Ich habe schon sehr lange den innigen Wunsch, und ein rechtes Verlangen, Ihnen theurer Freund! einmal recht ausführlich über unsre Lage hier zu schreiben, denn so wie Friedrich sich gewöhnlich darüber ausläßt, ist es immer so dunkel und unbestimmt, daß Sie gewiß gar keinen rechten Begriff davon haben. Er liebt es nicht daß man rein von der Leber weg darüber spricht, theils weil ihm eine solche Darstellung immer sehr schlechte Empfindungen erregt, indem er sie aus zu großer Empfindlichkeit als einen Vorwurf für sich selber fühlt, theils auch weil er glaubt daß man seinen Freunden damit nur beschwerlich wird. Wenn das Letzte auch gewissermaßen wahr ist, so glaube ich doch daß man wiederum seinen Freunden deshalb nichts verhehlen muß, vielmehr ist man im Gewissen verbunden, denen welchen man Dankbarkeit schuldig ist nichts zu verhehlen, auch das Unangenehme nicht. Friedrich ließt alle meine Briefe, ich konnte also immer nicht dazu kommen Ihnen recht offen alles darzulegen, ohne ihn zu beleidigen; ich benutze aber jetzt die letzten Tage seiner Abwesenheit, da er in Baden ist, wo er seiner Gesundheit wegen die Kur braucht, um Ihnen einmal recht vertraulich allerlei zu erzählen. Seit den 8ten Mai bewohnen wir ein freundliches Gartenhaus in der Alservorstadt, dreiviertel Stunden weit von der Stadt. Wir haben den Winter in ein so elendes finsteres, und dumpfes Quartier zugebracht, welches ohne Zweifel den schädlichsten Einfluß auf Friedrichs Gesundheit (die sehr wankend ist) hatte, daß wir froh waren als der Hausherr uns zuletzt noch den Miethzins steigerte, und einen exorbitanten Preis verlangte, um vor uns selber einen Grund zu haben warum wir wieder ausziehen, seit meiner Ankunft in Wien zum achten Mal! Unsre jezige Wohnung ist wohlfeiler, sie kostet das ganze Jahr 600 fl. Papiergeld, für die nothwendigen Meublen müßen wir monatlich noch 50 fl zahlen, also monatlich 100 fl die Wohnung sammt Meubles, indessen haben wir uns mehreres, so wie Betten, Küchengeräth und mehr dergleichen selber anschaffen müßen. Für den Sommer ist diese Wohnung äußerst angenehm, und sehr heiter und gesund, im Winter aber werden wir sie unmöglich behalten können, denn sie liegt gar zu sehr von der Stadt entfernt, äußerst einsam und entlegen, von aller Hülfe entfernt, und Wind und Wetter zu sehr exponirt, wir würden nicht Holz genug anschaffen können. Wir waren sehr getrost hinaus gezogen, denn Friedrich hatte von Steigentesch das Versprechen erhalten, er wolle ihm bei einen böhmischen Fürsten eine Freywohnung in der Stadt nebst noch andern Emolumenten verschaffen, wofür er nichts zu thun haben sollte als des Fürsten Bibliotek in Ordnung zu halten, welches für Friedrich ein sehr angenehmes Geschäfft in Nebenstunden gewesen wäre, und wo bei ich ihm treulich hätte helfen wollen. Indessen traute ich diesem ganzen Projekt immer nicht, trotz allen herrlichen Versicherungen von Steigentesch, denn es kam darauf an einen andern, einen gewissen Maier, der Autor der Diana Sora, aus diesen Posten, nicht grade zu verdrängen, sondern nur abzuwarten daß er von selber ginge, weil er bei der Armee angestellt worden ist, zufolge seiner Landwehrischen Verdienste. Mir kam das verdächtig vor, Friedrich aber traute den Steigenteschʼschen Versicherungen, und richtig kömmt nun ein Schreiben von Steigentesch worin er meldet daß aus der ganzen Sache nichts würde; jener Maier habe den böhmischen Fürsten gegen Friedrich einzunehmen gewusst. Was dieser vortrefliche gegen Friedrich haben kann mag Gott wissen, im Grunde wird es nichts anders seyn als daß er nicht Lust hat seine gute Wohnung und die andern Vortheile einem andern zu überlassen, er wird sie behalten und wenn er zum Feldmarschall avancirte; eine gute Wohnung zu haben, die Nichts kostet, ist in Wien eine große Sache. Wie dem aber auch sey, wir bekommen sie nicht, und sind nun ziemlich niedergeschlagen über dies Mislingen. Wie viele Gänge, Visiten, und Billiette der arme Friedrich in mehr als hundert Projekten und Plänen schon vergeblich gemacht und geschrieben hat, die alle nicht gelangen, wie viel Zeit, und Laune zum Arbeiten ein solches Leben nimmt, vorzüglich Friedrich der nun einmal nicht mehr als eine Sache auf einmal bearbeiten kann, das können Sie sich denken, und am Ende hat man Nichts davon als unnütze Bekanntschaften, die nur zu hemmenden Rücksichten