[1] Seit Ihrer Emigration aus Deutschland lieber Freund sind wir so sehr auseinander gekommen wie es eigentlich nicht sein sollte. Dann bedarf es einer Gelegenheit um wieder anzuknüpfen und ich freue mich eine solche zu finden indem einer meiner liebsten Schüler nach der Schweiz geht der Ihnen wol selbst diese Zeilen zustellen wird. Er hat mich ganz kürzlich brühwarm nach meiner Verheirathung besucht und kann Ihnen sagen wie ich lebe. Bis auf den Hausstand der nun freilich fixirt ist ist aber alles nur sehr interimistisch weil wir hier noch gar nicht wissen was aus uns werden wird. Wenn nun eine Universität hier wirklich zu Stande käme und Berlin dadurch einen ganz andern Charakter gewönne [2] sollte Sie das nicht hieherlocken können? Wie angenehm auch Ihr Leben in Copet sein mag, mich verlangt herzlich Sie wieder in Deutschland zu wissen, um so mehr da es leider scheint daß wie Sie dem vaterländischen Boden fern sind Sie auch für unsre Litteratur großentheils verloren sind. Wie weniges ist es wofür wir uns seit Sie dort leben zu bedanken haben, und wieviel sind Sie uns eigentlich schuldig! Denn solche opera supererogationis wie Ihre Missionarischen Bemühungen um das poetische Heil der Franzosen können zwar unsere Bewunderung fordern für die Virtuosität die darin aufgewendet ist aber recht anrechnen können wir sie Ihnen doch nicht. Ich weiß nicht ob ich viel Ehre zu retten habe außer den Paar Bänden Plato mit meiner kleinen Weihnachtsfeier und der eben so kleinen Schrift über die Universitäten und der einen Abhandlung über den Heraklit und einem Bande Predigten die Sie wol gar nicht zur Litt[3]eratur rechnen – aber Sie müssen auch bedenken daß indem Sie der schönsten Ruhe genossen ich die stürmischesten Zeiten meines Lebens durchgemacht habe. Meine Verbindung mit Friedrich ist auch ziemlich unterbrochen. Ich habe ihm neuerlich einmal recht rein vom Herzen weg geschrieben, wie es einem eingefleischten Protestanten ziemt. Von seinen neuesten Gedichten sind mir viele ich kann sagen alle die nicht gradezu von der Messe handeln ein wahres Labsal gewesen. Aber wie er sich mit Hardenberg über die Transsubstantiation freut, und damit man es nicht für Poesie halte in möglichst unpoëtischen Versen, das, ich gestehe es, ist mir zu viel.
Daß Ihr Streit mit Reimer ein friedliches Ende genommen hat mich sehr gefreut. Möchte nur durch Ihre neuorganisirten Buchhändler Verhältnisse bald recht viel Schönes zu uns gelangen.
Leben Sie wohl und wenn es sich fügt lassen Sie mich auch wieder einmal etwas von Sich hören. Mit aller Freundschaft und Anhänglichkeit
Der Ihrige
Schleiermacher
Berlin d 15t Aug. [18]09.
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