• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 06.06.1821
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 06.06.1821
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 370‒372.
  • Incipit: „[1] Mein theurer Freund
    Nach einer langen Abwesenheit bin ich wieder in Deutschland, lebe ich wieder unter einen milderen Himmel, und indem [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.26
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,6 x 21,1 cm
    Language
  • German
[1] Mein theurer Freund
Nach einer langen Abwesenheit bin ich wieder in Deutschland, lebe ich wieder unter einen milderen Himmel, und indem ich Ihnen wieder schreibe trit mir die Vergangenheit so lebendig nahe, daß es mir scheint als wäre die lange Entfernung, die Trennung von meinen Freunden, nur ein Traum gewesen der mich geängstet hat, und ich möchte mit dem vollen Vertrauen früherer rücksichtsloser Freundschaft wieder zu Ihnen reden. Wenn ich aber mich selbst betrachte meinen erwa[c]hsenen Sohn, und ich unsere verwandelten Gestalten bemerke, so fällt es mir schwer aufs Herz, daß die Trennung und alle verschiedenen Begebenheit[en], die in dieser langen Zeit vorgefallen, Wa[h]rheit sind, und ich muß es mir eingestehen daß ich Ihnen einen langen freundschaftlichen Brief schrieb, den Sie mir nicht beantwortet haben, und ich kann es mir nicht abläugnen, daß es eine lebhafte Kränkung für mich sein würde, wenn dieses Schreiben ein ähnliches Schicksall hätte. Da mein Gemüth die Empfindung der Freundschaft für Sie unter allen Lebensverhältnissen bewahrt, so würde ich mir selbst Schmerzen verursachen, wenn ich nicht in Ihrer Seele dieselben Empfindungen voraussezte, und darum würde es mir sehr wehe thun wenn ich die Täuschung aufgeben müßte. Diese Zweifel haben mich abgehalten Ihnen früher zu schreiben, und doch wären sie vieleicht nicht stark genug gewesen, wenn ich nicht die Hoffnung genährt hätte Sie selbst zu sehen und zu sprechen. Wir wollten nehmlich Sie diesen Sommer noch in Bonn besuchen, und natürlich wäre die Erneuerung unserer freundschaftlichen Verbindung viel [2] leichter durch ein Wort, durch eine Erinnerung früherer Stunde[n] bewerckstelligt als durch zehen Briefe. Ich hätte Ihnen meinen Sohn vorgestellt, dessen Kindheit Sie interessierte, und dessen schöne blühende Jugend Ihnen Freude gemacht haben würde. Da ich aber gezwungen bin die schöne Hoffnung Sie diesen Sommer zu sehen aufzugeben, so eile ich nun Ihnen zu schreiben, und bitte Sie mich nicht lange eine Antwort auf diesen Brief erwarten zu lassen.
Wenn Sie mich fragen mein theurer Freund warum wir den Plan aufgeben Sie diesen Sommer zu besuchen, so muß ich leider darauf antworten, das armselige Dieng das Geld, das so oft die schönsten Plane stöhrt, und die schönste Freude vernichtet, hindert auch uns. Denn eine Summe welche wir diesen Sommer noch erwarteten komt nicht an, und wir haben vor künftigen Februar keine grosse Einnahme zu erwarten, also müssen wir alle Reiseplane bis künftigen Sommer aufgeben, wenn Sie aber dan noch in Bonn leben besuchen wir Sie unfehlbar, freilich ist das noch ein langer Zwischenraum, und wenn ich auch gelernt habe mich der Nothwendigkeit fügen, so ist es mir doch schwer gefallen mich in diese zu finden.
