• August Wilhelm von Schlegel to Johann Wolfgang von Goethe

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Weimar · Date: 30.05.1800
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Weimar
  • Date: 30.05.1800
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe. Hg. v. Josef Körner u. Ernst Wieneke. Leipzig 1926, S. 104‒106.
  • Verlag: Insel Verlag
  • Incipit: „[1] Jena d. 30 May 1800
    Sie erhalten hiebey sehr heterogene Dinge: den neuen Band vom Shaksp., (nebst den beyden Exemplaren [...]“
    Manuscript
  • Provider: Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 28/805 St. 22
  • Provenance: Klassik Stiftung Weimar
    Language
  • German
[1] Jena d. 30 May 1800
Sie erhalten hiebey sehr heterogene Dinge: den neuen Band vom Shaksp., (nebst den beyden Exemplaren für Se. Durchlaucht, und H. Geheimen Rath Vogt) den ersten Gesang von meinem angefangnen Gedicht, und die Acten meiner Verunglimpfungs-Sache gegen den Hofr. Schütz.
Den beyden Blättern des Intell.[igenz-Blattes], welche gegen Schelling und mich gerichtet sind, habe ich, bloß zu Ihrer Unterhaltung, das vorhergehende mit dem angeblich anonymen Brief über die Verbesserung der ALZ hinzugefügt; das frühere aber, welches meinen Abschied von ihr enthält, damit Sie diesen mit dem, was ich darüber in der Klageschrift gesagt, zusammen halten können.
Ich wünschte, die Antworten vom Justizrath Hufeland und Hofrath Schütz in Abschrift zu erhalten, der Prorector glaubte sie mir aber nicht für sich zugestehen zu dürfen, und ich habe deswegen eine Bitte an den Akadem. Senat aufgesetzt.
Ihr Inhalt war: daß Hufeland sagte, [2] Schütz sey bloß als negotiorum gestor zu betrachten und habe von ihm kein besondres Mandatum zu demjenigen, worüber ich klage, gehabt, er rede ja dabey auch ganz in seiner eignen Person.
Schütz: als Herausgeber der ALZ. stünden sie nicht unter dem Akadem. Senat, sondern unter dem Herzoge unmittelbar; ferner sey jener hier nicht forum competens, endlich habe ich mir seine Angriffe, durch die in meinem Abschiede enthaltenen Beleidigungen, selbst zugezogen.
Dieß letzte ist nun schon in meiner Klageschrift hinlänglich widerlegt. Ich erklärte bloß, daß meine literarischen Maximen sich nicht mit den ihrigen vertrügen. Dieß haben die Redactoren schon in der Antwort darauf zum Überfluß bestätigt: denn die Maximen, welche sie dort als die ihrigen anerkennen, und deren Sinn Schelling so treffend entwickelt hat, sind ja eben dieselben, die ich misbilligte. Der Abscheu und die Wuth, welchen Hofr. Schütz gegen meine literarischen Maximen und Urtheile seitdem ausläßt, bestätigt dieß immer [3] noch mehr, beweist daß ich Recht daran that, mich damals von der LZ. zu trennen, und daß ich mich nur viel zu gelinde ausdrückte.
Bemerken Sie auch, daß die Sätze, welche Hofr. Schütz mir als so große Verbrechen anrechnet, nemlich über Garve u Wieland, in den gemeinschaftlich von mir und meinem Bruder unterzeichneten Artikeln gestanden haben, und auch wirklich von diesem herrühren.
Daß er mich verspottender Weise aufs Theater gebracht, ehe ich ihn auf irgend eine Weise gereizt hatte, (außer daß ich nicht an ihm heilige Autoritäten glaubte) gesteht er in den Briefen an mich, wie auch Nr. 57, pag. 478 so ziemlich ein. Verschiedne Personen haben mich versichert, es sey mit Nennung meines Namens geschehen; hievon würden aber schwerlich förmliche Zeugnisse zu schaffen seyn, da die gegenwärtigen Personen alle geladene Gäste waren, wie wohl ihre Zahl sich auf 70 belief. Genug, daß er meine Verspottung auf einem (noch dazu von der Regierung untersagten) Privat[4]theater, mit so vieler Selbstgefälligkeit öffentlich bekannt macht, indessen er wegen der ihm vorgeworfnen Spöttereyen über Fichte einen Injurienprozeß angefangen, beweist seine feste Überzeugung, ich sey völlig vogelfrey. Ich bedarf in der That als Schriftsteller keines höheren Schutzes; es würde mir daher auch gar nicht für mich leid thun, wenn er in diesem Glauben bestärkt werden sollte.
