• Henriette Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 22.09.1791
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 22.09.1791
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.50
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
  • Incipit: „[1] den 22sten Sep.
    1791
    Liebster Wilhelm,
    Wenn Du itzt weniger Briefe hier aus dem Hause bekömst, wie sonst, so wundere dich nur [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] den 22sten Sep.
1791
Liebster Wilhelm,
Wenn Du itzt weniger Briefe hier aus dem Hause bekömst, wie sonst, so wundere dich nur nicht darüber, denn es ist itzt hier ein großer trouble (eine Rebellion würde es Charlotten ihre Magd nennen) um alles in gehörigen Stand Ordnung und eleganz zu setzen, auf Lottchens empfang. So lange Lottchen hier ist mögte es schwerlich wohl besser werden; aber nachher hoffe ich doch mehr Zeit und Ruhe zum Briefschreiben zu gewinnen. Du weißt die Herbstzeit ist des Gartens wegen immer die schlimste, und nun nimm noch dazu daß meine Stube und Cammer mit Papier ausgeklebt worden, und zwar mit unsern eigenen hohen Händen; gxxx hell blau und ein Rand herum geklebt. Alle Gardinen im Hause nach den modernsten modell umgeschaft; auch wird [2] noch eine FußDecke geflochten, gescheuert, gewaschen; meine Mutter ist hierbey ganz Thätigkeit! Etwas neu und fremd komt mir die Unruhe wieder vor. Morgen reißt Lottchen schon aus, und in 14 Tagen ist sie hier, ich fürchte schon daß die Zeit ihres Hierseyns uns gar zu schnell vergehn wird. Die Tante Schlegeln aus Zerbst wird wahrscheinlich mitkommen.
Daß du so einen schönen Herbst in Holland hast freut uns sehr. Hier ist daß schöne Wetter schon seit einigen Tagen vorbey, und wir sind auch schon durch das Wetter seit 8 Tagen vom Garten vertrieben, man könnte schon eine eingeheitzte Stube vertragen, wenn man nicht auf noch einen nach Sommer hoffte und sich vor einen Catar fürchtete. Im vergangenen Jahr hatte ich einen rechten schönen langen Herbst, in D. den ich aber auch recht genoß.
Sehr viel bin ich hier noch nicht in Gesellschaft gewesen, habe auch noch lan nicht alle meine Bekante wieder gesehen [3] ob ich gleich schon 7 Wochen wieder hier bin. Einer recht brillanten Gesellschaft zum Tee auf Weßenachs Garten, die Herr Rehberg gab, habe ich beygewohnt. Es war einiger Freunden zu Ehre ein paar Schweizer, Universitätsfreunde von R. und Markards. Ich glaube es waren über 80 Menschen, wurde getanzt, die Prinzen waren auch da und betrugen sich sehr artig. Sie hatten gehört daß Tatter gebeten war und hatten den Wunsch geäußert auch hinzugehn Tatter hatte Rehbergs durch ein billet darum gefragt und die hatten es wie sichs versteht angenommen! So eine Assemblé komt mir doch wieder drollichst vor! – Es war alles im Ueberfluße da Backerey, Bischof Punsch, Mandelmilch, bis um halb 10 wurde getanzt, Kriegsrath Redens waren auch da, und sehr viel adliche Herrens.
