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Deinen Brief nr VIII erhielt ich in <span class="index-2755 tp-43500 ">Harburg</span>, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <span class="offset-4 ">mich</span> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <span class="index-5125 tp-30929 ">Lüneburgschen</span> Haide concipirt ist. – über Witz! – <span class="index-4810 tp-30933 ">Die andere</span> hatte ich schon einige Tage <span class="overstrike-1 ">zuvor ent</span> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <span class="notice-3076 ">[2]</span> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <span class="index-88 tp-30930 index-4083 tp-30932 ">Schiller</span><span class="index-4083 tp-30932 "> über </span><span class="index-4083 tp-30932 index-1402 tp-30931 ">Bürgers</span><span class="index-4083 tp-30932 "> Gedichte</span> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <span class="overstrike-1 ">nich</span> die sich noch immer erhalten <span class="offset-4 ">hat</span>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <span class="family-courier ">raison</span> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <span class="doc-3829 ">wovon ich Dir einmal schrieb</span>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <span class="notice-3077 ">[3]</span> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <span class="index-6526 tp-43501 ">Der Kriegssecretär Wehner</span> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <span class="notice-20916 ">r.</span> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In <span class="index-2755 tp-43502 ">Harburg</span> bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <span class="overstrike-1 ">scheint</span> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <span class="index-173 tp-43503 ">Hannöverschem</span> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<br><span class="notice-3078 ">[4]</span> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <span class="index-187 tp-30934 ">mein Bruder</span> und <span class="index-2286 tp-30935 ">Schwiegerin</span> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <span class="index-2755 tp-43504 ">Harburg</span> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <span class="index-149 tp-30936 ">Kantischen</span> Philosophie. <span class="index-2113 tp-30937 ">Gustchen</span> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <span class="index-3671 tp-30938 ">Minchen</span>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <span class="index-5255 tp-30940 ">Wilhelmsburg</span> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <span class="index-6527 tp-43505 ">Henning von der Hacht</span> u. <span class="index-6528 tp-43506 ">s. jungen Frau</span>. – Von da gieng ich nach <span class="index-98 tp-30939 ">Hamburg</span>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <span class="overstrike-1 ">die jetzt</span> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <span class="index-938 tp-43507 ">Schröder</span> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit <span class="index-187 tp-30941 ">meinem Bruder</span> eine kleine Reise durch die <span class="index-6524 tp-43508 ">Vierlande</span> theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft <span class="notice-3080 ">[5]</span> reißte ich auf der Post nach <span class="index-60 tp-30942 ">braunschweig</span>. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt <span class="overstrike-1 ">war</span> <span class="offset-4 ">habe</span>; <span class="overstrike-1 ">ob</span> – <span class="overstrike-1 ">sie</span> ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir <span class="index-2139 tp-30943 ">Henriette</span> schildern, der ich überhaupt den größten Theil <span class="overstrike-1 ">unser</span> der Correspondence mit Dir vorerst überlassen <span class="offset-4 ">will</span>, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.<br>Hier habe ich jezt <span class="index-2721 tp-30951 ">den Professor (jezt Hofrath) Moritz</span> kennen lernen, der auch gestern Abend mit <span class="index-1579 tp-30944 ">Rehbergs</span> <span class="index-6529 tp-43511 ">Dem. Kaisers</span> u. <span class="index-4942 tp-30945 ">Bialloblotzky</span> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <span class="notice-3079 ">[6]</span> sehr mißlich aus. – <span class="index-1874 tp-30946 ">Pape</span> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – <span class="cite tp-50184 ">Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten.</span> Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu <span class="index-5257 tp-30950 family-courier ">Hamsteede</span>. – <span class="index-255 tp-30948 index-264 tp-30949 ">Meine Eltern</span> befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. <span class="index-5256 tp-30947 ">Tante Caroline</span> ist gestern wieder abgereiset<br>Karl Schlegel', 'isaprint' => false, 'isnewtranslation' => true, 'statemsg' => 'betamsg23', 'cittitle' => 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/2097', 'description' => 'Johann Carl Fürchtegott Schlegel an August Wilhelm von Schlegel am 16.08.1791, Hannover, Amsterdam', 'adressatort' => 'Amsterdam <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4001783-7">GND</a>', 'absendeort' => 'Hannover <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4023349-2">GND</a>', 'date' => '16.08.1791', 'adressat' => array(), 'adrCitation' => 'August Wilhelm von Schlegel', 'absender' => array( (int) 4637 => array( 'ID' => '4637', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-02-24 16:54:07', 'timelastchg' => '2017-12-21 16:02:39', 'key' => 'AWS-ap-00gj', 'docTyp' => array( [maximum depth reached] ), '39_dbid' => '100799434', '39_name' => 'Schlegel, Johann Carl Fürchtegott', '39_geschlecht' => 'm', '39_gebdatum' => '1758-01-02', '39_geburtsort' => array( [maximum depth reached] ), '39_toddatum' => '1831-11-13', '39_sterbeort' => array( [maximum depth reached] ), '39_pdb' => 'GND', '39_beziehung' => 'Johann Carl Fürchtegott war ein Bruder August Wilhelm Schlegels.', '39_quellen' => 'ADB@http://www.deutsche-biographie.de/pnd100799434.html?anchor=adb@ WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D519-317-1@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. 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Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt <span class="overstrike-1 ">war</span> <span class="offset-4 ">habe</span>; <span class="overstrike-1 ">ob</span> – <span class="overstrike-1 ">sie</span> ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir <span class="index-2139 tp-30943 ">Henriette</span> schildern, der ich überhaupt den größten Theil <span class="overstrike-1 ">unser</span> der Correspondence mit Dir vorerst überlassen <span class="offset-4 ">will</span>, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.<br>Hier habe ich jezt <span class="index-2721 tp-30951 ">den Professor (jezt Hofrath) Moritz</span> kennen lernen, der auch gestern Abend mit <span class="index-1579 tp-30944 ">Rehbergs</span> <span class="index-6529 tp-43511 ">Dem. Kaisers</span> u. <span class="index-4942 tp-30945 ">Bialloblotzky</span> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <span class="notice-3079 ">[6]</span> sehr mißlich aus. – <span class="index-1874 tp-30946 ">Pape</span> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – <span class="cite tp-50184 ">Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten.</span> Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu <span class="index-5257 tp-30950 family-courier ">Hamsteede</span>. – <span class="index-255 tp-30948 index-264 tp-30949 ">Meine Eltern</span> befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. <span class="index-5256 tp-30947 ">Tante Caroline</span> ist gestern wieder abgereiset<br>Karl Schlegel', '36_xml' => '<p><milestone unit="start" n="3075"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3075"/> nr VIII <hi rend="family:Courier">accepi</hi> in <placeName key="2755"><hi rend="family:Courier">Harburg</hi></placeName>. – nr IX d. 2 Aug. an <persName key="255"><persName key="264">meine Eltern</persName></persName> ist eingegangen<lb/><hi rend="underline:1"><milestone unit="start" n="20878"/>VII</hi><note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Briefnummerierung des Schreibers</title></note><milestone unit="end" n="20878"/><hi rend="underline:1"></hi> <placeName key="173"><hi rendition="#PRSPreset1">Hannov</hi>.</placeName> d. 16 Aug. 1791<lb/>Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit <persName key="2139">Henrietten</persName> am 12 August Abends <placeName key="173">hier</placeName> wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in <placeName key="2755">Harburg</placeName>, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <hi rend="offset:4">mich</hi> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <placeName key="5125">Lüneburgschen</placeName> Haide concipirt ist. – über Witz! – <name key="4810" type="work">Die andere</name> hatte ich schon einige Tage <hi rend="overstrike:1">zuvor ent</hi> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <milestone unit="start" n="3076"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3076"/> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <name key="4083" type="work"><persName key="88">Schiller</persName> über <persName key="1402">Bürgers</persName> Gedichte</name> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <hi rend="overstrike:1">nich</hi> die sich noch immer erhalten <hi rend="offset:4">hat</hi>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <hi rend="family:Courier">raison</hi> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <ref target="fud://3829">wovon ich Dir einmal schrieb</ref>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <milestone unit="start" n="3077"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3077"/> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <persName key="6526">Der Kriegssecretär Wehner</persName> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <milestone unit="start" n="20916"/>r.