• August Ludwig Hülsen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Görzke · Place of Destination: Berlin · Date: 18.08.1803
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Ludwig Hülsen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Görzke
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 18.08.1803
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Flitner, Willy: August Ludwig Hülsen und der Bund der freien Männer. Jena 1913, S. 113‒117.
  • Incipit: „[1] Görzke d 18t Aug. 1803
    Dein letzter Brief, mein geliebter Schlegel, ist leider erst spät in meine Hände gekommen. Er hatte [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.16
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,5 x 11,4 cm
    Language
  • German
[1] Görzke d 18t Aug. 1803
Dein letzter Brief, mein geliebter Schlegel, ist leider erst spät in meine Hände gekommen. Er hatte mich in Premmnitz nicht vorgefunden, und war auf Anrathen meines Bruders nach Brandenburg und Görzke gereist, um mich aufzusuchen, während ich selbst aber auf andern Wegen in Premmnitz wieder eintraf, und ihn hier erst erwarten mußte. Du wirst es leicht begreifen, wie es mir jetzt nicht wol möglich ist, mit Freude und Ruhe lange an einem Orte zu verweilen. Ich bin ein Gast unter den Menschen und empfinde manche Pein und Herzensbeklemmung unter den nördlichen Barbaren. Daher kommt es nicht selten, daß ich noch spät am Abend meinen Stab ergreife und mehrere Meilen die Nacht hindurch wandere, um in einer andern Gegend den neuen Tag zu begrüßen. Gestern bin ich auf die Weise wieder in Görzke angekommen. Fast möchte ich mich mit den Kindern Israel in der Wüste vergleichen; nur daß mir statt des Manna ein ewiger Staub vom Himmel fällt, und meine Kleider und Schue gedoppelt zerreißen. Ich bin aber gesund und froher und freier [2] in meiner Seele, und darum will ich guten Muthes die äußern Beschränkungen noch ertragen, bis es erfreulicher um mich wird. Dein Brief ist mir ein neuer Beweis von der freien und herrlichen Liebe der Menschen, mit denen die Götter des Himmels sind. Ich erkenne Dich als meinen Bruder, wie Du mich erkannt hast, und nun sei unser Leben auch ein Zeugniß unsers brüderlichen Geistes, und erhöhe in uns die Überzeugung, daß der einzig wahre und bleibende Gewinn unsers Nachstrebens nur der Mensch unsrer Liebe ist.
Ich freue mich, daß Du in meinem letzten Briefe die wiederkehrende Heiterkeit meines Gemüths bemerken konntest. Ich fühle es selbst so lebendig, und weiß, wie viel mein Aufenthalt in Berlin, und darum vor allem Deine Freundschaft, dazu beigetragen hat. Noch geschieht es zwar nicht ohne Anstrengung. Ich muß Stöhrungen entfernen und die Freude suchen, und das ist eigentlich nicht die Natur eines kindlichen Gemüths, das sich nur in der Leichtigkeit gefallen will. Gäbe es nur eine Gegenwart, die nicht an die Vergangenheit geknüpft wäre. Ein Gott sieht überallhin mit Wohlgefallen, und hell und durchsichtig wie ein Sonnentag ist die unendliche Sphäre des Daseyns. Aber die Bilder unsers Lebens erscheinen so oft in trübern Lichte, und sind ein Widerspruch [3] dem Geiste, der die Klarheit und den Frieden seiner Selbstanschauung auch von allem fodert, was mit freiem Leben in unser Bewußtseyn tritt und ihm angehören soll. Vielleicht gewinne ich aber wieder eine freie schöne Gegenwart, wenn ich erst einen Ort finde, wo ich thätig seyn kann. Ich glaube es selbst, daß ein Amt im Staate mir nur mehr durch meinen Gedanken als annehmlich erscheint, und ich habe deinen Bedenklichkeiten noch eben nichts besonderes entgegenzusetzen gewußt. Indeß meynte ich, aus der Noth eine Tugend machen zu müßen, und habe dich demnach ersucht, mir