Du gedenkst meines Vaters Geburtstag; der ist dies Jahr auf eine recht hübsche Art, durch Bialoblotzky, gefeyert worden! Er hat doch hier auf auf der Neustadt eine Industrie Schule, unter seiner Aufsicht, davor er sich sehr annimt; Hol[4]scher hat sie errichtet, aber auch wieder in Verfall kommen laßen, er nimt sich der Sach nun mit sehr großen Eifer an, hat verschiedentlich Unterstützung dazu erhalten, auch meine Mutter, hat ihm jährlich so lange der Vater lebt 10 Rth. dazu versprochen, und ihm auch durch Fürsprache noch mehr vers[...] Es sind itzt wohl 80 Mädchen, größtenth[eils] arme, welche unentgeltlich in Knütten nähen, rechnen so viel sie gebrauchen, daß heißt fertig im Kopfe zu rechnen, was die gewöhnlichsten Vorfälle sind. In der Botanick allerley Kräuter haupsächlich giftige. B. selbst unterrichtet sie in verschiedenen nützlichen Kenntnissen, so Gesprächs weise, wobey sie immerfort arbeiten müßen, auch, (aber dieß ist Belohnung) giebt er ihnen Unterricht im singen, welches manche Leute sehr heterogen finden! Den Kindern selbst macht er dadurch viel Freude, er läßt ihnen nicht bloß geistliche Lieder singen, sondern auch andere frohe gutgewählte. Auch versorgt er sie mit Kinderbüchern [5] da muß denn oft eine vorlesen, und er fiehl dabey sehr aufs recht lesen, und auf denken; sie lesen auch recht sehr gut. Er hatte uns alle am verwichenen Sonabend gebeten, in diese Schule um 4 Uhr zu kommen; auch noch verschiedene mehr, als der Abt Leß Salfeld, Struve, der Abt Bartels aus B. der gerade hier war Pastor Mxxxxx und außerdem, noch alle die Wohlthäter und Wohlthäterinnen, wir hatten Caroline mitgenommen. Wie mein Vater kam den er selbst empfieng, und Platz genommen, finngen die Kinder gleich mit einem Vers zu singen an, eine Ermunterung zum Fleiß, Seneca Schläger spielte den Flügel; dann examinirte B., haupsächlich etwas Physick und Geographie, zuletzt gieng er etwas in der Morall über, die Kinder antworteten recht gut, er hat eine gute Manier sich den Kindern deutlich zu machen, und wenigstens welche, werden denn doch wohl klare Ideen dadurch kriegen, er wählt immer für die Kinder sehr paßßende und treffende Gleichniße, auch [6] zuweilen Sprichwörter, oder er erzählt auch wohl ein Geschichtchen, eine Fabel, oder läßt es von einem dieser Kinder erzählen. Wie die Kinder alle ihre Künste gemacht hatten, wurde wieder ein Liedchen gesungen; darauf sagte B. ihnen er hätte ihnen schon lange einen frohen Tag versprochen, daß es der heutige wäre, daß würden sie alle wohl finden da so viele ihrer Wohlthäter, deren nur nicht nennen dürfte hier gegenwärtig wären, und sie proben ihrer Geschicklichkeit abgelegt hätten, er sähe es ihnen auch allen an, daß sie froh wären (und wirklich recht heiter, als wenn sie gern lernten, was man ihnen lehrt, sahen die Kinder aus) noch wäre die haupturrsache warum sie heute einen frohen Tag haben sollten den mehrsten unter ihnen verborgen, und daß wäre daß das der würdige Greiß (zu meinem Vater gekehrt) heute seinen Geburtstag feyerte, der sich ihrer so Väterlich annehme, und auch der künftige Lehrer [7] von ihnen allen. nun winkte er ein paar Mädchens, die halten ein Körbchen, mit Blumen geziert, worin die paar Verse welche ich dir hier beylege, auf rothes Band gedruckt war, und brachten es meinem Vater, ein paar andere halten das Portrait meines Vaters, (welches Carl ihm heimlich dazu aus unserm Hause verschaft hatte, und bekränzten es mit Guirlanden von frischen Blumen. Die ganze Gesellschaft drängte sich zu meinem Vater Glück zu wünschen, die Kinder weinten alle; mein Vater war sehr gerührt dankte allen Kindern, küßt die Mädchens die ihm daßs Körbchen brachten; und nun wurde es nach einer recht Hübschen Melodie, nach der B. die Verse gemacht gesungen; ein paar von den Kindern haben recht sehr hübsche stimmen, und auch wenn daß ganze Chor singt, klingt es gut; es ist nicht wie bey der Chorschülern, die nur denken wenn sie den Mund recht aufthun, und schreyen was sie können, ist es gut. Ich hatte zwar schon [8] vorher gewust, daß etwas Feyerlichkeite wegen meines Vaters Geburtstag seyn würden, aber es surprenirte mich doch. Es war eine recht hübsche Idee, und gut ausgeführt. B. war in sehr großer activität, er ha[t]te 8 Tage vorher schon an nichts anders gedacht, ich mag daß wohl leiden, mir däucht aus seinem ganzen Betragen leuchtet w[ah]res attachement zu meinem Vater her[v]or. Nun hatte er auch einig Körbe mit Obst vertheilen laßen, denselben Tag; denn bey solchen Kindern müßen die Freuden doch nothwendig sinlich seyn, und meine Eltern haben dann, den nächsten Schultag wo sie alle wieder versamlet waren, sie mit Kuchen trakti[r]en laßen; wozu ein stücker 5 gr[o]ße Wagnersche Kuchen gebacken w[a]ren. Die Kinder haben es auch mit einem Freudengeschrey empfangen, und haben alle herüber kommen wollen um sich zu bedanken, welches ihre [L]ehrerinn mit mühe abgewandt, i[nd]em sie gesagt, sie wollte hergehn und e[s] in [9] ihrem Namen thun, einige von den angesehnsten kamen aber doch und dankten, und machten es recht manierlich. Den Abend aß dann B. und sein Freund Nöldeke, und Caroline bey uns, und wir waren bey einer Pole Punsch recht fröhlich, mein Vater war recht gesprächig und heiter. Gestern hat er gepredigt am Bußtage, und den nächsten Sontag denckt er wieder zu predigen.
