• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Unknown · Date: 12.05.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 12.05.1810
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 127‒128.
  • Incipit: „[1] Paris d 12ten Mai [1810]
    Wenn ich Ihnen nicht unverzüglich geantwortet mein theurer Freund, so habe ich doch nicht gezögert Ihnen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,10
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U. Henriette M.
  • Format: 18,8 x 11,9 cm
    Language
  • German
[1] Paris d 12ten Mai [1810]
Wenn ich Ihnen nicht unverzüglich geantwortet mein theurer Freund, so habe ich doch nicht gezögert Ihnen die verlangten Bücher herbeizuschaffen und dies ist mir nur zum Theil gelungen. Frau v. Staël erhält alles was sie verlangt. Für Sie lieber Freund, habe ich bis jezt nur den Sulzer finden können, ein spanisch französisches Wörterbuch habe ich allerdings und sende es Ihnen, ich fürchte aber es wird für Sie nicht vollständig und gelehrt genug sein. – Die Charakteristiken soll ich in den nächsten Tagen bekommen, Koreff will mir auch seinen Shakespear senden, den er in diesem Augenblick einem Freunde geliehen, es wäre nicht überflüßig, wenn Ihnen daran liegt, ihn anzutreiben. Sie kennen seine Gefälligkeit aber auch sein ausgezeichnetes Talent zur Nachläßigkeit in solchen Dingen. Zu den spurious plays habe ich keine Hoffnung, da mögen Sie Ihre mächtigeren Freunde in Bewegung sezen, ich höre daß in der Bibliothek des Prinzen v. Benevent die vollständigste Ausgabe sich befindet, bis dahin [2] reiche ich aber nicht – Obwohl ich selbst es für unnöthig halte, so will ich Ihnen doch die größte Sorgfalt für die Bücher und Treue im Zurücksenden empfehlen, das gehört zu meinem ängstlichen Wesen, übrigens aber sind mir diese Bücher auf die Seele gebunden. Und nun arbeiten Sie recht fleißig und laßen Sie Sich von den schönen Frauen in der Gesellschaft, von der Jahrszeit und den Nachtigallen nicht zum far niente verführen, es sind ja doch nur französische Nachtigallen, und Ihre deutsche Prosa klingt besser! – Ich habe die Chézy in diesen Tagen gesehn, sie arbeitet fleißig und mit Anstrengung, sie meint sie habe alles was sie bis jezt geschrieben sehr glücklich umgeändert, und dazu habe ihr Hemsterhuys verholfen den sie ließt. Über ihre Lage und ihren Entschluß haben Ihr Bruder und Dorothea ihr sehr freundschaftlich geschrieben, sie widerrathen die Reise nach Wien, aus mehreren Gründen. Ich sehe für die arme Frau und den unglücklichen kleinen Geschöpfen kein Heil, sie hat meinen Rath befolgt, und Friedrich, den Chézy sehr achtet, gebeten diesem zu schreiben [3] und ihm sein Unrecht und die traurige Lage der armen Frau recht dringend vorzustellen. Es wäre doch wohl das beste wenn sie ferner unter dem Schuze ihres Mannes leben könnte. – Sie erscheint mir unendlich unglücklich, aber freilich liegt in ihrem goldnen Leichtsinn und in der gewißen Höflichkeit von der wir gesprochen ein Lebensreiz der ihr die Beschwerden tragen hilft, und von dem ich keine Ahndung habe!
Ich habe unsern Freunden in Wien recht viel über Sie geschrieben, und mag es Ihnen nur hier mit kurzen Worten sagen, daß Sie mir bei Ihrem lezten Aufenthalt hier, liebenswürdiger als je erschienen sind. ich habe eine Rührung ein Reflektiren über sich selbst an Ihnen wahrgenommen, die freilich eben nicht von Frohsinn zeugen, die mir aber bei der etwas melankolischen Richtung meines Geistes recht besonders werth geworden, ich nehme recht herzlichen Antheil an Ihrem Geschick, mögen Sie Sich doch nur nicht von uns entfernen!
Mir ist es wohlthätig ja nöthig, daß Sie mir etwas aufmunterndes wohl gar schmeichel[4]haftes über meine Lebensweise sagen! Solche Augenblicke wo ich geliebte Freunde so wie Sie es mir sind sehe, sind die seltnen guten in meinem Leben, alles übrige ist Aufopferung Sorge und Mühe, doch ists schon Gewinn daß es eben nach aussen nicht so erscheint, auch bin ich nicht ohne gemüthliche Stunden in meiner Abgeschiedenheit, und alles läßt mich hoffen, daß sich in meinem Gemüth bald manches klarer und schöner entfalten wird, und mir dann die Sorgen des Lebens nicht mehr so drückend erscheinen werden.
Ich habe Humbold in diesen Tagen bei mir gesehn, es hat ihm besonders leid gethan, Sie nicht gesehn zu haben, er hielt es sogar für eine Art von Tücke, und wollte nicht glauben daß Sie ihn wirklich aufgesucht. Ich habe ihm versprochen seine Grüße an Sie zu bestellen.
