• August Böckh to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 15.04.1810 bis 24.04.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Böckh
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.04.1810 bis 24.04.1810
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 124‒126.
  • Incipit: „Heidelberg d. 15. April [18]10
    Ew. Wohlgeboren gefälliges Schreiben vom 2ten April habe ich vor etlichen Tagen erhalten, und ich eile, ehe [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,A,14,3
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,4 x 12 cm
    Language
  • German
Heidelberg d. 15. April [18]10
Ew. Wohlgeboren gefälliges Schreiben vom 2ten April habe ich vor etlichen Tagen erhalten, und ich eile, ehe ich eine kleine Reise antrete, dasselbe zu beantworten. Nicht unerfreulich war es mir zu sehen, daß Sie und Hr v. Barante auf meinen Vorschlag so viel Gewicht legten; desto mehr muß ich aber nunmehr bedauern, daß derselbe ohne Wirkung bleiben muß. Ich hatte denselben gemacht, ohne, wie natürlich, mit dem Secretär unserer Jahrbücher zu sprechen; letzteres konnte ich um so weniger thun, da ich in dem von Ihnen berichtigten Irrthum stand, als ob die Stadt Napoleon und Napoleonville wie in dem Nahmen, so auch in der Wirklichkeit einerley sey und also Hr v. Chamisso die beste Aushülfe oder wenigstens Auskunft würde geben können. Jedoch konnte ich kaum zweifeln, daß der Secretär auf den Antrag eingehen würde, zumahl da seine Einkünfte ziemlich gering sind; mit Verwundern habe ich aber nunmehr das Gegentheil gehört. Er will Heidelberg nicht verlassen, hat eine kleine Anstellung an der Universitätsbibliothek erhalten, von welcher er sich zukünftig wohl mehr verspricht; dann will er hier promoviren und sich habilitiren: der Vorschlag paßte also in seine Plane nicht, wie ich dachte. Ob ich übrigens gleich überzeugt bin, daß er seine Stelle ausgefüllt haben würde, so muß ich doch bemerken, daß Hrn v. Baranteʼs Grund, weshalb er ihn für so paßlich und tauglich hält, ich meine den, welchen er von unsern Jahrbüchern hernimmt, darum unstatthaft ist, weil, wie Sie leicht denken können, bey der vielfachen Zusammensetzung der Redaction aus so vielen Professoren, die Geschäfte des Secretärs mehr oder vielmehr beynahe ganz auf mechanische Arbeiten beschränkt sind.
Da ich Ihnen also auf diese Weise nicht dienen konnte, so habe ich versucht, Sie vielleicht auf andere Art zu befriedigen; ob dieses der Fall seyn werde oder nicht, muß sich aus dem Erfolg meiner Vorschläge bey Ihnen und dem Manne, welchen ich meine, ergeben: dieser ist nehmlich Hr. Adolph Wagner in Leipzig, welcher mit dem benannten Secretär genau bekannt ist, und gegen den der Umstand, daß er zu Leipzig wohnt, wohl kein hinreichendes Vorurtheil begründen dürfte. Er ist ein Mann von mannigfaltigen Kenntnissen in der Griechischen und Römischen, sodann in der neuern Litteratur, sowohl der Deutschen als der ausländischen. Man hat von ihm eine Ausgabe von Euripides Alcestis, die freylich werthlos, aber auch schon 1800. erschienen ist, eine gute Übersetzung des Cäsar; eine Übersetzung des humoristischen James Beresford über das menschliche Elend; eine Vergleichung des Dante, Petrarca und Boccaccio mit Göthe, Schiller und Wieland, und mehrere andere Kleinigkeiten, welche mir unbekannt und in Zeitschriften zerstreut sind. Zudem ist er ein sehr guter Musiker, besonders Sänger, und als letzterer so ausgezeichnet, daß ihm schon eine sehr bedeutende Stelle in der Capelle zu Dresden war angetragen worden. Sonst soll er ruhigen und stillen Wesens seyn. Wenn er den Vorschlag annähme, so glaube ich, daß Hr v. Barante alle Ursache hätte, mit der Wahl zufrieden zu seyn; es müßten sich denn Umstände finden, welche sich nicht voraus berücksichtigen ließen. Ich werde, sobald ich Antwort erhalte, die Ehre haben Ihnen das Resultat mitzutheilen, und dann, im Beiahungsfalle von seiner Seite, Ihre Endnachricht abwarten. Sollte auch diese Bemühung fruchtlos seyn, so werden Sie sich wenigstens von meiner Bereitwilligkeit, Ihnen zu dienen, überzeugt haben.