mit Rath und That kräftig beizustehen. Ich bleibe nichts destoweniger noch immer frei, und nun du wirklich an den Grafen geschrieben hast, laß es uns auch abwarten, was er wird ausrichten können. Meinen Lieblingswunsch, in freier Unabhängigkeit und in schöner Beschäftigung mit der Natur den Sommer auf dem Lande zu leben und den Winter in einer Stadt, gebe ich ungern auf; und wenn ich oft auch glaube, daß ich mich darin finden könne, so fühle ich auch eben so oft wieder, daß ich nur durch die Gewalt der Umstände genöthigt werde. Meine Freunde in Holstein rufen mir darum noch immer zu, daß ich zu ihnen zurückkehren solle. Ich würde es thun, [4] wenn sie mir wirklich erfreuliche Aussichten für mein dortiges Leben verschaffen könnten. Bei meinem festen Vorsatze, nie wieder zu heirathen ist es freilich so schwer nicht, ein kleines Landwesen zu unternehmen. Doch auch das kleinste bleibt mir nicht möglich ohne besondere Unterstützung, und die habe ich der Art noch nicht gefunden, daß ich unbesorgt bleiben könnte. Darum sehe ich es nun als gewiß an, daß ich den nächsten Winter in Berlin zubringen werde, und freue mich, daß Du mich auf eine so schöne Art dazu ermunterst, und eine wirklich nicht geringe Sorge von meinem Herzen nehmen willst. Als Vorschuß betrachtet nehme ich Dein Anerbiethen an. Denn Du fühlst es wohl in meiner Seele, daß ich als ein gesunder und rüstiger Mann noch lange nicht genug thue, wenn ich bloß für mich selbst sorge, und dies zum aller wenigsten liegt mir also ob. Wärst Du der Reichen einer, so könnte ich mit gutem Bewußtseyn annehmen, was Deine Hand mir darböthe: denn unsere Meynung von dem Golde ist nicht die des reichen Pöbels, und hat nur seinen Werth in der freien Gesinnung des Mannes. Ich [5] habe mein jetzt so isoliertes Leben auch nicht verschuldet, und wenn mich unlautere Menschen von Zwecken entfernten und von Mitteln entblößten – beides für Augenblicke wenigstens – so darf ich mit gutem Gewissen wol zu Freunden meine Zuflucht nehmen, die mir frei und entgegenkommend ihre Arme öffnen. Zwar liegt es in der Armseligkeit unsrer gesellschaftlichen Verhältnisse, daß viel eher ein Kamel durch ein Nadelöhr krieche, als daß ein Reicher der Freund eines Armen sey: denn das eine höbe nothwendig das andere auf, weil sich Freunde nicht theilweise nur angehören können. Allein quod satis est, und noch ein ganz wenig drüber, das hat der eine oder andere doch leicht für Augenblicke wenigstens, und von einem solchen kann ich annehmen, was seine freie Seele mir darbiethet. Wir sind dennoch die Reichen unter den Menschenkindern durch unser lebendiges Vermögen in den göttlichen Ideen, und betteln und stehlen nicht wie die Dienstbothen der Gesellschaft, die für ein Stück Pergament ihr Leben verdungen haben und nun mit endlichen Größen wuchern, um das Unendliche zu gewinnen.
Meinen Gedanken über das Geld hast Du in ein treffliches Licht gestellt. Ich habe den löblichen Vorsatz, noch einmal öffentlich darüber zu reden. Denn hier eben finde ich den faulen Fleck, und den Ort, wo, [6] deutsch zu reden, der große Hund begraben liegt. Es ist wirklich eine Schande, wie das edle lichte Gold durch unsaubere Hände so entweiht und beschmutzt wird. Aber unsre Nachkommen müssen wissen, daß zur Zeit der tiefsten Knechtschaft auch noch freie Männer lebten, und darum laß uns ein Feuer anzünden und das Sonnenlicht der Erde wieder frei machen und klar, daß unsre Nachkommen uns segnen, wenn sie die Altäre wieder aufbauen und die hohen Tempel der Götter. Das war der Unsterblichen Wille, von den goldnen Kuppeln sollte ihre Herrlichkeit zurückstrahlen und der Tag sich verklären, der ihnen durch Feste geweiht würde.
