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In <anchor type="b" n="1441" ana="10" xml:id="NidB34148"/>Münster<anchor type="e" n="1441" ana="10" xml:id="NidE34148"/> habe ich nur der Ruhe gepflegt und bin nicht aus dem Zimmer gegangen.<lb/><anchor type="b" n="5130" ana="11" xml:id="NidB34149"/>Hermann<anchor type="e" n="5130" ana="11" xml:id="NidE34149"/> ist seit unsrer Abreise aus <anchor type="b" n="887" ana="10" xml:id="NidB67813"/>Bonn<anchor type="e" n="887" ana="10" xml:id="NidE67813"/> auffallend verändert, er hat wirklich das Heimweh, was ich bei seinem sonstigen Leichtsinn kaum für möglich hielt. Ich bemerkte es gleich unterweges, er war gegen seine Gewohnheit still und in sich gekehrt, hatte nicht Lust, neue Bekanntschaften zu knüpfen und selbst seinem Posthorn entlockte er so klagende, Herz und Ohren zerreißende Töne, daß es zum Erbarmen war. Jetzt erheitert er sich nur und gewinnt seine frühere Lebendigkeit wieder, wenn er von den Herrlichkeiten Bonn’s und Ihres Hauses erzählt. Dann ist er wieder ganz der Alte, er mischt Wahrheit und Dichtung so geschickt durcheinander, daß ich oft herzlich lachen muß, vorzüglich wenn ich den Kreis seiner kleinen, staunenden Zuhörer betrachte, die Alles ehrlich und buchstäblich glauben. Nach geschehener Prüfung ist er zwar auf <anchor type="b" n="6486" ana="15" xml:id="NidB67814"/>dem Gymnasium<anchor type="e" n="6486" ana="15" xml:id="NidE67814"/> aufgenommen, jedoch in <hi rend="family:Courier">Sexta</hi> oder die Vorbereitungsclasse gesetzt. Seine kleinen Freunde gleichen Alters sind schon in <hi rend="family:Courier">Quinta</hi>. Hoffentlich strengt er sich an und kommt ihnen bald nach. <lb/><milestone unit="start" n="4697"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="4697"/> Meine Wohnung werde ich erst Ende dieses, oder Anfang des nächsten Monats beziehen können, was mir recht unangenehm ist. Sobald ich dort etwas eingerichtet bin, werde ich wieder schreiben.<lb/><anchor type="b" n="2566" ana="11" xml:id="NidB34150"/>Herr Lassen<anchor type="e" n="2566" ana="11" xml:id="NidE34150"/> bitte ich freundlichst zu grüßen, auch die übrigen Hausgenossen. <anchor type="b" n="2417" ana="11" xml:id="NidB67815"/>Mamsell Marie<anchor type="e" n="2417" ana="11" xml:id="NidE67815"/> werde ich nächstens schreiben, heute ist es mir unmöglich, denn die 8 Kinder toben und lärmen so um mich herum, daß mir fast die Besinnung vergeht. <anchor type="b" n="5130" ana="11" xml:id="NidB67816"/>Hermann<anchor type="e" n="5130" ana="11" xml:id="NidE67816"/> hat mir eine solche Menge Aufträge ertheilt, daß ich mehrere Seiten füllen würde, wollte ich sie alle ausrichten. Ich beschränke mich daher nur auf seine herzlichen Grüße. Allen Bekannten, die sich meiner erinnern, bitte ich mich zu empfehlen, besonders <anchor type="b" n="5450" ana="11" xml:id="NidB34152"/>Frau Augusti<anchor type="e" n="5450" ana="11" xml:id="NidE34152"/> und <anchor type="b" n="5426" ana="11" xml:id="NidB67817"/><anchor type="b" n="5425" ana="11" xml:id="NidB34151"/>Schopenhauers<anchor type="e" n="5425" ana="11" xml:id="NidE34151"/><anchor type="e" n="5426" ana="11" xml:id="NidE67817"/>.<lb/>Es würde mir eine unendlich große Freude sein, liebster Oncle, bald etwas von Ihnen zu hören, doch mag ich kaum wagen, Sie darum zu bitten, weil ich weiß, von wie vielen Seiten Ihre Zeit in Anspruch genommen wird.<lb/>Leben Sie recht wohl und bewahren Sie ein freundliches Andenken<lb/>Ihrer<lb/>Sie liebenden Nichte<lb/>Amalie Wolper.', '36_absender' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datumvon' => '1834-10-12', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datengeberhand' => 'Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden', '36_purlhand' => 'DE-1a-34336', '36_signaturhand' => 'Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.43', '36_h1zahl' => '4S. auf Doppelbl., hs. m. 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[1] Lingen d. 12ten Octbr.