Für Ihre gütige Aufmerksamkeit auf meine Schrift über die Griechischen Tragiker sage ich Ihnen den aufrichtigsten Dank; ich wünsche, daß sich Ihnen vieles von dem bewähren möge, was ich in derselben, scheinbar fragmentarisch, aber doch in engem Zusammenhange vorgetragen habe. Ihre Reisen schneiden mir die Hoffnung ab, daß meine kürzlich erschienene Abhandlung über die Versmaße des Pindar Sie erreichen könnte; da Sie sich für diese Gegenstände stets interessirt haben, und wie Ihre Recension des Ariost zeigt, noch eben so lebhaft interessiren so würde mir Ihr Urtheil viel werth seyn; und vielleicht wären Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen, welche hier und da neues Licht verbreiten, nicht ganz gleichgültig, da sie für Pindar und die Tragiker, nebst dem Aristophanes, für die Chöre von wichtigen Folgen sind. Wolf hat die Chöre in den Wolken des Aristophanes nach diesen Grundsätzen geordnet und übersetzt; er hat mir vor einigen Wochen eine Parthie Proben dieser Übersetzung zugeschickt, welche mit unglaublicher Leichtigkeit, Feinheit und Geist geschrieben sind, in einem ganz andern Ton, als die steifen Voßischen Übersetzungen. Man sollte kaum glauben, daß der Kritiker des Homer, der überhaupt sonst selten übersetzt hat, sich auch auf diesem Felde mit solcher Gewandtheit bewegen könnte. Wiewohl er, nach seiner Weise, mit dieser Übersetzung etwas geheim thut, so wird er sie wahrscheinlich doch herausgeben, und vielen dadurch gewiß einen großen Genuß gewähren.
Indem ich Ew. Wohlgeboren zugleich noch einmahl bemerke, daß ich in wenigen Tagen wegen der benannten Angelegenheit Ihnen wieder zu schreiben die Ehre haben werde, unterzeichne ich mich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung
Ew. Wohlgeboren
gehorsamer Diener
Böckh

Nachschrift vom 24. April.
Da dieser Brief, welchen ich Hrn Zimmer zur Besorgung gegeben hatte, bis ietzo liegen geblieben ist, so bin ich nun im Stande, Ihnen die versprochene Antwort zu geben. Hr Wagner kann sich, was ich sehr natürlich finde, nicht gleich entschließen, sondern verlangt bis Pfingsten Bedenkzeit; doch meint er, daß er den Antrag eher annehmen als ausschlagen werde. Jedoch wünscht er, daß das Reisegeld vorher bestimmt wäre: auch wünscht er zu wissen, ob Hr v. Barante Deutsche Bücher genug habe; und im Falle daß dieses nicht sey, auf welche Art er die seinigen nach Frankreich bringen könne, da die Grenzen, wie Sie wissen werden, schon ietzo gesperrt seyn sollen. Haben Sie die Güte, auf diese Puncte Rücksicht zu nehmen, und bald zu antworten Ihrem
ergebensten
B.[öckh]
Heidelberg d. 15. April [18]10
Ew. Wohlgeboren gefälliges Schreiben vom 2ten April habe ich vor etlichen Tagen erhalten, und ich eile, ehe ich eine kleine Reise antrete, dasselbe zu beantworten. Nicht unerfreulich war es mir zu sehen, daß Sie und Hr v. Barante auf meinen Vorschlag so viel Gewicht legten; desto mehr muß ich aber nunmehr bedauern, daß derselbe ohne Wirkung bleiben muß. Ich hatte denselben gemacht, ohne, wie natürlich, mit dem Secretär unserer Jahrbücher zu sprechen; letzteres konnte ich um so weniger thun, da ich in dem von Ihnen berichtigten Irrthum stand, als ob die Stadt Napoleon und Napoleonville wie in dem Nahmen, so auch in der Wirklichkeit einerley sey und also Hr v. Chamisso die beste Aushülfe oder wenigstens Auskunft würde geben können. Jedoch konnte ich kaum zweifeln, daß der Secretär auf den Antrag eingehen würde, zumahl da seine Einkünfte ziemlich gering sind; mit Verwundern habe ich aber nunmehr das Gegentheil gehört. Er will Heidelberg nicht verlassen, hat eine kleine Anstellung an der Universitätsbibliothek erhalten, von welcher er sich zukünftig wohl mehr verspricht; dann will er hier promoviren und sich habilitiren: der Vorschlag paßte also in seine Plane nicht, wie ich dachte. Ob ich übrigens gleich überzeugt bin, daß er seine Stelle ausgefüllt haben würde, so muß ich doch bemerken, daß Hrn v. Baranteʼs Grund, weshalb er ihn für so paßlich und tauglich hält, ich meine den, welchen er von unsern Jahrbüchern hernimmt, darum unstatthaft ist, weil, wie Sie leicht denken können, bey der vielfachen Zusammensetzung der Redaction aus so vielen Professoren, die Geschäfte des Secretärs mehr oder vielmehr beynahe ganz auf mechanische Arbeiten beschränkt sind.