<note type="Sachkommentar"><title>Reichstaler</title></note><milestone unit="end" n="20916"/> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In <placeName key="2755">Harburg</placeName> bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <hi rend="overstrike:1">scheint</hi> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <placeName key="173">Hannöverschem</placeName> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<lb/><milestone unit="start" n="3078"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3078"/> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <persName key="187">mein Bruder</persName> und <persName key="2286">Schwiegerin</persName> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <placeName key="2755">Harburg</placeName> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <persName key="149">Kantischen</persName> Philosophie. <persName key="2113">Gustchen</persName> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <persName key="3671">Minchen</persName>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <placeName key="5255">Wilhelmsburg</placeName> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <persName key="6527">Henning von der Hacht</persName> u. <persName key="6528">s. jungen Frau</persName>. – Von da gieng ich nach <placeName key="98">Hamburg</placeName>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <hi rend="overstrike:1">die jetzt</hi> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <persName key="938">Schröder</persName> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. 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Von Hamburg aus machte ich mit <anchor type="b" n="187" ana="11" xml:id="NidB30941"/>meinem Bruder<anchor type="e" n="187" ana="11" xml:id="NidE30941"/> eine kleine Reise durch die <anchor type="b" n="6524" ana="10" xml:id="NidB43508"/>Vierlande<anchor type="e" n="6524" ana="10" xml:id="NidE43508"/> theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft <milestone unit="start" n="3080"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3080"/> reißte ich auf der Post nach <anchor type="b" n="60" ana="10" xml:id="NidB30942"/>braunschweig<anchor type="e" n="60" ana="10" xml:id="NidE30942"/>. 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Kaisers<anchor type="e" n="6529" ana="11" xml:id="NidE43511"/> u. <anchor type="b" n="4942" ana="11" xml:id="NidB30945"/>Bialloblotzky<anchor type="e" n="4942" ana="11" xml:id="NidE30945"/> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <milestone unit="start" n="3079"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3079"/> sehr mißlich aus. – <anchor type="b" n="1874" ana="11" xml:id="NidB30946"/>Pape<anchor type="e" n="1874" ana="11" xml:id="NidE30946"/> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – <anchor type="b" n="6716" ana="16" xml:id="NidB50184"/>Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten.<anchor type="e" n="6716" ana="16" xml:id="NidE50184"/> Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. 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<span class="index-173 tp-43499 ">hier</span> wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in <span class="index-2755 tp-43500 ">Harburg</span>, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <span class="offset-4 ">mich</span> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <span class="index-5125 tp-30929 ">Lüneburgschen</span> Haide concipirt ist. – über Witz! – <span class="index-4810 tp-30933 ">Die andere</span> hatte ich schon einige Tage <span class="overstrike-1 ">zuvor ent</span> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <span class="notice-3076 ">[2]</span> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <span class="index-88 tp-30930 index-4083 tp-30932 ">Schiller</span><span class="index-4083 tp-30932 "> über </span><span class="index-4083 tp-30932 index-1402 tp-30931 ">Bürgers</span><span class="index-4083 tp-30932 "> Gedichte</span> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <span class="overstrike-1 ">nich</span> die sich noch immer erhalten <span class="offset-4 ">hat</span>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <span class="family-courier ">raison</span> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <span class="doc-3829 ">wovon ich Dir einmal schrieb</span>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <span class="notice-3077 ">[3]</span> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <span class="index-6526 tp-43501 ">Der Kriegssecretär Wehner</span> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <span class="notice-20916 ">r.</span> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In <span class="index-2755 tp-43502 ">Harburg</span> bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <span class="overstrike-1 ">scheint</span> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <span class="index-173 tp-43503 ">Hannöverschem</span> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<br><span class="notice-3078 ">[4]</span> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <span class="index-187 tp-30934 ">mein Bruder</span> und <span class="index-2286 tp-30935 ">Schwiegerin</span> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <span class="index-2755 tp-43504 ">Harburg</span> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <span class="index-149 tp-30936 ">Kantischen</span> Philosophie. <span class="index-2113 tp-30937 ">Gustchen</span> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <span class="index-3671 tp-30938 ">Minchen</span>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <span class="index-5255 tp-30940 ">Wilhelmsburg</span> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <span class="index-6527 tp-43505 ">Henning von der Hacht</span> u. <span class="index-6528 tp-43506 ">s. jungen Frau</span>. – Von da gieng ich nach <span class="index-98 tp-30939 ">Hamburg</span>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <span class="overstrike-1 ">die jetzt</span> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <span class="index-938 tp-43507 ">Schröder</span> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit <span class="index-187 tp-30941 ">meinem Bruder</span> eine kleine Reise durch die <span class="index-6524 tp-43508 ">Vierlande</span> theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft <span class="notice-3080 ">[5]</span> reißte ich auf der Post nach <span class="index-60 tp-30942 ">braunschweig</span>. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt <span class="overstrike-1 ">war</span> <span class="offset-4 ">habe</span>; <span class="overstrike-1 ">ob</span> – <span class="overstrike-1 ">sie</span> ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir <span class="index-2139 tp-30943 ">Henriette</span> schildern, der ich überhaupt den größten Theil <span class="overstrike-1 ">unser</span> der Correspondence mit Dir vorerst überlassen <span class="offset-4 ">will</span>, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.<br>Hier habe ich jezt <span class="index-2721 tp-30951 ">den Professor (jezt Hofrath) Moritz</span> kennen lernen, der auch gestern Abend mit <span class="index-1579 tp-30944 ">Rehbergs</span> <span class="index-6529 tp-43511 ">Dem. Kaisers</span> u. <span class="index-4942 tp-30945 ">Bialloblotzky</span> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <span class="notice-3079 ">[6]</span> sehr mißlich aus. – <span class="index-1874 tp-30946 ">Pape</span> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – <span class="cite tp-50184 ">Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten.</span> Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu <span class="index-5257 tp-30950 family-courier ">Hamsteede</span>. – <span class="index-255 tp-30948 index-264 tp-30949 ">Meine Eltern</span> befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. <span class="index-5256 tp-30947 ">Tante Caroline</span> ist gestern wieder abgereiset<br>Karl Schlegel' $isaprint = false $isnewtranslation = true $statemsg = 'betamsg23' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/2097' $description = 'Johann Carl Fürchtegott Schlegel an August Wilhelm von Schlegel am 16.08.1791, Hannover, Amsterdam' $adressatort = 'Amsterdam <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4001783-7">GND</a>' $absendeort = 'Hannover <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4023349-2">GND</a>' $date = '16.08.1791' $adressat = array() $adrCitation = 'August Wilhelm von Schlegel' $absender = array( (int) 4637 => array( 'ID' => '4637', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-02-24 16:54:07', 'timelastchg' => '2017-12-21 16:02:39', 'key' => 'AWS-ap-00gj', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_dbid' => '100799434', '39_name' => 'Schlegel, Johann Carl Fürchtegott', '39_geschlecht' => 'm', '39_gebdatum' => '1758-01-02', '39_geburtsort' => array( 'ID' => '2274', 'content' => 'Zerbst/Anhalt', 'bemerkung' => 'GND:4067663-8', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_toddatum' => '1831-11-13', '39_sterbeort' => array( 'ID' => '173', 'content' => 'Hannover', 'bemerkung' => 'GND:4023349-2', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_pdb' => 'GND', '39_beziehung' => 'Johann Carl Fürchtegott war ein Bruder August Wilhelm Schlegels.', '39_quellen' => 'ADB@http://www.deutsche-biographie.de/pnd100799434.html?anchor=adb@ WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D519-317-1@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. 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">Harburg</span>. – nr IX d. 2 Aug. an <span class="index-255 tp-30924 index-264 tp-30925 ">meine Eltern</span> ist eingegangen<br><span class="underline-1 notice-20878 ">VII</span> <span class="index-173 tp-30926 prspreset1 ">Hannov</span><span class="index-173 tp-30926 ">.</span> d. 16 Aug. 1791<br>Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit <span class="index-2139 tp-30927 ">Henrietten</span> am 12 August Abends <span class="index-173 tp-43499 ">hier</span> wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in <span class="index-2755 tp-43500 ">Harburg</span>, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <span class="offset-4 ">mich</span> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <span class="index-5125 tp-30929 ">Lüneburgschen</span> Haide concipirt ist. – über Witz! – <span class="index-4810 tp-30933 ">Die andere</span> hatte ich schon einige Tage <span class="overstrike-1 ">zuvor ent</span> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <span class="notice-3076 ">[2]</span> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <span class="index-88 tp-30930 index-4083 tp-30932 ">Schiller</span><span class="index-4083 tp-30932 "> über </span><span class="index-4083 tp-30932 index-1402 tp-30931 ">Bürgers</span><span class="index-4083 tp-30932 "> Gedichte</span> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <span class="overstrike-1 ">nich</span> die sich noch immer erhalten <span class="offset-4 ">hat</span>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <span class="family-courier ">raison</span> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <span class="doc-3829 ">wovon ich Dir einmal schrieb</span>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <span class="notice-3077 ">[3]</span> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <span class="index-6526 tp-43501 ">Der Kriegssecretär Wehner</span> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <span class="notice-20916 ">r.