1834.
Theuerster Oncle!
Glücklich und ohne Unfall, jedoch sehr angegriffen bin ich am Mittwoch Abend gegen sechs Uhr in dem paradiesischen Lingen angelangt. Will ich aber aufrichtig sein, so muß ich gestehen, daß es mir, nachdem ich Besseres und Schöneres gesehen habe, nicht ganz mehr vorkommt, als sei es das Land, wo Milch und Honig fließt. Entweder hat meine eigne Phantasie den heimathlichen Sand in der Ferne mit solchem Zauber geschmückt, oder es war der mir innewohnende Geist des Widerspruchs, der mich mein Vaterland vertheidigen ließ, wenn es feindlich angegriffen ward. Jetzt kommt mir selbst Manches ungewohnt und auffallend vor, sogar die Bettstellen aus drei Brettern und zwei Brettchen und ich gedenke oft Ihrer treffenden, höchst witzigen Bemerkungen. Der Aufenthalt in Bonn und [2] in Ihrem Hause wird mir ewig unvergeßlich bleiben und noch in der Rückerinnerung einen hohen Genuß gewähren.
Durch Heinrich und später durch Mamsell Marie werden Sie erfahren haben, wie es mir in Köln ergangen ist, deßhalb erwähne ich nichts weiter davon. Unsre Reisegesellschaft im Schnellwagen bis Düsseldorf war nicht die angenehmste, ein langweiliges englisches Ehepaar, welches während der ganzen Fahrt nicht zehn Worte gesprochen hat. Da ich 5 Stunden in Düsseldorf blieb, hatte ich Zeit, mich dort etwas umzusehen. Der große Hofgarten, die freien Plätze und die Breite der Straßen gefällt mir sehr gut, weniger die Bauart der Häuser, worin ich nicht ganz leicht mehr zu befriedigen bin, seit ich den Maaßstab von der Wilhelmsstraße zu Bonn anlege. Nun ging der böseste Theil unsrer Reise an, denn wir fuhren den Montag Nachmittag um 5 Uhr von Düsseldorf ab und die ganze Nacht durch, was für mich so angreifend ist, weil ich im Wagen nicht schlafen kann. Dazu waren alle Plätze im Schnellwagen schon früher bestellt, Hermann und ich bekamen daher einen Beiwagen, der nicht bequem war und den wir fünf Mal während der Nacht wechseln mußten. Zum [3] Glück war das Wetter so schön und milde, wie mitten im Sommer, nur der Staub hat uns belästigt. In Münster habe ich nur der Ruhe gepflegt und bin nicht aus dem Zimmer gegangen.
Hermann ist seit unsrer Abreise aus Bonn auffallend verändert, er hat wirklich das Heimweh, was ich bei seinem sonstigen Leichtsinn kaum für möglich hielt. Ich bemerkte es gleich unterweges, er war gegen seine Gewohnheit still und in sich gekehrt, hatte nicht Lust, neue Bekanntschaften zu knüpfen und selbst seinem Posthorn entlockte er so klagende, Herz und Ohren zerreißende Töne, daß es zum Erbarmen war. Jetzt erheitert er sich nur und gewinnt seine frühere Lebendigkeit wieder, wenn er von den Herrlichkeiten Bonn’s und Ihres Hauses erzählt. Dann ist er wieder ganz der Alte, er mischt Wahrheit und Dichtung so geschickt durcheinander, daß ich oft herzlich lachen muß, vorzüglich wenn ich den Kreis seiner kleinen, staunenden Zuhörer betrachte, die Alles ehrlich und buchstäblich glauben. Nach geschehener Prüfung ist er zwar auf dem Gymnasium aufgenommen, jedoch in Sexta oder die Vorbereitungsclasse gesetzt. Seine kleinen Freunde gleichen Alters sind schon in Quinta. Hoffentlich strengt er sich an und kommt ihnen bald nach.
