• Amalie Wolper to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Lingen (Ems) · Place of Destination: Bonn · Date: 22.02.1840 bis 23.02.1840
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Amalie Wolper
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Lingen (Ems)
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 22.02.1840 bis 23.02.1840
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.59
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 21,4 x 13,8 cm; 27,4 x 21,4 cm
  • Incipit: „[1] Lingen d. 22sten Febr.
    1840.
    Geliebter Oheim!
    Absichtlich zögerte ich etwas mit der Beantwortung Ihres lieben Briefes vom 12ten d. M. weil [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
  • Zeil, Sophia
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[1] Lingen d. 22sten Febr.
1840.
Geliebter Oheim!
Absichtlich zögerte ich etwas mit der Beantwortung Ihres lieben Briefes vom 12ten d. M. weil ich glaubte, Ihnen vielleicht neuere Mittheilungen in unsrer unglücklichen Angelegenheit machen zu können. Ich habe jedoch nur, vor ungefähr 8 Tagen, einen Brief von dem Dr. Matthaei erhalten, den ich beilege und wovon ich nachher weiter reden werde.
Wie unendlich schmerzlich es mir ist, theuerster Oheim, daß grade durch unsre Familie Ihnen fast nichts als Kummer bereitet wird und wir Ihnen so vielfach zur Last fallen, kann ich Ihnen nicht mit Worten ausdrücken. Die Beweise Ihrer großen Güte und Ihres Wohlwollens gegen mich, werden meinem Gedächtnisse stets in dankbarster Anerkennung gegenwärtig bleiben; daß Sie meiner Schwester mehrmals bedeutende Geldgeschen[2]ke gemacht, war mir auch bekannt und nun müssen wir bei unserm Mißgeschicke mit August wieder unsre Zuflucht zu Ihrer Großmuth nehmen! Mich kann nur der Gedanke in etwas beruhigen, daß wenigstens manches Unglück uns unverschuldet traf und selbst der größte menschliche Verstand es nicht voraus zu sehen, geschweige denn abzuwenden vermocht hätte. So müssen wir uns denn mit Ergebung in des Höchsten Willen fügen, wenn es mitunter auch nicht leicht ist, so manches Ungemach und manche Bitterkeit des Lebens zu ertragen. Sollten Sie aber, geliebter Oheim, durch Ihre thätige Hülfleistung in dieser Sache vielleicht genöthigt sein, eine lange beabsichtigte Reise aufzugeben, so würde mir dieß so kränkend sein, daß ich mich gar nicht darüber beruhigen könnte. Ich hoffe jedoch noch, daß diese Reise, die Ihnen zu Ihrer Erholung und Erheiterung gewiß so nothwendig ist, zur Ausführung kommt.
Mit innigstem Bedauern erfüllt es mich immer, daß Ihr Gesundheitszustand nicht ganz erwünscht ist und Sie in Ihrer so ausgezeichneten Thätigkeit stört und dadurch verstimmt. Unterlassen Sie doch ja nichts zu Ihrer Wiederherstellung.
