• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 04.05.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 04.05.1822
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 398‒400.
  • Incipit: „[1] Mein theuerster Freund,
    Ich richte diese Worte an Sie mit einer seltsamen Empfindung, ich hoffte jezt in wenigen Wochen mich frei [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.33
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,1 x 13,1 cm
    Language
  • German
[1] Mein theuerster Freund,
Ich richte diese Worte an Sie mit einer seltsamen Empfindung, ich hoffte jezt in wenigen Wochen mich frei und unabhängig bewegen zu können, und es dan auf irgend eine Weise einzurichten, daß wir uns wiedersehen könnten, wobei ich mit Knorring hoffte daß sich dann gemeinschaftlich ein Lebensplan verabreden liesse, wie wir in der Zukunft mehr mit einander leben könnten, und statt dessen muß ich nun wieder von Ihnen Abschied nehmen, ohne Sie gesehen, und gesprochen zu haben. Mein Schwager, Knorrings Bruder ist in Reval gestorben, und Knorring als sein einziger Erbe ist gezwungen auf einige Zeit zurükzukehren, um das ihm zugefallene bedeutende Vermögen zu regulieren, wir können nicht hoffen vor künftigen Frühling wieder hier zu sein, und ich bin gezwungen wieder einen Winter, in dieser rauhen Gegend, getrent von allem was mir Freude machen könnte hinzubringen. Versagen Sie mir den Trost nicht, mein theuerster Freund, mir wenigstens einige mahle zu schreiben. Sie wissen nicht mit welcher Dankbarkeit mann die Zeilen von der Hand eines theuren Freundes empfängt, zu einer Zeit, wo jeder befreundete Klang doppelt werth zu achten ist.
Verzeihen Sie mir wenn ich Ihnen zerstreut schreibe, ich habe vor meiner Abreise eine Menge verdriesliche Geschäfte, und leide dabei, und eben dadurch an heftigen Kopfschmerzen. Es ist warhaft unglücklich daß Wilhelm es durchgesezt hat nach Bon[n] zu gehen, und dadurch die nächste Zeit den Aufenthalt für uns [2] unmöglich gemacht hat, doch hoffe ich man wird ihn bestimmen können Bonn bis zum nächsten Frühjahr wieder zu verlassen, welches mir ein wahrer Trost wäre. Sie haben ihn jezt ohnfehlbar gesehen und werden es begreifen, daß mir die Erinnerung an ihn höchst schmerzhaft ist. Meine Seele kann sich nicht davon überzeugen, daß dies Geschöpf in irgend einen Zusammenhang mit mir steht, und es komt mir diese Wircklichkeit oft wie ein ängstlicher Traum vor.
Unter manchen unangenehmen Eigenschaften die Wilhelm hat, ist auch die zu rechnen, daß er das Geld unmäßig verschwenden soll, ich mache Sie also mit seiner äussern Lage bekannt, damit Sie nicht wenn er in Noth gerahten sollte, es dem Mangel an Mitteln zuschreiben sich anständig zu erhallten. B[ernhardi] hat ein Vermögen hinterlassen welches etwas über tausend Thaler Preußisch Revenüen trägt. Da er aber kleine Legate vermacht hat, so bleiben nach allen Abzügen 900 für Wilhelm und Felix jährlich. Sie können wohl denken daß ich meine Hände nicht beflekt habe, etwas für Felix zu nehmen, und es ist unser aller Meinung, da Knorring seinen Nahmen und sein Vermögen auf Felix überträgt, daß dies Ganze für Wilhelm bleiben soll. Aus Angst aber daß irgend eine Möglichkeit eintreten könte, wodurch mir etwas von diesem brillanten Vermögen zufallen könnte, hat B[ernhardi] sein Testament so eingerichtet, daß Beide erst wenn sie 30 Jahre alt sind über diese Erbschaft verfügen können. Sollten sie früher ohne Kinder sterben, so fällt die ganze grosse Summe, ich weiß nicht welcher öffentlichen Anstallt zu, diese weise Einrichtung macht es ohnmög[3]lich sich früher mit Wilhelm auseinander zu setzen, denn da Felix überhaupt nicht früher über seinen Antheil verfügen kann, so kann er es ja auch nicht zu Gunsten Wilhelms.
Wir haben also die Einrichtung getroffen daß Wilhelm jährlich 600 Th. Preußisch bekommen soll und daß der Überschuß dem Vermögen beigefügt wird, wodurch dieses noch etwas wächst, und da ein junger Mensch mit 1100 Gulden wohl auskommen kann, so hat der Bruder sich vorgenommen ihm nicht mehr zukommen zu lassen.
Ich bitte Sie wenn Sie ihn sprechen sich nicht fester darüber zu erklären daß wir die Absicht haben ihm das ganze Vermögen zu lassen, denn da er eben so eigennützig als verschwenderisch ist, so sucht er dies schon lange von mir zu erpressen, ich hallte ihn aber in der Ungewisheit, und gewinne dadurch ein Mittel ihn von mir entfernt zu hallten.