</span> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In <span class="index-2755 tp-43502 ">Harburg</span> bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <span class="overstrike-1 ">scheint</span> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <span class="index-173 tp-43503 ">Hannöverschem</span> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<br><span class="notice-3078 ">[4]</span> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <span class="index-187 tp-30934 ">mein Bruder</span> und <span class="index-2286 tp-30935 ">Schwiegerin</span> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <span class="index-2755 tp-43504 ">Harburg</span> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <span class="index-149 tp-30936 ">Kantischen</span> Philosophie. <span class="index-2113 tp-30937 ">Gustchen</span> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <span class="index-3671 tp-30938 ">Minchen</span>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <span class="index-5255 tp-30940 ">Wilhelmsburg</span> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <span class="index-6527 tp-43505 ">Henning von der Hacht</span> u. <span class="index-6528 tp-43506 ">s. jungen Frau</span>. – Von da gieng ich nach <span class="index-98 tp-30939 ">Hamburg</span>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <span class="overstrike-1 ">die jetzt</span> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <span class="index-938 tp-43507 ">Schröder</span> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit <span class="index-187 tp-30941 ">meinem Bruder</span> eine kleine Reise durch die <span class="index-6524 tp-43508 ">Vierlande</span> theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft <span class="notice-3080 ">[5]</span> reißte ich auf der Post nach <span class="index-60 tp-30942 ">braunschweig</span>. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt <span class="overstrike-1 ">war</span> <span class="offset-4 ">habe</span>; <span class="overstrike-1 ">ob</span> – <span class="overstrike-1 ">sie</span> ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir <span class="index-2139 tp-30943 ">Henriette</span> schildern, der ich überhaupt den größten Theil <span class="overstrike-1 ">unser</span> der Correspondence mit Dir vorerst überlassen <span class="offset-4 ">will</span>, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.<br>Hier habe ich jezt <span class="index-2721 tp-30951 ">den Professor (jezt Hofrath) Moritz</span> kennen lernen, der auch gestern Abend mit <span class="index-1579 tp-30944 ">Rehbergs</span> <span class="index-6529 tp-43511 ">Dem. Kaisers</span> u. <span class="index-4942 tp-30945 ">Bialloblotzky</span> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <span class="notice-3079 ">[6]</span> sehr mißlich aus. – <span class="index-1874 tp-30946 ">Pape</span> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – <span class="cite tp-50184 ">Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten.</span> Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu <span class="index-5257 tp-30950 family-courier ">Hamsteede</span>. – <span class="index-255 tp-30948 index-264 tp-30949 ">Meine Eltern</span> befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. <span class="index-5256 tp-30947 ">Tante Caroline</span> ist gestern wieder abgereiset<br>Karl Schlegel', '36_xml' => '<p><milestone unit="start" n="3075"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3075"/> nr VIII <hi rend="family:Courier">accepi</hi> in <placeName key="2755"><hi rend="family:Courier">Harburg</hi></placeName>. – nr IX d. 2 Aug. an <persName key="255"><persName key="264">meine Eltern</persName></persName> ist eingegangen<lb/><hi rend="underline:1"><milestone unit="start" n="20878"/>VII</hi><note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Briefnummerierung des Schreibers</title></note><milestone unit="end" n="20878"/><hi rend="underline:1"></hi> <placeName key="173"><hi rendition="#PRSPreset1">Hannov</hi>.