Der Dr. Matthaei scheint seinen Brief an mich in [3] ziemlich übler Stimmung gegen die Behörden abgefaßt zu haben und wie mir scheint, nicht mit Unrecht. Ich denke jedoch, daß er sich in seinen Berichten an dieselben etwas glimpflicherer Ausdrücke bedienen wird, sonst möchte man es ganz damit verderben. Sein Rath, daß meine Mutter an Kohlrausch schreiben möchte, ist bereits befolgt. H. Sup. Jüngst hat den Brief aufgesetzt, weil es uns schien, als müsse er mit großer Vorsicht abgefaßt und nicht zu viel und nicht zu wenig darin gesagt werden und Mutter hat ihn abgeschrieben und zur Post gesandt. Er selbst will sich nun auch noch einmal an Kohlrausch wenden, um die Sache dringend zu empfehlen. Somit müssen wir den Erfolg erst abwarten, ehe weitere Schritte gethan werden können. Auch in seinem Briefe an mich spricht der Dr. M: den Wunsch aus, sich die Sorge dieser Angelegenheit bald abgenommen zu sehen, doch scheint H. Superintendent und mir das in diesem Augenblick von großem Nachtheil zu sein, da kein Anderer recht weiß, was bereits geschehen und wie die Sache eigentlich eingeleitet ist. H. Sup. will ihn daher in meiner Mutter Namen (die sich zufrieden damit erklärt hat) ersuchen, das Curatel gegen eine [4] angemessene Vergütung seiner Bemühungen wenigstens so lange zu behalten, bis etwas bewilligt und alles gehörig geordnet ist. Wenn auch solche Curatelen ex officio übernommen werden müssen, so kann man es doch einem solchen Manne, der wahrscheinlich von seiner Praxis leben muß, vielleicht eine Familie zu versorgen hat, nicht verdenken, wenn er sich entweder davon losmacht, oder eine Entschädigung dafür verlangt. – Die Urkunde über die Anwartschaft auf ein Bürgerlehen wird sich gewiß unter den Papieren meines Bruders gefunden haben, da er sich in der letzten Zeit viel mit dieser Angelegenheit beschäftigte und sich auch an Sie deßhalb wenden wollte. Soll ich dem Dr. M. schreiben, daß er Ihnen dieselbe überschickt? Die Bücher meines Bruders hat Frau Engels in Verwahrung genommen. Halten Sie es für besser, daß jetzt gleich ein Catalog davon angefertigt wird, oder warten wir erst noch damit?
Ungeachtet aller Mühe, die ich mir gegeben habe, war es mir nicht möglich, mir hier einen gedruckten Prospectus über die Einrichtungen und Bedingungen der Anstalt zu Hildesheim zu verschaffen. Ich will nun in den nächsten Tagen dorthin schreiben und ihn mir erbitten. Soll ich Ihnen denselben dann überschicken, oder Abzüge daraus machen? Ich glaube, der jährliche Satz für die zweite Klasse ist 200 Thaler. So schließe ich aus Kohlrausch Briefe.
[5] d. 23sten Febr. 40.
Entschuldigen Sie es, lieber Oheim, daß ich auch noch das Couvert benutze, ich möchte so gern noch Einiges hinzufügen. Wohl haben Sie recht, könnten wir uns nur ein paar Stunden sprechen, dann würden wir uns mehr mitgetheilt haben, als alle diese Briefe enthalten. Doch müssen wir bei der weiten Entfernung zu dieser einzigen Aushülfe unsre Zuflucht nehmen.
Meiner Mutter baares Vermögen beläuft sich auf ungefähr 5000 Thaler. Ihre Sachen, Möbeln, Betten, Wäsche ect. sind zwar immer gut geschont, doch durch langen Gebrauch ziemlich abgenutzt und daher von geringem Werth. Die gute Mutter hat immer nur 3 Procent Zinsen bekommen, sonst würde sie viel gemächlicher und sorgenfreier haben leben können. Aus diesem Grunde wollte sie schon oft das Geld in Hamburg, wo das meiste steht, kündigen, doch mein Vetter[, der] ihr die Zinsen besorgt, rieth ihr dringend davon ab, weil sie dann bedeuten[den Ve]rlust am Kapital erleiden würde. Ich weiß nicht, wie es zusammen hängt, […] wird es sich finden. Deßhalb wird sie Ihr gütiges Anerbieten auch wohl n[icht] haben annehmen können.
Breiger entschuldigt sich damit, daß er aus Schonung meiner Mutter nicht habe alle die Schreckensnachrichten mittheilen wollen, weil er hätte befürchten müssen, sie habe den Tod davon. Seine erste Frau war die jüngste Schwester meiner Mutter, deßhalb nennen wir ihn noch immer Onkel. Auf seinen Rath hat meine Schwester ihren Adolph wohl nicht zum Studium der Theologie bestimmt, sondern mehr, weil alle Lehrer sie beredeten, da Adolph ein so fleißiger und fähiger Schüler sei. Doch davon ein anderes Mal mehr, heute fehlt mir der Raum dazu.
Mit großem Interesse höre ich immer von jeder Veränderung in Ihrem so herrlich und geschmackvoll eingerichteten Hause und kann mir denken, welch ein Genuß es ist, ein so schönes Eigenthum immer mehr auszuschmücken.