Gestern haben die Bürger hier von der Neustadt ihrem Gerichtsschulzen auch eine Ehre erwiesen, in dem sie ihm eine Musick mit Fakeln gebracht, um ihm ihre Freude über seine Zurückkunft, und wiederhergestellten Gesundheit zu bezeugen. Er ist beynahe 4 Monat abwesend gewesen, nach dem Carsbade um die Cur zu gebrauchen, und nachher noch dort herum gereißt. Auch in Dresden ist er gewesen, Sxxst hat die Reise mit ihm gemacht, da haben sie Ernsts besucht. Er soll viel Liebe bey den Bür[10]gern haben. Herr Fröbing hat ein paar Gedichte für die Bürger gemacht, die aber nicht sehr weither seyn sollen.
Das Memorial, welches der Vater für dich eingegeben, hat er hier abgeschrieben und ich lege es mit bey. Die Stelle in D. ist wohl schon wieder besetzt, aber noch ein Geheimniß wer, vielleicht Tatter selber, und da meynen meine Eltern es wäre doch wohl besser, Du schreibst nichts davon an, ihm; ob die beyden andern Stellen so bald erledigt werden ist auch noch nicht ausgemacht. Wenn es erst bekannt ist, wer die in Dresden bekommen, will mein Vater noch einmahl zu Arnswaldt gehen, und deinetwegen mit ihm sprechen, ob er wohl Hofnung machen kann zu einer von den beyden andern. Es wird auch hier (aber dieß ist blos Stadtgespräch) gemuthmaaßet, daß es überhaupt mit den Gesandschaften, die wegen des Fürstenbundes erichtet sind bald ein Ende [11] haben würde.
Leb recht wohl liebster Bruder von meinen Eltern, die beyde sehr viel Geschäfte haben, und von Carl sehr viel herzliche Grüße
H Schlegel
[12] [leer]
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[1] den 22sten Sep.
1791
Liebster Wilhelm,
Wenn Du itzt weniger Briefe hier aus dem Hause bekömst, wie sonst, so wundere dich nur nicht darüber, denn es ist itzt hier ein großer trouble (eine Rebellion würde es Charlotten ihre Magd nennen) um alles in gehörigen Stand Ordnung und eleganz zu setzen, auf Lottchens empfang. So lange Lottchen hier ist mögte es schwerlich wohl besser werden; aber nachher hoffe ich doch mehr Zeit und Ruhe zum Briefschreiben zu gewinnen. Du weißt die Herbstzeit ist des Gartens wegen immer die schlimste, und nun nimm noch dazu daß meine Stube und Cammer mit Papier ausgeklebt worden, und zwar mit unsern eigenen hohen Händen; gxxx hell blau und ein Rand herum geklebt. Alle Gardinen im Hause nach den modernsten modell umgeschaft; auch wird [2] noch eine FußDecke geflochten, gescheuert, gewaschen; meine Mutter ist hierbey ganz Thätigkeit! Etwas neu und fremd komt mir die Unruhe wieder vor. Morgen reißt Lottchen schon aus, und in 14 Tagen ist sie hier, ich fürchte schon daß die Zeit ihres Hierseyns uns gar zu schnell vergehn wird. Die Tante Schlegeln aus Zerbst wird wahrscheinlich mitkommen.
Daß du so einen schönen Herbst in Holland hast freut uns sehr. Hier ist daß schöne Wetter schon seit einigen Tagen vorbey, und wir sind auch schon durch das Wetter seit 8 Tagen vom Garten vertrieben, man könnte schon eine eingeheitzte Stube vertragen, wenn man nicht auf noch einen nach Sommer hoffte und sich vor einen Catar fürchtete. Im vergangenen Jahr hatte ich einen rechten schönen langen Herbst, in D. den ich aber auch recht genoß.