Wann wird sie zurückkehren diese goldne Zeit des Lebens. Ich sehne mich oft recht innig nach den höhern Räumen des Himmels, um meinen Sokrates zu finden und seine Diotima, durch deren Weisheit all das Heilige bestehen und das freie selige Leben gewonnen werden kann. Für diese Tage unter der Sonne muß man sich mit Ahndungen begnügen, in denen noch allein sich die Götter uns nahen, verkündend ihre Gerechtigkeit und ihre ewige Liebe. Das weitere unsers Lebens ist eine kraße Wirklichkeit, die nahe an den Tod gränzt, wie alles Entgegengesetzte der Ideen, und recht eigentlich ein Exempel aus der Regel de tri, das mit einem lächerlichen Ernst die Menschen sich freiwillig [7] aufgeben. Der erste Satz ist der Stand, der zweite die Würde, der dritte das Vermögen, das durch Stand und Würde gesucht werden muß. Wir armen Gelehrten sind dabei unglücklicher Weise in die Brüche gerathen, die zwar das mehrste Kopfbrechen aber das wenigste Fazit machen. Indeß stehen wir durch uns selbst doch allen Fürsten voran, und Grafen und Barone bitten bei uns um Allmosen, damit sie nur standesgemäß klug werden mögen.
Ich freue mich, daß die Muse Deine Werke so schön fördert. Sey Du nur nicht unzufrieden mit dem Gewinn, und sorge bei dem allen für Deine Gesundheit damit die Harmonie nicht gestöhrt werde, die Deinen Geist frei erhalten muß. Ich habe meinen Vorsatz noch nicht ausführen können etwas für die Europa auszuarbeiten. Vielleicht kann ich in diesen 8 Tagen, da ich in Görtzke bleibe, so viel freie Muße und Ruhe des Geistes gewinnen. Der Weltbürger, meynte ich, würde in dieser Zeitschrift einen Platz verdienen können. Er bezeichnet wenigstens, so viel ich sehe, das grosse Ideal aller gesellschaftlichen Tendenzen, und hält das eigentliche und wahre Gleichgewicht von Europa, das eine engherzige Politik, die den Menschen in seinen beschränktesten Verhältnissen nur zum Zweck hat, immer [8] verfehlen wird. Ich will nichts versprechen, aber mir selbst wird es eine grosse Freude seyn, wenn ich meinen Vorsatz ausführen kann. Deine Antwort will ich demnach wieder in Premmnitz erwarten. Schreibe du mir nicht viel damit Du die kurze Zeit noch benutzen kannst, um dein Versprechen zu erfüllen. Bernhardi ist nun wahrscheinlich schon wieder bei Dir. Grüße ihn freundlichst von mir, und so Du nach Dresden schreibst thue desgleichen auch dort. Wenn es möglich ist, komme ich bald wieder auf einige Tage nach Berlin. Ich dürfte dazu nur eine gute Gelegenheit erhalten, so würde ich es sicher ausführen. Noch eine Frage mögest Du mir beantworten. Böhlendorf, der sich längere Zeit in Berlin aufgehalten, ist kürzlich in Knechtesgestalt zu meinem Berger nach Seekamp gekommen und hat die bittersten Klagen über Berlin und Potsdam geführt. Er will öffentlich beschimpft und verfolgt worden seyn, und hat besonders Kotzebue und Merkel als seine größten Feinde genannt. Berger schreibt mir, er könne das Schicksal dieses Mannes aus seiner eignen Erzählung noch nicht begreifen: nur sehe er ihn höchst unglücklich, und er wünscht daher durch mich nähere Aufschlüsse zu erhalten. Mir kommt die Sache sehr verdächtig vor. Denn Kotzebue und Merkel sollte billig doch der Teufel holen, wie z.B. Du sie geholt hast – wenn sie einen ehrlichen Mann verfolgen wollten. Hast Du etwas gehört, so theile die Nachricht mir mit, und erkundige Dich allenfalls noch bei den Stadtgerichten. Adieu! Ewig
