• August Wilhelm von Schlegel , Anne Louise Germaine de Staël-Holstein to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: München · Date: 25.12.1808
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel, Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: München
  • Date: 25.12.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Bayerische Staatsbibliothek München
  • Classification Number: Ana 608.B.II
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Incipit: „[1] Genf d. 25 Dec 1808
    Nach meiner unlöblichen Gewohnheit habe ich wieder eine geraume Zeit verstreichen lassen, ohne Ihnen zu [...]“
    Language
  • German
  • French
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Genf d. 25 Dec 1808
Nach meiner unlöblichen Gewohnheit habe ich wieder eine geraume Zeit verstreichen lassen, ohne Ihnen zu schreiben, mein theuerster Freund, wiewohl Ihre Sendung durch Hrn. Jakobs mich an meine Schuld mahnte und sie verdoppelte. Indessen hat es nicht an guten Vorsätzen gefehlt, besonders seit Friedrich Tieck hier ist, habe ich Ihnen seinen Besuch in München anmelden wollen, worin mir nun seine Geschwister zuvorgekommen sind. Ich antworte deswegen zuvörderst auf den Inhalt Ihres letzten heute erst gestern erhaltenen Briefs.
Es versteht sich, daß das Kunstwerk, welches wir seit so langer Zeit für die unvergeßlich liebenswürdige Augusta im Sinn hatten, da es hauptsächlich zu einer Linderung für Carolinens Gefühl bestimmt ist, auch ganz nach ihrem Wunsch und Sinn entworfen und ausgeführt werden muß. Will man einmal das Denkmal des geliebten verklärten Kindes nicht an der Stelle xx errichten, wo ihre Reste ruhen, so finde ich den Vorzug, den man einem Gemählde vor einem Werke der Sculptur giebt, ganz natürlich. Es ist mir rührend und tröstlich, daß ein Gedanke von mir zum Gegenstande des Bildes gewählt werden soll; so habe ich doch auch an dem zarten Denkmale einigermaßen Antheil.
[2] Daß Ihre Wahl dabey auf Schick gefallen ist, freut mich ungemein. Hätten Sie mich zu Rath gezogen, so würde ich Ihnen unter allen jetzlebenden Mahlern in Rom, ja vielleicht in Europa ihn genannt haben. Sie haben wohl gelesen was ich in einem Brief an Goethe in der Allg. Lit. Zeitung über ihn schrieb. Doch hatte ich seine letzten vortrefflicheren Werke noch nicht gesehen. Sein Bildniß der Fräulein von Humboldt ist in Rom allgemein bewundert worden. Von seinem Apoll unter den Hirten macht mir Tieck die einnehmendste Vorstellung; besonders durch zarte Gemüthlichkeit zeichnen sich alle seine Werke aus, vielleicht ist das Große und Strenge weniger seine Sache.
Tieck war freylich darauf geschickt, nach unserer Verabredung im vorigen Jahr, sobald Sie und Caroline nach Rom kämen, Hand an das Werk zu legen. Indessen tritt er gern zurück, und freut sich, daß diese durch eine Verkettung von Umständen so lange verzögerte Arbeit, seinem alten Freunde zufallen soll, dessen Gedeihen in der künstlerischen Laufbahn ihm fast eben so sehr am Herzen liegt als sein eignes. Schick ist sehr bescheiden, überdieß noch nicht sonderlich vom Glück und seiner Regierung begünstigt, und wird daher gewiß billige Foderungen machen.
Was zwischen mir und Tieck vorläufig in [3] Absicht auf die Kosten vorgefallen seyn mag, berichtigen wir unter uns: auf meine alte Schuld bey Carolinen kann es natürlich keinen Einfluß haben. Ich werde Sorge tragen, daß die Summe von 600 rth. gegen die Zeit, wo Sie in Rom seyn werden, in bestimmten Terminen dort ausgezahlt werden könne, auch falls es nöthig sein sollte, einen Theil davon zu Anfange dem Mahler für seine Auslagen vorzuschießen. Ich erwarte darüber Ihre näheren Aufträge, und Sie können sich auf meine Genauigkeit verlassen.
