• Charlotte Ernst , Ludwig Emanuel Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Unknown · Date: 24.09.1824
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst, Ludwig Emanuel Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.09.1824
  • Notations: Charlotte Ernst lässt bei „ch“-Schreibungen oft das „c“ weg. Hier wurde korrigierend eingegriffen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.31
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,1 x 11,5 cm
  • Incipit: „[1] Pillnitz den
    Pillnitz den
    Mein geliebtester Bruder,
    Pillnitz d. 24 Sept. 1824.
    Nur einige flüchtige Zeilen sollen den Brief meiner Tochter begleiten. Du [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
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[1] Pillnitz den
Pillnitz den
Mein geliebtester Bruder,
Pillnitz d. 24 Sept. 1824.
Nur einige flüchtige Zeilen sollen den Brief meiner Tochter begleiten. Du mußt ihr verzeihen, wenn sie nicht gleich nach Ihrer Ankunft geschrieben hat, aber es war alles confuß durch einander, die Wohnung in Pillnitz, die Anforderungen der Freunde in Dresden, der neue Genuß der Kinder, das und noch manches nicht Angenehme durchkreuzten sich, dabey die Rückerrinnerungen, besonders das große London hatte sich sehr ihrer Seele bemächtigt, das neue ungewohnte Leben auf der See, die Begierde, alles das mitzutheilen – es war fast zu viel für das zärtliche Wesen. Nun fängt sie erst an, in etwas mehr Ruhe sich zu erholen, denn sie schien mir etwas abgekommen. Eine von den wichtigen Begebenheiten die sich in unserm Familien Kreise zuträgt, ist daß sich der dicke Friedrich will in Bewegung setzen nach Dresden zu uns zu kommen daß hat denn manche convulsivische Bewegung gemacht um es möglich zu machen ihn zu logiren, die ganze Wirth[2]schaft habe ich bereits nach Dresden transplantirt da wir ihn schon seit ein paar Tagen erwarten, und ich wohne jetzt ein paar Tage mit meinen Mann auf dem Schloße in Pillnitz, um ihn doch nicht vor der Zeit allein zu laßen, heute Abend will ich aber hereinsegeln, ich wünschte sehr er läßt uns nicht lange vergeblich warten. Den Paß hat er, den Urlaub hat er auch, nun war nur noch ein ganz kleines Geschäft welches er zu verrichten hatte, ud er würde gewiß den 15 ten spätestens den 16 ten abreisen ud den 20 ten ankommen, welches aber nicht geschehen. Wenn nur das kleine Geschäft nicht mit dem pecuniären im Zusammenhange steht, denn da traue ich nicht. Wenn er da gewesen sollst du Nachricht von allem erfahren, ich kann nicht leugnen ich freue mich sehr darauf. Nun etwas was mir Kummer verursacht, es ist eine plötzliche Scheidung mit der Büchting vorgefallen, ud wie ich fürchte nicht günstig für die Frau vor ein paar Jahren konnte sie sich mit Ehren scheiden laßen da hat sie nicht gewollt Karl ist wie vernichtet, es greift einen doppelt an, wenn so ein ruhiger, sich sonst stets gleich bleibender Mann, so in Schmerz [3] versinkt. er fleht mich bey meiner Schwesterlichen Liebe an, ihm beyzustehen, ich fürchte sehr daß dieses seiner Gesundheit einen Stoß giebt. Er liebte die Büchtingen von ganzer Seele, sie die Frau aber gar nicht, es sah mir ehr wie Haß aus was sie ihr bezeigte, sie fühlt nur die Kränkung ihres Ehrgeizes. So bald ich das nähere erfahre werde ich dir es mittheilen, ich habe die Büchtingen damals vermahnt so vil ich gekonnt, aber auf diese leichte Seele haftet nichts, ich sah es gleich daß sie auf einem schlüpfrichen Wege gieng. – Sie soll nun durchaus fort aus Hannover, und da sind sie auf Dresden gefallen, ich weiß zwar nicht ob dieß der rechte Ort ist, für ein leichtsinniges Weibchen, ich habe ihnen mein Bedenken gesagt, doch zugleich hülfreiche Hand geboten im Hause kann ich sie zwar nicht nehmen, doch habe ich einen sehr guten Ort für sie ausgemittelt, in Pension wo sie sehr wohlfeil und doch anständig ist, und nun mag sie wenn sie will täglich bey mir seyn der gute Karl hat sich plötzlich entschloßen