Dein A. Hülsen
[1] Görzke d 18t Aug. 1803
Dein letzter Brief, mein geliebter Schlegel, ist leider erst spät in meine Hände gekommen. Er hatte mich in Premmnitz nicht vorgefunden, und war auf Anrathen meines Bruders nach Brandenburg und Görzke gereist, um mich aufzusuchen, während ich selbst aber auf andern Wegen in Premmnitz wieder eintraf, und ihn hier erst erwarten mußte. Du wirst es leicht begreifen, wie es mir jetzt nicht wol möglich ist, mit Freude und Ruhe lange an einem Orte zu verweilen. Ich bin ein Gast unter den Menschen und empfinde manche Pein und Herzensbeklemmung unter den nördlichen Barbaren. Daher kommt es nicht selten, daß ich noch spät am Abend meinen Stab ergreife und mehrere Meilen die Nacht hindurch wandere, um in einer andern Gegend den neuen Tag zu begrüßen. Gestern bin ich auf die Weise wieder in Görzke angekommen. Fast möchte ich mich mit den Kindern Israel in der Wüste vergleichen; nur daß mir statt des Manna ein ewiger Staub vom Himmel fällt, und meine Kleider und Schue gedoppelt zerreißen. Ich bin aber gesund und froher und freier [2] in meiner Seele, und darum will ich guten Muthes die äußern Beschränkungen noch ertragen, bis es erfreulicher um mich wird. Dein Brief ist mir ein neuer Beweis von der freien und herrlichen Liebe der Menschen, mit denen die Götter des Himmels sind. Ich erkenne Dich als meinen Bruder, wie Du mich erkannt hast, und nun sei unser Leben auch ein Zeugniß unsers brüderlichen Geistes, und erhöhe in uns die Überzeugung, daß der einzig wahre und bleibende Gewinn unsers Nachstrebens nur der Mensch unsrer Liebe ist.
Ich freue mich, daß Du in meinem letzten Briefe die wiederkehrende Heiterkeit meines Gemüths bemerken konntest. Ich fühle es selbst so lebendig, und weiß, wie viel mein Aufenthalt in Berlin, und darum vor allem Deine Freundschaft, dazu beigetragen hat. Noch geschieht es zwar nicht ohne Anstrengung. Ich muß Stöhrungen entfernen und die Freude suchen, und das ist eigentlich nicht die Natur eines kindlichen Gemüths, das sich nur in der Leichtigkeit gefallen will. Gäbe es nur eine Gegenwart, die nicht an die Vergangenheit geknüpft wäre. Ein Gott sieht überallhin mit Wohlgefallen, und hell und durchsichtig wie ein Sonnentag ist die unendliche Sphäre des Daseyns. Aber die Bilder unsers Lebens erscheinen so oft in trübern Lichte, und sind ein Widerspruch [3] dem Geiste, der die Klarheit und den Frieden seiner Selbstanschauung auch von allem fodert, was mit freiem Leben in unser Bewußtseyn tritt und ihm angehören soll. Vielleicht gewinne ich aber wieder eine freie schöne Gegenwart, wenn ich erst einen Ort finde, wo ich thätig seyn kann. Ich glaube es selbst, daß ein Amt im Staate mir nur mehr durch meinen Gedanken als annehmlich erscheint, und ich habe deinen Bedenklichkeiten noch eben nichts besonderes entgegenzusetzen gewußt. Indeß meynte ich, aus der Noth eine Tugend machen zu müßen, und habe dich demnach ersucht, mir mit Rath und That kräftig beizustehen. Ich bleibe nichts destoweniger noch immer frei, und nun du wirklich an den Grafen geschrieben hast, laß es uns auch abwarten, was er wird ausrichten können. Meinen Lieblingswunsch, in freier Unabhängigkeit und in schöner Beschäftigung mit der Natur den Sommer auf dem Lande zu leben und den Winter in