• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Bonn · Date: 10.04.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 10.04.1822
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 396‒398.
  • Incipit: „[1] Heidelberg den 10ten April 1822.
    Theuerster Freund
    Ich habe Ihnen schon vor einiger Zeit wieder schreiben wollen, und habe nur auf die [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.32
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,1 x 13,2 cm
    Language
  • German
[1] Heidelberg den 10ten April 1822.
Theuerster Freund
Ich habe Ihnen schon vor einiger Zeit wieder schreiben wollen, und habe nur auf die Nachricht von Berlin gewartet, ob mann ihnen von dort aus schon Flore und Blanscheflur zugeschickt hat oder nicht, seltsamer Weise aber beantworten mir die zerstreuten Menschen diese Frage nicht, sondern quälen mich nur immer mit der Bemerkung daß es die höchste Zeit sei Ihre Vorrede zu erhalten. Ich bitte Sie herzlich und angelegentlichst mein theuerster Freund, erfüllen Sie mir nun Ihr Versprechen, das Sie mir mit so vieler Güte gegeben haben, denn wenn Sie länger zögern so erscheint meine Behauptung, daß Sie auf diese Weise Ihre Theilnahme an dies Gedicht ausdrücken wollten, wie eine leere Prahlerei, und stellt mich in ein höchst ungünstiges Licht. Verzeihen Sie mir daß ich Sie so quäle, aber Sie werden selbst einsehen wie viel mir aus tausend Gründen an der Erfüllung Ihres Versprechens gelegen sein muß.
Ich hoffe Reimer hat Ihnen, wie er sich früher erboth die Aushängebogen zugeschickt, und ich bin unglaublich begierig zu erfahren, wie Ihnen mein Werk nun in seiner veränderten Gestallt gefallen hat. Ich bitte Sie wenden Sie einige Stunden an mich, und theilen Sie mir Ihr Urtheil und Ihre Bemerkungen darüber mit. Bedenken Sie daß ich Ihre allte Schülerin in der Poesie bin, und entziehen Sie mir deshalb Ihre Belehrung nicht.
Könten wir uns nur einmal ruhig wiedersehen so Vieles liegt mir drükend auf dem Herzen, worüber ich Ihnen gerne klagen möchte, und worüber mich wie über früheres Unglück so oft Ihre liebevolle [2] Gesinnung, Ihre freundschaftliche Theilnahme trösten würde. Ich habe Ihnen niemahls über Wilhelm geschrieben, und schon daraus haben Sie sch[l]ießen können, da Ihnen meine Empfindungsweise bekannt ist, wie wenig ich durch seinen Anblick erfreut gewesen bin. Sie werden ihn nun sehen, zu meinem Kummer ist er nach Bonn gegangen, und macht es mir also unmöglich Sie dort zu besuchen, denn da er Knorring so unaussprechlich mißfallen hat, daß er durchaus nicht mit ihm in Berührung sein will, so bin ich gezwungen die Orte zu vermeiden wo er sich aufhällt.
Es ziehmt mir nicht offen etwas Nachtheiliges über ihn zu sagen. Sie werden ihn aber sehen, und Ihrem scharfsichtigen Geiste wird es nicht entgehen, wie höchst nachtheilig die Erziehung auf ihn gewirckt hat, die zu seinem Unglück, und auch zu dem Meinigen ihm zu theil geworden ist. Wenn Sie Felix sehen werden, so wird es Ihnen unmöglich scheinen, daß diese Beide in irgend einer Beziehung zu einander stehen können.
Es giebt einen Schmerz mein theuerster Freund der das Herz unheilbar tief verwundet, es giebt ein Unglück daß so standhaft gegenwärtig bleibt, daß wir keine Freude rein mehr empfinden können; wenn Sie diesen Wilhelm sehen, wenn Sie seine verwahrloßte Gestallt betrachten, und seine verschrobene Seele kennen lernen, dann werden Sie fühlen daß mein Unglück zu dieser Gattung gehört.
Ich habe ihm weitläuftig geschrieben, und ihm darin mit so vieler Schonung als möglich deutlich zu machen gesucht wie wir zu einander stehen müssen, und warum dies unglücklicher Weise so sein muß. Wenn er sich Ihnen so nähern sollte, daß er Ihnen etwaß [3] über seine Lage mittheilt, oder über sein Unglück klagt, so bitt ich Sie diesen Brief von ihm zu begehren, um die Gründe die mein Betragen gegen ihn bestimmen müssen kennen zu lernen. Ich bin überzeugt mein theuerster Freund, daß Sie ihm rathen werden meine Ruhe zu schonen, und nicht durch übereilte Schritte sich selbst zu schaden. Sie können nicht denken wie unglaublich schmerzlich es mir sein würde wenn er auf den unglücklichen Gedanken käme mich hier besuchen zu wollen.