Das Decret des Akadem. Senats, was ich hier im Original beylege, ist nach Paulus Meynung gar nicht in den richtigen Ausdrücken den votis gemäß abgefaßt, indem Hufelands Sache darin von der des Hofr. Schütz hätte getrennt u unterschieden werden müssen. – Es ist wohl gar nicht in der Ordnung, daß der Richter dem Kläger angiebt, was er weiter zu thun habe, (besonders da mir der Akad. Senat in Ansehung Hufelands noch obendrein einen falschen Rath gegeben hätte) noch weniger, daß er Zweifel äußert ob es diesem wohl damit gelingen werde, wie doch in dem Decret geschieht.
Die Worte des Rescripts (wovon ich die erhaltne Abschrift zu Ihrer leichteren Übersicht der ganzen Sache gleich mitschicke) auf welche sich die Entscheidung des Senats bezieht: [5] „sobald Uns in Zukunft die Anzeige oder Kenntniß von einem Falle zukommt pp“ setzen nicht nothwendig voraus, daß der beleidigte Theil ein Memorial an des Herzogs Durchl. aufsetzen müßte, wenn die Sache nur sonst gehörigen Orts vorgetragen wird, und ich erwarte also hierüber Ihren weiteren gütigen Rath.
Genug von dieser unangenehmen Sache, die Schriften des Hofr. Schütz werden schon für sich selbst sprechen. Ob die Angriffe auf mich in dem zweyten Blatte, da ich unterdessen schon meine Klage über das erste eingegeben, nicht als eine zweyte Verunglimpfung anzusehen, überlasse ich Ihrer Beurtheilung.
Der Mahomet, den ich noch mit vielem Vergnügen gelesen und mit dem Original verglichen, ist nach Wien besorgt.
Über den Tristan bin ich voll Verlangen Ihr Urtheil zu erfahren; wenn wir uns doch mündlich darüber besprechen könnten! Ich habe Schillern gesagt, er würde ihn von Ihnen mitgetheilt erhalten. Es hat mich gefreut, nach so langer Zwischenzeit einmal wieder eine freundschaftliche Unterredung mit ihm zu haben.
[6] Ich werde Sie noch einmal um Ihren Spanischen Don Quixote ansprechen müssen. Leider habe ich mir das Buch immer noch nicht verschaffen können, und es kommen doch Anlässe vor, wieder zu diesem Studium zurückzukehren. Wenn ich ihn einmal bey Gelegenheit erhalten könnte, wäre mir sehr damit geholfen.
Die besten Empfehlungen von den unsrigen. Von Tieck wird wohl in einigen Wochen der Anfang seines poetischen Journals zum Vorschein kommen.
Leben Sie recht wohl.
AWSchlegel
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[1] Jena d. 30 May 1800
Sie erhalten hiebey sehr heterogene Dinge: den neuen Band vom Shaksp., (nebst den beyden Exemplaren für Se. Durchlaucht, und H. Geheimen Rath Vogt) den ersten Gesang von meinem angefangnen Gedicht, und die Acten meiner Verunglimpfungs-Sache gegen den Hofr. Schütz.
Den beyden Blättern des Intell.[igenz-Blattes], welche gegen Schelling und mich gerichtet sind, habe ich, bloß zu Ihrer Unterhaltung, das vorhergehende mit dem angeblich anonymen Brief über die Verbesserung der ALZ hinzugefügt; das frühere aber, welches meinen Abschied von ihr enthält, damit Sie diesen mit dem, was ich darüber in der Klageschrift gesagt, zusammen halten können.
Ich wünschte, die Antworten vom Justizrath Hufeland und Hofrath Schütz in Abschrift zu erhalten, der Prorector glaubte sie mir aber nicht für sich zugestehen zu dürfen, und ich habe deswegen eine Bitte an den Akadem. Senat aufgesetzt.
Ihr Inhalt war: daß Hufeland sagte, [2] Schütz sey bloß als negotiorum gestor zu betrachten und habe von ihm kein besondres Mandatum zu demjenigen, worüber ich klage, gehabt, er rede ja dabey auch ganz in seiner eignen Person.
Schütz: als Herausgeber der ALZ. stünden sie nicht unter dem Akadem. Senat, sondern unter dem Herzoge unmittelbar; ferner sey jener hier nicht forum competens, endlich habe ich mir seine Angriffe, durch die in meinem Abschiede enthaltenen Beleidigungen, selbst zugezogen.