sie selbst zu bringen, er muß sich noch den Trost verschaffen mich noch einmal vor seinem Ende zu sehen; so sehr mich das rührt, so [4] ungewohnt ist mir dieses an ihm, der seiner Empfindung so wenig Sprache zu geben wußte, das macht mich ordentlich bedenklich für sein Leben. Auch muß die Frau in Aengsten seyn daß sie so eine Vermehrung der Kosten zu gegeben, denn sie ist freylich die erste Person dabey das kannst du denken, ohngeachtet sie eben von einer kostspilligen Badereise zurück komt. Nun komt auch noch eine Fräulein mit die sie in Pension hat, diese müßen aber in einem Gasthof logiren, kem Carl mit der Büchtingen und seinen Bedienten der ihn abwarten konnte (denn die Frau thut hilft ihm nichts) allein kommen so konnte ich eine wahre Aufheiterung ud Stärkung von dieser Reise für ihn hoffen aber so glaube ich es schwerlich, er komt mir vor wie an seiner Gallere geschmiedet. Das wir den Plan haben Gustchen nach Wien, und von da vielleicht wei[ter] reisen zu laßen, wird dir diese wohl mitgetheilt haben, alle Gründe die uns dazu bewegen die liebe Tochter sobald wieder reisen zu laßen, dir aus einander zu setzen, dazu gehört ein ganz eigener Brief. Ich müßte da auch manches erwähnen was mich schmerzlich berührt und ich muß mir eine heitre Stimmung so vil ich kann [5] für meine Gäste erhalten. Ich und mein lieber Mann, setzen alles daran um unser Kind wenigstens erträglich Glücklich zu machen, aber wie ohnmächtig sind wir Menschen doch, wenn es auf die große Lenkung und Leitung unsrer Schicksale ankomt. Doch das unser Bestreben das Rechte ist glaube ich, weil ich eine innere Heiterkeit bey alle den Entsagungen fühle die nicht von dem Erfolg, sondern von dem Bestreben abhängt. Wir können ruhig dieses Kindes Schicksal in Gottes Hand legen, denn wir thaten was wir vermochten. Auch deine väterliche Liebe für sie beruhigt mich sehr.
Du wirst einen Vorschlag nicht billigen den ich gemacht, daß sie nämlich die sehr wohlgelungene Zeichnung, von der Apotheose des Homers, in Wien selber lythographirte. Freylich bist du nicht fürs Lythographiren, für ein vollendetes ausgeführtes Meisterwerk würde es auch keinesfalls paßen da gebe ich dir recht. Aber man muß oft aus der Noth eine Tugend machen, einen Kupferstich davon zu machen geht nicht wer sollte die Kosten dazu hergeben? ud so würde die mühsame ud [6] so gutgerathene Zeichnung ganz umsonst gemacht seyn. Macht es nicht ein ganz geschickter Kupferstecher so werden dergl. Dinge hart ud unangenehm fürs Auge, gefällige[r] kann es beym Lythographiren erscheinen.
freylich können wenig Exemplare davon erscheinen etwan nur 100 gute aber dieß dünkt mich hinlänglich denn so etwas gelehrtes ist nicht jedermanns Kauf. Nun muß freylich etwas gelehrtes erläuterntes dabey seyn, dieß muß ein Mann machen der einen Nahmen hat. So hoch dünkte sie sich nun wohl nicht in ihre Wünsche versteigen, daß Du der Sache einen Stempel gäbest, das würde zu vil Ehre für die liebe Auguste seyn. Sie müßte nun sehen ob Böttcher oder Nöhden, freylich Böttcher ob ich ihm sonst ganz gut bin ud ihm Gutmüthigkeit ud Gefälligkeit nicht bestreiten will, bleibt doch ein merkantilischer Fuchs, ud Gustchens Beutel würde wenig dabey lucriren. Es käme nun fürs Erste alles darauf an wie die Sache geriethe selber muß sie es machen, denn mit Schnorrs Zeichnung der Prinzeßinn Amalia war ich damals nicht zufrieden, auch kann man sich selbst am Besten copiren es schwebt ihr das Original noch vor Augen. Nun lebe wohl geliebter Bruder, schreib mir bald ob du dich wohl befindest Arbeite nicht zu viel, der zeitliche Ruhm ist zwar unter den vergänglichen das Schönste aber er ist doch vergänglich. Laß deinen Freunden auch etwas von dir zu kommen, Tiek [5] sehnt sich sehr nach dir. ruft doch mit einander einmal den Frühling eures Lebens zurük. Du bxxxst? hast du es zu deiner Zufriedenheit ud ohne Aerger vollendet? Ich u Ernst drücken dich mit brüderlicher und Schwesterlicher Liebe an das Herz.
