• Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Unknown · Date: 24.01.1789
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl Friedrich Alexander von Arnswaldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.01.1789
    Printed Text
  • Bibliography: Fiebiger, Otto: Briefe an August Wilhelm Schlegel. In: Die Grenzboten 73 (1914), S. 495‒497.
  • Incipit: „[1] [Hannover] am 24. Jan. 1789.
    Ihr letzter Brief hat mir sammt seiner poetischen Einlage recht viel Vergnügen gemacht; ich habe [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-38970
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.1,Nr.20
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,1 x 18,8 cm
    Language
  • German
[1] [Hannover] am 24. Jan. 1789.
Ihr letzter Brief hat mir sammt seiner poetischen Einlage recht viel Vergnügen gemacht; ich habe seit langer Zeit in so gänzlicher Entfernung von poetischer Lektüre und Unterhaltung gelebt, daß mir die leztere doppelt wilkommen war. Ich habe Sie mir recht lebhaft in dem Augenblick des Empfangs des Sonetts gedacht, wodurch Ihnen Bürger gewiß eine der glücklichsten Minuten Ihres Lebens verschafft hat; wie sich Ihr Gesicht bis zum Ausdruck des unbeschreiblichsten Entzückens aufgeklärt haben wird! ‒ Uebrigens gefällt mir Bürgers Einfall sehr wohl, die Form der Sonette in unsrer Dichtkunst zu erneuern; sein Beispiel wird Wirkung hervorbringen. Unstreitig haben die Italiäner ihrer Poesie sehr dadurch geschadet, daß sie diese Form zur ausschließlichen [2] fast erhoben; allein für den Ausdruck mancher Empfindungen besonders der elegischen ist sie, dünkt mich, sehr gut gewält. Auch läßt sie einen Wohlklang zu, den man bei mancher andern Form vermißt. Schon vor mehrern Jahren habe ich im T[eutschen] Merkur Sonette und, wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, von Kl[amer] Schmidt gefunden, die aber vielleicht wegen Mangel des innern Gehalts, unbemerkt geblieben sind. Es freut mich gleichfalls sehr, daß Bürger an Ihnen einen so treuen Gehülfen gefunden hat; wollen Sie auch eine goldne Medaille nicht verdienen, so thun Sie doch wohl, nach einigen Lorbeerreisern zu ringen; diese wiegen zwar auf der Wage des Profits nicht so schwer, allein man erhält und giebt doch mehr Vergnügen dadurch.
Der lange und strenge Winter hat auf uns gleichen Einfluß gehabt; Mangel an Bewegung, deren ich noch dazu [3] so gewohnt war, haben die hypochondrischen Anfälle auch bei mir vervielfacht und ich freue mich darum recht sehr, daß eine mildere Luft es iezt verstattet, sie durch Bewegung und Zerstreuung zu verscheuchen. Daß es doch nicht einmal daran genug ist, die Vortheile der sizenden Lebensart durch Aufopferung so manchen Genußes erkaufen zu müßen; daß sie in sich selbst noch eine Hydra erzeugen muß, welche selbst die Vortheile verschlingt, die wir durch sie zu erlangen hofften.
Die litterarische Welt ist arm an intereßanten Neuigkeiten; desto mehr Stoff zu Betrachtungen liefert die politische. Ich weiß, Sie sind kein Freund der letzteren; allein ich denke, Sie erfahren nicht ungern, daß nach den neuesten engl[ischen] Nachrichten des Koenigs intellektueller Zustand noch voellig ungeändert ist.
Der ietzigen preußischen Administration scheint es noch nicht an dem berufnen Religions-Edikt genug gewesen [4] zu sein; man ist iezt damit beschäftigt, eine Censur-Verordnung ihm zuzugesellen, welche muthmaßlich den Geist desselben Schöpfers athmen wird. Eben sehe ich aus der Allg[emeinen] Litt[eratur-] Zeit[ung], daß ein doctor philosophiae in Berlin, der gegen das Rel[igions-] Edikt geschrieben und besonders die Lehren, zu deren Aufrechthaltung es bestimt war, angegriffen hat, verhaftet und ihm der Prozeß gemacht ist. Dafür geht es hier doch noch billiger zu, wenn man gleich einige profane Aeußerungen selbst im Mus[en-] Almanach rügt.
Laßen Sie mich doch den Ausgang der Bürger-Kästnerschen Fehde wissen, die vermutlich schon in Vergessenheit begraben ist. Dem unberufnen Retter der Orthodoxie hätte ich gern eine kleine Züchtigung gegönnt und Dietrich Menschenschreck ist doch der Mann nicht, der zu sparsam damit wäre. ‒
Adieu, bester Freund, ich hoffe auf eine baldige Erscheinung von Ihnen in Prosa und in Versen. Ganz der Ihrige
v. Arnswaldt.