Tieck läßt Sie bestens grüßen. Er hofft nächstens in München einzutreffen, sobald er noch einige kleine unternommene Arbeiten hier wird zu Stande gebracht haben. Die Büste der Frau von Stael und die meinige hat er fertig. Sein Basrelief für Neckers Grabmal ist vortrefflich. Der Wunsch Ihre Büste zu machen, den er lange hegte, ist einer von seinen Beweggründen nach München zu gehen. Er ist überzeugt, wenn sie nur erst in Gips vorhanden ist, so werde es auch nicht an einem Liebhaber der deutschen Wissenschaft und Kunst fehlen, der sie in einer dauerhafteren Masse ausgearbeitet zu sehen wünschen möchte. Er weiß, daß Ihr Bildniß in Rom interessiren wird, da Ihre Rede über das Verhältniß der Kunst zur Natur dort unter [4] den Künstlern aus deutschem Geblüt ein großes Aufsehen gemacht hat, so daß, wie er versichert, alle sich Ihrer versprochenen Ankunft freuen, und mit lebhafter Erwartung darauf gespannt sind.
Dieß schrieb er mir xx schon vor beträchtlicher Zeit von Rom aus, zum Beweise wie wenig er Arg daraus hatte, daß Sie irgend eine Klage gegen ihn führen könnten. Was Sie darüber in Ihrem Briefe vom 26sten Aug. äußern, war mir ganz unerwartet; ich stelle mir vor, daß es sich auf alte Misverständnisse gründet, welche eine erneuerte Bekanntschaft zerstreuen wird. In vieljähriger Vertrautheit habe ich nicht leicht einen Freund redlicher bewährt gefunden als Friedrich Tieck. Ich weiß, daß man an ihm in der Abwesenheit einen treuen Bundesgenossen hat, und daß in seine Gesinnungen sich nie die mindeste Zweydeutigkeit mischt. Auch ist mir nicht bekannt, daß er je irgend ein Verhältniß durch unvorsichtige Äußerungen oder Mangel an Verschwiegenheit gestört hätte.
Die Einlage bitte ich Sie unverzüglich zu besorgen, und daher nur zu übersenden, wenn Ihnen eine persönliche Aufwartung eben nicht gelegen seyn sollte.
Ihre die Akademie betreffende Sendung hat mir viel Unterhaltung gewährt. Mit großem Be[5]dacht habe ich die Verfassung der Akademie der Wissenschaften gelesen, aber ich gestehe es, mit größerer Befriedigung die der bildenden Künste.
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo u wie. Ohne ein kritischer Oedipus zu seyn, kann man spüren, daß bey ihrem Entwurf eine andere Hand im Spiele gewesen als bey jener. Bey Eröffnung des Packets fiel mir zuerst das beygelegte Kupferblatt in die Augen. Ich zerbrach mir viel den Kopf darüber, was diese angenehmen Hieroglyphen bedeuten möchten, und glaubte es müßte wenigstens das Muster zu einem Fries für eine künftige bayerische Nationalbaukunst seyn, als ich den gestickten Rockkragen darin wieder erkannte, den unzertrennlichen Ihres Präsidenten. Das heißt in der That, die Gesetze anschaulich und auf eine über alle Misverständnisse erhabene Art abfassen. Könnten Sie nicht durch Ihren Credit für uns arme correspondirende Mitglieder auch einen kleinen gestickten Rand auswirken?
Sogleich nach meiner Zurückkunft in Coppet habe ich einen verbindlichen Brief über meine Aufnahme an Se. Excellenz geschrieben, aber bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Es könnte wohl seyn daß ein so monarchischer Präsident eins und das andre was ich ganz leise anzudeuten mich vermessen, übel vermerkt hätte.