Charlotte Ernst.
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[1] Pillnitz den
Pillnitz den
Mein geliebtester Bruder,
Pillnitz d. 24 Sept. 1824.
Nur einige flüchtige Zeilen sollen den Brief meiner Tochter begleiten. Du mußt ihr verzeihen, wenn sie nicht gleich nach Ihrer Ankunft geschrieben hat, aber es war alles confuß durch einander, die Wohnung in Pillnitz, die Anforderungen der Freunde in Dresden, der neue Genuß der Kinder, das und noch manches nicht Angenehme durchkreuzten sich, dabey die Rückerrinnerungen, besonders das große London hatte sich sehr ihrer Seele bemächtigt, das neue ungewohnte Leben auf der See, die Begierde, alles das mitzutheilen – es war fast zu viel für das zärtliche Wesen. Nun fängt sie erst an, in etwas mehr Ruhe sich zu erholen, denn sie schien mir etwas abgekommen. Eine von den wichtigen Begebenheiten die sich in unserm Familien Kreise zuträgt, ist daß sich der dicke Friedrich will in Bewegung setzen nach Dresden zu uns zu kommen daß hat denn manche convulsivische Bewegung gemacht um es möglich zu machen ihn zu logiren, die ganze Wirth[2]schaft habe ich bereits nach Dresden transplantirt da wir ihn schon seit ein paar Tagen erwarten, und ich wohne jetzt ein paar Tage mit meinen Mann auf dem Schloße in Pillnitz, um ihn doch nicht vor der Zeit allein zu laßen, heute Abend will ich aber hereinsegeln, ich wünschte sehr er läßt uns nicht lange vergeblich warten. Den Paß hat er, den Urlaub hat er auch, nun war nur noch ein ganz kleines Geschäft welches er zu verrichten hatte, ud er würde gewiß den 15 ten spätestens den 16 ten abreisen ud den 20 ten ankommen, welches aber nicht geschehen. Wenn nur das kleine Geschäft nicht mit dem pecuniären im Zusammenhange steht, denn da traue ich nicht. Wenn er da gewesen sollst du Nachricht von allem erfahren, ich kann nicht leugnen ich freue mich sehr darauf. Nun etwas was mir Kummer verursacht, es ist eine plötzliche Scheidung mit der Büchting vorgefallen, ud wie ich fürchte nicht günstig für die Frau vor ein paar Jahren konnte sie sich mit Ehren scheiden laßen da hat sie nicht gewollt Karl ist wie vernichtet, es greift einen doppelt an, wenn so ein ruhiger, sich sonst stets gleich bleibender Mann, so in Schmerz [3] versinkt. er fleht mich bey meiner Schwesterlichen Liebe an, ihm beyzustehen, ich fürchte sehr daß dieses seiner Gesundheit einen Stoß giebt. Er liebte die Büchtingen von ganzer Seele, sie die Frau aber gar nicht, es sah mir ehr wie Haß aus was sie ihr bezeigte, sie fühlt nur die Kränkung ihres Ehrgeizes. So bald ich das nähere erfahre werde ich dir es mittheilen, ich habe die Büchtingen damals vermahnt so vil ich gekonnt, aber auf diese leichte Seele haftet nichts, ich sah es gleich daß sie auf einem schlüpfrichen Wege gieng. – Sie soll nun durchaus fort aus Hannover, und da sind sie auf Dresden gefallen, ich weiß zwar nicht ob dieß der rechte Ort ist, für ein leichtsinniges Weibchen, ich habe ihnen mein Bedenken gesagt, doch zugleich hülfreiche Hand geboten im Hause kann ich sie zwar nicht nehmen, doch habe ich einen sehr guten Ort für sie ausgemittelt, in Pension wo sie sehr wohlfeil und doch anständig ist, und nun mag sie wenn sie will täglich bey mir seyn der gute Karl hat sich plötzlich entschloßen sie selbst zu bringen, er muß sich noch den Trost verschaffen mich noch einmal vor seinem Ende zu sehen; so sehr mich das rührt, so [4] ungewohnt ist mir dieses an ihm, der seiner Empfindung so wenig Sprache zu geben wußte, das macht mich ordentlich bedenklich für sein Leben. Auch muß die Frau in Aengsten seyn daß sie so eine Vermehrung der Kosten zu gegeben, denn sie ist freylich die