• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main · Place of Destination: Paris · Date: 24.03.1817
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 24.03.1817
  • Notations: Empfangsort erschlossen
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 29. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Vom Wiener Kongress zum Frankfurter Bundestag (10. September 1814 ‒ 31. Oktober 1818). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Jean-Jacques Anstett unter Mitarbeit von Ursula Behler. Paderborn 1980, S. 312‒314.
  • Incipit: „[1] Frankfurt, den 24ten März 1817.
    Geliebter Bruder
    Ich danke Dir von ganzem Herzen für den Ankauf der indischen Bücher und schicke Dir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.203
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,1 x 12,5 cm
    Language
  • German
[1] Frankfurt, den 24ten März 1817.
Geliebter Bruder
Ich danke Dir von ganzem Herzen für den Ankauf der indischen Bücher und schicke Dir hier das verlangte Geld dafür. Ich wollte es Dir schon vor 9 Tagen schicken, durch den Grafen Flemming, der als Preußischer Gesandter nach Rio Janeiro geht <und sich einige Zeit in Paris aufhalten will>; allein der Geschäfte und Störungen sind jetzt, da unser Gesandter in ein paar Tagen nach Wien <reist>, und die Bundesverhandlungen seither auch sehr gedrängt waren, so viele, daß ich nicht dazu gekommen bin. Ich hoffe indessen Flemming, der ein sehr geistvoller Mann <ist>, wird Dich aufgesucht und Deine Bekanntschaft gemacht haben, was er sehr zu wünschen schien. Ich bitte Dich indessen, da die Sache nun etwas aufgeschoben worden, und ich auch ohnehin gar nicht gewohnt bin, Gelder zu versenden, mir den richtigen Empfang baldmöglichst zu melden, weil ich mich sonst darüber ängstige; und dann auch mit Henrietten die baldige Anher[2]sendung dieser Bücher bestens zu verabreden und zu betreiben. – Ob ich nun diesen Sommer einige freye Monathe gewinnen werde, um sie zu benutzen; das muß die Zeit lehren. Indessen bin ich Dir sehr dankbar dafür. Den Hitopadesa habe ich zwar schon; ich hatte ihn von Bopp gekauft, der ihn nicht mehr brauchte; aber dieses schadet nicht, ich kann ihn leicht wieder los werden, an irgend eine Bibliothek. Nun bitte ich Dich noch mir genau die Addreße desjenigen oder derjenigen Buchhändler in Paris, bey denen man die indischen Werke am besten findet, anzugeben oder auch eine solche Buchhandlung in London, mit der ich dann durch die hiesige englische Gesandtschaft mich am besten direkt in Verbindung setzen könnte. Außerdem aber bitte ich Dich, wenn ein Band des Ramayan gleich auf dem Platz (wie Du sagst für 5 bis 6 Karolin) zu haben ist, denselben nur auch gleich zu kaufen; das Geld soll gleich erfolgen, ich habe zwar in diesem ersten Jahre noch eben keine Schätze sammeln können, sondern gewaltige [3] Ausgaben aller Art gehabt, indessen für eine solche Gelegenheit finde ich schon Credit. Ich bitte Dich um diesen Ankauf, gesetzt auch es wäre nicht der erste Band des Ramayan, sondern ein späterer. Ist aber vom Ram[ayan] nichts zu haben, so bitte ich Dich um den Bhagvatgita oder um die Gesetze des Manu; falls das eine oder das andre in Paris ist. –
Ich wende mich nun von der indischen zu unsrer deutschen Sprache und Kunst. Es wundert mich gar <nicht>, wenn Reimer so auf den Skakespeare dringt; darin denken noch einige Millionen anderer ehrlicher Deutscher eben so, zu denen ich auch gehöre; besonders nachdem <nun> die Vöße (Vater, Söhne und vermuthlich auch in der Folge noch Enkel, <kurz> die ganze cyklopische Sippschaft) sich auch über dieses edle Gebilde hermachen wollen. Ich sende Dir hier ein Paar Zeitungs Artikel, die sich darauf beziehn. – Da ich hier, die eigentlichen diplomatischen Bekanntschaften und Cirkel abgerechnet, ziemlich zurückgezogen und einsam lebe, so lese ich oft des Abends in meinem Hause [4] etwas Dramatisches vor, so gut es mir gerathen will. Da haben wir uns denn von neuem an den historischen Stücken von Sh.[akespeare] erlabt, und ich kann es nicht ohne Bedauern ansehn, daß jene ungefügen Hammerleute und Schulvöße nun auch über diese Götterwerke herfahren, weil der rechte Meister von dannen gegangen ist. Von Tieck ist der dritte Theil des Phantasus da; er enthält den <sehr weitläuftig> dramatisirten Fortunat; ich glaube er hätte es kürzer behandeln und einen <Zauber->Roman oder Mährchen daraus machen sollen. Stellenweise ist es wohl schön und noch der alte Tieck, aber im Ganzen fällt es sehr ab; gegen die frühere Freyheit und das jugendliche Leben. In so fern hat es mich mit Bedauern erfüllt. Auch die vier Stücke von Grieß Calderon lesen wir; er hat sich viel Mühe gegeben und viel von Dir gelernt, so daß er für den ersten oder gewöhnlichen Blick fast den gleichen Eindruck macht. Indessen fehlt doch für mich ein gewisser zarter Hauch poetischer Frische, der Deine Sprache von der seinigen sehr unterscheidet. Ich glaube, er ist durch eine Art von Instinkt oder Zufall vorzüglich auf die Jugendstücke Calderons gerathen.