[6] Sehr merkwürdig ist mir alles gewesen, was Sie mir über die neueste Schrift meines Bruders schrieben, u über den Eindruck, den sie sonst in München gemacht. Sie durften nicht besorgen, daß ich von Ihrem Urtheil über den philosophischen Buchx Theil des Buchs irgend einen übeln Gebrauch machen würde. Mein Bruder konnte wohl im voraus wissen, Sie würden nicht damit zufrieden seyn. Ich habe ihm bloß von Ihrem Interesse an der historischen Seite gesprochen. Indessen kann ich die Folgerung nicht gelten lassen, daß weil er hier nur auf wenigen Blättern von Pantheismus, Dualißmus u. s. w. gehandelt, er keine vorläufigen Untersuchungen darüber angestellt u nichts weiter im Hinterhalt habe. Mir däucht, es ist ganz etwas andres, von dem Aufkommen, Blühen, Ausarten u dem endlichen Untergang philosophischer Systeme in einem großen historischen Zusammenhange handeln, als auf den einem Bau eines Systems zu dessen Widerlegung oder Bestätigung eingehen. Ich meyne doch mein Bruder hätte zu andern Zeiten, und noch neuerdings bey der Kritik über Fichte’s neuere Schriften (in den Heidelberg. Jahrbüchern) gezeigt, daß er auch das letztere wohl könne. Ich kann Sie versichern daß sein begeisterter Eifer für die Physik nicht im mindesten abgenommen hat. Über Jakob [7] Böhme hatte ich seit kurzem kein Gespräch mit Friedrich; so viel ich weiß, ist er ein so warmer Anhänger von ihm als je. Sollte man die Lehre des J. Böhme für etwas anderes nehmen können als die von den zwey Prinzipien, nach der Offenbarung berichtigt in Absicht auf die Abhängigkeit des bösen Prinzips, und unter der Form der Emanation kosmogonisch dargestellt?
Wenn das Buch über die Indische Sprache u Weisheit auch nur von Einer Seite Epoche macht, so wäre es billig, daß bedeutende Stimmen dieß öffentlich anerkennten, u dieß ist, so viel ich weiß, bis jetzt nur durch Johannes Müller geschehen. In Frankreich sind schon verschiedene sehr günstige Anzeigen erschienen, u vermuthlich wird es nächstens übersetzt. Wollen wir Deutschen denn immer so saumselig damit seyn, uns gegenseitig anzuerkennen?
Grüßen Sie Baadern bestens von mir, und machen Sie ihn aufmerksam auf die Nachgelassenen Werke von St. Martin in 2 Bänden. Es steht 1807 darauf, doch sind sie meines Wissens erst ganz vor kurzem in Umlauf gekommen. Sie enthalten zum Theil Selbstbekenntnisse u abgerissene Gedanken, aber auch sonst viel herrliches. Unter andern eine Abhandlung über eine Preisaufgabe der Berlin. [8] Akademie, welche sie dem Vf. zurückschickte, ohne im mindesten Unrath zu merken, wie sehr sie dadurch ad absurdum geführt worden. Es wäre lustig, die Erbärmlichkeit der alten Berlinerey an diesem Beyspiele ins Licht zu stellen, daß nämlich eine solche Stimme dort xx ganz unvernommen verhallen konnte.
Eben da ich Ihnen von Werners Aufenthalt bey uns schreiben will, fällt es mir aufs Herz daß ich Ihren Auftrag an ihn nicht bestellt habe. Er war mir damals gänzlich entfallen. Entschuldigen Sie dieß bestens, ich weiß nicht, ob Werner noch in Paris ist, er wollte nur sehr kurze Zeit dort bleiben u dann nach Weimar zurückgehen. Sobald ich dahin schreibe, will ich es nachhohlen.
Übrigens haben wir Wernern hier alle sehr lieb gewonnen, er hat mir ein großes Zutrauen geschenkt, u mir viele noch ungedruckte Sachen mitgetheilt. Wiewohl sein Französisch ungefähr so herauskommt, wie wenn jemand sich auf ebnem Boden, wie ein ungeübter Seiltänzer gebehrdete, so hat er doch seiner Originalität u sogar seiner Laune darin Luft zu machen gewußt. Frau von Stael ist sehr von ihm eingenommen, und ganz voll von seinem Attila, den wir so eben erhalten.