einer Stadt, gebe ich ungern auf; und wenn ich oft auch glaube, daß ich mich darin finden könne, so fühle ich auch eben so oft wieder, daß ich nur durch die Gewalt der Umstände genöthigt werde. Meine Freunde in Holstein rufen mir darum noch immer zu, daß ich zu ihnen zurückkehren solle. Ich würde es thun, [4] wenn sie mir wirklich erfreuliche Aussichten für mein dortiges Leben verschaffen könnten. Bei meinem festen Vorsatze, nie wieder zu heirathen ist es freilich so schwer nicht, ein kleines Landwesen zu unternehmen. Doch auch das kleinste bleibt mir nicht möglich ohne besondere Unterstützung, und die habe ich der Art noch nicht gefunden, daß ich unbesorgt bleiben könnte. Darum sehe ich es nun als gewiß an, daß ich den nächsten Winter in Berlin zubringen werde, und freue mich, daß Du mich auf eine so schöne Art dazu ermunterst, und eine wirklich nicht geringe Sorge von meinem Herzen nehmen willst. Als Vorschuß betrachtet nehme ich Dein Anerbiethen an. Denn Du fühlst es wohl in meiner Seele, daß ich als ein gesunder und rüstiger Mann noch lange nicht genug thue, wenn ich bloß für mich selbst sorge, und dies zum aller wenigsten liegt mir also ob. Wärst Du der Reichen einer, so könnte ich mit gutem Bewußtseyn annehmen, was Deine Hand mir darböthe: denn unsere Meynung von dem Golde ist nicht die des reichen Pöbels, und hat nur seinen Werth in der freien Gesinnung des Mannes. Ich [5] habe mein jetzt so isoliertes Leben auch nicht verschuldet, und wenn mich unlautere Menschen von Zwecken entfernten und von Mitteln entblößten – beides für Augenblicke wenigstens – so darf ich mit gutem Gewissen wol zu Freunden meine Zuflucht nehmen, die mir frei und entgegenkommend ihre Arme öffnen. Zwar liegt es in der Armseligkeit unsrer gesellschaftlichen Verhältnisse, daß viel eher ein Kamel durch ein Nadelöhr krieche, als daß ein Reicher der Freund eines Armen sey: denn das eine höbe nothwendig das andere auf, weil sich Freunde nicht theilweise nur angehören können. Allein quod satis est, und noch ein ganz wenig drüber, das hat der eine oder andere doch leicht für Augenblicke wenigstens, und von einem solchen kann ich annehmen, was seine freie Seele mir darbiethet. Wir sind dennoch die Reichen unter den Menschenkindern durch unser lebendiges Vermögen in den göttlichen Ideen, und betteln und stehlen nicht wie die Dienstbothen der Gesellschaft, die für ein Stück Pergament ihr Leben verdungen haben und nun mit endlichen Größen wuchern, um das Unendliche zu gewinnen.
Meinen Gedanken über das Geld hast Du in ein treffliches Licht gestellt. Ich habe den löblichen Vorsatz, noch einmal öffentlich darüber zu reden. Denn hier eben finde ich den faulen Fleck, und den Ort, wo, [6] deutsch zu reden, der große Hund begraben liegt. Es ist wirklich eine Schande, wie das edle lichte Gold durch unsaubere Hände so entweiht und beschmutzt wird. Aber unsre Nachkommen müssen wissen, daß zur Zeit der tiefsten Knechtschaft auch noch freie Männer lebten, und darum laß uns ein Feuer anzünden und das Sonnenlicht der Erde wieder frei machen und klar, daß unsre Nachkommen uns segnen, wenn sie die Altäre wieder aufbauen und die hohen Tempel der Götter. Das war der Unsterblichen Wille, von den goldnen Kuppeln sollte ihre Herrlichkeit zurückstrahlen und der Tag sich verklären, der ihnen durch Feste geweiht würde.