[4] Meine Wohnung werde ich erst Ende dieses, oder Anfang des nächsten Monats beziehen können, was mir recht unangenehm ist. Sobald ich dort etwas eingerichtet bin, werde ich wieder schreiben.
Herr Lassen bitte ich freundlichst zu grüßen, auch die übrigen Hausgenossen. Mamsell Marie werde ich nächstens schreiben, heute ist es mir unmöglich, denn die 8 Kinder toben und lärmen so um mich herum, daß mir fast die Besinnung vergeht. Hermann hat mir eine solche Menge Aufträge ertheilt, daß ich mehrere Seiten füllen würde, wollte ich sie alle ausrichten. Ich beschränke mich daher nur auf seine herzlichen Grüße. Allen Bekannten, die sich meiner erinnern, bitte ich mich zu empfehlen, besonders Frau Augusti und Schopenhauers.
Es würde mir eine unendlich große Freude sein, liebster Oncle, bald etwas von Ihnen zu hören, doch mag ich kaum wagen, Sie darum zu bitten, weil ich weiß, von wie vielen Seiten Ihre Zeit in Anspruch genommen wird.
Leben Sie recht wohl und bewahren Sie ein freundliches Andenken
Ihrer
Sie liebenden Nichte
Amalie Wolper.
1834.
Theuerster Oncle!
Glücklich und ohne Unfall, jedoch sehr angegriffen bin ich am Mittwoch Abend gegen sechs Uhr in dem paradiesischen Lingen angelangt. Will ich aber aufrichtig sein, so muß ich gestehen, daß es mir, nachdem ich Besseres und Schöneres gesehen habe, nicht ganz mehr vorkommt, als sei es das Land, wo Milch und Honig fließt. Entweder hat meine eigne Phantasie den heimathlichen Sand in der Ferne mit solchem Zauber geschmückt, oder es war der mir innewohnende Geist des Widerspruchs, der mich mein Vaterland vertheidigen ließ, wenn es feindlich angegriffen ward. Jetzt kommt mir selbst Manches ungewohnt und auffallend vor, sogar die Bettstellen aus drei Brettern und zwei Brettchen und ich gedenke oft Ihrer treffenden, höchst witzigen Bemerkungen. Der Aufenthalt in Bonn und [2] in Ihrem Hause wird mir ewig unvergeßlich bleiben und noch in der Rückerinnerung einen hohen Genuß gewähren.
Durch Heinrich und später durch Mamsell Marie werden Sie erfahren haben, wie es mir in Köln ergangen ist, deßhalb erwähne ich nichts weiter davon. Unsre Reisegesellschaft im Schnellwagen bis Düsseldorf war nicht die angenehmste, ein langweiliges englisches Ehepaar, welches während der ganzen Fahrt nicht zehn Worte gesprochen hat. Da ich 5 Stunden in Düsseldorf blieb, hatte ich Zeit, mich dort etwas umzusehen. Der große Hofgarten, die freien Plätze und die Breite der Straßen gefällt mir sehr gut, weniger die Bauart der Häuser, worin ich nicht ganz leicht mehr zu befriedigen bin, seit ich den Maaßstab von der Wilhelmsstraße zu Bonn anlege. Nun ging der böseste Theil unsrer Reise an, denn wir fuhren den Montag Nachmittag um 5 Uhr von Düsseldorf ab und die ganze Nacht durch, was für mich so angreifend ist, weil ich im Wagen nicht schlafen kann. Dazu waren alle Plätze im Schnellwagen schon früher bestellt, Hermann und ich bekamen daher einen Beiwagen, der nicht bequem war und den wir fünf Mal während der Nacht wechseln mußten. Zum [3] Glück war das Wetter so schön und milde, wie mitten im Sommer, nur der Staub hat uns belästigt. In Münster habe ich nur der Ruhe gepflegt und bin nicht aus dem Zimmer gegangen.
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Amalie Wolper.