• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel , Caroline von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: [Mai 1799]
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel, Caroline von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [Mai 1799]
  • Notations: Datum sowie Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370515684
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 541‒543 u. S. 739 (Kommentar).
  • Incipit: „[Berlin, Mai 1799].
    Dorothea geht schon wieder in der Stube umher und macht mir den Kopf warm, weil sie das Zimmer [...]“
    Language
  • German
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[Berlin, Mai 1799].
Dorothea geht schon wieder in der Stube umher und macht mir den Kopf warm, weil sie das Zimmer rein machen will. Mit meinen Augen geht es so leidlich.
Ihr Steffens ist bey uns gewesen und gefällt mir sehr wohl. Er läßt Euch alle grüßen. Heute Abend soll er mit Tieck Thee hier trinken.
Mit Unger ist alles richtig. Ich ging hin, er war recht freundlich, sagte, wenn ich es gewiß wisse mit den 3 Ldrs, so müsse es dabey bleiben. Da ich nun von ihrer Zudringlichkeit nichts mehr zu befürchten, wird es mir leicht, ihn freundschaftlich zu erhalten. Das kleine für Fichte nimmt er auch. ‒ Freylich muß ich nun Wunder thun. ‒ Sie sehn, ich schreibe da etwas und streiche es immer wieder aus. Ich weiß nicht recht, ob es gut seyn wird, wenn Wilhelm gelegentlich etwas über mich an Unger schreibt. Haben sich keine Briefe gefunden, so wäre es wohl gut, wenn er, auf eine zarte freundschaftliche Weise versteht sich, sein Zeugniß ablegte. Außerdem könnte er etwa etwas für Entschuldigung meines Zögerns aus der Natur dieses Werks sagen; um so mehr da er selbst ein so eifriger Treiber ist: auch könnte er sich, wenn es auch nur wie im Scherz geschähe, erbieten, mich tüchtig zu treiben. Ob das lezte gut und schicklich, wenn sich Briefe gefunden haben, und das Zeugniß also nicht nöthig ist, überlasse ich ihm selbst zu beurtheilen.
Zu der Einlage bemerke ich nur noch, daß der erste Band der Lucinde fertig ist. Nun bin ich dabey mich Athenäisch und Fichtisch zu constituiren. ‒ Schlimm ist es, daß Fröhlich gern noch mehr Manuscript haben möchte, ehe er den Druck anfangen läßt. Ich werde ihn überreden und drängen, wie ich weiß und kann. Sollte es aber zum Ziele führen, so wage ichs drauf, den Brief über Shakespear ohne Wilhelms Censur in den Druck zu geben. ‒ An eine Collision gemeinschaftlicher oder einseitiger Verhältnisse ist ja hier ohnehin nicht zu denken, worauf sich doch unsre gegenseitige Censur, solange wir nicht beysammen leben, vorzüglich beschränkt. ‒ Das nächste, was ich dann noch fertig mache, ist etwa eine moralische Rede, die sich gewissermassen an die Constitution der Popularität in dem Brief über die φς [Philosophie] anschließen wird. Die erste ganz allgemein, bloß ein Aufgebot an alle gebildeten Menschen in Masse über ihre Menschheit und Bildung menschlich und gebildet reden zu hören. ‒ Nächstdem werde ich von der Familie, von der Religion, vom Umgang (et cetera) handeln.
Eine ganz kleine Portion Gedanken ‒ denn so möchte ich sie einmal lieber nennen als Fragmente ‒ aber exquisite, bedürfen nur der Abschrift.
Kürzlich habe ich in einer hiesigen Gesellschaft eine Vorlesung gehalten über den verschiedenen Styl in Goetheʼs frühern und spätern Werken. ‒ Ich dictirte das, während meine Augen schwach waren. Ich habe daran wenigstens einen Leitfaden, und wenn ich alle einzelnen guten Gedanken, die ich etwa in meinem Heft über Goethe niedergeschrieben, ausziehe und daran feile, wird es wohl so werden, wie es soll um das Ueber Meister auf eine indirecte Art fortzusetzen, wie ichs für besser halte als auf directe.
Was den Herder betrifft, so wünschte ich nur provisorisch Nachricht von Euch, wie es sey, ob. Ich dachte, er fiele Euch wohl eher in die Hände. Ich möchte nicht gern kaufen, wenn ich nicht vorher weiß, daß es sich der Mühe verlohnt.
Was den Wieland betrifft, so bin ich halb Ihrer Meynung. Der Einfall an sich ist köstlich, scheint mir auch nicht zu bitter. Aber alle die andern sind doch gar zu arme Sünder; auch trifft sichs wunderlich, daß sie uns alle angegriffen haben; er allein nicht. Das würden die Leute sehr schrecklich finden. Etwas anderes wäre es mit einer systematischen Vernichtung seiner sämtlichen Poesie oder Unpoesie. Diese ist so sehr an der Zeit wie möglich ‒ und da sollte das Alter und das Leben gar keine Rücksicht seyn. Im Gegentheil, läßt Wilhelm ihn sterben, so sagen die Menschen, bey Lebzeiten habe man nicht das Herz gehabt, und was dessen mehr ist. Also in Masse, in Masse! Aber bis dahin auch lieber diesen Einfall verspart, der mehr gegen das große kritische Geschäft im voraus einnehmen als es ankündigen würde. ‒ Als Fragment ging es weit eher, wo auch wohl über bessere als Wieland ein salziges Wort gesagt wird. Aber da ginge die Form der Ankündigung verloren, die es so pikant macht.