Wann wird sie zurückkehren diese goldne Zeit des Lebens. Ich sehne mich oft recht innig nach den höhern Räumen des Himmels, um meinen Sokrates zu finden und seine Diotima, durch deren Weisheit all das Heilige bestehen und das freie selige Leben gewonnen werden kann. Für diese Tage unter der Sonne muß man sich mit Ahndungen begnügen, in denen noch allein sich die Götter uns nahen, verkündend ihre Gerechtigkeit und ihre ewige Liebe. Das weitere unsers Lebens ist eine kraße Wirklichkeit, die nahe an den Tod gränzt, wie alles Entgegengesetzte der Ideen, und recht eigentlich ein Exempel aus der Regel de tri, das mit einem lächerlichen Ernst die Menschen sich freiwillig [7] aufgeben. Der erste Satz ist der Stand, der zweite die Würde, der dritte das Vermögen, das durch Stand und Würde gesucht werden muß. Wir armen Gelehrten sind dabei unglücklicher Weise in die Brüche gerathen, die zwar das mehrste Kopfbrechen aber das wenigste Fazit machen. Indeß stehen wir durch uns selbst doch allen Fürsten voran, und Grafen und Barone bitten bei uns um Allmosen, damit sie nur standesgemäß klug werden mögen.
Ich freue mich, daß die Muse Deine Werke so schön fördert. Sey Du nur nicht unzufrieden mit dem Gewinn, und sorge bei dem allen für Deine Gesundheit damit die Harmonie nicht gestöhrt werde, die Deinen Geist frei erhalten muß. Ich habe meinen Vorsatz noch nicht ausführen können etwas für die Europa auszuarbeiten. Vielleicht kann ich in diesen 8 Tagen, da ich in Görtzke bleibe, so viel freie Muße und Ruhe des Geistes gewinnen. Der Weltbürger, meynte ich, würde in dieser Zeitschrift einen Platz verdienen können. Er bezeichnet wenigstens, so viel ich sehe, das grosse Ideal aller gesellschaftlichen Tendenzen, und hält das eigentliche und wahre Gleichgewicht von Europa, das eine engherzige Politik, die den Menschen in seinen beschränktesten Verhältnissen nur zum Zweck hat, immer [8] verfehlen wird. Ich will nichts versprechen, aber mir selbst wird es eine grosse Freude seyn, wenn ich meinen Vorsatz ausführen kann. Deine Antwort will ich demnach wieder in Premmnitz erwarten. Schreibe du mir nicht viel damit Du die kurze Zeit noch benutzen kannst, um dein Versprechen zu erfüllen. Bernhardi ist nun wahrscheinlich schon wieder bei Dir. Grüße ihn freundlichst von mir, und so Du nach Dresden schreibst thue desgleichen auch dort. Wenn es möglich ist, komme ich bald wieder auf einige Tage nach Berlin. Ich dürfte dazu nur eine gute Gelegenheit erhalten, so würde ich es sicher ausführen. Noch eine Frage mögest Du mir beantworten. Böhlendorf, der sich längere Zeit in Berlin aufgehalten, ist kürzlich in Knechtesgestalt zu meinem Berger nach Seekamp gekommen und hat die bittersten Klagen über Berlin und Potsdam geführt. Er will öffentlich beschimpft und verfolgt worden seyn, und hat besonders Kotzebue und Merkel als seine größten Feinde genannt. Berger schreibt mir, er könne das Schicksal dieses Mannes aus seiner eignen Erzählung noch nicht begreifen: nur sehe er ihn höchst unglücklich, und er wünscht daher durch mich nähere Aufschlüsse zu erhalten. Mir kommt die Sache sehr verdächtig vor. Denn Kotzebue und Merkel sollte billig doch der Teufel holen, wie z.B. Du sie geholt hast – wenn sie einen ehrlichen Mann verfolgen wollten. Hast Du etwas gehört, so theile die Nachricht mir mit, und erkundige Dich allenfalls noch bei den Stadtgerichten. Adieu! Ewig
Dein A. Hülsen
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