In den Zeitungen steht von neuem daß Fr. [au] v.[on] St.[aël] noch nicht hergestellt sey; das sind wohl nur vage Gerüchte, indessen bitte ich Dich, mir ausführlicher darüber zu schreiben, und auch ihr <meine Theilnahme zu bezeigen und mich Ihrem Andenken zu empfehlen. Meine Frau grüßt bestens; ich bitte mich dem Grafen Flemming zu empfehlen. In ein paar Tagen schreibe ich wieder.>
[1] Frankfurt, den 24ten März 1817.
Geliebter Bruder
Ich danke Dir von ganzem Herzen für den Ankauf der indischen Bücher und schicke Dir hier das verlangte Geld dafür. Ich wollte es Dir schon vor 9 Tagen schicken, durch den Grafen Flemming, der als Preußischer Gesandter nach Rio Janeiro geht <und sich einige Zeit in Paris aufhalten will>; allein der Geschäfte und Störungen sind jetzt, da unser Gesandter in ein paar Tagen nach Wien <reist>, und die Bundesverhandlungen seither auch sehr gedrängt waren, so viele, daß ich nicht dazu gekommen bin. Ich hoffe indessen Flemming, der ein sehr geistvoller Mann <ist>, wird Dich aufgesucht und Deine Bekanntschaft gemacht haben, was er sehr zu wünschen schien. Ich bitte Dich indessen, da die Sache nun etwas aufgeschoben worden, und ich auch ohnehin gar nicht gewohnt bin, Gelder zu versenden, mir den richtigen Empfang baldmöglichst zu melden, weil ich mich sonst darüber ängstige; und dann auch mit Henrietten die baldige Anher[2]sendung dieser Bücher bestens zu verabreden und zu betreiben. – Ob ich nun diesen Sommer einige freye Monathe gewinnen werde, um sie zu benutzen; das muß die Zeit lehren. Indessen bin ich Dir sehr dankbar dafür. Den Hitopadesa habe ich zwar schon; ich hatte ihn von Bopp gekauft, der ihn nicht mehr brauchte; aber dieses schadet nicht, ich kann ihn leicht wieder los werden, an irgend eine Bibliothek. Nun bitte ich Dich noch mir genau die Addreße desjenigen oder derjenigen Buchhändler in Paris, bey denen man die indischen Werke am besten findet, anzugeben oder auch eine solche Buchhandlung in London, mit der ich dann durch die hiesige englische Gesandtschaft mich am besten direkt in Verbindung setzen könnte. Außerdem aber bitte ich Dich, wenn ein Band des Ramayan gleich auf dem Platz (wie Du sagst für 5 bis 6 Karolin) zu haben ist, denselben nur auch gleich zu kaufen; das Geld soll gleich erfolgen, ich habe zwar in diesem ersten Jahre noch eben keine Schätze sammeln können, sondern gewaltige [3] Ausgaben aller Art gehabt, indessen für eine solche Gelegenheit finde ich schon Credit. Ich bitte Dich um diesen Ankauf, gesetzt auch es wäre nicht der erste Band des Ramayan, sondern ein späterer. Ist aber vom Ram[ayan] nichts zu haben, so bitte ich Dich um den Bhagvatgita oder um die Gesetze des Manu; falls das eine oder das andre in Paris ist. –
Ich wende mich nun von der indischen zu unsrer deutschen Sprache und Kunst. Es wundert mich gar <nicht>, wenn Reimer so auf den Skakespeare dringt; darin denken noch einige Millionen anderer ehrlicher Deutscher eben so, zu denen ich auch gehöre; besonders nachdem <nun> die Vöße (Vater, Söhne und vermuthlich auch in der Folge noch Enkel, <kurz> die ganze cyklopische Sippschaft) sich auch über dieses edle Gebilde hermachen wollen. Ich sende Dir hier ein Paar Zeitungs Artikel, die sich darauf beziehn. – Da ich hier, die eigentlichen diplomatischen Bekanntschaften und Cirkel abgerechnet, ziemlich zurückgezogen und einsam lebe, so lese ich oft des Abends in meinem Hause [4] etwas Dramatisches vor, so gut es mir gerathen will. Da haben wir uns denn von neuem an den historischen Stücken von Sh.[akespeare] erlabt, und ich kann es nicht ohne Bedauern ansehn, daß jene ungefügen Hammerleute und Schulvöße nun auch über diese Götterwerke herfahren, weil der rechte Meister von dannen gegangen ist. Von Tieck ist der dritte Theil des Phantasus da; er enthält den <sehr weitläuftig> dramatisirten Fortunat; ich glaube er hätte es kürzer behandeln und einen <Zauber->Roman oder Mährchen daraus machen sollen. Stellenweise ist es wohl schön und noch der alte Tieck, aber im Ganzen fällt es sehr ab; gegen die frühere Freyheit und das jugendliche Leben. In so fern hat es mich mit Bedauern erfüllt. Auch die vier Stücke von Grieß Calderon lesen wir; er hat sich viel Mühe gegeben und viel von Dir gelernt, so daß er für den ersten oder gewöhnlichen Blick fast den gleichen Eindruck macht. Indessen fehlt doch für mich ein gewisser zarter Hauch poetischer Frische, der Deine Sprache von der seinigen sehr unterscheidet. Ich glaube, er ist durch eine Art von Instinkt oder Zufall vorzüglich auf die Jugendstücke Calderons gerathen.
In den Zeitungen steht von neuem daß Fr. [au] v.[on] St.[aël] noch nicht hergestellt sey; das sind wohl nur vage Gerüchte, indessen bitte ich Dich, mir ausführlicher darüber zu schreiben, und auch ihr <meine Theilnahme zu bezeigen und mich Ihrem Andenken zu empfehlen. Meine Frau grüßt bestens; ich bitte mich dem Grafen Flemming zu empfehlen. In ein paar Tagen schreibe ich wieder.>
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