• August Ludwig Hülsen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Nennhausen · Place of Destination: Unknown · Date: 12.07.1798
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Ludwig Hülsen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Nennhausen
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 12.07.1798
    Printed Text
  • Bibliography: Flitner, Willy: August Ludwig Hülsen und der Bund der freien Männer. Jena 1913, S. 96‒97.
  • Incipit: „[1] Nennhausen d 12t Jul 1798
    ich verließ Sie, mein werther Freund, mit der gewissen Hoffnung, Sie den Frühling in Berlin zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.8
  • Number of Pages: 2S., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 13,1 cm
    Language
  • German
[1] Nennhausen d 12t Jul 1798
ich verließ Sie, mein werther Freund, mit der gewissen Hoffnung, Sie den Frühling in Berlin zu sehen und zu sprechen. Geschehen ist es nicht, und in der That weiß ich dafür keinen andern Grund anzugeben, als weil es nicht geschahe und etwas anders die Momente meines Lebens erfüllte. Berger war bis zu Ende des Mays an meiner Seite. Bis dahin konnte ich also an kein weiteres Reisen denken, und nachher habe ich dazu keine Veranlassung gefunden. Ich kann nicht über Pferde und Wagen gebiethen und zu Fuß die Reise zu machen, ist für die Sohlen gefährlich da der Sand, in dem wir leben, zu viel Wärmestoff enthält. Dennoch erinnerte ich mich stets meines gethanen Versprechens, und war nicht zufrieden mit mir. Ich habe nun aber gefunden, daß der Mensch überhaupt nichts versprechen kann, was er in aller Ewigkeit nicht halten müßte, und darauf verlaße ich mich, und bin ruhig und getrost.
Ihr Schreiben war mir eine schöne Überraschung, und ich konnte in dem Augenblick mich wirklich nicht schämen, daß Sie mir mit Freundschaft zuvorkamen, sondern freute mich Ihrer ganz unbefangen. Haben Sie nun auch meinen schönsten Dank, und glauben Sie gewiß, daß mir Ihre Bekanntschaft immer sehr werth bleiben wird.
Über Ihr gütiges Anerbiethen habe ich Ihrem [2] Bruder geschrieben. Ich schätze es mir für eine Ehre, an Ihren gemeinschaftlichen Arbeiten einigen Theil nehmen zu können, und will den Genius beschwören, daß er mich dieser Theilnahme nicht ganz unwürdig laße. Ich habe nur zu viel mit den bösen Dämonen zu kämpfen und muß ihren Einfluß noch leider immer dulden. Ich meine die Paragraphen der philosophischen Systeme. Man wird seiner nicht mächtig, wenn sie einen einmal verstrickt haben, und alles was man thun kann, ist entweder ganz zu schweigen und sich seiner eignen Freiheit still bewußt zu bleiben, oder laut aufzuschreien, damit die Menschen unsre Selbständigkeit sehen und hören können. Besser ist es, sich des lieblichen Gesanges zu freuen, und so die Gottheit zu fühlen, die in unserm Busen wohnet. Lange werden es auch wahrlich die Menschen nicht mehr ertragen, gepanzert einherzugehen mit hohläugigten Larven. Das Auge soll offen und freundlich seyn wie die Sonne des Himmels, damit man den Geist nicht im Dunklen nur ahnde, sondern wahrnehme und empfinde mit jedem Sinne des Lebens. Nur hier schwebt die Grazie in freien himmlischen Tänzen und rühret unsere Brust zur Liebe und zur Freude. Im Buchstaben der Philosophie tanzt sie auf hölzernen Beinen, indeß die Muse zur Orgel singt, um uns die Harmonie der philosophischen und christlichen Moral zu lehren. – Ich habe ihren Bruder gebeten, mir wieder Nachricht von sich zu geben. Erinnern Sie ihn doch noch, mir das Athenäum überschicken zu laßen, und befehlen Sie, wohin ich die Griechen und Römer nun schicken soll. Leben Sie wohl. Grüßen Sie Freund Gries. Er möge mir bald schreiben.
Ganz der Ihrige August Hülsen
[1] Nennhausen d 12t Jul 1798
ich verließ Sie, mein werther Freund, mit der gewissen Hoffnung, Sie den Frühling in Berlin zu sehen und zu sprechen. Geschehen ist es nicht, und in der That weiß ich dafür keinen andern Grund anzugeben, als weil es nicht geschahe und etwas anders die Momente meines Lebens erfüllte. Berger war bis zu Ende des Mays an meiner Seite. Bis dahin konnte ich also an kein weiteres Reisen denken, und nachher habe ich dazu keine Veranlassung gefunden. Ich kann nicht über Pferde und Wagen gebiethen und zu Fuß die Reise zu machen, ist für die Sohlen gefährlich da der Sand, in dem wir leben, zu viel Wärmestoff enthält. Dennoch erinnerte ich mich stets meines gethanen Versprechens, und war nicht zufrieden mit mir. Ich habe nun aber gefunden, daß der Mensch überhaupt nichts versprechen kann, was er in aller Ewigkeit nicht halten müßte, und darauf verlaße ich mich, und bin ruhig und getrost.
Ihr Schreiben war mir eine schöne Überraschung, und ich konnte in dem Augenblick mich wirklich nicht schämen, daß Sie mir mit Freundschaft zuvorkamen, sondern freute mich Ihrer ganz unbefangen. Haben Sie nun auch meinen schönsten Dank, und glauben Sie gewiß, daß mir Ihre Bekanntschaft immer sehr werth bleiben wird.
Über Ihr gütiges Anerbiethen habe ich Ihrem [2] Bruder geschrieben. Ich schätze es mir für eine Ehre, an Ihren gemeinschaftlichen Arbeiten einigen Theil nehmen zu können, und will den Genius beschwören, daß er mich dieser Theilnahme nicht ganz unwürdig laße. Ich habe nur zu viel mit den bösen Dämonen zu kämpfen und muß ihren Einfluß noch leider immer dulden. Ich meine die Paragraphen der philosophischen Systeme. Man wird seiner nicht mächtig, wenn sie einen einmal verstrickt haben, und alles was man thun kann, ist entweder ganz zu schweigen und sich seiner eignen Freiheit still bewußt zu bleiben, oder laut aufzuschreien, damit die Menschen unsre Selbständigkeit sehen und hören können. Besser ist es, sich des lieblichen Gesanges zu freuen, und so die Gottheit zu fühlen, die in unserm Busen wohnet. Lange werden es auch wahrlich die Menschen nicht mehr ertragen, gepanzert einherzugehen mit hohläugigten Larven. Das Auge soll offen und freundlich seyn wie die Sonne des Himmels, damit man den Geist nicht im Dunklen nur ahnde, sondern wahrnehme und empfinde mit jedem Sinne des Lebens. Nur hier schwebt die Grazie in freien himmlischen Tänzen und rühret unsere Brust zur Liebe und zur Freude. Im Buchstaben der Philosophie tanzt sie auf hölzernen Beinen, indeß die Muse zur Orgel singt, um uns die Harmonie der philosophischen und christlichen Moral zu lehren. – Ich habe ihren Bruder gebeten, mir wieder Nachricht von sich zu geben. Erinnern Sie ihn doch noch, mir das Athenäum überschicken zu laßen, und befehlen Sie, wohin ich die Griechen und Römer nun schicken soll. Leben Sie wohl. Grüßen Sie Freund Gries. Er möge mir bald schreiben.
Ganz der Ihrige August Hülsen
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