• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 29.08.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 29.08.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 608‒609.
  • Incipit: „[1] Bern d. 29ten August [180]8
    Was Sie meine Eleganz nennen lieber Freund, ist diesmahl wohl sehr unschuldig an dem Mißverständniß wegen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,8
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. Paraphe
  • Format: 18,3 x 12,6 cm
    Language
  • German
[1] Bern d. 29ten August [180]8
Was Sie meine Eleganz nennen lieber Freund, ist diesmahl wohl sehr unschuldig an dem Mißverständniß wegen der Chronicken, denn nichts ist wohl eleganter und modischer, als sich sehr lebhaft für die Bemühungen berühmter und ausgezeichneter Männer zu interessiren, und wo möglich nicht ganz unwissend zu erscheinen! ich hatte aber den Namen nur flüchtig lesen können. – Jezt habe ich nun wegen der Strattlinger Chronik erfahren, daß sie blos im Manuscript und in der Bibliothek des Schultheiß v. Müllinen den Sie mir eben nannten, existirt. ich hätte sie mir durch einen meiner hiesigen Freunde zum eignen Gebrauch doch aber nicht zum Versenden schaffen können, Ihnen wird sie aber der Herr v Müllinen gewiß nicht versagen. – Man versichert mich daß es kein zweites Exemplar von dieser merkwürdigen Chronik hier gäbe. Ich danke Ihnen sehr, daß Sie mich mit Ihren [2] jezigen Planen und Beschäftigungen, bekannt gemacht, ich nehme aus mehreren Gründen recht warmen Antheil daran. – Sie sind eigentlich von jeher ein wenig unbillig gegen Ihre großen Verdienste als nicht Uebersetzer sondern wirklicher Verdeutscher der herrlichen Meisterwerke gewesen, wenn aber Ihr Unmuth diese Wendung nimmt, so mögen wir es wohl leiden. – ich werde die Geschichte die Sie mir empfehlen mit allem Eifer lesen. –
Nun zu Ihren Vorwürfen, die ich vielleicht ernster genommen, als Sie sie meinten, denn Frau v. S.[taël] hat Ihnen nichts sagen können, das Ihnen Anlaß dazu gegeben, mich aber kränkt es mehr als ich sagen kann, daß ich bei meiner oft bitter getadelten Zurükhaltung, und meinem ich darf wohl sagen arglosen Sinn, noch oft Mißdeutungen ausgesezt bin. – ich habe Ihren Bruder gegen die sehr heftigen Beschuldigungen der Undankbarkeit in Schuz genommen, ich konnte es, da ich bestimmt wußte daß er den jungen Menschen wirklich liebte, er hatte es mir selbst oft gesagt, [3] seine Vernachläßigung rechtfertigen konnte ich nicht, es thut mir übrigens empfindlich weh, lebhafte und unzarte Vorwürfe aus diesem Munde zu hören, zu deren Vertheidigung ich dann den Ton noch höher hätte stimmen müßen. Dazu hatte ich weder Recht noch Verstand. – Uebrigens glaubte ich gutmüthig genug mit Frau v. S[taël] eben wie mit Ihnen oder mit meiner Schwester über Friedrich reden zu können, ich hielt sie für seine Freundinn nicht bloß Beschüzerinn, aber freilich sah ich es bald, daß eine solche Frau mit ihren gerechten, gestatteten Ansprüchen an Bewunderung, nicht auch duldsam und einfach sein kann. – Das war es dünkt mich was ich Ihnen schon in meinem lezten Briefe schrieb. Möchte doch Ihr Bruder bald durch seinen eignen Werth und die Bestrebungen seiner Freunde, zur Ruhe gelangen und seine Verpflichtungen gegen die Welt erfüllen!
Klinger hat mir nie von seinem Verhältniß gegen Ihren Bruder gesprochen, ich weis also nichts darüber, doch hat er sicher keinem etwas [4] hierüber vertraut. Mir scheint als habe Frau v. Wollzogen, viel nachtheiliges gesagt, in Paris erfuhr ich wenigstens, daß sie heftig gegen ihn eifre. – Lassen Sie Sich dies nicht kümmern, wir Frauen werden ihm wenn er nur will nicht schaden, aber – doch dies ist ein Kapitel worüber wir einmahl sprechen werden. – Die Nachrichten die seit einigen Tagen von der Familie des Calderone hier sind, lauten merkwürdig, sie haben sie wohl auch erfahren. Wenn alles wahr ist was man von den entgegengesezten Enden Europens hier sagt, so möchten wir wohl bald den 5ten Akt der großen Tragödie erleben.
