• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Coppet · Date: 11.04.1812
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 11.04.1812
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 253‒256.
  • Incipit: „[1] W.[ien] 11. 4. [18]12.
    Freundlich geliebter Bruder! Unser Friedrich kömmt heute, und dem Anschein nach wohl noch in mehreren Posttagen nicht [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,12
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,4 x 18,3 cm
    Language
  • German
[1] W.[ien] 11. 4. [18]12.
Freundlich geliebter Bruder! Unser Friedrich kömmt heute, und dem Anschein nach wohl noch in mehreren Posttagen nicht zum Briefschreiben, nehmen Sie also nur noch einmal mit einem vorläufigen Brief von mir vorlieb, er wird immer Ihnen lieber seyn als gar keinen zu erhalten. Anfangs des vorigen Monats schrieb ich Ihnen gleichfalls, und meldete Ihnen die glückliche Ankunft des Rudolph, wie Sie aber Ihren letzten Brief abschickten, den wir am letzten vergangenen Monats erhielten, schienen Sie den meinigen noch nicht zu haben! Er wird denn doch nicht wieder verlohren seyn, ich hatte ihn nach Bern addressirt. Friedrich genießt Gott sey Dank diesen Winter einer guten Gesundheit, er ist rüstiger und thätiger als wir ihn je gesehen haben; aber freilich die Eigenheit daß diese Thätigkeit sich immer mehr mit der ganzen Kraft auf eine einzige Sache hinlenkt, als daß er mit Gelenkigkeit sich bald hierhin bald dorthin wenden könnte, die hat ihm Gott wie es scheint nun einmal unabänderlich gegeben! Seine Vorlesungen beschäftigen ihn durchaus den ganzen Tag, kaum daß er sich bezwingt der Redaction des Museums, und seinen Unterricht bey den fürstlich Liechtensteinschen [Kindern] unausgesetzt zu befördern; der Briefwechsel leidet aber sehr dabei; noch einmal also bitte ich Sie um Nachsicht mit seiner Saumseeligkeit in diesem Stücke. Für den Rudolph (hat er mir aufgetragen Ihnen zu sagen) daß er Ihnen ewig dankbar ist. Seit einigen Tagen ist er im Aprilstück des Museums bereits erschienen. Daß Sie bey Abgang Ihres letzten Briefes noch nicht das 1te Stück gesehen hatten, ist ganz unbegreiflich, da man es überall in ganz Deutschland bereits hatte. Diese Langsamkeit, man möchte beynah sagen dieser völlige Abbruch der Communikation zwischen Ihnen und Ihren Bruder ist doch im Grunde etwas recht trauriges, hemmendes, und störendes. Könntet Ihr denn doch wieder vereint leben! es wäre für einen wie für den andern erwünscht. – Honoriren wird Friedrich Ihre Beyträge, wie er selber es vom Buchhändler wird, nemlich 15 fl conv:[entions] Geld für den gedruckten Bogen. Sie werden dieses Honorar gewis nicht zu stark finden, wenn Sie die Mühe und den Zeitaufwand bedenken wollen indessen muß man in den jezigen Zeiten mit den Buchhändlern auch Nachsicht haben, sie sind im Grunde doch auch übel daran. Anfangs Juni erhält Friedrich Geld von dem Verleger, dann wird er die Ihnen zukommende Summe, hier, oder wo Sie sonst belieben, anweisen lassen. – Auf der Birkenstockschen Auction hat Friedrich sich alle Mühe gegeben für Sie zu kaufen, allein die Sachen sind so unsinnig theuer [2] weggegangen, daß er davon hat abstehen müßen. Er hat nichts bekommen von allen seinen Aufträgen, als einen alten Roman Hugo Schapler, von der Verfasserin des Lother und Maller, der Ihnen nicht so interessant seyn kann als Uns. Vielleicht