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Ich zweifelte zwar nie an Ihren wohlwollenden Gesinnungen gegen mich, aber daß Sie sogar mich und <span class="index-5130 tp-34066 ">meinen Hermann</span> in Ihr Haus aufnehmen wollen, hat mich dennoch überrascht und innig gerührt. Wie so gern folgte ich dieser freundlichen Einladung, mein geliebter Oheim, ich würde mich in Ihrer Nähe so wohl fühlen, Ihr Umgang würde mir erheiternd und belehrend sein. Es sind indeß manche Dinge zu ordnen und zu beseitigen, die meine Gegenwart durchaus erfordern, ich halte <span class="notice-4641 ">[2]</span> es daher für meine Pflicht, bis Ostern hier zu bleiben. Es ward mir schwer, diesen Entschluß zu fassen, denn obwohl ich nicht läugnen kann, daß mich hier viele Menschen mit Artigkeit und Freundschaft behandeln, so bleiben es doch immer Fremde, denen man selten sein Zutrauen unbedingt schenkt. Lange schon war es indeß mein Lieblingswunsch, Sie ein mal besuchen zu dürfen, dessen Verwirklichung mich sehr beglücken würde. Erlauben Sie es mir daher, dann komme ich im nächsten Frühling oder Sommer mit <span class="index-5130 tp-34070 ">meinem kleinen achtjährigen Sohn</span> auf einige Wochen zu Ihnen, und kann die Reise auf die von Ihnen gütigst angegebene Weise machen, die mir sehr zweckmäßig scheint. Diese Aussicht wird mir den trüben, melancholischen Winter erheitern und meine Einsamkeit mir dadurch minder fühlbar sein.<br>Einen festen Lebensplan für die Zukunft mir zu entwerfen, ist mir noch nicht möglich, da sich im Verlauf dieses Winters erst Manches entscheidet, was sehr bestimmen<span class="notice-25137 ">[d]</span> darauf wirken muß. <span class="index-2286 tp-34067 ">Meine Mutter</span> wünscht, daß ich nach <span class="notice-4642 ">[3]</span> <span class="index-2755 tp-34068 ">Harburg</span> ziehen mögte, und es war ganz natürlich, daß auch dieser Gedanke zuerst in mir aufstieg. 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[1] Lingen d. 7 Novbr.
1832.
Mein theurer Oheim!
Bei dem großen Verlust, den ich durch den Tod meines geliebten Mannes erlitten habe, den ich tief empfinde und schmerzlich beweine, war nichts so sehr geeignet, mich aufzurichten und wolthuend auf mich zu wirken, als Ihre wahrhaft väterliche Theilnahme, für die ich Ihnen von ganzem Herzen dankbar bin. Ich zweifelte zwar nie an Ihren wohlwollenden Gesinnungen gegen mich, aber daß Sie sogar mich und meinen Hermann in Ihr Haus aufnehmen wollen, hat mich dennoch überrascht und innig gerührt. Wie so gern folgte ich dieser freundlichen Einladung, mein geliebter Oheim, ich würde mich in Ihrer Nähe so wohl fühlen, Ihr Umgang würde mir erheiternd und belehrend sein. Es sind indeß manche Dinge zu ordnen und zu beseitigen, die meine Gegenwart durchaus erfordern, ich halte [2] es daher für meine Pflicht, bis Ostern hier zu bleiben. Es ward mir schwer, diesen Entschluß zu fassen, denn obwohl ich nicht läugnen kann, daß mich hier viele Menschen mit Artigkeit und Freundschaft behandeln, so bleiben es doch immer Fremde, denen man selten sein Zutrauen unbedingt schenkt. Lange schon war es indeß mein Lieblingswunsch, Sie ein mal besuchen zu dürfen, dessen Verwirklichung mich sehr beglücken würde. Erlauben Sie es mir daher, dann komme ich im nächsten Frühling oder Sommer mit meinem kleinen achtjährigen Sohn auf einige Wochen zu Ihnen, und kann die Reise auf die von Ihnen gütigst angegebene Weise machen, die mir sehr zweckmäßig scheint. Diese Aussicht wird mir den trüben, melancholischen Winter erheitern und meine Einsamkeit mir dadurch minder fühlbar sein.
Einen festen Lebensplan für die Zukunft mir zu entwerfen, ist mir noch nicht möglich, da sich im Verlauf dieses Winters erst Manches entscheidet, was sehr bestimmen[d] darauf wirken muß. Meine Mutter wünscht, daß ich nach [3] Harburg ziehen mögte, und es war ganz natürlich, daß auch dieser Gedanke zuerst in mir aufstieg. Die alte, schwache Frau, die in der letzen Zeit durch Leiden so schwer geprüft ist, zu pflegen, ihre letzten Lebenstage möglichst zu erheitern, würde mir ein wehmüthiges, doch liebes Geschäft sein. Wenn ich aber auf eine kleine Einnahme aus einer hiesigen Casse als Erziehungsgeld für meinen Sohn Anspruch mache, dann bin ich gezwungen, hier am Orte wohnen zu bleiben; auch muß ich es berücksichtigen, daß kein Gymnasium in Harburg ist, es also auf die Dauer nicht mein Wohnort bleiben könnte.