führen, Zerstreuung, verlohrne Zeit, und daß man nach und nach als bedürftig und hülfesuchend in aller Leute Mäuler kömmt! – Daß Friedrich am Oesterreichischen Beobachter keinen Antheil mehr hat wird er Ihnen wohl schon geschrieben haben. Ein gewisser Pilat, Secretär beim Grafen Metternich hat ihn auf eine äußerst insolente Art daraus verdrängt. Friedrich kann nicht gegen intriguiren, auch würde es hier nichts genutzt haben gegen einen Menschen der den Minister beständig umgiebt, sein alter Diener ist, jede seiner schwachen Augenblicke kennt und benutzt, dessen Privatgeschäffte bis ins genaueste Detail macht, kurz des Grafen rechte Hand und ihm ganz unentbehrlich ist. Mit allen diesen eine wahrhaft wieselartige Thätigkeit besitzt, er ist hier seit den wenigen Monaten nicht allein im Besitz des oesterreichischen Beobachters den er ganz allein ohne alle Hülfe redigirt, der täglich erscheint, er censirt die Wiener Zeitung, hat sich des Theaters bemeistert für welchem er Dramen bearbeitet, und zustutzt, oder übersetzt; besorgt des Grafen Privat Correspondenz und alle seine eigne Geschäffte, führt dabei selber eine sehr ausgebreitete Correspondenz, liest alles Neue was erscheint, und macht Uebersetzungen für alle Buchhändler. Dabei ist er in allen Gesellschaften, kennt jedermann, und ist der geldgierigste eigennützigste Bursche für sich und für seinen Herrn, den man in ganz Frankreich und Deutschland finden kann; Halten Sie es nach dieser Beschreibung die sehr getreu ist, für möglich daß unser edler Elephant mit diesem wieselartigen Spitz concurire, diesen AllChemiker der alle Wissenschaft und alle Kenntniß durch sich hin wie durch ein Sieb in den goldmacher Schmelztiegel laufen läßt, während jener alles in sich auf nimmt und festhält, und zu Fleisch und Blut werden läßt? Mit dem Eigennutz wird Friedrich nie nach einem Ziele rennen! – Diese ZeitungsEinnahme hatte er indessen bald verschmerzt, weil der Auftrag im Grunde genommen ihn nur drückte, und von allen Seiten seiner unwürdig war; man versprach ihm eine Schadloshaltung, andre Aufträge, aber es ist noch von allen dem nichts erfolgt, und mir kömmt jetzt nicht undeutlich vor als suche man absichtlich ihn von allen Seiten zu entfernen, und zu vergessen. Vielleicht regen sich die alten Widersacher wieder? viel wahrscheinlicher aber sind es vielmehr die allgemeinen Widersacher des Guten, die Propaganda der Antireligieusen, die jetzt hier ihr Wesen ganz offen treibt, in heilloser und sehr wirksamer Thätigkeit. Ich hoffe Sie werden nicht zu Jenen gehören die höchst gutmüthig, aber unbesonnen diese Propaganda und ihre Arbeiten leugnen! sie sind nur zu, nur zu gewiß! Friedrich ist hier ein Stein des Anstoßes und er wird entfernt, verleugnet, vergessen, und alle seine Thätigkeit und seine Kraft gehemmt. Er fühlt es, seine leidende Gesundheit, die er seit jenem unglücklichen Feldzuge ganz einbüßte wankt immer mehr, und wird ihm nicht bald geholfen, so ist seine Kraft gebrochen, und sein Auftrag für dieses Leben nicht halb erfüllt! – Freilich hätte er um es den Feinden saurer zu machen, rüstiger arbeiten, mehr schreiben müßen, seine Schwerfälligkeit nehmen sie zum Vorwande, ihn als unbrauchbar zu verrufen; aber wie ist dem abzuhelfen? eine schnellere Betriebsamkeit liegt einmal ganz und gar nicht in ihn, und wenn er sich übertreibt so wird er ganz kranck und stumpf, das haben wir während der Vorlesungen erlebt, wo er zuletzt so kranck ward, daß sein Zustand seitdem sich sehr verschlimmert. Und was würde auch das wohl helfen als es den Feinden nur sauer machen? sie würden andre Mittel und andre Beschuldigungen finden, die Wirkung bliebe aber immer dieselbe. Friedrich unterläßt unterdessen kein Mittel das ihm zu Gebote steht; er hat seine Vorlesungen mit ansehnlichem Geldverlust hier drucken lassen, um das Buch für die Oesterreicher wohlfeiler zu machen. Er hat es allen Gönnern überreicht, und noch soll ihm das erste freundliche Wort darüber gesagt werden! Wie ihn das niederschlägt begreifen Sie! – Die Pension erhält er noch immer fort, obgleich er keine Art von Gewissheit, oder irgend etwas schriftliches darüber erhalten kann, und [sie] vielleicht im nächsten Monath plötzlich aufhören kann, denn sie wird monathlich ausgezahlt. Sie würde unterdessen zum Leben hinreichen, denn sie beträgt jedesmal 625 fl; aber alle Lebensbedürfnisse steigen täglich höher, so