• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: [ca. 20. August 1808]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [ca. 20. August 1808]
  • Notations: Datum sowie Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 594‒595.
  • Incipit: „[1] [Bern ca. 20. August 1808]
    Ich sollte böse sein daß Sie mein unfreundlicher Freund, mir die Freude gestört haben, die mir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,7
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U. Henriette
  • Format: 18,4 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] [Bern ca. 20. August 1808]
Ich sollte böse sein daß Sie mein unfreundlicher Freund, mir die Freude gestört haben, die mir alle öffentlichen Blätter verhießen, Sie nehmlich bei Gelegenheit der Hirten Comödie hier zu sehn, und noch böser, daß Sie mir nicht einmahl aus Ihrer Einsamkeit ein Wörtchen zu meiner Entschädigung sagen, die Einsamkeit ist Ihnen aber zu lieb, um sie zu solchem zu verwenden, und früh oder spät habe ich ja doch meinen Theil an dem was Sie jezt treiben, so will ich denn mit meinen Ansprüchen mich nur ruhig verhalten. – Ich habe das Vergnügen gehabt Frau v. Staël allein und auf längere Zeit zu sehen, freilich war es mir nicht erfreulich sie über Ihren Bruder bitter klagen zu hören! Was soll man dazu sagen? Die Frau v. Stael muß sich entweder entschließen, Friedrich mit der größten Nachsicht für alle seine Menschlichkeiten, und sich selbst ganz vergessend, bloß seines [2] eigenthümlichen Werths willen, zu lieben, oder sie wird auch zu der großen Anzahl derer gehören, denen er jeden Augenblick ein Aergerniß ist, anders wird es nun nicht, und doch ist es nicht recht. Die Menschen wollen nicht so behandelt sein auch die besten nicht, und Ihr Bruder kann weniger als irgend einer ohne Menschen leben. ich habe Frau v. Staël gebeten ihm offen ihren Verdruß zu schreiben, was ich ihm sagen könnte machte ihn nur ärgerlich und besserte nichts. – Meine Schwester hat mir geschrieben, sie ist Dank sei es Ihrer Güte nach Dresden abgereist, sie trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß sie Ihnen dreimahl geschrieben, nach Hannover, nach Dresden und nach Frankfurt, und auf keinen ihrer Briefe Antwort erhalten, sie würde Ihnen von Dresden wieder schreiben. Sie ist voll Muth und Hoffnungen für Ihren Bruder, und vertraut ihm und der Vorsehung, möge er dieser weniger als sich selbst vertrauen, so wird alles gut gehn!
[3] Ich sende Ihnen Stettlers Chronik; die Sie verlangten hatte dünkt mich nicht ganz denselben Namen, doch ist es die einzige die ich hier auffinden konnte, und ich will hoffen, daß Sie Sich im Namen geirrt, er klang denke ich ungefähr so. Mein Gott was wollen Sie denn mit den alten Schweizer Geschichten? sich wundern etwa wie aus so wackern, treuherzigen und kraftvollen Männern, so langweilige, pedantische und charakterlose Herren geworden sind? Nun ich denke ihre Feste werden es nicht bessern, doch hätte ich gewünscht und hoffte, Sie würden dem Tell zu Lieb und Ehren kommen und sich vernehmen laßen.
Klinger war hier, und freute sich Sie bei Unspunnen wieder zu sehn, er wird nun wieder kommen und sich wundern die Frau v. Staël allein dort gefunden zu haben.
Hoffentlich komme ich im nächsten Monat, doch aber nur auf wenige Tage nach Genf, denn mein Weg geht nach Nizza, vielleicht auch [4] nach Mailand. Hier habe ich, wenn ich mich bedenk und faße, unendliche Langeweile! es ist doch traurig in der Schweiz zu sein, und die Zeit in dem steinernen Bern zubringen zu müßen! So will das Schicksal, (nehmen Sie nicht übel, daß ich nicht die Vorsehung sage) mich immer mit der Schale jedes LebensGlücks abfinden!