Sehr viel bin ich hier noch nicht in Gesellschaft gewesen, habe auch noch lan nicht alle meine Bekante wieder gesehen [3] ob ich gleich schon 7 Wochen wieder hier bin. Einer recht brillanten Gesellschaft zum Tee auf Weßenachs Garten, die Herr Rehberg gab, habe ich beygewohnt. Es war einiger Freunden zu Ehre ein paar Schweizer, Universitätsfreunde von R. und Markards. Ich glaube es waren über 80 Menschen, wurde getanzt, die Prinzen waren auch da und betrugen sich sehr artig. Sie hatten gehört daß Tatter gebeten war und hatten den Wunsch geäußert auch hinzugehn Tatter hatte Rehbergs durch ein billet darum gefragt und die hatten es wie sichs versteht angenommen! So eine Assemblé komt mir doch wieder drollichst vor! – Es war alles im Ueberfluße da Backerey, Bischof Punsch, Mandelmilch, bis um halb 10 wurde getanzt, Kriegsrath Redens waren auch da, und sehr viel adliche Herrens.
Du gedenkst meines Vaters Geburtstag; der ist dies Jahr auf eine recht hübsche Art, durch Bialoblotzky, gefeyert worden! Er hat doch hier auf auf der Neustadt eine Industrie Schule, unter seiner Aufsicht, davor er sich sehr annimt; Hol[4]scher hat sie errichtet, aber auch wieder in Verfall kommen laßen, er nimt sich der Sach nun mit sehr großen Eifer an, hat verschiedentlich Unterstützung dazu erhalten, auch meine Mutter, hat ihm jährlich so lange der Vater lebt 10 Rth. dazu versprochen, und ihm auch durch Fürsprache noch mehr vers[...] Es sind itzt wohl 80 Mädchen, größtenth[eils] arme, welche unentgeltlich in Knütten nähen, rechnen so viel sie gebrauchen, daß heißt fertig im Kopfe zu rechnen, was die gewöhnlichsten Vorfälle sind. In der Botanick allerley Kräuter haupsächlich giftige. B. selbst unterrichtet sie in verschiedenen nützlichen Kenntnissen, so Gesprächs weise, wobey sie immerfort arbeiten müßen, auch, (aber dieß ist Belohnung) giebt er ihnen Unterricht im singen, welches manche Leute sehr heterogen finden! Den Kindern selbst macht er dadurch viel Freude, er läßt ihnen nicht bloß geistliche Lieder singen, sondern auch andere frohe gutgewählte. Auch versorgt er sie mit Kinderbüchern [5] da muß denn oft eine vorlesen, und er fiehl dabey sehr aufs recht lesen, und auf denken; sie lesen auch recht sehr gut. Er hatte uns alle am verwichenen Sonabend gebeten, in diese Schule um 4 Uhr zu kommen; auch noch verschiedene mehr, als der Abt Leß Salfeld, Struve, der Abt Bartels aus B. der gerade hier war Pastor Mxxxxx und außerdem, noch alle die Wohlthäter und Wohlthäterinnen, wir hatten Caroline mitgenommen. Wie mein Vater kam den er selbst empfieng, und Platz genommen, finngen die Kinder gleich mit einem Vers zu singen an, eine Ermunterung zum Fleiß, Seneca Schläger spielte den Flügel; dann examinirte B., haupsächlich etwas Physick und Geographie, zuletzt gieng er etwas in der Morall über, die Kinder antworteten recht gut, er hat eine gute Manier sich den Kindern deutlich zu machen, und wenigstens welche, werden denn doch wohl klare Ideen dadurch kriegen, er wählt immer für die Kinder sehr paßßende und treffende Gleichniße, auch [6] zuweilen Sprichwörter, oder er erzählt auch wohl ein Geschichtchen, eine Fabel, oder läßt es von einem dieser Kinder erzählen. Wie die Kinder alle ihre Künste gemacht hatten, wurde wieder ein Liedchen gesungen; darauf sagte B. ihnen er hätte ihnen schon lange einen frohen Tag versprochen, daß es der heutige wäre, daß würden sie alle wohl finden da so viele ihrer Wohlthäter, deren nur nicht nennen dürfte hier gegenwärtig wären, und sie proben ihrer Geschicklichkeit abgelegt hätten, er sähe es ihnen auch allen an, daß sie froh wären (und wirklich recht heiter, als wenn sie gern lernten, was man ihnen lehrt, sahen die Kinder aus) noch wäre die haupturrsache warum sie heute einen frohen Tag haben sollten den mehrsten unter ihnen verborgen, und daß wäre daß das der würdige Greiß (zu meinem Vater gekehrt) heute