können wir diesen Hugo Schapler, so wie den Lother und Maller bearbeiten. – Mit Ihren letzten Brief zugleicher Zeit, kam mir einer aus Berlin, worin mir der Tod meiner armen Mutter gemeldet ward, sie starb am 16ten März. Sie hat ein Alter erreicht in welchen man billiger Weise keinen Anspruch mehr auf längeres Leben machen wird, doch war ich sehr von dieser Nachricht ihres Todes betroffen, besonders weil ich immer eine Art von Wunsch hegte sie noch einmal zu sehen; jetzt muß ich befürchten daß Sie unzufrieden mit mir gestorben ist. Aber der Gedanke tröstet und beruhigt mich, daß sie in ein Daseyn eintrat, wo ihr Blick erhellt ist, und jedes Mißverständniß gewis reiner gelöst ist, als ich es im Leben würde bei ihr zu Stande haben bringen können. Ich hoffe mit Gott versöhnt zu seyn er wird auch sie mit mir aussöhnen! – Wir hatten früher schon allerlei Gerüchte über die Kränklichkeit der Frau von Staël vernommen, einmal ward sie gar todt gesagt, dann kamen durch de Caro, die bestimmten Berichte über ihren Zustand ins Publikum; wir wollten an allem dem nicht glauben, weil wir von Ihnen keine Bestätigung noch erhalten hatten, die uns nun leider aber Ihr letzter Brief giebt! wie sehr sehr traurig macht uns dieser Bericht! Wie sehr muß die arme, vom Glück so verwöhnte Frau leiden, und was müßen Sie mit ihr leiden! Bekömmt sie wirklich die Krankheit von der es heißt, und Sie bestätigen, daß sich Symptome davon zeigen, so wird sie erschrecklich viel zu leiden haben, es ist eine der grausamsten Krankheiten. Doch bei den frischen Jahren in welchen sie sich noch befindet, ist bei einer guten, vorsichtigen, vernünftigen ärztlichen Behandlung keine unmittelbare Todesgefahr. Gott der Quell alles Heils wolle ihr Geduld, Heiterkeit und Ergebung in seinen geheiligten Willen verleihen, so wird sie es überstehen. Ich schließe sie täglich in meinem Gebete ein, und bitte Gott, er wolle die Leiden ihres Körpers ihr zum Heil der Seele angedeihen lassen, und auch Ihnen theurer Freund die nothwendige Stärke und Heiterkeit verleihen, die Sie bei Ihrer jetzigen Lage in dem Geschäfft daß Sie nun übernehmen müßen, so sehr gebrauchen werden! – Von Münster haben wir die Nachricht von Maria Albertiʼs Tode erhalten; sie starb in ihrem Beruf, an einer hitzigen Krankheit, die sie bei der unermüdlichen Wartung der Kranken erbte, mit großer Sanftmuth, und vollkommenster Ergebung. Einige Tage nach ihrem Hinscheiden ward [3] Hardenberg mit der Gräfin Henriette Stollberg vermählt. Es ist gewiß für seine Ruhe, und für sein häusliches Glück nothwendig geworden, sich wieder zu vermählen, doch hat es mich (ich kann es nicht leugnen) geschmerzt, daß es so gar bald geschehen, noch bevor das Trauerjahr zu Ende war. Nicht als ob ich am gefühlvollen Herzen unsers Freundes zweifelte, aber man verliert selber so alle Frische, alle Spannkraft des Gefühls, wenn man einen so raschen Wechsel von Trauer und Freuden, Schmerz und neuen Hoffnungen vorüber schwindeln, und umher wogen sieht. Zuletzt kömmt man so weit, daß man gleich bei der Nachricht eines Leidens der Freunde denkt: sie werden getröstet werden! und erfährt man ihr Glück, so muß man denken: es wird vergehen! – Vom Bruder Moritz, und von Charlotte, haben wir unlängst Briefe bekommen, sie sind gesund und so vergnügt als man es seyn kann, und darf. Der arme Moritz scheint die schwere Hand der Zeit aber sehr