Da ich Ihnen also auf diese Weise nicht dienen konnte, so habe ich versucht, Sie vielleicht auf andere Art zu befriedigen; ob dieses der Fall seyn werde oder nicht, muß sich aus dem Erfolg meiner Vorschläge bey Ihnen und dem Manne, welchen ich meine, ergeben: dieser ist nehmlich Hr. Adolph Wagner in Leipzig, welcher mit dem benannten Secretär genau bekannt ist, und gegen den der Umstand, daß er zu Leipzig wohnt, wohl kein hinreichendes Vorurtheil begründen dürfte. Er ist ein Mann von mannigfaltigen Kenntnissen in der Griechischen und Römischen, sodann in der neuern Litteratur, sowohl der Deutschen als der ausländischen. Man hat von ihm eine Ausgabe von Euripides Alcestis, die freylich werthlos, aber auch schon 1800. erschienen ist, eine gute Übersetzung des Cäsar; eine Übersetzung des humoristischen James Beresford über das menschliche Elend; eine Vergleichung des Dante, Petrarca und Boccaccio mit Göthe, Schiller und Wieland, und mehrere andere Kleinigkeiten, welche mir unbekannt und in Zeitschriften zerstreut sind. Zudem ist er ein sehr guter Musiker, besonders Sänger, und als letzterer so ausgezeichnet, daß ihm schon eine sehr bedeutende Stelle in der Capelle zu Dresden war angetragen worden. Sonst soll er ruhigen und stillen Wesens seyn. Wenn er den Vorschlag annähme, so glaube ich, daß Hr v. Barante alle Ursache hätte, mit der Wahl zufrieden zu seyn; es müßten sich denn Umstände finden, welche sich nicht voraus berücksichtigen ließen. Ich werde, sobald ich Antwort erhalte, die Ehre haben Ihnen das Resultat mitzutheilen, und dann, im Beiahungsfalle von seiner Seite, Ihre Endnachricht abwarten. Sollte auch diese Bemühung fruchtlos seyn, so werden Sie sich wenigstens von meiner Bereitwilligkeit, Ihnen zu dienen, überzeugt haben.
Für Ihre gütige Aufmerksamkeit auf meine Schrift über die Griechischen Tragiker sage ich Ihnen den aufrichtigsten Dank; ich wünsche, daß sich Ihnen vieles von dem bewähren möge, was ich in derselben, scheinbar fragmentarisch, aber doch in engem Zusammenhange vorgetragen habe. Ihre Reisen schneiden mir die Hoffnung ab, daß meine kürzlich erschienene Abhandlung über die Versmaße des Pindar Sie erreichen könnte; da Sie sich für diese Gegenstände stets interessirt haben, und wie Ihre Recension des Ariost zeigt, noch eben so lebhaft interessiren so würde mir Ihr Urtheil viel werth seyn; und vielleicht wären Ihnen die Resultate meiner Untersuchungen, welche hier und da neues Licht verbreiten, nicht ganz gleichgültig, da sie für Pindar und die Tragiker, nebst dem Aristophanes, für die Chöre von wichtigen Folgen sind. Wolf hat die Chöre in den Wolken des Aristophanes nach diesen Grundsätzen geordnet und übersetzt; er hat mir vor einigen Wochen eine Parthie Proben dieser Übersetzung zugeschickt, welche mit unglaublicher Leichtigkeit, Feinheit und Geist geschrieben sind, in einem ganz andern Ton, als die steifen Voßischen Übersetzungen. Man sollte kaum glauben, daß der Kritiker des Homer, der überhaupt sonst selten übersetzt hat, sich auch auf diesem Felde mit solcher Gewandtheit bewegen könnte. Wiewohl er, nach seiner Weise, mit dieser Übersetzung etwas geheim thut, so wird er sie wahrscheinlich doch herausgeben, und vielen dadurch gewiß einen großen Genuß gewähren.
Indem ich Ew. Wohlgeboren zugleich noch einmahl bemerke, daß ich in wenigen Tagen wegen der benannten Angelegenheit Ihnen wieder zu schreiben die Ehre haben werde, unterzeichne ich mich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung
Ew. Wohlgeboren
gehorsamer Diener
Böckh

Nachschrift vom 24. April.
Da dieser Brief, welchen ich Hrn Zimmer zur Besorgung gegeben hatte, bis ietzo liegen geblieben ist, so bin ich nun im Stande, Ihnen die versprochene Antwort zu geben. Hr Wagner kann sich, was ich sehr natürlich finde, nicht gleich entschließen, sondern verlangt bis Pfingsten Bedenkzeit; doch meint er, daß er den Antrag eher annehmen als ausschlagen werde. Jedoch wünscht er, daß das Reisegeld vorher bestimmt wäre: auch wünscht er zu wissen, ob Hr v. Barante Deutsche Bücher genug habe; und im Falle daß dieses nicht sey, auf welche Art er die seinigen nach Frankreich bringen könne, da die Grenzen, wie Sie wissen werden, schon ietzo gesperrt seyn sollen. Haben Sie die Güte, auf diese Puncte Rücksicht zu nehmen, und bald zu antworten Ihrem
ergebensten
B.[öckh]
×
×