Sie werden aus diesem Briefe sehen, mit welcher Ungeduldt ich Ihre Antwort diesmal erwarte, da ich hoffe daß sie mich über so viele Gegenstände beruhigen soll, ich bitte Sie also zögern Sie diesmal nicht zu lange, und lassen Sie mir den Trost zu glauben daß meine Unruhe, und der Kummer meines Herzens Ihnen nicht gleichgültig geworden sind.
Knorring wünscht so herzlich als ich Sie einmal wieder zu sehen, und da wir nun nicht nach Bonn können kommen, so hoffen wir Sie machen es möglich nach Darmstadt oder nach Manheim zu kommen, auch wünscht Knorring so sehr daß Ihre Vorrede meinem Gedicht die Wichtigkeit in den Augen des Publikums geben möchte, die es in den Seinigen hat. Deshalb hat er seine Bitte mit der Meinigen vereinigt, und ich bitte Sie nun dringend erfreuen Sie uns recht bald mit einer Antwort. Ich befinde mich nicht so wohl als es zu wünschen wäre, indeß bin ich schon daran gewöhnt von mancherlei körperlichen Leiden geplagt zu werden. Mit Ihrer Gesundheit hoffe ich geht es jezt besser, als vor einiger Zeit.
Von meinen Bruder Ludwig habe ich, nach seiner gewöhnlichen Art, seit lange keine Nachricht, mein [4] Bruder Friedrich ist in Berlin sehr fleißig. Möchten wir doch alle einmal wieder, wenn auch nur auf eine kurze Zeit, vereinigt sein können. Ich glaube wir würden uns alle dadurch wieder viel näher und inniger an einander schließen.
Leben Sie wohl, mein theuerster Freund, und verzeihen Sie es mir, daß ich noch einmal die Bitte wiederhole, mich diesmal nicht zu lange auf eine Antwort warten zu lassen.
Leben Sie wohl und glüklich, mit unveränderter Freundschaft die Ihrige
S.[ophie] v.[on] Knorring.
[1] Heidelberg den 10ten April 1822.
Theuerster Freund
Ich habe Ihnen schon vor einiger Zeit wieder schreiben wollen, und habe nur auf die Nachricht von Berlin gewartet, ob mann ihnen von dort aus schon Flore und Blanscheflur zugeschickt hat oder nicht, seltsamer Weise aber beantworten mir die zerstreuten Menschen diese Frage nicht, sondern quälen mich nur immer mit der Bemerkung daß es die höchste Zeit sei Ihre Vorrede zu erhalten. Ich bitte Sie herzlich und angelegentlichst mein theuerster Freund, erfüllen Sie mir nun Ihr Versprechen, das Sie mir mit so vieler Güte gegeben haben, denn wenn Sie länger zögern so erscheint meine Behauptung, daß Sie auf diese Weise Ihre Theilnahme an dies Gedicht ausdrücken wollten, wie eine leere Prahlerei, und stellt mich in ein höchst ungünstiges Licht. Verzeihen Sie mir daß ich Sie so quäle, aber Sie werden selbst einsehen wie viel mir aus tausend Gründen an der Erfüllung Ihres Versprechens gelegen sein muß.
Ich hoffe Reimer hat Ihnen, wie er sich früher erboth die Aushängebogen zugeschickt, und ich bin unglaublich begierig zu erfahren, wie Ihnen mein Werk nun in seiner veränderten Gestallt gefallen hat. Ich bitte Sie wenden Sie einige Stunden an mich, und theilen Sie mir Ihr Urtheil und Ihre Bemerkungen darüber mit. Bedenken Sie daß ich Ihre allte Schülerin in der Poesie bin, und entziehen Sie mir deshalb Ihre Belehrung nicht.