[9] Überhaupt ist das Schloß Coppet oft ein Sammelplatz ausgezeichneter Menschen, es bildet sich da zuweilen eine ganz artige Deutsche Colonie. Es wäre schön, wenn Sie auch einmal, etwa bey Gelegenheit Ihrer Italiänischen Reise in diesen Kreis einträten, und unser Verzeichniß mit Ihrem Namen bereicherten. Diesen Sommer war der Kronprinz von Bayern mit seinen Begleitern da, der Etatsrath von Vogt aus Hamburg, der alte redliche Pestalozzi, Werner und Friedrich Tieck; vor einigen Sommern Johannes Müller und mein Bruder. Unter den berühmten oder die es zu seyn verdienen, will ich Ihnen gerade nicht einen halbdeutschen Dichter anrechnen: den Dänen Oehlenschläger, dessen Aladdin Ihnen vielleicht vorgekommen ist. Diese dramatische Manier ist einigermaßen für die nordischen Winternächte berechnet, wo die Sonne vier Wochen lang nicht aufgeht. Der Aladdin ist Goetheʼn zugeeignet, u Goethe mag ihn auch für sich behalten, denn wir andern können ihn schwerlich genießen. Damit Sie aber nicht glauben, daß es damit abgethan sey, so kündige ich Ihnen einen ganzen Sack von dänisch deutschen Tragödien an, den er nächstens bey Cotta ausschütten wird.
Bey Gelegenheit Oehlenschlägers fällt mir [10] ein, mich nach Steffens zu erkundigen, der ein Freund von ihm ist. Ich höre er soll sich, wovor er immer einen solchen Abscheu hatte, nun mehr im Königreich Westphalen nützlich machen. Damit wird es, fürchte ich, schlimm aussehen. Sollte er aber nicht bald einmal etwas angenehmes oder wenigstens genießbares in Schriften zu vernehmen geben?
Beschreiben Sie mir doch Humboldts Besuch in München, wie er sich ausnahm, zwischen Jacobi, Ihnen u Baader. Ich hätte mit dabey seyn mögen.
Haben Sie die Güte, mich dem Freyherrn von Aretin angelegentlich zu empfehlen, und ihm zu sagen, daß ich das mir anvertraute Manuscript von den Niebelungen heilig verwahre, „wie das Kleinoden-Kästchen des Darius“, und es nächstens zurücksenden werde. Ich bin schon sehr weit mit der Vergleichung der Lesearten vorgerückt, die mir um so wichtiger sind, da ich auch die des Skt. Gallischen Codex besitze.
Die neueren Hefte Ihrer Zeitschrift, und was Sie mir sonst zugedacht hatten bitte ich Sie nur dem Postwagen mit einer Addresse nach Coppet anzuvertrauen. Ich habe auf diese Weise jetzt mehrere Bücherpackete ohne einen Commissionär an der Schweizergränze richtig erhalten, u hoffe es wird nicht verlohren gehen und um [11] so schneller ankommen. Sobald meine Vorlesungen über dramatische Kunst heraus sind, werde ich dem Verleger auftragen zwey Exemplare an Sie zu besorgen, eins für Sie selbst und eins für den Kronprinzen, meinen verehrten Gönner.
Empfehlen Sie mich gele bey Gelegenheit Hrn. Director Langer; auch Tieck bittet ihm seine Hochachtung zu bezeugen, falls er sich noch erinnert, ihn in Paris gesehen zu haben.
Viele Grüße an Carolinen. Leben Sie beyde recht wohl.
Der Ihrige
AWSchlegel

je joins à cette lettre un petit mot pour me rappeller à vous j’ai révé que vous devriez venir passer l’été à Coppet le pays est charmant vous me guideriez dans ce que j’écris sur la philosophie allemande et je m’enrichirois de vos idèes – dites moi si ce rève est tout à fait idealish G. St. que pensez vous du valstein francois? mandez le nous –

Nämlich von B. Constantʼs nach franz. Formen umgearbeiteter Wallenstein, der so eben erscheint.