Empfehlen Sie mich ich bitte der Frau v. Staël und Ihrer liebenswürdigen Schülerin der kleinen Albertine meinen besten Gruß.
Ihre ergebenste
H.[enriette] M[endelssohn]
[1] Bern d. 29ten August [180]8
Was Sie meine Eleganz nennen lieber Freund, ist diesmahl wohl sehr unschuldig an dem Mißverständniß wegen der Chronicken, denn nichts ist wohl eleganter und modischer, als sich sehr lebhaft für die Bemühungen berühmter und ausgezeichneter Männer zu interessiren, und wo möglich nicht ganz unwissend zu erscheinen! ich hatte aber den Namen nur flüchtig lesen können. – Jezt habe ich nun wegen der Strattlinger Chronik erfahren, daß sie blos im Manuscript und in der Bibliothek des Schultheiß v. Müllinen den Sie mir eben nannten, existirt. ich hätte sie mir durch einen meiner hiesigen Freunde zum eignen Gebrauch doch aber nicht zum Versenden schaffen können, Ihnen wird sie aber der Herr v Müllinen gewiß nicht versagen. – Man versichert mich daß es kein zweites Exemplar von dieser merkwürdigen Chronik hier gäbe. Ich danke Ihnen sehr, daß Sie mich mit Ihren [2] jezigen Planen und Beschäftigungen, bekannt gemacht, ich nehme aus mehreren Gründen recht warmen Antheil daran. – Sie sind eigentlich von jeher ein wenig unbillig gegen Ihre großen Verdienste als nicht Uebersetzer sondern wirklicher Verdeutscher der herrlichen Meisterwerke gewesen, wenn aber Ihr Unmuth diese Wendung nimmt, so mögen wir es wohl leiden. – ich werde die Geschichte die Sie mir empfehlen mit allem Eifer lesen. –
Nun zu Ihren Vorwürfen, die ich vielleicht ernster genommen, als Sie sie meinten, denn Frau v. S.[taël] hat Ihnen nichts sagen können, das Ihnen Anlaß dazu gegeben, mich aber kränkt es mehr als ich sagen kann, daß ich bei meiner oft bitter getadelten Zurükhaltung, und meinem ich darf wohl sagen arglosen Sinn, noch oft Mißdeutungen ausgesezt bin. – ich habe Ihren Bruder gegen die sehr heftigen Beschuldigungen der Undankbarkeit in Schuz genommen, ich konnte es, da ich bestimmt wußte daß er den jungen Menschen wirklich liebte, er hatte es mir selbst oft gesagt, [3] seine Vernachläßigung rechtfertigen konnte ich nicht, es thut mir übrigens empfindlich weh, lebhafte und unzarte Vorwürfe aus diesem Munde zu hören, zu deren Vertheidigung ich dann den Ton noch höher hätte stimmen müßen. Dazu hatte ich weder Recht noch Verstand. – Uebrigens glaubte ich gutmüthig genug mit Frau v. S[taël] eben wie mit Ihnen oder mit meiner Schwester über Friedrich reden zu können, ich hielt sie für seine Freundinn nicht bloß Beschüzerinn, aber freilich sah ich es bald, daß eine solche Frau mit ihren gerechten, gestatteten Ansprüchen an Bewunderung, nicht auch duldsam und einfach sein kann. – Das war es dünkt mich was ich Ihnen schon in meinem lezten Briefe schrieb. Möchte doch Ihr Bruder bald durch seinen eignen Werth und die Bestrebungen seiner Freunde, zur Ruhe gelangen und seine Verpflichtungen gegen die Welt erfüllen!
Klinger hat mir nie von seinem Verhältniß gegen Ihren Bruder gesprochen, ich weis also nichts darüber, doch hat er sicher keinem etwas [4] hierüber vertraut. Mir scheint als habe Frau v. Wollzogen, viel nachtheiliges gesagt, in Paris erfuhr ich wenigstens, daß sie heftig gegen ihn eifre. – Lassen Sie Sich dies nicht kümmern, wir Frauen werden ihm wenn er nur will nicht schaden, aber – doch dies ist ein Kapitel worüber wir einmahl sprechen werden. – Die Nachrichten die seit einigen Tagen von der Familie des Calderone hier sind, lauten merkwürdig, sie haben sie wohl auch erfahren. Wenn alles wahr ist was man von den entgegengesezten Enden Europens hier sagt, so möchten wir wohl bald den 5ten Akt der großen Tragödie erleben.
Empfehlen Sie mich ich bitte der Frau v. Staël und Ihrer liebenswürdigen Schülerin der kleinen Albertine meinen besten Gruß.
Ihre ergebenste
H.[enriette] M[endelssohn]
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