</placeName> d. 16 Aug. 1791<lb/>Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit <persName key="2139">Henrietten</persName> am 12 August Abends <placeName key="173">hier</placeName> wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in <placeName key="2755">Harburg</placeName>, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <hi rend="offset:4">mich</hi> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <placeName key="5125">Lüneburgschen</placeName> Haide concipirt ist. – über Witz! – <name key="4810" type="work">Die andere</name> hatte ich schon einige Tage <hi rend="overstrike:1">zuvor ent</hi> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <milestone unit="start" n="3076"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3076"/> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <name key="4083" type="work"><persName key="88">Schiller</persName> über <persName key="1402">Bürgers</persName> Gedichte</name> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <hi rend="overstrike:1">nich</hi> die sich noch immer erhalten <hi rend="offset:4">hat</hi>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <hi rend="family:Courier">raison</hi> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <ref target="fud://3829">wovon ich Dir einmal schrieb</ref>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <milestone unit="start" n="3077"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3077"/> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <persName key="6526">Der Kriegssecretär Wehner</persName> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <milestone unit="start" n="20916"/>r.<note type="Sachkommentar"><title>Reichstaler</title></note><milestone unit="end" n="20916"/> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In <placeName key="2755">Harburg</placeName> bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <hi rend="overstrike:1">scheint</hi> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <placeName key="173">Hannöverschem</placeName> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<lb/><milestone unit="start" n="3078"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3078"/> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <persName key="187">mein Bruder</persName> und <persName key="2286">Schwiegerin</persName> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <placeName key="2755">Harburg</placeName> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <persName key="149">Kantischen</persName> Philosophie. <persName key="2113">Gustchen</persName> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <persName key="3671">Minchen</persName>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <placeName key="5255">Wilhelmsburg</placeName> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <persName key="6527">Henning von der Hacht</persName> u. <persName key="6528">s. jungen Frau</persName>. – Von da gieng ich nach <placeName key="98">Hamburg</placeName>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <hi rend="overstrike:1">die jetzt</hi> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <persName key="938">Schröder</persName> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit <persName key="187">meinem Bruder</persName> eine kleine Reise durch die <placeName key="6524">Vierlande</placeName> theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft <milestone unit="start" n="3080"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3080"/> reißte ich auf der Post nach <placeName key="60">braunschweig</placeName>. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt <hi rend="overstrike:1">war</hi> <hi rend="offset:4">habe</hi>; <hi rend="overstrike:1">ob</hi> – <hi rend="overstrike:1">sie</hi> ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir <persName key="2139">Henriette</persName> schildern, der ich überhaupt den größten Theil <hi rend="overstrike:1">unser</hi> der Correspondence mit Dir vorerst überlassen <hi rend="offset:4">will</hi>, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.<lb/>Hier habe ich jezt <persName key="2721">den Professor (jezt Hofrath) Moritz</persName> kennen lernen, der auch gestern Abend mit <persName key="1579">Rehbergs</persName> <persName key="6529">Dem. Kaisers</persName> u. <persName key="4942">Bialloblotzky</persName> bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch <milestone unit="start" n="3079"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3079"/> sehr mißlich aus. – <persName key="1874">Pape</persName> ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten. Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu <placeName key="5257"><hi rend="family:Courier">Hamsteede</hi></placeName>. – <persName key="255"><persName key="264">Meine Eltern</persName></persName> befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. <persName key="5256">Tante Caroline</persName> ist gestern wieder abgereiset<lb/>Karl Schlegel</p>', '36_xml_standoff' => '<milestone unit="start" n="3075"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3075"/> nr VIII <hi rend="family:Courier">accepi</hi> in <anchor type="b" n="2755" ana="10" xml:id="NidB30928"/><hi rend="family:Courier">Harburg</hi><anchor type="e" n="2755" ana="10" xml:id="NidE30928"/>. – nr IX d. 2 Aug. an <anchor type="b" n="255" ana="11" xml:id="NidB30924"/><anchor type="b" n="264" ana="11" xml:id="NidB30925"/>meine Eltern<anchor type="e" n="264" ana="11" xml:id="NidE30925"/><anchor type="e" n="255" ana="11" xml:id="NidE30924"/> ist eingegangen<lb/><hi rend="underline:1"><milestone unit="start" n="20878"/>VII<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Briefnummerierung des Schreibers</title></note><milestone unit="end" n="20878"/></hi> <anchor type="b" n="173" ana="10" xml:id="NidB30926"/><hi rendition="#PRSPreset1">Hannov</hi>.