Ich höre, daß Dornford Goettingen verlassen wird; wann? u. warum so schnell? ‒ beantworten Sie mir gütigst.
[1] [Hannover] am 24. Jan. 1789.
Ihr letzter Brief hat mir sammt seiner poetischen Einlage recht viel Vergnügen gemacht; ich habe seit langer Zeit in so gänzlicher Entfernung von poetischer Lektüre und Unterhaltung gelebt, daß mir die leztere doppelt wilkommen war. Ich habe Sie mir recht lebhaft in dem Augenblick des Empfangs des Sonetts gedacht, wodurch Ihnen Bürger gewiß eine der glücklichsten Minuten Ihres Lebens verschafft hat; wie sich Ihr Gesicht bis zum Ausdruck des unbeschreiblichsten Entzückens aufgeklärt haben wird! ‒ Uebrigens gefällt mir Bürgers Einfall sehr wohl, die Form der Sonette in unsrer Dichtkunst zu erneuern; sein Beispiel wird Wirkung hervorbringen. Unstreitig haben die Italiäner ihrer Poesie sehr dadurch geschadet, daß sie diese Form zur ausschließlichen [2] fast erhoben; allein für den Ausdruck mancher Empfindungen besonders der elegischen ist sie, dünkt mich, sehr gut gewält. Auch läßt sie einen Wohlklang zu, den man bei mancher andern Form vermißt. Schon vor mehrern Jahren habe ich im T[eutschen] Merkur Sonette und, wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, von Kl[amer] Schmidt gefunden, die aber vielleicht wegen Mangel des innern Gehalts, unbemerkt geblieben sind. Es freut mich gleichfalls sehr, daß Bürger an Ihnen einen so treuen Gehülfen gefunden hat; wollen Sie auch eine goldne Medaille nicht verdienen, so thun Sie doch wohl, nach einigen Lorbeerreisern zu ringen; diese wiegen zwar auf der Wage des Profits nicht so schwer, allein man erhält und giebt doch mehr Vergnügen dadurch.
Der lange und strenge Winter hat auf uns gleichen Einfluß gehabt; Mangel an Bewegung, deren ich noch dazu [3] so gewohnt war, haben die hypochondrischen Anfälle auch bei mir vervielfacht und ich freue mich darum recht sehr, daß eine mildere Luft es iezt verstattet, sie durch Bewegung und Zerstreuung zu verscheuchen. Daß es doch nicht einmal daran genug ist, die Vortheile der sizenden Lebensart durch Aufopferung so manchen Genußes erkaufen zu müßen; daß sie in sich selbst noch eine Hydra erzeugen muß, welche selbst die Vortheile verschlingt, die wir durch sie zu erlangen hofften.
Die litterarische Welt ist arm an intereßanten Neuigkeiten; desto mehr Stoff zu Betrachtungen liefert die politische. Ich weiß, Sie sind kein Freund der letzteren; allein ich denke, Sie erfahren nicht ungern, daß nach den neuesten engl[ischen] Nachrichten des Koenigs intellektueller Zustand noch voellig ungeändert ist.
Der ietzigen preußischen Administration scheint es noch nicht an dem berufnen Religions-Edikt genug gewesen [4] zu sein; man ist iezt damit beschäftigt, eine Censur-Verordnung ihm zuzugesellen, welche muthmaßlich den Geist desselben Schöpfers athmen wird. Eben sehe ich aus der Allg[emeinen] Litt[eratur-] Zeit[ung], daß ein doctor philosophiae in Berlin, der gegen das Rel[igions-] Edikt geschrieben und besonders die Lehren, zu deren Aufrechthaltung es bestimt war, angegriffen hat, verhaftet und ihm der Prozeß gemacht ist. Dafür geht es hier doch noch billiger zu, wenn man gleich einige profane Aeußerungen selbst im Mus[en-] Almanach rügt.
Laßen Sie mich doch den Ausgang der Bürger-Kästnerschen Fehde wissen, die vermutlich schon in Vergessenheit begraben ist. Dem unberufnen Retter der Orthodoxie hätte ich gern eine kleine Züchtigung gegönnt und Dietrich Menschenschreck ist doch der Mann nicht, der zu sparsam damit wäre. ‒
Adieu, bester Freund, ich hoffe auf eine baldige Erscheinung von Ihnen in Prosa und in Versen. Ganz der Ihrige
v. Arnswaldt.
Ich höre, daß Dornford Goettingen verlassen wird; wann? u. warum so schnell? ‒ beantworten Sie mir gütigst.
×
×