Wie gern möchte ich wissen, ob Sie noch dieselbe Theilnahme wie ehedem für mich haben, ob es Sie noch interessiert wie ich lebe, womit ich mich beschäftige, welchen Lebensplan ich verfolge, und wie gern möchte ich Ihnen dies alles mittheilen, aber der Zweifel ob nicht meine freundschaftliche Weitläuftigkeit Ihnen blos ein lästig langer Brief einer gern vergessenen ehemahligen Freundin ist, hällt mich zurük. Ihre Antwort wird mich belehren wie Sie mir gesint sind, und wird mir auch zeigen ob Sie noch theil an meinen litterarischen Beschäftigungen nehmen, die Ihnen ehedem Ihrer Theilnahme so werth schienen. Ich bin nachdem ich den Norden verlassen habe gleichsam in mein Element zurükgekehrt, und habe mich von ganzen Herzen der Poesie wieder zugewendet. Flore [3] und Blanscheflur arbeite ich jezt von neuen um, und wenn Sie ehedem diesem Gedicht Ihren Beifall nicht versagten, so glaube ich daß es in seiner jetzigen Gestallt, mehr als sonst Ihre Theilnahme verdient.
Daß Sie sich seit einiger Zeit viel mit der Indischen Poesie beschäftigen weiß ich aus öffentlichen Blätter[n], und freue mich unsäglich darauf, auch hierüber vieles von Ihnen zu hören und zu lernen, ich habe in unserem kalten Winter im Norden viel Spanisch gelesen, und auch manches Englisch. Ich würde diese alte Lust viel zu lesen, noch weit mehr befriedigen, wenn ich nicht zuweilen meine Augen schonen müßte. Ich schrieb Ihnen schon in früheren Zeiten, daß meine Augen von zeit zu zeit beinahe erblinden. Dieser Zustand komt jezt öfter, und ich fürchte zuweilen daß ich völlig erblinden könte, doch suche ich gern solche traurige Vorstellungen zu verscheuchen.
Meine beiden Brüder habe ich in Dresden wiedergesehen, und habe meinen Bruder Ludwig noch mehr durch die Zeit verwandelt gefunden als mich selbst. Wir haben alle mit herzlicher Freundschaft von Ihnen gesprochen, und Sie in unsern Kreis gewünscht. Mein Bruder fragte auch mit grosser Theilnahme nach Flore und Blanscheflur, indeß ich mag ihn nicht gerne um die Besorgung der Drukes bitten, Sie kennen ihn selbst so gut als ich, und wissen wie leicht er sich eine Art von Vormundschaft anzumassen strebt wodurch das Verhältniß zu ihm unerträglich wird. Ich selbst kann mich nicht überwinden es einen Buchhändler anzubiethen, Knorring hat in solchen Diengen keine Gewandheit, und so bin ich mit dem armen Dienge in Verlegenheit. Ich bitte Sie mein theurer Freund nicht darum sich diese Mühe für mich zu geben, und einen Verleger dafür zu verschaffen. Sind Sie noch so freundschaftlich wie ehemals für mich gesint, so wird es Ihnen wie in der verflossenen Zeit Freude machen, einen Wunsch den ich lange gehegt zu erfüllen. Ist [4] dies nicht mehr der Fall, so will ich Sie nicht in die Nothwendigkeit versetzen, sich entweder einer lästigen Mühe zu unterziehen, oder mir eine abschlägige Antwort zu geben, ich bitte Sie dan auf meinen Wunsch gar keine Rücksicht zu nehmen.
Mit welchem Verlangen mein theurer Freund sehe ich Ihrer Antwort entgegen, ich bitte Sie noch einmal sie nicht zu lange zu verschieben. Knorring trägt mir auf Sie auf das freundschaftlichste zu grüssen, und Ihnen zu sagen, wie es eine seiner schönsten Hoffnungen ist in Deutschland das freundschaftliche Verhältniß mit Ihnen zu erneuern. Unser Felix schweift in den Pfingstferien in den Bergen und Wäldern umher, er weiß nicht daß ich Ihnen schreibe, sonst hätte er mir gewiß die Bitte aufgetragen sich seiner wieder zu erinnern, denn unzählige mahle hat er es klagend ausgesprochen, ich glaube Schlegel hat mich ganz vergessen, er denkt wohl gar nicht mehr daran daß ich in der Welt bin.
Leben Sie wohl mein theurer Freund, und eilen Sie mich bald durch ein Blat von Ihrer Hand zu erfreuen. Leben Sie wohl.
S[ophie] v[on] Knorring.