zu fühlen. Charlotte beklagt sich daß Sie ihr gar nicht schreiben. Alle Nachrichten die wir ihr über Ihnen mittheilen mögen, sind und bleiben unzulänglich, so lange Sie selbst ihr nicht schreiben. Friedrichs Vorlesungen, erregen fortdauernd das höchste Interesse, die Buchhändler drängen sich ordentlich darnach, so gar Cotta, hat um den Verlag angehalten. Friedrich war zwar erst nicht willens sie so bald abdrucken zu lassen, aber wahrscheinlich wird er nun doch das Eisen schmieden weil es glüht; insbesondere dringe ich diesesmal darauf, so geschwind als möglich Geld zu machen, denn wer weis jetzt was in der nächsten Woche mit dem Buchhandel seyn kann, und überhaupt wer weis!! – Mich haben lange keine Anstalten mit so fatalen Ahndungen erfüllt, als die jetzt getroffen werden. Gott stehe uns bey! – Adam Müller hat (wahrscheinlich wegen der jezigen Lage in Berlin, die seine Rückreise dorthin, und wahrscheinlich auch die fernere Pension, unmöglich macht) auch Vorlesungen angekündigt, die er (sehr ungeschickt) mit dem 1ten Mai beginnen will. „Ueber das Verhältniß der Redekunst zur Poesie.“ Nach jeder Vorlesung wird er als erläuterndes Beyspiel etwas declamiren. Ich wünschte daß es ihm wohl gelänge; seintwegen, weil er doch in einer mißlichen Lage seyn muß, dann auch Friedrichs wegen, und aller künftigen Vorlesungen wegen, die herabgewürdigt werden würden wenn sie ihm mislängen. – Von meinem Sohn aus Rom hatte ich den ganzen Winter über keine Nachricht! so sehr ich die unzu[ver]läßigkeit der Posten kenne, so macht mich dieses lange Schweigen doch besorgt. Philipp nimmt zu in seiner Kunst, er hat sein eignes Porträt, und ein paar schöne Frauenzimmer gemahlt die ihm wohl gelungen sind. Er bereitet sich vor nach München zu reisen. Wegen Tiecks [4] Auftrag die Abgüße betreffend, muß es anstehen bis Friedrichs Vorlesung geendigt ist, dann wird er zum Abbé Neumann gehen, und sich die nothwendigen Nachrichten verschaffen. Seitdem Ludwig Tieck wieder bei seiner Frau ist, schreibt er doch wieder. Der zweite Teil des Englischen Theaters ist wirklich schon da. Liebster Wilhelm wenn Sie doch wieder den Shakespeare vornehmen wollten! Die Gründe warum diese Arbeit vor allen andern, die wissen Sie so gut, und besser als ich sie Ihnen sagen kann, aber Sie müßen wollen wollen, sonst hilft alles Reden nicht. – Wie es heißt soll meine Schwester Henriette ihre Erziehungsanstalt aufgegeben, und als Erzieherin zum General Sebastiani gegangen seyn. Von ihr selber habe ich noch keine Nachricht hierüber. – Lassen Sie es sich nicht verdrießen diese langweilige große Blätter zu lesen; man sagt es koste weniger Porto, als im couvert, ich will es doch versuchen. Mit meiner Gesundheit geht es diesen Winter wieder nicht gut. Vor einigen Tagen hatte ich plötzlich wieder einen äußerst heftigen Anfall von Schwindel, und ich finde mich im Ganzen äußerst müde und geschwächt; ich bedarf irgend einer Erfrischung, und werde sie wenn es immer möglich ist, in Baden, oder sonst in einem Bade in der Nähe suchen. Nicht meintwegen selber, auch fürchte ich den Tod grade nicht sehr, aber ein unnützes mühseeliges Leben, es würde Friedrichs Existenz zu sehr stören. Leben Sie wohl geliebtester Bruder. Seyn Sie tausendmal gegrüßt von Friedrich, von Philipp, und von Ihrer schwesterlichen
Dorothea S.[chlegel]

Humbolds lassen sich Ihnen und der Frau von Staël empfehlen.