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[Berlin, Mai 1799].
Dorothea geht schon wieder in der Stube umher und macht mir den Kopf warm, weil sie das Zimmer rein machen will. Mit meinen Augen geht es so leidlich.
Ihr Steffens ist bey uns gewesen und gefällt mir sehr wohl. Er läßt Euch alle grüßen. Heute Abend soll er mit Tieck Thee hier trinken.
Mit Unger ist alles richtig. Ich ging hin, er war recht freundlich, sagte, wenn ich es gewiß wisse mit den 3 Ldrs, so müsse es dabey bleiben. Da ich nun von ihrer Zudringlichkeit nichts mehr zu befürchten, wird es mir leicht, ihn freundschaftlich zu erhalten. Das kleine für Fichte nimmt er auch. ‒ Freylich muß ich nun Wunder thun. ‒ Sie sehn, ich schreibe da etwas und streiche es immer wieder aus. Ich weiß nicht recht, ob es gut seyn wird, wenn Wilhelm gelegentlich etwas über mich an Unger schreibt. Haben sich keine Briefe gefunden, so wäre es wohl gut, wenn er, auf eine zarte freundschaftliche Weise versteht sich, sein Zeugniß ablegte. Außerdem könnte er etwa etwas für Entschuldigung meines Zögerns aus der Natur dieses Werks sagen; um so mehr da er selbst ein so eifriger Treiber ist: auch könnte er sich, wenn es auch nur wie im Scherz geschähe, erbieten, mich tüchtig zu treiben. Ob das lezte gut und schicklich, wenn sich Briefe gefunden haben, und das Zeugniß also nicht nöthig ist, überlasse ich ihm selbst zu beurtheilen.
Zu der Einlage bemerke ich nur noch, daß der erste Band der Lucinde fertig ist. Nun bin ich dabey mich Athenäisch und Fichtisch zu constituiren. ‒ Schlimm ist es, daß Fröhlich gern noch mehr Manuscript haben möchte, ehe er den Druck anfangen läßt. Ich werde ihn überreden und drängen, wie ich weiß und kann. Sollte es aber zum Ziele führen, so wage ichs drauf, den Brief über Shakespear ohne Wilhelms Censur in den Druck zu geben. ‒ An eine Collision gemeinschaftlicher oder einseitiger Verhältnisse ist ja hier ohnehin nicht zu denken, worauf sich doch unsre gegenseitige Censur, solange wir nicht beysammen leben, vorzüglich beschränkt. ‒ Das nächste, was ich dann noch fertig mache, ist etwa eine moralische Rede, die sich gewissermassen an die Constitution der Popularität in dem Brief über die φς [Philosophie] anschließen wird. Die erste ganz allgemein, bloß ein Aufgebot an alle gebildeten Menschen in Masse über ihre Menschheit und Bildung menschlich und gebildet reden zu hören. ‒ Nächstdem werde ich von der Familie, von der Religion, vom Umgang (et cetera) handeln.
Eine ganz kleine Portion Gedanken ‒ denn so möchte ich sie einmal lieber nennen als Fragmente ‒ aber exquisite, bedürfen nur der Abschrift.
Kürzlich habe ich in einer hiesigen Gesellschaft eine Vorlesung gehalten über den verschiedenen Styl in Goetheʼs frühern und spätern Werken. ‒ Ich dictirte das, während meine Augen schwach waren. Ich habe daran wenigstens einen Leitfaden, und wenn ich alle einzelnen guten Gedanken, die ich etwa in meinem Heft über Goethe niedergeschrieben, ausziehe und daran feile, wird es wohl so werden, wie es soll um das Ueber Meister auf eine indirecte Art fortzusetzen, wie ichs für besser halte als auf directe.
Was den Herder betrifft, so wünschte ich nur provisorisch Nachricht von Euch, wie es sey, ob. Ich dachte, er fiele Euch wohl eher in die Hände. Ich möchte nicht gern kaufen, wenn ich nicht vorher weiß, daß es sich der Mühe verlohnt.
Was den Wieland betrifft, so bin ich halb Ihrer Meynung. Der Einfall an sich ist köstlich, scheint mir auch nicht zu bitter. Aber alle die andern sind doch gar zu arme Sünder; auch trifft sichs wunderlich, daß sie uns alle angegriffen haben; er allein nicht. Das würden die Leute sehr schrecklich finden. Etwas anderes wäre es mit einer systematischen Vernichtung seiner sämtlichen Poesie oder Unpoesie. Diese ist so sehr an der Zeit wie möglich ‒ und da sollte das Alter und das Leben gar keine Rücksicht seyn. Im Gegentheil, läßt Wilhelm ihn sterben, so sagen die Menschen, bey Lebzeiten habe man nicht das Herz gehabt, und was dessen mehr ist. Also in Masse, in Masse! Aber bis dahin auch lieber diesen Einfall verspart, der mehr gegen das große kritische Geschäft im voraus einnehmen als es ankündigen würde. ‒ Als Fragment ging es weit eher, wo auch wohl über bessere als Wieland ein salziges Wort gesagt wird. Aber da ginge die Form der Ankündigung verloren, die es so pikant macht.
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