• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: [Anfang März 1799]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: [Anfang März 1799]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 241‒242.
  • Incipit: „Macte virtutis! – Das heißt Deine Kunstelegie vortrefflichster Freund, ist das antikste was ich noch in teutonischer Sprache gelesen habe. Es [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34237
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.c,Nr.128
  • Number of Pages: 2S., hs.
  • Format: 18,9 x 11,6 cm
    Language
  • German
  • Latin
Macte virtutis! – Das heißt Deine Kunstelegie vortrefflichster Freund, ist das antikste was ich noch in teutonischer Sprache gelesen habe. Es ist in der That ein gewaltiges Produkt und was mir nebenbey noch besonders daran gefällt ist eine gewisse Ebbe und Fluth in den Massen der Gedanken oder Bilder die mir sehr elegisch scheint. In das Ende konnte ich mich erst nicht recht finden, nun finde ichs aber sehr schön; überhaupt muß man sich tief hineinlesen. Was will Caroline? Wenn sie nur nicht anfängt, für die schöne Mitte die ihre alte Liebhaberey ist, bis zur Intoleranz zu schwärmen. Es ist auch gewiß nicht zu gelehrt, denn Doroth[ea] und Henriette haben sie schon beym dritten Lesen vollkommen verstanden, nachdem ich die versteinerten Fraun leise mit der Noten Oel benetzt. – Von Stellen ist mir die Lakonische Jungfrau die liebste. Ein göttlicher Gedanke. Nächstdem die Gorgogeharnischte Pallas des sterblichen Vaters. – Dem Tieck der meinen Enthusiasmus ganz theilt, gefällt die Stelle von Sophokles besonders. Er bewundert auch die Verse sehr; am meisten aber mit mir, daß Du so teufelmäßig antik bist. Ich stellte neulich die Elegie mit den italiänischen Sonnetten von Dir in einer gewissen Rücksicht zusammen: er that aber ganz verächtlich über mein Urtheil und meynte, die wären doch nur modern.
Der einzige Ring am Finger des geschicktesten Mannes kam mir beym letzten Lesen ein ganz klein wenig modern vor. Das Beil des Anakreon aber hat mich noch bey jedem Lesen mit betäubt.
Du erwirbst Dir so himmelhohe Verdienste um das Athen.[äum], daß mir bange wird, wie ich Dir einigermaßen nachkommen soll. Indessen soll es doch ernstlich versucht werden, sobald ich nur [den] ersten Band der Luc.[inde] vollends vom Halse habe. Es freut mich daß Du noch so viel Antheil an dieser hast nehmen mögen – da Du wie gesagt so teufelmäßig antik bist.
Ich bin sehr begierig was Du zu Hülsen sagen wirst. – Vom Athen.[äum] habe ich hier noch <nicht> viel Interessantes gehört. Hirt hat sich sehr gewundert, daß nichts gegen ihn darin ist. Einigen Frauen gefällt mein Brief, andre empören sich dagegen. – Durch die Sonnette und durch die Elegie hast Du Dich zum Gründer der Poesie in und durch Dich selbst coronirt. – Schl.[eiermacher] schreibt mir, wie er sich an den Gemählden delectire und wie ihn auch die Religion interessire die nicht darin sey. Solche Menschen die sich auf die Religion appliciren sind in diesem Stück immer etwas hochmüthig und intolerant.
Macte virtutis! – Das heißt Deine Kunstelegie vortrefflichster Freund, ist das antikste was ich noch in teutonischer Sprache gelesen habe. Es ist in der That ein gewaltiges Produkt und was mir nebenbey noch besonders daran gefällt ist eine gewisse Ebbe und Fluth in den Massen der Gedanken oder Bilder die mir sehr elegisch scheint. In das Ende konnte ich mich erst nicht recht finden, nun finde ichs aber sehr schön; überhaupt muß man sich tief hineinlesen. Was will Caroline? Wenn sie nur nicht anfängt, für die schöne Mitte die ihre alte Liebhaberey ist, bis zur Intoleranz zu schwärmen. Es ist auch gewiß nicht zu gelehrt, denn Doroth[ea] und Henriette haben sie schon beym dritten Lesen vollkommen verstanden, nachdem ich die versteinerten Fraun leise mit der Noten Oel benetzt. – Von Stellen ist mir die Lakonische Jungfrau die liebste. Ein göttlicher Gedanke. Nächstdem die Gorgogeharnischte Pallas des sterblichen Vaters. – Dem Tieck der meinen Enthusiasmus ganz theilt, gefällt die Stelle von Sophokles besonders. Er bewundert auch die Verse sehr; am meisten aber mit mir, daß Du so teufelmäßig antik bist. Ich stellte neulich die Elegie mit den italiänischen Sonnetten von Dir in einer gewissen Rücksicht zusammen: er that aber ganz verächtlich über mein Urtheil und meynte, die wären doch nur modern.
Der einzige Ring am Finger des geschicktesten Mannes kam mir beym letzten Lesen ein ganz klein wenig modern vor. Das Beil des Anakreon aber hat mich noch bey jedem Lesen mit betäubt.
Du erwirbst Dir so himmelhohe Verdienste um das Athen.[äum], daß mir bange wird, wie ich Dir einigermaßen nachkommen soll. Indessen soll es doch ernstlich versucht werden, sobald ich nur [den] ersten Band der Luc.[inde] vollends vom Halse habe. Es freut mich daß Du noch so viel Antheil an dieser hast nehmen mögen – da Du wie gesagt so teufelmäßig antik bist.
Ich bin sehr begierig was Du zu Hülsen sagen wirst. – Vom Athen.[äum] habe ich hier noch <nicht> viel Interessantes gehört. Hirt hat sich sehr gewundert, daß nichts gegen ihn darin ist. Einigen Frauen gefällt mein Brief, andre empören sich dagegen. – Durch die Sonnette und durch die Elegie hast Du Dich zum Gründer der Poesie in und durch Dich selbst coronirt. – Schl.[eiermacher] schreibt mir, wie er sich an den Gemählden delectire und wie ihn auch die Religion interessire die nicht darin sey. Solche Menschen die sich auf die Religion appliciren sind in diesem Stück immer etwas hochmüthig und intolerant.
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