Dieß letzte ist nun schon in meiner Klageschrift hinlänglich widerlegt. Ich erklärte bloß, daß meine literarischen Maximen sich nicht mit den ihrigen vertrügen. Dieß haben die Redactoren schon in der Antwort darauf zum Überfluß bestätigt: denn die Maximen, welche sie dort als die ihrigen anerkennen, und deren Sinn Schelling so treffend entwickelt hat, sind ja eben dieselben, die ich misbilligte. Der Abscheu und die Wuth, welchen Hofr. Schütz gegen meine literarischen Maximen und Urtheile seitdem ausläßt, bestätigt dieß immer [3] noch mehr, beweist daß ich Recht daran that, mich damals von der LZ. zu trennen, und daß ich mich nur viel zu gelinde ausdrückte.
Bemerken Sie auch, daß die Sätze, welche Hofr. Schütz mir als so große Verbrechen anrechnet, nemlich über Garve u Wieland, in den gemeinschaftlich von mir und meinem Bruder unterzeichneten Artikeln gestanden haben, und auch wirklich von diesem herrühren.
Daß er mich verspottender Weise aufs Theater gebracht, ehe ich ihn auf irgend eine Weise gereizt hatte, (außer daß ich nicht an ihm heilige Autoritäten glaubte) gesteht er in den Briefen an mich, wie auch Nr. 57, pag. 478 so ziemlich ein. Verschiedne Personen haben mich versichert, es sey mit Nennung meines Namens geschehen; hievon würden aber schwerlich förmliche Zeugnisse zu schaffen seyn, da die gegenwärtigen Personen alle geladene Gäste waren, wie wohl ihre Zahl sich auf 70 belief. Genug, daß er meine Verspottung auf einem (noch dazu von der Regierung untersagten) Privat[4]theater, mit so vieler Selbstgefälligkeit öffentlich bekannt macht, indessen er wegen der ihm vorgeworfnen Spöttereyen über Fichte einen Injurienprozeß angefangen, beweist seine feste Überzeugung, ich sey völlig vogelfrey. Ich bedarf in der That als Schriftsteller keines höheren Schutzes; es würde mir daher auch gar nicht für mich leid thun, wenn er in diesem Glauben bestärkt werden sollte.
Das Decret des Akadem. Senats, was ich hier im Original beylege, ist nach Paulus Meynung gar nicht in den richtigen Ausdrücken den votis gemäß abgefaßt, indem Hufelands Sache darin von der des Hofr. Schütz hätte getrennt u unterschieden werden müssen. – Es ist wohl gar nicht in der Ordnung, daß der Richter dem Kläger angiebt, was er weiter zu thun habe, (besonders da mir der Akad. Senat in Ansehung Hufelands noch obendrein einen falschen Rath gegeben hätte) noch weniger, daß er Zweifel äußert ob es diesem wohl damit gelingen werde, wie doch in dem Decret geschieht.
Die Worte des Rescripts (wovon ich die erhaltne Abschrift zu Ihrer leichteren Übersicht der ganzen Sache gleich mitschicke) auf welche sich die Entscheidung des Senats bezieht: [5] „sobald Uns in Zukunft die Anzeige oder Kenntniß von einem Falle zukommt pp“ setzen nicht nothwendig voraus, daß der beleidigte Theil ein Memorial an des Herzogs Durchl. aufsetzen müßte, wenn die Sache nur sonst gehörigen Orts vorgetragen wird, und ich erwarte also hierüber Ihren weiteren gütigen Rath.
Genug von dieser unangenehmen Sache, die Schriften des Hofr. Schütz werden schon für sich selbst sprechen. Ob die Angriffe auf mich in dem zweyten Blatte, da ich unterdessen schon meine Klage über das erste eingegeben, nicht als eine zweyte Verunglimpfung anzusehen, überlasse ich Ihrer Beurtheilung.
Der Mahomet, den ich noch mit vielem Vergnügen gelesen und mit dem Original verglichen, ist nach Wien besorgt.
Über den Tristan bin ich voll Verlangen Ihr Urtheil zu erfahren; wenn wir uns doch mündlich darüber besprechen könnten! Ich habe Schillern gesagt, er würde ihn von Ihnen mitgetheilt erhalten. Es hat mich gefreut, nach so langer Zwischenzeit einmal wieder eine freundschaftliche Unterredung mit ihm zu haben.
[6] Ich werde Sie noch einmal um Ihren Spanischen Don Quixote ansprechen müssen. Leider habe ich mir das Buch immer noch nicht verschaffen können, und es kommen doch Anlässe vor, wieder zu diesem Studium zurückzukehren. Wenn ich ihn einmal bey Gelegenheit erhalten könnte, wäre mir sehr damit geholfen.
Die besten Empfehlungen von den unsrigen. Von Tieck wird wohl in einigen Wochen der Anfang seines poetischen Journals zum Vorschein kommen.
Leben Sie recht wohl.
AWSchlegel
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