[12] Madame
Monsieur
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[1] Genf d. 25 Dec 1808
Nach meiner unlöblichen Gewohnheit habe ich wieder eine geraume Zeit verstreichen lassen, ohne Ihnen zu schreiben, mein theuerster Freund, wiewohl Ihre Sendung durch Hrn. Jakobs mich an meine Schuld mahnte und sie verdoppelte. Indessen hat es nicht an guten Vorsätzen gefehlt, besonders seit Friedrich Tieck hier ist, habe ich Ihnen seinen Besuch in München anmelden wollen, worin mir nun seine Geschwister zuvorgekommen sind. Ich antworte deswegen zuvörderst auf den Inhalt Ihres letzten heute erst gestern erhaltenen Briefs.
Es versteht sich, daß das Kunstwerk, welches wir seit so langer Zeit für die unvergeßlich liebenswürdige Augusta im Sinn hatten, da es hauptsächlich zu einer Linderung für Carolinens Gefühl bestimmt ist, auch ganz nach ihrem Wunsch und Sinn entworfen und ausgeführt werden muß. Will man einmal das Denkmal des geliebten verklärten Kindes nicht an der Stelle xx errichten, wo ihre Reste ruhen, so finde ich den Vorzug, den man einem Gemählde vor einem Werke der Sculptur giebt, ganz natürlich. Es ist mir rührend und tröstlich, daß ein Gedanke von mir zum Gegenstande des Bildes gewählt werden soll; so habe ich doch auch an dem zarten Denkmale einigermaßen Antheil.
[2] Daß Ihre Wahl dabey auf Schick gefallen ist, freut mich ungemein. Hätten Sie mich zu Rath gezogen, so würde ich Ihnen unter allen jetzlebenden Mahlern in Rom, ja vielleicht in Europa ihn genannt haben. Sie haben wohl gelesen was ich in einem Brief an Goethe in der Allg. Lit. Zeitung über ihn schrieb. Doch hatte ich seine letzten vortrefflicheren Werke noch nicht gesehen. Sein Bildniß der Fräulein von Humboldt ist in Rom allgemein bewundert worden. Von seinem Apoll unter den Hirten macht mir Tieck die einnehmendste Vorstellung; besonders durch zarte Gemüthlichkeit zeichnen sich alle seine Werke aus, vielleicht ist das Große und Strenge weniger seine Sache.
Tieck war freylich darauf geschickt, nach unserer Verabredung im vorigen Jahr, sobald Sie und Caroline nach Rom kämen, Hand an das Werk zu legen. Indessen tritt er gern zurück, und freut sich, daß diese durch eine Verkettung von Umständen so lange verzögerte Arbeit, seinem alten Freunde zufallen soll, dessen Gedeihen in der künstlerischen Laufbahn ihm fast eben so sehr am Herzen liegt als sein eignes. Schick ist sehr bescheiden, überdieß noch nicht sonderlich vom Glück und seiner Regierung begünstigt, und wird daher gewiß billige Foderungen machen.
Was zwischen mir und Tieck vorläufig in [3] Absicht auf die Kosten vorgefallen seyn mag, berichtigen wir unter uns: auf meine alte Schuld bey Carolinen kann es natürlich keinen Einfluß haben. Ich werde Sorge tragen, daß die Summe von 600 rth. gegen die Zeit, wo Sie in Rom seyn werden, in bestimmten Terminen dort ausgezahlt werden könne, auch falls es nöthig sein sollte, einen Theil davon zu Anfange dem Mahler für seine Auslagen vorzuschießen. Ich erwarte darüber Ihre näheren Aufträge, und Sie können sich auf meine Genauigkeit verlassen.