daß diese 625 fl jetzt nicht mehr sind als 150 fl im vorigen halben Jahre waren. Die nothwendige Kleidung und Wäsche muß unterhalten werden (ich für meine Person besuche gar keine Gesellschaft um mich nicht anziehen zu dürfen), einiger Hausrath muß geschafft werden, wozu denn immer eine kleine Ausgabe nach der andern vom täglichen Hausbedarf abgeht; dieser tägliche Hausbedarf wird möglichst sparsam eingerichtet, doch erfordert er bei Friedrichs Kränklichkeit manche Ausgabe. Dann die Badekuren, Arzneyen usw. Friedrich ist wieder über 2000 fl schuldig. Es ist bei den täglich höher steigenden Preisen von der Pension allein nicht zu erschwingen, und andre Einkünfte werden immer rarer und sparsamer, da Friedrich bei seiner dauernden Kränklichkeit weniger noch als gewöhnlich die Arbeiten fördern kann, die immer dauernd nagenden Sorgen hinwiederum seine Gesundheit nicht verbessern, und in diesem Kreislauf von Mißlingen, Krankheit und Gram sehe ich des vortreflichen Mannes Untergang vor Augen ohne helfen zu können! Alle diese Oekonomischen und Finanziellen Uebel würde man indessen doch mit Geduld tragen, und so geschickt als möglich ausweichen wenn nur er selber hier erkannt, und nach Würden geschätzt und gebraucht würde! aber Wilhelm ich sage Ihnen das geschieht keinesweges, und er steht hier nicht an seinen Ort! er verbirgt es Ihnen, will es uns allen, und sich selber verbergen daß er hier nicht gut ist, ich darf ihm nie darüber meine Bemerkungen machen, ohne daß mich seine Tagelang dauernde tiefe Melancolie es mich nicht wieder bereuen ließe ihm aufmerksam auf etwas gemacht zu haben was er im Grunde recht gut sieht, aber sich verbergen will. Darum schreibe ich es Ihnen nun mein theuerster edler Freund, um meinem geängstigten Herzen Luft zu machen, und damit der theilnehmendste unter seinen Freunden im Reinen sey über das Schicksal des vortreflichen, des edelsten Mannes, ein Schicksal daß ich mir allein zu tragen nicht mehr zutraue, auch meine Kräfte sinken. Ich habe für mich keine Absichten, für mich giebt es in der Welt nichts daß ich erreichen möchte, als das Einzige diesen Mann auf der Stelle zu sehen wo er hingehört nemlich wo er wirken kann; aber ihn hier unterdrückt, verlassen, vergessen, und unbenützt zu sehen, das ertrage ich nicht! wäre es auch Eitelkeit was mich hier so rege macht – oft schelte ich mich selber so – wenn ich Friedrich selbst glücklich und thätig dabei sähe, ich würde auch diese Regung zu unterdrücken suchen; aber jeder Morgen sieht ihn trüber, und o mein Gott wie sollte ich diesen Geist mit Geduld ermatten sehen, ohne seine Sendung vollbracht zu haben! – Wilhelm jetzt flehe ich Ihre Hülfe an: Antworten Sie mir nicht, es bedarf Alles das keiner Antwort, sondern wenn es Ihnen irgend möglich ist, so kommen Sie her, oder geben Sie sich mit Friedrich irgendwo ein rendesvous. Herkommen ist aber am besten. Sie müßen selbst mit eignen Augen sehen und beurtheilen, ob er hier bleiben darf, oder ob er vielleicht nicht gar besser thäte mit Ihnen zu reisen! Bedenken Sie einmal diesen Vorschlag! und gefällt er Ihnen, so theilen Sie ihn Friedrich als Ihren eignen mit. Ich schreibe das nicht ohne die größte Beängstigung denn welche Trennung stände mir bevor – aber ich bin bereit. Charlotte hat mir einmal den Vorwurf gemacht, ich hätte keinen Sinn für Heimath, und dächte mit zu großer Leichtigkeit immer daran wieder weiter zu gehen: Hätten wir eine Heimath so würde ich wohl meinen Sinn dafür beweisen, aber ich kann nicht jeden Steinhaufen für unsre Heimath erkennen, und ich würde mich im Gegentheil für engherzig und albern halten, wenn ich aus Liebe für meine Bequemlichkeit, oder für nichtige zufällige Güter, Friedrich in einer Lage und an einem Orte festhalten wollte wo ich ihn erniedrigt und misshandelt sehe! – –
Gott erhalte Sie Geliebter Freund, was Sie auch thun mögen, nur nehmen Sie mir diesen Erguß meines geängsteten Gemüths nicht ungütig auf, und bleiben Sie unser Freund.
Dorothea.
Das Bad in Baden bekömt ihm ziemlich gut, doch fangen die Aerzte jetzt gar an von Verhärtungen in der Leber und vom Karlsbad zu reden. Gott wird ja wohl helfen!
Sollten Sie mir dennoch antworten wollen, so schreiben Sie mir blos unter der Adresse Frau Dorothea, dann noch ein Couvert darüber mit der Ueberschrift an Madame Frick. add: an die Frau Baronin v. Czerny, Singerstraße N° 951.