Ich grüße Sie herzlich, wie ich Sie liebe wissen Sie.
Henriette
[1] [Bern ca. 20. August 1808]
Ich sollte böse sein daß Sie mein unfreundlicher Freund, mir die Freude gestört haben, die mir alle öffentlichen Blätter verhießen, Sie nehmlich bei Gelegenheit der Hirten Comödie hier zu sehn, und noch böser, daß Sie mir nicht einmahl aus Ihrer Einsamkeit ein Wörtchen zu meiner Entschädigung sagen, die Einsamkeit ist Ihnen aber zu lieb, um sie zu solchem zu verwenden, und früh oder spät habe ich ja doch meinen Theil an dem was Sie jezt treiben, so will ich denn mit meinen Ansprüchen mich nur ruhig verhalten. – Ich habe das Vergnügen gehabt Frau v. Staël allein und auf längere Zeit zu sehen, freilich war es mir nicht erfreulich sie über Ihren Bruder bitter klagen zu hören! Was soll man dazu sagen? Die Frau v. Stael muß sich entweder entschließen, Friedrich mit der größten Nachsicht für alle seine Menschlichkeiten, und sich selbst ganz vergessend, bloß seines [2] eigenthümlichen Werths willen, zu lieben, oder sie wird auch zu der großen Anzahl derer gehören, denen er jeden Augenblick ein Aergerniß ist, anders wird es nun nicht, und doch ist es nicht recht. Die Menschen wollen nicht so behandelt sein auch die besten nicht, und Ihr Bruder kann weniger als irgend einer ohne Menschen leben. ich habe Frau v. Staël gebeten ihm offen ihren Verdruß zu schreiben, was ich ihm sagen könnte machte ihn nur ärgerlich und besserte nichts. – Meine Schwester hat mir geschrieben, sie ist Dank sei es Ihrer Güte nach Dresden abgereist, sie trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß sie Ihnen dreimahl geschrieben, nach Hannover, nach Dresden und nach Frankfurt, und auf keinen ihrer Briefe Antwort erhalten, sie würde Ihnen von Dresden wieder schreiben. Sie ist voll Muth und Hoffnungen für Ihren Bruder, und vertraut ihm und der Vorsehung, möge er dieser weniger als sich selbst vertrauen, so wird alles gut gehn!
[3] Ich sende Ihnen Stettlers Chronik; die Sie verlangten hatte dünkt mich nicht ganz denselben Namen, doch ist es die einzige die ich hier auffinden konnte, und ich will hoffen, daß Sie Sich im Namen geirrt, er klang denke ich ungefähr so. Mein Gott was wollen Sie denn mit den alten Schweizer Geschichten? sich wundern etwa wie aus so wackern, treuherzigen und kraftvollen Männern, so langweilige, pedantische und charakterlose Herren geworden sind? Nun ich denke ihre Feste werden es nicht bessern, doch hätte ich gewünscht und hoffte, Sie würden dem Tell zu Lieb und Ehren kommen und sich vernehmen laßen.
Klinger war hier, und freute sich Sie bei Unspunnen wieder zu sehn, er wird nun wieder kommen und sich wundern die Frau v. Staël allein dort gefunden zu haben.
Hoffentlich komme ich im nächsten Monat, doch aber nur auf wenige Tage nach Genf, denn mein Weg geht nach Nizza, vielleicht auch [4] nach Mailand. Hier habe ich, wenn ich mich bedenk und faße, unendliche Langeweile! es ist doch traurig in der Schweiz zu sein, und die Zeit in dem steinernen Bern zubringen zu müßen! So will das Schicksal, (nehmen Sie nicht übel, daß ich nicht die Vorsehung sage) mich immer mit der Schale jedes LebensGlücks abfinden!
Ich grüße Sie herzlich, wie ich Sie liebe wissen Sie.
Henriette
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