Tieck läßt Sie bestens grüßen. Er hofft nächstens in München einzutreffen, sobald er noch einige kleine unternommene Arbeiten hier wird zu Stande gebracht haben. Die Büste der Frau von Stael und die meinige hat er fertig. Sein Basrelief für Neckers Grabmal ist vortrefflich. Der Wunsch Ihre Büste zu machen, den er lange hegte, ist einer von seinen Beweggründen nach München zu gehen. Er ist überzeugt, wenn sie nur erst in Gips vorhanden ist, so werde es auch nicht an einem Liebhaber der deutschen Wissenschaft und Kunst fehlen, der sie in einer dauerhafteren Masse ausgearbeitet zu sehen wünschen möchte. Er weiß, daß Ihr Bildniß in Rom interessiren wird, da Ihre Rede über das Verhältniß der Kunst zur Natur dort unter [4] den Künstlern aus deutschem Geblüt ein großes Aufsehen gemacht hat, so daß, wie er versichert, alle sich Ihrer versprochenen Ankunft freuen, und mit lebhafter Erwartung darauf gespannt sind.
Dieß schrieb er mir xx schon vor beträchtlicher Zeit von Rom aus, zum Beweise wie wenig er Arg daraus hatte, daß Sie irgend eine Klage gegen ihn führen könnten. Was Sie darüber in Ihrem Briefe vom 26sten Aug. äußern, war mir ganz unerwartet; ich stelle mir vor, daß es sich auf alte Misverständnisse gründet, welche eine erneuerte Bekanntschaft zerstreuen wird. In vieljähriger Vertrautheit habe ich nicht leicht einen Freund redlicher bewährt gefunden als Friedrich Tieck. Ich weiß, daß man an ihm in der Abwesenheit einen treuen Bundesgenossen hat, und daß in seine Gesinnungen sich nie die mindeste Zweydeutigkeit mischt. Auch ist mir nicht bekannt, daß er je irgend ein Verhältniß durch unvorsichtige Äußerungen oder Mangel an Verschwiegenheit gestört hätte.
Die Einlage bitte ich Sie unverzüglich zu besorgen, und daher nur zu übersenden, wenn Ihnen eine persönliche Aufwartung eben nicht gelegen seyn sollte.
Ihre die Akademie betreffende Sendung hat mir viel Unterhaltung gewährt. Mit großem Be[5]dacht habe ich die Verfassung der Akademie der Wissenschaften gelesen, aber ich gestehe es, mit größerer Befriedigung die der bildenden Künste.
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo u wie. Ohne ein kritischer Oedipus zu seyn, kann man spüren, daß bey ihrem Entwurf eine andere Hand im Spiele gewesen als bey jener. Bey Eröffnung des Packets fiel mir zuerst das beygelegte Kupferblatt in die Augen. Ich zerbrach mir viel den Kopf darüber, was diese angenehmen Hieroglyphen bedeuten möchten, und glaubte es müßte wenigstens das Muster zu einem Fries für eine künftige bayerische Nationalbaukunst seyn, als ich den gestickten Rockkragen darin wieder erkannte, den unzertrennlichen Ihres Präsidenten. Das heißt in der That, die Gesetze anschaulich und auf eine über alle Misverständnisse erhabene Art abfassen. Könnten Sie nicht durch Ihren Credit für uns arme correspondirende Mitglieder auch einen kleinen gestickten Rand auswirken?
Sogleich nach meiner Zurückkunft in Coppet habe ich einen verbindlichen Brief über meine Aufnahme an Se. Excellenz geschrieben, aber bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Es könnte wohl seyn daß ein so monarchischer Präsident eins und das andre was ich ganz leise anzudeuten mich vermessen, übel vermerkt hätte.