[1] W.[ien] 11. 4. [18]12.
Freundlich geliebter Bruder! Unser Friedrich kömmt heute, und dem Anschein nach wohl noch in mehreren Posttagen nicht zum Briefschreiben, nehmen Sie also nur noch einmal mit einem vorläufigen Brief von mir vorlieb, er wird immer Ihnen lieber seyn als gar keinen zu erhalten. Anfangs des vorigen Monats schrieb ich Ihnen gleichfalls, und meldete Ihnen die glückliche Ankunft des Rudolph, wie Sie aber Ihren letzten Brief abschickten, den wir am letzten vergangenen Monats erhielten, schienen Sie den meinigen noch nicht zu haben! Er wird denn doch nicht wieder verlohren seyn, ich hatte ihn nach Bern addressirt. Friedrich genießt Gott sey Dank diesen Winter einer guten Gesundheit, er ist rüstiger und thätiger als wir ihn je gesehen haben; aber freilich die Eigenheit daß diese Thätigkeit sich immer mehr mit der ganzen Kraft auf eine einzige Sache hinlenkt, als daß er mit Gelenkigkeit sich bald hierhin bald dorthin wenden könnte, die hat ihm Gott wie es scheint nun einmal unabänderlich gegeben! Seine Vorlesungen beschäftigen ihn durchaus den ganzen Tag, kaum daß er sich bezwingt der Redaction des Museums, und seinen Unterricht bey den fürstlich Liechtensteinschen [Kindern] unausgesetzt zu befördern; der Briefwechsel leidet aber sehr dabei; noch einmal also bitte ich Sie um Nachsicht mit seiner Saumseeligkeit in diesem Stücke. Für den Rudolph (hat er mir aufgetragen Ihnen zu sagen) daß er Ihnen ewig dankbar ist. Seit einigen Tagen ist er im Aprilstück des Museums bereits erschienen. Daß Sie bey Abgang Ihres letzten Briefes noch nicht das 1te Stück gesehen hatten, ist ganz unbegreiflich, da man es überall in ganz Deutschland bereits hatte. Diese Langsamkeit, man möchte beynah sagen dieser völlige Abbruch der Communikation zwischen Ihnen und Ihren Bruder ist doch im Grunde etwas recht trauriges, hemmendes, und störendes. Könntet Ihr denn doch wieder vereint leben! es wäre für einen wie für den andern erwünscht. – Honoriren wird Friedrich Ihre Beyträge, wie er selber es vom Buchhändler wird, nemlich 15 fl conv:[entions] Geld für den gedruckten Bogen. Sie werden dieses Honorar gewis nicht zu stark finden, wenn Sie die Mühe und den Zeitaufwand bedenken wollen indessen muß man in den jezigen Zeiten mit den Buchhändlern auch Nachsicht haben, sie sind im Grunde doch auch übel daran. Anfangs Juni erhält Friedrich Geld von dem Verleger, dann wird er die Ihnen zukommende Summe, hier, oder wo Sie sonst belieben, anweisen lassen. – Auf der Birkenstockschen Auction hat Friedrich sich alle Mühe gegeben für Sie zu kaufen, allein die Sachen sind so unsinnig theuer [2] weggegangen, daß er davon hat abstehen müßen. Er hat nichts bekommen von allen seinen Aufträgen, als einen alten Roman Hugo Schapler, von der Verfasserin des Lother und Maller, der Ihnen nicht so interessant seyn kann als Uns. Vielleicht können wir diesen Hugo Schapler, so wie den Lother und Maller bearbeiten. – Mit Ihren letzten Brief zugleicher Zeit, kam mir einer aus Berlin, worin mir der Tod meiner armen Mutter gemeldet ward, sie starb am 16ten März. Sie hat ein Alter erreicht in welchen man billiger Weise keinen Anspruch mehr auf längeres Leben machen wird, doch war ich sehr