Hermann grüßt herzlich und freut sich, daß Sie den kleinen Fitzli Putzli noch nicht ganz vergessen haben. Leben Sie recht wohl.
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper.
[6] An
den Herrn Professor A. W. von Schlegel.
Hochwohlgeboren.
zu
Bonn.
[1] VIII
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[1] Lingen d. 22sten Febr.
1840.
Geliebter Oheim!
Absichtlich zögerte ich etwas mit der Beantwortung Ihres lieben Briefes vom 12ten d. M. weil ich glaubte, Ihnen vielleicht neuere Mittheilungen in unsrer unglücklichen Angelegenheit machen zu können. Ich habe jedoch nur, vor ungefähr 8 Tagen, einen Brief von dem Dr. Matthaei erhalten, den ich beilege und wovon ich nachher weiter reden werde.
Wie unendlich schmerzlich es mir ist, theuerster Oheim, daß grade durch unsre Familie Ihnen fast nichts als Kummer bereitet wird und wir Ihnen so vielfach zur Last fallen, kann ich Ihnen nicht mit Worten ausdrücken. Die Beweise Ihrer großen Güte und Ihres Wohlwollens gegen mich, werden meinem Gedächtnisse stets in dankbarster Anerkennung gegenwärtig bleiben; daß Sie meiner Schwester mehrmals bedeutende Geldgeschen[2]ke gemacht, war mir auch bekannt und nun müssen wir bei unserm Mißgeschicke mit August wieder unsre Zuflucht zu Ihrer Großmuth nehmen! Mich kann nur der Gedanke in etwas beruhigen, daß wenigstens manches Unglück uns unverschuldet traf und selbst der größte menschliche Verstand es nicht voraus zu sehen, geschweige denn abzuwenden vermocht hätte. So müssen wir uns denn mit Ergebung in des Höchsten Willen fügen, wenn es mitunter auch nicht leicht ist, so manches Ungemach und manche Bitterkeit des Lebens zu ertragen. Sollten Sie aber, geliebter Oheim, durch Ihre thätige Hülfleistung in dieser Sache vielleicht genöthigt sein, eine lange beabsichtigte Reise aufzugeben, so würde mir dieß so kränkend sein, daß ich mich gar nicht darüber beruhigen könnte. Ich hoffe jedoch noch, daß diese Reise, die Ihnen zu Ihrer Erholung und Erheiterung gewiß so nothwendig ist, zur Ausführung kommt.
Mit innigstem Bedauern erfüllt es mich immer, daß Ihr Gesundheitszustand nicht ganz erwünscht ist und Sie in Ihrer so ausgezeichneten Thätigkeit stört und dadurch verstimmt. Unterlassen Sie doch ja nichts zu Ihrer Wiederherstellung.
Der Dr. Matthaei scheint seinen Brief an mich in [3] ziemlich übler Stimmung gegen die Behörden abgefaßt zu haben und wie mir scheint, nicht mit Unrecht. Ich denke jedoch, daß er sich in seinen Berichten an dieselben etwas glimpflicherer Ausdrücke bedienen wird, sonst möchte man es ganz damit verderben. Sein Rath, daß meine Mutter an Kohlrausch schreiben möchte, ist bereits befolgt. H. Sup. Jüngst hat den Brief aufgesetzt, weil es uns schien, als müsse er mit großer Vorsicht abgefaßt und nicht zu viel und nicht zu wenig darin gesagt werden und Mutter hat ihn abgeschrieben und zur Post gesandt. Er selbst will sich nun auch noch einmal an Kohlrausch wenden, um die Sache dringend zu empfehlen. Somit müssen wir den Erfolg erst abwarten, ehe weitere Schritte gethan werden können. Auch in seinem Briefe an mich spricht der Dr. M: den Wunsch aus, sich die Sorge dieser Angelegenheit bald abgenommen zu sehen, doch scheint H. Superintendent und mir das in diesem Augenblick von großem Nachtheil zu sein, da kein Anderer recht weiß, was bereits geschehen und wie die Sache eigentlich eingeleitet ist. H. Sup. will ihn daher in meiner Mutter Namen (die sich zufrieden damit erklärt hat) ersuchen, das Curatel gegen eine [4] angemessene Vergütung seiner Bemühungen wenigstens so lange zu behalten, bis etwas bewilligt und alles gehörig geordnet ist. Wenn auch solche Curatelen ex officio übernommen werden müssen, so kann man es doch einem solchen Manne, der wahrscheinlich von seiner Praxis leben muß, vielleicht eine Familie zu versorgen hat, nicht verdenken, wenn er sich entweder davon losmacht, oder eine Entschädigung dafür verlangt. – Die Urkunde über die Anwartschaft auf ein Bürgerlehen wird sich gewiß unter den Papieren meines Bruders gefunden haben, da er sich in der letzten Zeit viel mit dieser Angelegenheit beschäftigte und sich auch an Sie deßhalb wenden wollte. Soll ich dem Dr. M. schreiben, daß er Ihnen dieselbe überschickt? Die Bücher meines Bruders hat Frau Engels in Verwahrung genommen. Halten Sie es für besser, daß jetzt gleich ein Catalog davon angefertigt wird, oder warten wir erst noch damit?