[6] Sehr merkwürdig ist mir alles gewesen, was Sie mir über die neueste Schrift meines Bruders schrieben, u über den Eindruck, den sie sonst in München gemacht. Sie durften nicht besorgen, daß ich von Ihrem Urtheil über den philosophischen Buchx Theil des Buchs irgend einen übeln Gebrauch machen würde. Mein Bruder konnte wohl im voraus wissen, Sie würden nicht damit zufrieden seyn. Ich habe ihm bloß von Ihrem Interesse an der historischen Seite gesprochen. Indessen kann ich die Folgerung nicht gelten lassen, daß weil er hier nur auf wenigen Blättern von Pantheismus, Dualißmus u. s. w. gehandelt, er keine vorläufigen Untersuchungen darüber angestellt u nichts weiter im Hinterhalt habe. Mir däucht, es ist ganz etwas andres, von dem Aufkommen, Blühen, Ausarten u dem endlichen Untergang philosophischer Systeme in einem großen historischen Zusammenhange handeln, als auf den einem Bau eines Systems zu dessen Widerlegung oder Bestätigung eingehen. Ich meyne doch mein Bruder hätte zu andern Zeiten, und noch neuerdings bey der Kritik über Fichte’s neuere Schriften (in den Heidelberg. Jahrbüchern) gezeigt, daß er auch das letztere wohl könne. Ich kann Sie versichern daß sein begeisterter Eifer für die Physik nicht im mindesten abgenommen hat. Über Jakob [7] Böhme hatte ich seit kurzem kein Gespräch mit Friedrich; so viel ich weiß, ist er ein so warmer Anhänger von ihm als je. Sollte man die Lehre des J. Böhme für etwas anderes nehmen können als die von den zwey Prinzipien, nach der Offenbarung berichtigt in Absicht auf die Abhängigkeit des bösen Prinzips, und unter der Form der Emanation kosmogonisch dargestellt?
Wenn das Buch über die Indische Sprache u Weisheit auch nur von Einer Seite Epoche macht, so wäre es billig, daß bedeutende Stimmen dieß öffentlich anerkennten, u dieß ist, so viel ich weiß, bis jetzt nur durch Johannes Müller geschehen. In Frankreich sind schon verschiedene sehr günstige Anzeigen erschienen, u vermuthlich wird es nächstens übersetzt. Wollen wir Deutschen denn immer so saumselig damit seyn, uns gegenseitig anzuerkennen?
Grüßen Sie Baadern bestens von mir, und machen Sie ihn aufmerksam auf die Nachgelassenen Werke von St. Martin in 2 Bänden. Es steht 1807 darauf, doch sind sie meines Wissens erst ganz vor kurzem in Umlauf gekommen. Sie enthalten zum Theil Selbstbekenntnisse u abgerissene Gedanken, aber auch sonst viel herrliches. Unter andern eine Abhandlung über eine Preisaufgabe der Berlin. [8] Akademie, welche sie dem Vf. zurückschickte, ohne im mindesten Unrath zu merken, wie sehr sie dadurch ad absurdum geführt worden. Es wäre lustig, die Erbärmlichkeit der alten Berlinerey an diesem Beyspiele ins Licht zu stellen, daß nämlich eine solche Stimme dort xx ganz unvernommen verhallen konnte.
Eben da ich Ihnen von Werners Aufenthalt bey uns schreiben will, fällt es mir aufs Herz daß ich Ihren Auftrag an ihn nicht bestellt habe. Er war mir damals gänzlich entfallen. Entschuldigen Sie dieß bestens, ich weiß nicht, ob Werner noch in Paris ist, er wollte nur sehr kurze Zeit dort bleiben u dann nach Weimar zurückgehen. Sobald ich dahin schreibe, will ich es nachhohlen.
Übrigens haben wir Wernern hier alle sehr lieb gewonnen, er hat mir ein großes Zutrauen geschenkt, u mir viele noch ungedruckte Sachen mitgetheilt. Wiewohl sein Französisch ungefähr so herauskommt, wie wenn jemand sich auf ebnem Boden, wie ein ungeübter Seiltänzer gebehrdete, so hat er doch seiner Originalität u sogar seiner Laune darin Luft zu machen gewußt. Frau von Stael ist sehr von ihm eingenommen, und ganz voll von seinem Attila, den wir so eben erhalten.