von dieser Nachricht ihres Todes betroffen, besonders weil ich immer eine Art von Wunsch hegte sie noch einmal zu sehen; jetzt muß ich befürchten daß Sie unzufrieden mit mir gestorben ist. Aber der Gedanke tröstet und beruhigt mich, daß sie in ein Daseyn eintrat, wo ihr Blick erhellt ist, und jedes Mißverständniß gewis reiner gelöst ist, als ich es im Leben würde bei ihr zu Stande haben bringen können. Ich hoffe mit Gott versöhnt zu seyn er wird auch sie mit mir aussöhnen! – Wir hatten früher schon allerlei Gerüchte über die Kränklichkeit der Frau von Staël vernommen, einmal ward sie gar todt gesagt, dann kamen durch de Caro, die bestimmten Berichte über ihren Zustand ins Publikum; wir wollten an allem dem nicht glauben, weil wir von Ihnen keine Bestätigung noch erhalten hatten, die uns nun leider aber Ihr letzter Brief giebt! wie sehr sehr traurig macht uns dieser Bericht! Wie sehr muß die arme, vom Glück so verwöhnte Frau leiden, und was müßen Sie mit ihr leiden! Bekömmt sie wirklich die Krankheit von der es heißt, und Sie bestätigen, daß sich Symptome davon zeigen, so wird sie erschrecklich viel zu leiden haben, es ist eine der grausamsten Krankheiten. Doch bei den frischen Jahren in welchen sie sich noch befindet, ist bei einer guten, vorsichtigen, vernünftigen ärztlichen Behandlung keine unmittelbare Todesgefahr. Gott der Quell alles Heils wolle ihr Geduld, Heiterkeit und Ergebung in seinen geheiligten Willen verleihen, so wird sie es überstehen. Ich schließe sie täglich in meinem Gebete ein, und bitte Gott, er wolle die Leiden ihres Körpers ihr zum Heil der Seele angedeihen lassen, und auch Ihnen theurer Freund die nothwendige Stärke und Heiterkeit verleihen, die Sie bei Ihrer jetzigen Lage in dem Geschäfft daß Sie nun übernehmen müßen, so sehr gebrauchen werden! – Von Münster haben wir die Nachricht von Maria Albertiʼs Tode erhalten; sie starb in ihrem Beruf, an einer hitzigen Krankheit, die sie bei der unermüdlichen Wartung der Kranken erbte, mit großer Sanftmuth, und vollkommenster Ergebung. Einige Tage nach ihrem Hinscheiden ward [3] Hardenberg mit der Gräfin Henriette Stollberg vermählt. Es ist gewiß für seine Ruhe, und für sein häusliches Glück nothwendig geworden, sich wieder zu vermählen, doch hat es mich (ich kann es nicht leugnen) geschmerzt, daß es so gar bald geschehen, noch bevor das Trauerjahr zu Ende war. Nicht als ob ich am gefühlvollen Herzen unsers Freundes zweifelte, aber man verliert selber so alle Frische, alle Spannkraft des Gefühls, wenn man einen so raschen Wechsel von Trauer und Freuden, Schmerz und neuen Hoffnungen vorüber schwindeln, und umher wogen sieht. Zuletzt kömmt man so weit, daß man gleich bei der Nachricht eines Leidens der Freunde denkt: sie werden getröstet werden! und erfährt man ihr Glück, so muß man denken: es wird vergehen! – Vom Bruder Moritz, und von Charlotte, haben wir unlängst Briefe bekommen, sie sind gesund und so vergnügt als man es seyn kann, und darf. Der arme Moritz scheint die schwere Hand der Zeit aber sehr zu fühlen. Charlotte beklagt sich daß Sie ihr gar nicht schreiben. Alle Nachrichten die wir ihr über Ihnen mittheilen mögen, sind und bleiben unzulänglich, so lange Sie selbst