Ungeachtet aller Mühe, die ich mir gegeben habe, war es mir nicht möglich, mir hier einen gedruckten Prospectus über die Einrichtungen und Bedingungen der Anstalt zu Hildesheim zu verschaffen. Ich will nun in den nächsten Tagen dorthin schreiben und ihn mir erbitten. Soll ich Ihnen denselben dann überschicken, oder Abzüge daraus machen? Ich glaube, der jährliche Satz für die zweite Klasse ist 200 Thaler. So schließe ich aus Kohlrausch Briefe.
[5] d. 23sten Febr. 40.
Entschuldigen Sie es, lieber Oheim, daß ich auch noch das Couvert benutze, ich möchte so gern noch Einiges hinzufügen. Wohl haben Sie recht, könnten wir uns nur ein paar Stunden sprechen, dann würden wir uns mehr mitgetheilt haben, als alle diese Briefe enthalten. Doch müssen wir bei der weiten Entfernung zu dieser einzigen Aushülfe unsre Zuflucht nehmen.
Meiner Mutter baares Vermögen beläuft sich auf ungefähr 5000 Thaler. Ihre Sachen, Möbeln, Betten, Wäsche ect. sind zwar immer gut geschont, doch durch langen Gebrauch ziemlich abgenutzt und daher von geringem Werth. Die gute Mutter hat immer nur 3 Procent Zinsen bekommen, sonst würde sie viel gemächlicher und sorgenfreier haben leben können. Aus diesem Grunde wollte sie schon oft das Geld in Hamburg, wo das meiste steht, kündigen, doch mein Vetter[, der] ihr die Zinsen besorgt, rieth ihr dringend davon ab, weil sie dann bedeuten[den Ve]rlust am Kapital erleiden würde. Ich weiß nicht, wie es zusammen hängt, […] wird es sich finden. Deßhalb wird sie Ihr gütiges Anerbieten auch wohl n[icht] haben annehmen können.
Breiger entschuldigt sich damit, daß er aus Schonung meiner Mutter nicht habe alle die Schreckensnachrichten mittheilen wollen, weil er hätte befürchten müssen, sie habe den Tod davon. Seine erste Frau war die jüngste Schwester meiner Mutter, deßhalb nennen wir ihn noch immer Onkel. Auf seinen Rath hat meine Schwester ihren Adolph wohl nicht zum Studium der Theologie bestimmt, sondern mehr, weil alle Lehrer sie beredeten, da Adolph ein so fleißiger und fähiger Schüler sei. Doch davon ein anderes Mal mehr, heute fehlt mir der Raum dazu.
Mit großem Interesse höre ich immer von jeder Veränderung in Ihrem so herrlich und geschmackvoll eingerichteten Hause und kann mir denken, welch ein Genuß es ist, ein so schönes Eigenthum immer mehr auszuschmücken.
Hermann grüßt herzlich und freut sich, daß Sie den kleinen Fitzli Putzli noch nicht ganz vergessen haben. Leben Sie recht wohl.
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper.
[6] An
den Herrn Professor A. W. von Schlegel.
Hochwohlgeboren.
zu
Bonn.
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