[9] Überhaupt ist das Schloß Coppet oft ein Sammelplatz ausgezeichneter Menschen, es bildet sich da zuweilen eine ganz artige Deutsche Colonie. Es wäre schön, wenn Sie auch einmal, etwa bey Gelegenheit Ihrer Italiänischen Reise in diesen Kreis einträten, und unser Verzeichniß mit Ihrem Namen bereicherten. Diesen Sommer war der Kronprinz von Bayern mit seinen Begleitern da, der Etatsrath von Vogt aus Hamburg, der alte redliche Pestalozzi, Werner und Friedrich Tieck; vor einigen Sommern Johannes Müller und mein Bruder. Unter den berühmten oder die es zu seyn verdienen, will ich Ihnen gerade nicht einen halbdeutschen Dichter anrechnen: den Dänen Oehlenschläger, dessen Aladdin Ihnen vielleicht vorgekommen ist. Diese dramatische Manier ist einigermaßen für die nordischen Winternächte berechnet, wo die Sonne vier Wochen lang nicht aufgeht. Der Aladdin ist Goetheʼn zugeeignet, u Goethe mag ihn auch für sich behalten, denn wir andern können ihn schwerlich genießen. Damit Sie aber nicht glauben, daß es damit abgethan sey, so kündige ich Ihnen einen ganzen Sack von dänisch deutschen Tragödien an, den er nächstens bey Cotta ausschütten wird.
Bey Gelegenheit Oehlenschlägers fällt mir [10] ein, mich nach Steffens zu erkundigen, der ein Freund von ihm ist. Ich höre er soll sich, wovor er immer einen solchen Abscheu hatte, nun mehr im Königreich Westphalen nützlich machen. Damit wird es, fürchte ich, schlimm aussehen. Sollte er aber nicht bald einmal etwas angenehmes oder wenigstens genießbares in Schriften zu vernehmen geben?
Beschreiben Sie mir doch Humboldts Besuch in München, wie er sich ausnahm, zwischen Jacobi, Ihnen u Baader. Ich hätte mit dabey seyn mögen.
Haben Sie die Güte, mich dem Freyherrn von Aretin angelegentlich zu empfehlen, und ihm zu sagen, daß ich das mir anvertraute Manuscript von den Niebelungen heilig verwahre, „wie das Kleinoden-Kästchen des Darius“, und es nächstens zurücksenden werde. Ich bin schon sehr weit mit der Vergleichung der Lesearten vorgerückt, die mir um so wichtiger sind, da ich auch die des Skt. Gallischen Codex besitze.
Die neueren Hefte Ihrer Zeitschrift, und was Sie mir sonst zugedacht hatten bitte ich Sie nur dem Postwagen mit einer Addresse nach Coppet anzuvertrauen. Ich habe auf diese Weise jetzt mehrere Bücherpackete ohne einen Commissionär an der Schweizergränze richtig erhalten, u hoffe es wird nicht verlohren gehen und um [11] so schneller ankommen. Sobald meine Vorlesungen über dramatische Kunst heraus sind, werde ich dem Verleger auftragen zwey Exemplare an Sie zu besorgen, eins für Sie selbst und eins für den Kronprinzen, meinen verehrten Gönner.
Empfehlen Sie mich gele bey Gelegenheit Hrn. Director Langer; auch Tieck bittet ihm seine Hochachtung zu bezeugen, falls er sich noch erinnert, ihn in Paris gesehen zu haben.
Viele Grüße an Carolinen. Leben Sie beyde recht wohl.
Der Ihrige
AWSchlegel

je joins à cette lettre un petit mot pour me rappeller à vous j’ai révé que vous devriez venir passer l’été à Coppet le pays est charmant vous me guideriez dans ce que j’écris sur la philosophie allemande et je m’enrichirois de vos idèes – dites moi si ce rève est tout à fait idealish G. St. que pensez vous du valstein francois? mandez le nous –

Nämlich von B. Constantʼs nach franz. Formen umgearbeiteter Wallenstein, der so eben erscheint.
[12] Madame
Monsieur
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 24.12.1808
· Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Geheimes Hausarchiv)
· NL Kg Ludwig I I A 40 IV
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