Heidelberg
den 6ten Juni 1821.

Wir wohnen am Karlsplatz im Hause der Frau Amtmann Sartorius.
[1] Mein theurer Freund
Nach einer langen Abwesenheit bin ich wieder in Deutschland, lebe ich wieder unter einen milderen Himmel, und indem ich Ihnen wieder schreibe trit mir die Vergangenheit so lebendig nahe, daß es mir scheint als wäre die lange Entfernung, die Trennung von meinen Freunden, nur ein Traum gewesen der mich geängstet hat, und ich möchte mit dem vollen Vertrauen früherer rücksichtsloser Freundschaft wieder zu Ihnen reden. Wenn ich aber mich selbst betrachte meinen erwa[c]hsenen Sohn, und ich unsere verwandelten Gestalten bemerke, so fällt es mir schwer aufs Herz, daß die Trennung und alle verschiedenen Begebenheit[en], die in dieser langen Zeit vorgefallen, Wa[h]rheit sind, und ich muß es mir eingestehen daß ich Ihnen einen langen freundschaftlichen Brief schrieb, den Sie mir nicht beantwortet haben, und ich kann es mir nicht abläugnen, daß es eine lebhafte Kränkung für mich sein würde, wenn dieses Schreiben ein ähnliches Schicksall hätte. Da mein Gemüth die Empfindung der Freundschaft für Sie unter allen Lebensverhältnissen bewahrt, so würde ich mir selbst Schmerzen verursachen, wenn ich nicht in Ihrer Seele dieselben Empfindungen voraussezte, und darum würde es mir sehr wehe thun wenn ich die Täuschung aufgeben müßte. Diese Zweifel haben mich abgehalten Ihnen früher zu schreiben, und doch wären sie vieleicht nicht stark genug gewesen, wenn ich nicht die Hoffnung genährt hätte Sie selbst zu sehen und zu sprechen. Wir wollten nehmlich Sie diesen Sommer noch in Bonn besuchen, und natürlich wäre die Erneuerung unserer freundschaftlichen Verbindung viel [2] leichter durch ein Wort, durch eine Erinnerung früherer Stunde[n] bewerckstelligt als durch zehen Briefe. Ich hätte Ihnen meinen Sohn vorgestellt, dessen Kindheit Sie interessierte, und dessen schöne blühende Jugend Ihnen Freude gemacht haben würde. Da ich aber gezwungen bin die schöne Hoffnung Sie diesen Sommer zu sehen aufzugeben, so eile ich nun Ihnen zu schreiben, und bitte Sie mich nicht lange eine Antwort auf diesen Brief erwarten zu lassen.
Wenn Sie mich fragen mein theurer Freund warum wir den Plan aufgeben Sie diesen Sommer zu besuchen, so muß ich leider darauf antworten, das armselige Dieng das Geld, das so oft die schönsten Plane stöhrt, und die schönste Freude vernichtet, hindert auch uns. Denn eine Summe welche wir diesen Sommer noch erwarteten komt nicht an, und wir haben vor künftigen Februar keine grosse Einnahme zu erwarten, also müssen wir alle Reiseplane bis künftigen Sommer aufgeben, wenn Sie aber dan noch in Bonn leben besuchen wir Sie unfehlbar, freilich ist das noch ein langer Zwischenraum, und wenn ich auch gelernt habe mich der Nothwendigkeit fügen, so ist es mir doch schwer gefallen mich in diese zu finden.
Wie gern möchte ich wissen, ob Sie noch dieselbe Theilnahme wie ehedem für mich haben, ob es Sie noch interessiert wie ich lebe, womit ich mich beschäftige, welchen Lebensplan ich verfolge, und wie gern möchte ich Ihnen dies alles mittheilen, aber der Zweifel ob nicht meine freundschaftliche Weitläuftigkeit Ihnen blos ein lästig langer Brief einer gern vergessenen ehemahligen Freundin ist, hällt mich zurük. Ihre Antwort wird mich belehren wie Sie mir gesint sind, und wird mir auch zeigen ob Sie noch theil an meinen litterarischen Beschäftigungen nehmen, die Ihnen ehedem Ihrer Theilnahme so werth schienen. Ich bin nachdem ich den Norden verlassen habe gleichsam in mein Element zurükgekehrt, und habe mich von ganzen Herzen der Poesie wieder zugewendet. Flore [3] und Blanscheflur arbeite ich jezt von neuen um, und wenn Sie ehedem diesem Gedicht Ihren Beifall nicht versagten, so glaube ich daß es in seiner jetzigen Gestallt, mehr als sonst Ihre Theilnahme verdient.
