängen, und mit deiner Freundschaft zu prahlen. Nimm also von diesen keine Notiz, oder fertige sie ab, wie sie es verdienen. Ich hoffe, du kennst mich in so weit, daß du weißt, wie wenig es meine Art ist, Menschen an einander zu hetzen: dies, was ich gesagt habe, ist nur die strengste [3] Wahrheit. Wir haben uns mißverstanden und erniedrigt, mit diesem Pöbel jemals auf irgend eine Weise gemeine Sache zu machen. – Schütz hat sich ebenfalls auf die dummköpfigste Weise von dem Schurken Bernhardi hintergehn lassen, und ich habe ihm darüber tüchtig die Meinung gesagt. Doch ist er eine gute Haut; recht im buchstäblichsten Sinne; denn von Fleisch, Gebein und Sehnen ist bei ihm nicht mehr (moralisch gemeint) die Rede; so haben ihn die Formeln der Fichteschen Philosophie ausgehöhlt, und zum Dummkopf gemacht. – Wie gern möchte ich dich sehn und sprechen. Ich fürchte, eine Aeusserung von mir, ist dir durch die Unger ganz schief überliefert. Ich wollte dir selber darüber schreiben. Es war nur, ob du etwas dagegen hättest, wenn ich ein oder das andre Stück Shakspears zu übersetzen versuchte, und es dir gäbe. Wir sprachen schon in Jena darüber, und du schlugst mir selbst Loveʼs labours l.[ost] vor: dies habe ich zum Theil übersezt, und möchte in deiner Gesellschaft als Freund noch mehr thun. – Antworte mir doch auf diesen meinen statlichen Brief, und bist du nicht mehr in Dresden, nach Dresden hin, an deinen Bruder. – Ich umarme dich. Sage Göthe meine Empfehlung, und sei überzeugt, daß ich ewig bleibe
Dein zärtlichster Freund
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L. Tieck
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[1] Ziebingen, den 13t Juni 1808.
Mein geliebter Freund; nachdem wir uns seit vielen Jahren nur aus der Ferne haben berühren können, nähre ich nun die Hofnung, dich wieder einmal in meine Arme zu schliessen. Wie vieles ist seitdem verändert, in und um uns, Länder und Krankheiten haben uns getrennt, niemals aber ein Mißverständniß, oder feindliche Gesinnung, denn ich mag dir nicht sagen, mit welcher Liebe ich dir immer und deinem theuren Bruder bin zugethan gewesen. Ich vermuthe, du gehst von Dresden nach Weimar. Ist es dir dann nicht möglich, wenigstens bis noch den ersten Juli zu bleiben? Dann bin ich gewiß in Dresden. Oder bist du schon fort? Auch die Fr.[au] v. Staël kennen zu lernen, würde mir eine grosse Freude sein. Nach ihrer Corinna habe ich einen hohen Begriff von ihrem Genie bekommen; sage ihr das, wenn es sie interessirt, dieses von mir zu hören. Mich freut es, daß Friedrich uns dies interessante Buch so treflich übersezt hat. – Du hast meine Schwester nun wiedergesehn. Ich habe Briefe von ihr, indessen ist mir aus allen nicht deutlich, was sie eigentlich hat bewegen können, sich wieder in Deutschland aufzuhalten. Ich bin ihrentwegen in beständigen Sorgen, und ich werde, so viel ich nur kann, eilen, sie in Wien aufzusuchen. Ich hoffe wenigstens, daß sie dort gesichert ist. – Sollte es nicht einen guten Einfluß haben, wenn du einmal mit Fichte mündlich oder schriftlich umständlich sprechen könntest, der sich mit dem niederträchtigen Bernhardi familiarisirt hat, und uns allen dadurch vielen Schaden thut. Willst du nicht jezt, da du näher bist, [2] auch etwas für deine Bücher thun? Für meine Schuldigkeit halte ich es, dich für die Annäherung einiger miserablen und in der That niederträchtigen Menschen zu warnen, ich meine die Genellis und Schierstädt, niemals haben wir uns so mißverstanden, als wir diese elenden Geburten jemals zu unsern Freunden rechnen konnten: wenn du gegen meine Schwester noch so wie ehemals gesinnt bist, wenn du noch so wie sonst, mein Freund bist, so darf ich sagen, daß du es uns schuldig bist, diesen Kläglichen niemals wieder nahe zu kommen. Mit dem begierigsten Ohr haben sie die Lügen und Niederträchtigkeiten des Bernhardi aufgenommen, und verbreitet, es war diesen ein Fest, Menschen, von denen sie imponirt wurden, denen sie sich aufdrängten, in ihren Gedanken mit Füssen zu treten. Daß sie mich selbst persönlich beleidigt haben, will ich gar nicht einmal in Betrachtung ziehn. Ich lebe mit ihnen, weil ich in meiner hiesigen Umgebung muß, so, wie man Kröten in seinem Garten dulden muß. Dir schreibe ich dies nur, weil sie, nachdem sie oft in jämmerlichsten Witzeleien über dich sich erschöpft haben, da HE. Genelli (Architekt) hörend, du seist wieder in Deutschland, sich vorgenommen hat, großmüthiger weise an dich zu schreiben, um dich zu unterlassenen Arbeiten aufzumuntern; denn er ist verächtlich genug, sich aus Eitelkeit wieder an dich zu drängen, und mit deiner Freundschaft zu prahlen. Nimm also von diesen keine Notiz, oder fertige sie ab, wie sie es verdienen. Ich hoffe, du kennst mich in so weit, daß du weißt, wie wenig es meine Art ist, Menschen an einander zu hetzen: dies, was ich gesagt habe, ist nur die strengste [3] Wahrheit. Wir haben uns mißverstanden und erniedrigt, mit diesem Pöbel jemals auf irgend eine Weise gemeine Sache zu machen. – Schütz hat sich ebenfalls auf die dummköpfigste Weise von dem Schurken Bernhardi hintergehn lassen, und ich habe ihm darüber tüchtig die Meinung gesagt. Doch ist er eine gute Haut; recht im buchstäblichsten Sinne; denn von Fleisch, Gebein und Sehnen ist bei ihm nicht mehr (moralisch gemeint) die Rede; so haben ihn die Formeln der Fichteschen Philosophie ausgehöhlt, und zum Dummkopf gemacht. – Wie gern möchte ich dich sehn und sprechen. Ich fürchte, eine Aeusserung von mir, ist dir durch die Unger ganz schief überliefert. Ich wollte dir selber darüber schreiben. Es war nur, ob du etwas dagegen hättest, wenn ich ein oder das andre Stück Shakspears zu übersetzen versuchte, und es dir gäbe. Wir sprachen schon in Jena darüber, und du schlugst mir selbst Loveʼs labours l.[ost] vor: dies habe ich zum Theil übersezt, und möchte in deiner Gesellschaft als Freund noch mehr thun. – Antworte mir doch auf diesen meinen statlichen Brief, und bist du nicht mehr in Dresden, nach Dresden hin, an deinen Bruder. – Ich umarme dich. Sage Göthe meine Empfehlung, und sei überzeugt, daß ich ewig bleibe
Dein zärtlichster Freund
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L. Tieck
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