erste Person dabey das kannst du denken, ohngeachtet sie eben von einer kostspilligen Badereise zurück komt. Nun komt auch noch eine Fräulein mit die sie in Pension hat, diese müßen aber in einem Gasthof logiren, kem Carl mit der Büchtingen und seinen Bedienten der ihn abwarten konnte (denn die Frau thut hilft ihm nichts) allein kommen so konnte ich eine wahre Aufheiterung ud Stärkung von dieser Reise für ihn hoffen aber so glaube ich es schwerlich, er komt mir vor wie an seiner Gallere geschmiedet. Das wir den Plan haben Gustchen nach Wien, und von da vielleicht wei[ter] reisen zu laßen, wird dir diese wohl mitgetheilt haben, alle Gründe die uns dazu bewegen die liebe Tochter sobald wieder reisen zu laßen, dir aus einander zu setzen, dazu gehört ein ganz eigener Brief. Ich müßte da auch manches erwähnen was mich schmerzlich berührt und ich muß mir eine heitre Stimmung so vil ich kann [5] für meine Gäste erhalten. Ich und mein lieber Mann, setzen alles daran um unser Kind wenigstens erträglich Glücklich zu machen, aber wie ohnmächtig sind wir Menschen doch, wenn es auf die große Lenkung und Leitung unsrer Schicksale ankomt. Doch das unser Bestreben das Rechte ist glaube ich, weil ich eine innere Heiterkeit bey alle den Entsagungen fühle die nicht von dem Erfolg, sondern von dem Bestreben abhängt. Wir können ruhig dieses Kindes Schicksal in Gottes Hand legen, denn wir thaten was wir vermochten. Auch deine väterliche Liebe für sie beruhigt mich sehr.
Du wirst einen Vorschlag nicht billigen den ich gemacht, daß sie nämlich die sehr wohlgelungene Zeichnung, von der Apotheose des Homers, in Wien selber lythographirte. Freylich bist du nicht fürs Lythographiren, für ein vollendetes ausgeführtes Meisterwerk würde es auch keinesfalls paßen da gebe ich dir recht. Aber man muß oft aus der Noth eine Tugend machen, einen Kupferstich davon zu machen geht nicht wer sollte die Kosten dazu hergeben? ud so würde die mühsame ud [6] so gutgerathene Zeichnung ganz umsonst gemacht seyn. Macht es nicht ein ganz geschickter Kupferstecher so werden dergl. Dinge hart ud unangenehm fürs Auge, gefällige[r] kann es beym Lythographiren erscheinen.
freylich können wenig Exemplare davon erscheinen etwan nur 100 gute aber dieß dünkt mich hinlänglich denn so etwas gelehrtes ist nicht jedermanns Kauf. Nun muß freylich etwas gelehrtes erläuterntes dabey seyn, dieß muß ein Mann machen der einen Nahmen hat. So hoch dünkte sie sich nun wohl nicht in ihre Wünsche versteigen, daß Du der Sache einen Stempel gäbest, das würde zu vil Ehre für die liebe Auguste seyn. Sie müßte nun sehen ob Böttcher oder Nöhden, freylich Böttcher ob ich ihm sonst ganz gut bin ud ihm Gutmüthigkeit ud Gefälligkeit nicht bestreiten will, bleibt doch ein merkantilischer Fuchs, ud Gustchens Beutel würde wenig dabey lucriren. Es käme nun fürs Erste alles darauf an wie die Sache geriethe selber muß sie es machen, denn mit Schnorrs Zeichnung der Prinzeßinn Amalia war ich damals nicht zufrieden, auch kann man sich selbst am Besten copiren es schwebt ihr das Original noch vor Augen. Nun lebe wohl geliebter Bruder, schreib mir bald ob du dich wohl befindest Arbeite nicht zu viel, der zeitliche Ruhm ist zwar unter den vergänglichen das Schönste aber er ist doch vergänglich. Laß deinen Freunden auch etwas von dir zu kommen, Tiek [5] sehnt sich sehr nach dir. ruft doch mit einander einmal den Frühling eures Lebens zurük. Du bxxxst? hast du es zu deiner Zufriedenheit ud ohne Aerger vollendet? Ich u Ernst drücken dich mit brüderlicher und Schwesterlicher Liebe an das Herz.
Charlotte Ernst.
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