Daß Sie sich seit einiger Zeit viel mit der Indischen Poesie beschäftigen weiß ich aus öffentlichen Blätter[n], und freue mich unsäglich darauf, auch hierüber vieles von Ihnen zu hören und zu lernen, ich habe in unserem kalten Winter im Norden viel Spanisch gelesen, und auch manches Englisch. Ich würde diese alte Lust viel zu lesen, noch weit mehr befriedigen, wenn ich nicht zuweilen meine Augen schonen müßte. Ich schrieb Ihnen schon in früheren Zeiten, daß meine Augen von zeit zu zeit beinahe erblinden. Dieser Zustand komt jezt öfter, und ich fürchte zuweilen daß ich völlig erblinden könte, doch suche ich gern solche traurige Vorstellungen zu verscheuchen.
Meine beiden Brüder habe ich in Dresden wiedergesehen, und habe meinen Bruder Ludwig noch mehr durch die Zeit verwandelt gefunden als mich selbst. Wir haben alle mit herzlicher Freundschaft von Ihnen gesprochen, und Sie in unsern Kreis gewünscht. Mein Bruder fragte auch mit grosser Theilnahme nach Flore und Blanscheflur, indeß ich mag ihn nicht gerne um die Besorgung der Drukes bitten, Sie kennen ihn selbst so gut als ich, und wissen wie leicht er sich eine Art von Vormundschaft anzumassen strebt wodurch das Verhältniß zu ihm unerträglich wird. Ich selbst kann mich nicht überwinden es einen Buchhändler anzubiethen, Knorring hat in solchen Diengen keine Gewandheit, und so bin ich mit dem armen Dienge in Verlegenheit. Ich bitte Sie mein theurer Freund nicht darum sich diese Mühe für mich zu geben, und einen Verleger dafür zu verschaffen. Sind Sie noch so freundschaftlich wie ehemals für mich gesint, so wird es Ihnen wie in der verflossenen Zeit Freude machen, einen Wunsch den ich lange gehegt zu erfüllen. Ist [4] dies nicht mehr der Fall, so will ich Sie nicht in die Nothwendigkeit versetzen, sich entweder einer lästigen Mühe zu unterziehen, oder mir eine abschlägige Antwort zu geben, ich bitte Sie dan auf meinen Wunsch gar keine Rücksicht zu nehmen.
Mit welchem Verlangen mein theurer Freund sehe ich Ihrer Antwort entgegen, ich bitte Sie noch einmal sie nicht zu lange zu verschieben. Knorring trägt mir auf Sie auf das freundschaftlichste zu grüssen, und Ihnen zu sagen, wie es eine seiner schönsten Hoffnungen ist in Deutschland das freundschaftliche Verhältniß mit Ihnen zu erneuern. Unser Felix schweift in den Pfingstferien in den Bergen und Wäldern umher, er weiß nicht daß ich Ihnen schreibe, sonst hätte er mir gewiß die Bitte aufgetragen sich seiner wieder zu erinnern, denn unzählige mahle hat er es klagend ausgesprochen, ich glaube Schlegel hat mich ganz vergessen, er denkt wohl gar nicht mehr daran daß ich in der Welt bin.
Leben Sie wohl mein theurer Freund, und eilen Sie mich bald durch ein Blat von Ihrer Hand zu erfreuen. Leben Sie wohl.
S[ophie] v[on] Knorring.
Heidelberg
den 6ten Juni 1821.

Wir wohnen am Karlsplatz im Hause der Frau Amtmann Sartorius.
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