seinen Geburtstag feyerte, der sich ihrer so Väterlich annehme, und auch der künftige Lehrer [7] von ihnen allen. nun winkte er ein paar Mädchens, die halten ein Körbchen, mit Blumen geziert, worin die paar Verse welche ich dir hier beylege, auf rothes Band gedruckt war, und brachten es meinem Vater, ein paar andere halten das Portrait meines Vaters, (welches Carl ihm heimlich dazu aus unserm Hause verschaft hatte, und bekränzten es mit Guirlanden von frischen Blumen. Die ganze Gesellschaft drängte sich zu meinem Vater Glück zu wünschen, die Kinder weinten alle; mein Vater war sehr gerührt dankte allen Kindern, küßt die Mädchens die ihm daßs Körbchen brachten; und nun wurde es nach einer recht Hübschen Melodie, nach der B. die Verse gemacht gesungen; ein paar von den Kindern haben recht sehr hübsche stimmen, und auch wenn daß ganze Chor singt, klingt es gut; es ist nicht wie bey der Chorschülern, die nur denken wenn sie den Mund recht aufthun, und schreyen was sie können, ist es gut. Ich hatte zwar schon [8] vorher gewust, daß etwas Feyerlichkeite wegen meines Vaters Geburtstag seyn würden, aber es surprenirte mich doch. Es war eine recht hübsche Idee, und gut ausgeführt. B. war in sehr großer activität, er ha[t]te 8 Tage vorher schon an nichts anders gedacht, ich mag daß wohl leiden, mir däucht aus seinem ganzen Betragen leuchtet w[ah]res attachement zu meinem Vater her[v]or. Nun hatte er auch einig Körbe mit Obst vertheilen laßen, denselben Tag; denn bey solchen Kindern müßen die Freuden doch nothwendig sinlich seyn, und meine Eltern haben dann, den nächsten Schultag wo sie alle wieder versamlet waren, sie mit Kuchen trakti[r]en laßen; wozu ein stücker 5 gr[o]ße Wagnersche Kuchen gebacken w[a]ren. Die Kinder haben es auch mit einem Freudengeschrey empfangen, und haben alle herüber kommen wollen um sich zu bedanken, welches ihre [L]ehrerinn mit mühe abgewandt, i[nd]em sie gesagt, sie wollte hergehn und e[s] in [9] ihrem Namen thun, einige von den angesehnsten kamen aber doch und dankten, und machten es recht manierlich. Den Abend aß dann B. und sein Freund Nöldeke, und Caroline bey uns, und wir waren bey einer Pole Punsch recht fröhlich, mein Vater war recht gesprächig und heiter. Gestern hat er gepredigt am Bußtage, und den nächsten Sontag denckt er wieder zu predigen.
Gestern haben die Bürger hier von der Neustadt ihrem Gerichtsschulzen auch eine Ehre erwiesen, in dem sie ihm eine Musick mit Fakeln gebracht, um ihm ihre Freude über seine Zurückkunft, und wiederhergestellten Gesundheit zu bezeugen. Er ist beynahe 4 Monat abwesend gewesen, nach dem Carsbade um die Cur zu gebrauchen, und nachher noch dort herum gereißt. Auch in Dresden ist er gewesen, Sxxst hat die Reise mit ihm gemacht, da haben sie Ernsts besucht. Er soll viel Liebe bey den Bür[10]gern haben. Herr Fröbing hat ein paar Gedichte für die Bürger gemacht, die aber nicht sehr weither seyn sollen.
Das Memorial, welches der Vater für dich eingegeben, hat er hier abgeschrieben und ich lege es mit bey. Die Stelle in D. ist wohl schon wieder besetzt, aber noch ein Geheimniß wer, vielleicht Tatter selber, und da meynen meine Eltern es wäre doch wohl besser, Du schreibst nichts davon an, ihm; ob die beyden andern Stellen so bald erledigt werden ist auch noch nicht ausgemacht. Wenn es erst bekannt ist, wer die in Dresden bekommen, will mein Vater noch einmahl zu Arnswaldt gehen, und deinetwegen mit ihm sprechen, ob er wohl Hofnung machen kann zu einer von den beyden andern. Es wird auch hier (aber dieß ist blos Stadtgespräch) gemuthmaaßet, daß es überhaupt mit den Gesandschaften, die wegen des Fürstenbundes erichtet sind bald ein Ende [11] haben würde.
Leb recht wohl liebster Bruder von meinen Eltern, die beyde sehr viel Geschäfte haben, und von Carl sehr viel herzliche Grüße
H Schlegel
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