Könten wir uns nur einmal ruhig wiedersehen so Vieles liegt mir drükend auf dem Herzen, worüber ich Ihnen gerne klagen möchte, und worüber mich wie über früheres Unglück so oft Ihre liebevolle [2] Gesinnung, Ihre freundschaftliche Theilnahme trösten würde. Ich habe Ihnen niemahls über Wilhelm geschrieben, und schon daraus haben Sie sch[l]ießen können, da Ihnen meine Empfindungsweise bekannt ist, wie wenig ich durch seinen Anblick erfreut gewesen bin. Sie werden ihn nun sehen, zu meinem Kummer ist er nach Bonn gegangen, und macht es mir also unmöglich Sie dort zu besuchen, denn da er Knorring so unaussprechlich mißfallen hat, daß er durchaus nicht mit ihm in Berührung sein will, so bin ich gezwungen die Orte zu vermeiden wo er sich aufhällt.
Es ziehmt mir nicht offen etwas Nachtheiliges über ihn zu sagen. Sie werden ihn aber sehen, und Ihrem scharfsichtigen Geiste wird es nicht entgehen, wie höchst nachtheilig die Erziehung auf ihn gewirckt hat, die zu seinem Unglück, und auch zu dem Meinigen ihm zu theil geworden ist. Wenn Sie Felix sehen werden, so wird es Ihnen unmöglich scheinen, daß diese Beide in irgend einer Beziehung zu einander stehen können.
Es giebt einen Schmerz mein theuerster Freund der das Herz unheilbar tief verwundet, es giebt ein Unglück daß so standhaft gegenwärtig bleibt, daß wir keine Freude rein mehr empfinden können; wenn Sie diesen Wilhelm sehen, wenn Sie seine verwahrloßte Gestallt betrachten, und seine verschrobene Seele kennen lernen, dann werden Sie fühlen daß mein Unglück zu dieser Gattung gehört.
Ich habe ihm weitläuftig geschrieben, und ihm darin mit so vieler Schonung als möglich deutlich zu machen gesucht wie wir zu einander stehen müssen, und warum dies unglücklicher Weise so sein muß. Wenn er sich Ihnen so nähern sollte, daß er Ihnen etwaß [3] über seine Lage mittheilt, oder über sein Unglück klagt, so bitt ich Sie diesen Brief von ihm zu begehren, um die Gründe die mein Betragen gegen ihn bestimmen müssen kennen zu lernen. Ich bin überzeugt mein theuerster Freund, daß Sie ihm rathen werden meine Ruhe zu schonen, und nicht durch übereilte Schritte sich selbst zu schaden. Sie können nicht denken wie unglaublich schmerzlich es mir sein würde wenn er auf den unglücklichen Gedanken käme mich hier besuchen zu wollen.
Sie werden aus diesem Briefe sehen, mit welcher Ungeduldt ich Ihre Antwort diesmal erwarte, da ich hoffe daß sie mich über so viele Gegenstände beruhigen soll, ich bitte Sie also zögern Sie diesmal nicht zu lange, und lassen Sie mir den Trost zu glauben daß meine Unruhe, und der Kummer meines Herzens Ihnen nicht gleichgültig geworden sind.
Knorring wünscht so herzlich als ich Sie einmal wieder zu sehen, und da wir nun nicht nach Bonn können kommen, so hoffen wir Sie machen es möglich nach Darmstadt oder nach Manheim zu kommen, auch wünscht Knorring so sehr daß Ihre Vorrede meinem Gedicht die Wichtigkeit in den Augen des Publikums geben möchte, die es in den Seinigen hat. Deshalb hat er seine Bitte mit der Meinigen vereinigt, und ich bitte Sie nun dringend erfreuen Sie uns recht bald mit einer Antwort. Ich befinde mich nicht so wohl als es zu wünschen wäre, indeß bin ich schon daran gewöhnt von mancherlei körperlichen Leiden geplagt zu werden. Mit Ihrer Gesundheit hoffe ich geht es jezt besser, als vor einiger Zeit.
Von meinen Bruder Ludwig habe ich, nach seiner gewöhnlichen Art, seit lange keine Nachricht, mein [4] Bruder Friedrich ist in Berlin sehr fleißig. Möchten wir doch alle einmal wieder, wenn auch nur auf eine kurze Zeit, vereinigt sein können. Ich glaube wir würden uns alle dadurch wieder viel näher und inniger an einander schließen.
Leben Sie wohl, mein theuerster Freund, und verzeihen Sie es mir, daß ich noch einmal die Bitte wiederhole, mich diesmal nicht zu lange auf eine Antwort warten zu lassen.
Leben Sie wohl und glüklich, mit unveränderter Freundschaft die Ihrige
S.[ophie] v.[on] Knorring.
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