<anchor type="e" n="173" ana="10" xml:id="NidE30926"/> d. 16 Aug. 1791<lb/>Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit <anchor type="b" n="2139" ana="11" xml:id="NidB30927"/>Henrietten<anchor type="e" n="2139" ana="11" xml:id="NidE30927"/> am 12 August Abends <anchor type="b" n="173" ana="10" xml:id="NidB43499"/>hier<anchor type="e" n="173" ana="10" xml:id="NidE43499"/> wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. 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Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich <hi rend="offset:4">mich</hi> nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der <anchor type="b" n="5125" ana="10" xml:id="NidB30929"/>Lüneburgschen<anchor type="e" n="5125" ana="10" xml:id="NidE30929"/> Haide concipirt ist. – über Witz! – <anchor type="b" n="4810" ana="12" xml:id="NidB30933"/>Die andere<anchor type="e" n="4810" ana="12" xml:id="NidE30933"/> hatte ich schon einige Tage <hi rend="overstrike:1">zuvor ent</hi> vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an <milestone unit="start" n="3076"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3076"/> Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen <anchor type="b" n="4083" ana="12" xml:id="NidB30932"/><anchor type="b" n="88" ana="11" xml:id="NidB30930"/>Schiller<anchor type="e" n="88" ana="11" xml:id="NidE30930"/> über <anchor type="b" n="1402" ana="11" xml:id="NidB30931"/>Bürgers<anchor type="e" n="1402" ana="11" xml:id="NidE30931"/> Gedichte<anchor type="e" n="4083" ana="12" xml:id="NidE30932"/> enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, <hi rend="overstrike:1">nich</hi> die sich noch immer erhalten <hi rend="offset:4">hat</hi>! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur <hi rend="family:Courier">raison</hi> bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, <ref target="fud://3829">wovon ich Dir einmal schrieb</ref>, ruht jezt, da der Mann, auf dessen <milestone unit="start" n="3077"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3077"/> Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). <anchor type="b" n="6526" ana="11" xml:id="NidB43501"/>Der Kriegssecretär Wehner<anchor type="e" n="6526" ana="11" xml:id="NidE43501"/> ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 <milestone unit="start" n="20916"/>r.<note type="Sachkommentar"><title>Reichstaler</title></note><milestone unit="end" n="20916"/> – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. 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Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit <hi rend="overstrike:1">scheint</hi> ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach <anchor type="b" n="173" ana="10" xml:id="NidB43503"/>Hannöverschem<anchor type="e" n="173" ana="10" xml:id="NidE43503"/> Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.<lb/><milestone unit="start" n="3078"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="3078"/><note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Briefnummerierung des Schreibers</title></note><milestone unit="end" n="20878"/> Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat <anchor type="b" n="187" ana="11" xml:id="NidB30934"/>mein Bruder<anchor type="e" n="187" ana="11" xml:id="NidE30934"/> und <anchor type="b" n="2286" ana="11" xml:id="NidB30935"/>Schwiegerin<anchor type="e" n="2286" ana="11" xml:id="NidE30935"/> gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen <anchor type="b" n="2755" ana="10" xml:id="NidB43504"/>Harburg<anchor type="e" n="2755" ana="10" xml:id="NidE43504"/> sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der <anchor type="b" n="149" ana="11" xml:id="NidB30936"/>Kantischen<anchor type="e" n="149" ana="11" xml:id="NidE30936"/> Philosophie. <anchor type="b" n="2113" ana="11" xml:id="NidB30937"/>Gustchen<anchor type="e" n="2113" ana="11" xml:id="NidE30937"/> ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und <anchor type="b" n="3671" ana="11" xml:id="NidB30938"/>Minchen<anchor type="e" n="3671" ana="11" xml:id="NidE30938"/>, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in <anchor type="b" n="5255" ana="10" xml:id="NidB30940"/>Wilhelmsburg<anchor type="e" n="5255" ana="10" xml:id="NidE30940"/> zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, <anchor type="b" n="6527" ana="11" xml:id="NidB43505"/>Henning von der Hacht<anchor type="e" n="6527" ana="11" xml:id="NidE43505"/> u. <anchor type="b" n="6528" ana="11" xml:id="NidB43506"/>s. jungen Frau<anchor type="e" n="6528" ana="11" xml:id="NidE43506"/>. – Von da gieng ich nach <anchor type="b" n="98" ana="10" xml:id="NidB30939"/>Hamburg<anchor type="e" n="98" ana="10" xml:id="NidE30939"/>, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, <hi rend="overstrike:1">die jetzt</hi> und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. <anchor type="b" n="938" ana="11" xml:id="NidB43507"/>Schröder<anchor type="e" n="938" ana="11" xml:id="NidE43507"/> habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. 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[1] nr VIII accepi in Harburg. – nr IX d. 2 Aug. an meine Eltern ist eingegangen
VII Hannov. d. 16 Aug. 1791
Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit Henrietten am 12 August Abends hier wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in Harburg, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich mich nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der Lüneburgschen Haide concipirt ist. – über Witz! – Die andere hatte ich schon einige Tage zuvor ent vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an [2] Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen Schiller über Bürgers Gedichte enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, nich die sich noch immer erhalten hat! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur raison bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, wovon ich Dir einmal schrieb, ruht jezt, da der Mann, auf dessen [3] Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). Der Kriegssecretär Wehner ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 r. – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In Harburg bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit scheint ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach Hannöverschem Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.
[4] Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat mein Bruder und Schwiegerin gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen Harburg sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der Kantischen Philosophie. Gustchen ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und Minchen, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in Wilhelmsburg zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, Henning von der Hacht u. s. jungen Frau. – Von da gieng ich nach Hamburg, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, die jetzt und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. Schröder habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit meinem Bruder eine kleine Reise durch die Vierlande theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft [5] reißte ich auf der Post nach braunschweig. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt war habe; ob – sie ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir Henriette schildern, der ich überhaupt den größten Theil unser der Correspondence mit Dir vorerst überlassen will, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.
Hier habe ich jezt den Professor (jezt Hofrath) Moritz kennen lernen, der auch gestern Abend mit Rehbergs Dem. Kaisers u. Bialloblotzky bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch [6] sehr mißlich aus. – Pape ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten. Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu Hamsteede. – Meine Eltern befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. Tante Caroline ist gestern wieder abgereiset
Karl Schlegel
VII Hannov. d. 16 Aug. 1791
Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit Henrietten am 12 August Abends hier wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in Harburg, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich mich nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der Lüneburgschen Haide concipirt ist. – über Witz! – Die andere hatte ich schon einige Tage zuvor ent vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an [2] Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen Schiller über Bürgers Gedichte enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, nich die sich noch immer erhalten hat! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur raison bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, wovon ich Dir einmal schrieb, ruht jezt, da der Mann, auf dessen [3] Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). Der Kriegssecretär Wehner ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 r. – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In Harburg bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit scheint ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach Hannöverschem Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.
[4] Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat mein Bruder und Schwiegerin gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen Harburg sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der Kantischen Philosophie. Gustchen ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und Minchen, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in Wilhelmsburg zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, Henning von der Hacht u. s. jungen Frau. – Von da gieng ich nach Hamburg, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, die jetzt und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. Schröder habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit meinem Bruder eine kleine Reise durch die Vierlande theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft [5] reißte ich auf der Post nach braunschweig. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt war habe; ob – sie ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir Henriette schildern, der ich überhaupt den größten Theil unser der Correspondence mit Dir vorerst überlassen will, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.
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Karl Schlegel