Leben Sie wohl theurer Freund, ich bitte mich der Frau v. Stael zu empfehlen, doch ists auch wohl beßer ich schreibe selbst einige Worte.
adieu
Ihre
Henriette M.[endelssohn]

ich werde die Vorlesungen bei der nächsten Sendung zurückschicken.
[1] Paris d 12ten Mai [1810]
Wenn ich Ihnen nicht unverzüglich geantwortet mein theurer Freund, so habe ich doch nicht gezögert Ihnen die verlangten Bücher herbeizuschaffen und dies ist mir nur zum Theil gelungen. Frau v. Staël erhält alles was sie verlangt. Für Sie lieber Freund, habe ich bis jezt nur den Sulzer finden können, ein spanisch französisches Wörterbuch habe ich allerdings und sende es Ihnen, ich fürchte aber es wird für Sie nicht vollständig und gelehrt genug sein. – Die Charakteristiken soll ich in den nächsten Tagen bekommen, Koreff will mir auch seinen Shakespear senden, den er in diesem Augenblick einem Freunde geliehen, es wäre nicht überflüßig, wenn Ihnen daran liegt, ihn anzutreiben. Sie kennen seine Gefälligkeit aber auch sein ausgezeichnetes Talent zur Nachläßigkeit in solchen Dingen. Zu den spurious plays habe ich keine Hoffnung, da mögen Sie Ihre mächtigeren Freunde in Bewegung sezen, ich höre daß in der Bibliothek des Prinzen v. Benevent die vollständigste Ausgabe sich befindet, bis dahin [2] reiche ich aber nicht – Obwohl ich selbst es für unnöthig halte, so will ich Ihnen doch die größte Sorgfalt für die Bücher und Treue im Zurücksenden empfehlen, das gehört zu meinem ängstlichen Wesen, übrigens aber sind mir diese Bücher auf die Seele gebunden. Und nun arbeiten Sie recht fleißig und laßen Sie Sich von den schönen Frauen in der Gesellschaft, von der Jahrszeit und den Nachtigallen nicht zum far niente verführen, es sind ja doch nur französische Nachtigallen, und Ihre deutsche Prosa klingt besser! – Ich habe die Chézy in diesen Tagen gesehn, sie arbeitet fleißig und mit Anstrengung, sie meint sie habe alles was sie bis jezt geschrieben sehr glücklich umgeändert, und dazu habe ihr Hemsterhuys verholfen den sie ließt. Über ihre Lage und ihren Entschluß haben Ihr Bruder und Dorothea ihr sehr freundschaftlich geschrieben, sie widerrathen die Reise nach Wien, aus mehreren Gründen. Ich sehe für die arme Frau und den unglücklichen kleinen Geschöpfen kein Heil, sie hat meinen Rath befolgt, und Friedrich, den Chézy sehr achtet, gebeten diesem zu schreiben [3] und ihm sein Unrecht und die traurige Lage der armen Frau recht dringend vorzustellen. Es wäre doch wohl das beste wenn sie ferner unter dem Schuze ihres Mannes leben könnte. – Sie erscheint mir unendlich unglücklich, aber freilich liegt in ihrem goldnen Leichtsinn und in der gewißen Höflichkeit von der wir gesprochen ein Lebensreiz der ihr die Beschwerden tragen hilft, und von dem ich keine Ahndung habe!
Ich habe unsern Freunden in Wien recht viel über Sie geschrieben, und mag es Ihnen nur hier mit kurzen Worten sagen, daß Sie mir bei Ihrem lezten Aufenthalt hier, liebenswürdiger als je erschienen sind. ich habe eine Rührung ein Reflektiren über sich selbst an Ihnen wahrgenommen, die freilich eben nicht von Frohsinn zeugen, die mir aber bei der etwas melankolischen Richtung meines Geistes recht besonders werth geworden, ich nehme recht herzlichen Antheil an Ihrem Geschick, mögen Sie Sich doch nur nicht von uns entfernen!
Mir ist es wohlthätig ja nöthig, daß Sie mir etwas aufmunterndes wohl gar schmeichel[4]haftes über meine Lebensweise sagen! Solche Augenblicke wo ich geliebte Freunde so wie Sie es mir sind sehe, sind die seltnen guten in meinem Leben, alles übrige ist Aufopferung Sorge und Mühe, doch ists schon Gewinn daß es eben nach aussen nicht so erscheint, auch bin ich nicht ohne gemüthliche Stunden in meiner Abgeschiedenheit, und alles läßt mich hoffen, daß sich in meinem Gemüth bald manches klarer und schöner entfalten wird, und mir dann die Sorgen des Lebens nicht mehr so drückend erscheinen werden.
Ich habe Humbold in diesen Tagen bei mir gesehn, es hat ihm besonders leid gethan, Sie nicht gesehn zu haben, er hielt es sogar für eine Art von Tücke, und wollte nicht glauben daß Sie ihn wirklich aufgesucht. Ich habe ihm versprochen seine Grüße an Sie zu bestellen.
Leben Sie wohl theurer Freund, ich bitte mich der Frau v. Stael zu empfehlen, doch ists auch wohl beßer ich schreibe selbst einige Worte.
adieu
Ihre
Henriette M.[endelssohn]

ich werde die Vorlesungen bei der nächsten Sendung zurückschicken.
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