In augenblicklicher Geldverlegenheit bin ich nicht, da ich noch bis Weihnachten den Gehalt meines verstorbenen Mannes ausbezahlt bekomme und wir bei unsrer einfachen Lebensweise nie Schulden gemacht haben, sondern nur einige laufende Rechnungen zu berichtigen sind. Offen und mit dem vollsten Vertrauen würde ich mich sonst an Niemanden in der Welt lieber gewandt haben, als an Sie, bester Oheim, da Sie unserer Familie schon so vielfache Beweise Ihrer gütigen Gesinnungen gegeben haben.
[4] Ihren lieben Brief vom 28sten Octbr. erhielt ich erst am Sonntag, den 4ten Novbr. und seitdem geht heute zuerst eine Post nach Bonn ab; deßhalb die scheinbare Verzögerung meiner Antwort.
Leben Sie wohl, mein theurer Oheim, erhalten Sie mir Ihr Wohlwollen und Ihre Liebe, dieß bittet
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper geb. Schlegel.
1832.
Mein theurer Oheim!
Bei dem großen Verlust, den ich durch den Tod meines geliebten Mannes erlitten habe, den ich tief empfinde und schmerzlich beweine, war nichts so sehr geeignet, mich aufzurichten und wolthuend auf mich zu wirken, als Ihre wahrhaft väterliche Theilnahme, für die ich Ihnen von ganzem Herzen dankbar bin. Ich zweifelte zwar nie an Ihren wohlwollenden Gesinnungen gegen mich, aber daß Sie sogar mich und meinen Hermann in Ihr Haus aufnehmen wollen, hat mich dennoch überrascht und innig gerührt. Wie so gern folgte ich dieser freundlichen Einladung, mein geliebter Oheim, ich würde mich in Ihrer Nähe so wohl fühlen, Ihr Umgang würde mir erheiternd und belehrend sein. Es sind indeß manche Dinge zu ordnen und zu beseitigen, die meine Gegenwart durchaus erfordern, ich halte [2] es daher für meine Pflicht, bis Ostern hier zu bleiben. Es ward mir schwer, diesen Entschluß zu fassen, denn obwohl ich nicht läugnen kann, daß mich hier viele Menschen mit Artigkeit und Freundschaft behandeln, so bleiben es doch immer Fremde, denen man selten sein Zutrauen unbedingt schenkt. Lange schon war es indeß mein Lieblingswunsch, Sie ein mal besuchen zu dürfen, dessen Verwirklichung mich sehr beglücken würde. Erlauben Sie es mir daher, dann komme ich im nächsten Frühling oder Sommer mit meinem kleinen achtjährigen Sohn auf einige Wochen zu Ihnen, und kann die Reise auf die von Ihnen gütigst angegebene Weise machen, die mir sehr zweckmäßig scheint. Diese Aussicht wird mir den trüben, melancholischen Winter erheitern und meine Einsamkeit mir dadurch minder fühlbar sein.
Einen festen Lebensplan für die Zukunft mir zu entwerfen, ist mir noch nicht möglich, da sich im Verlauf dieses Winters erst Manches entscheidet, was sehr bestimmen[d] darauf wirken muß. Meine Mutter wünscht, daß ich nach [3] Harburg ziehen mögte, und es war ganz natürlich, daß auch dieser Gedanke zuerst in mir aufstieg. Die alte, schwache Frau, die in der letzen Zeit durch Leiden so schwer geprüft ist, zu pflegen, ihre letzten Lebenstage möglichst zu erheitern, würde mir ein wehmüthiges, doch liebes Geschäft sein. Wenn ich aber auf eine kleine Einnahme aus einer hiesigen Casse als Erziehungsgeld für meinen Sohn Anspruch mache, dann bin ich gezwungen, hier am Orte wohnen zu bleiben; auch muß ich es berücksichtigen, daß kein Gymnasium in Harburg ist, es also auf die Dauer nicht mein Wohnort bleiben könnte.
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[4] Ihren lieben Brief vom 28sten Octbr. erhielt ich erst am Sonntag, den 4ten Novbr. und seitdem geht heute zuerst eine Post nach Bonn ab; deßhalb die scheinbare Verzögerung meiner Antwort.
Leben Sie wohl, mein theurer Oheim, erhalten Sie mir Ihr Wohlwollen und Ihre Liebe, dieß bittet
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper geb. Schlegel.