ihr nicht schreiben. Friedrichs Vorlesungen, erregen fortdauernd das höchste Interesse, die Buchhändler drängen sich ordentlich darnach, so gar Cotta, hat um den Verlag angehalten. Friedrich war zwar erst nicht willens sie so bald abdrucken zu lassen, aber wahrscheinlich wird er nun doch das Eisen schmieden weil es glüht; insbesondere dringe ich diesesmal darauf, so geschwind als möglich Geld zu machen, denn wer weis jetzt was in der nächsten Woche mit dem Buchhandel seyn kann, und überhaupt wer weis!! – Mich haben lange keine Anstalten mit so fatalen Ahndungen erfüllt, als die jetzt getroffen werden. Gott stehe uns bey! – Adam Müller hat (wahrscheinlich wegen der jezigen Lage in Berlin, die seine Rückreise dorthin, und wahrscheinlich auch die fernere Pension, unmöglich macht) auch Vorlesungen angekündigt, die er (sehr ungeschickt) mit dem 1ten Mai beginnen will. „Ueber das Verhältniß der Redekunst zur Poesie.“ Nach jeder Vorlesung wird er als erläuterndes Beyspiel etwas declamiren. Ich wünschte daß es ihm wohl gelänge; seintwegen, weil er doch in einer mißlichen Lage seyn muß, dann auch Friedrichs wegen, und aller künftigen Vorlesungen wegen, die herabgewürdigt werden würden wenn sie ihm mislängen. – Von meinem Sohn aus Rom hatte ich den ganzen Winter über keine Nachricht! so sehr ich die unzu[ver]läßigkeit der Posten kenne, so macht mich dieses lange Schweigen doch besorgt. Philipp nimmt zu in seiner Kunst, er hat sein eignes Porträt, und ein paar schöne Frauenzimmer gemahlt die ihm wohl gelungen sind. Er bereitet sich vor nach München zu reisen. Wegen Tiecks [4] Auftrag die Abgüße betreffend, muß es anstehen bis Friedrichs Vorlesung geendigt ist, dann wird er zum Abbé Neumann gehen, und sich die nothwendigen Nachrichten verschaffen. Seitdem Ludwig Tieck wieder bei seiner Frau ist, schreibt er doch wieder. Der zweite Teil des Englischen Theaters ist wirklich schon da. Liebster Wilhelm wenn Sie doch wieder den Shakespeare vornehmen wollten! Die Gründe warum diese Arbeit vor allen andern, die wissen Sie so gut, und besser als ich sie Ihnen sagen kann, aber Sie müßen wollen wollen, sonst hilft alles Reden nicht. – Wie es heißt soll meine Schwester Henriette ihre Erziehungsanstalt aufgegeben, und als Erzieherin zum General Sebastiani gegangen seyn. Von ihr selber habe ich noch keine Nachricht hierüber. – Lassen Sie es sich nicht verdrießen diese langweilige große Blätter zu lesen; man sagt es koste weniger Porto, als im couvert, ich will es doch versuchen. Mit meiner Gesundheit geht es diesen Winter wieder nicht gut. Vor einigen Tagen hatte ich plötzlich wieder einen äußerst heftigen Anfall von Schwindel, und ich finde mich im Ganzen äußerst müde und geschwächt; ich bedarf irgend einer Erfrischung, und werde sie wenn es immer möglich ist, in Baden, oder sonst in einem Bade in der Nähe suchen. Nicht meintwegen selber, auch fürchte ich den Tod grade nicht sehr, aber ein unnützes mühseeliges Leben, es würde Friedrichs Existenz zu sehr stören. Leben Sie wohl geliebtester Bruder. Seyn Sie tausendmal gegrüßt von Friedrich, von Philipp, und von Ihrer schwesterlichen
Dorothea S.[chlegel]

Humbolds lassen sich Ihnen und der Frau von Staël empfehlen.
×
×