Felix kann es sich nicht versagen Sie diesen Herbst zu besuchen. Ich brauche Sie nicht zu bitten ihn gut aufzunehmen. Sie haben ihn immer geliebt. Ich bin überzeugt es wird Ihnen Freude machen ihn zu sehen. O! mein theurer Freund alles Gute daß ich vom Himmel hoffe möchte ich auf dies theure geliebte Haupt niederlegen. Sie werden ihn lieben so bald Sie ihn kennen, keiner der Fehler die einen kleinlichen Geist verrahten befleckt seine Seele, aber dennoch ist er nicht tadelloß. Er ist nicht eitel aber der unbändige Stolz seiner Seele kann ihm gefährlich werden, er ist nicht feige, aber seine Kühnheit kann ihm schaden, er ist nicht schwach und deswegen schlecht, aber die Festigkeit seines Charakters kann störriger Troz werden. Er ist höchst friedfertig, aber er [4] wird sich eher auf Tod und Leben schlagen, als eine Erniedrigung dulden. Er hat selbst noch die volle Unschuld und die reinsten Sitten, und deswegen noch die strenge Moral eines zwanzigjährigen Menschen. O mein theurer Freund nehmen Sie ihn mit Liebe auf und schreiben Sie mir aufrichtig ohne Hehl welchen Eindruck er auf Sie gemacht hat. Richten Sie Ihre Antwort an mich nach Reval über Riga, und adressieren Sie lieber Ihren Brief an Carl Gregor Knorring, damit er auf keinen Fall in unrechte Hände gerahten, oder die Neugierde müssiger Menschen reitzen, und mir so verlohren gehen könnte.
Ich muß Sie dringend bitten mein theurer Freund die Vorrede zu Flore und Blanscheflur doch ungesäumt nach Berlin zu schiken, damit nicht der Druck zu lange verzögert wird.
Leben Sie wohl und glücklich, lassen Sie mich keine Fehlbitte gethan haben, und schreiben Sie mir recht bald nach Reval damit ich in der traurig weiten Entfernung doch wenigstens den Trost habe, daß meine Freunde ihre Gesinnung gegen mich nicht ändern. Noch einmal leben Sie wohl, ich bin so ermattet daß ich nicht mehr schreiben kann.
Knorring und Felix bitten um ihre fortwährende Freundschaft, und von mir sind Sie überzeugt daß ich unverändert bin, mit treuer Freundschaft
die Ihrige
S.[ophie] v.[on] Knorring.
Heidelberg. den 4ten Mai 1822
[1] Mein theuerster Freund,
Ich richte diese Worte an Sie mit einer seltsamen Empfindung, ich hoffte jezt in wenigen Wochen mich frei und unabhängig bewegen zu können, und es dan auf irgend eine Weise einzurichten, daß wir uns wiedersehen könnten, wobei ich mit Knorring hoffte daß sich dann gemeinschaftlich ein Lebensplan verabreden liesse, wie wir in der Zukunft mehr mit einander leben könnten, und statt dessen muß ich nun wieder von Ihnen Abschied nehmen, ohne Sie gesehen, und gesprochen zu haben. Mein Schwager, Knorrings Bruder ist in Reval gestorben, und Knorring als sein einziger Erbe ist gezwungen auf einige Zeit zurükzukehren, um das ihm zugefallene bedeutende Vermögen zu regulieren, wir können nicht hoffen vor künftigen Frühling wieder hier zu sein, und ich bin gezwungen wieder einen Winter, in dieser rauhen Gegend, getrent von allem was mir Freude machen könnte hinzubringen. Versagen Sie mir den Trost nicht, mein theuerster Freund, mir wenigstens einige mahle zu schreiben. Sie wissen nicht mit welcher Dankbarkeit mann die Zeilen von der Hand eines theuren Freundes empfängt, zu einer Zeit, wo jeder befreundete Klang doppelt werth zu achten ist.
Verzeihen Sie mir wenn ich Ihnen zerstreut schreibe, ich habe vor meiner Abreise eine Menge verdriesliche Geschäfte, und leide dabei, und eben dadurch an heftigen Kopfschmerzen. Es ist warhaft unglücklich daß Wilhelm es durchgesezt hat nach Bon[n] zu gehen, und dadurch die nächste Zeit den Aufenthalt für uns [2] unmöglich gemacht hat, doch hoffe ich man wird ihn bestimmen können Bonn bis zum nächsten Frühjahr wieder zu verlassen, welches mir ein wahrer Trost wäre. Sie haben ihn jezt ohnfehlbar gesehen und werden es begreifen, daß mir die Erinnerung an ihn höchst schmerzhaft ist. Meine Seele kann sich nicht davon überzeugen, daß dies Geschöpf in irgend einen Zusammenhang mit mir steht, und es komt mir diese Wircklichkeit oft wie ein ängstlicher Traum vor.
Unter manchen unangenehmen Eigenschaften die Wilhelm hat, ist auch die zu rechnen, daß er das Geld unmäßig verschwenden soll, ich mache Sie also mit seiner äussern Lage bekannt, damit Sie nicht wenn er in Noth gerahten sollte, es dem Mangel an Mitteln zuschreiben sich anständig zu erhallten. B[ernhardi] hat ein Vermögen hinterlassen welches etwas über tausend Thaler Preußisch Revenüen trägt. Da er aber kleine Legate vermacht hat, so bleiben nach allen Abzügen 900 für Wilhelm und Felix jährlich. Sie können wohl denken daß ich meine Hände nicht beflekt habe, etwas für Felix zu nehmen, und es ist unser aller Meinung, da Knorring seinen Nahmen und sein Vermögen auf Felix überträgt, daß dies Ganze für Wilhelm bleiben soll. Aus Angst aber daß irgend eine Möglichkeit eintreten könte, wodurch mir etwas von diesem brillanten Vermögen zufallen könnte, hat B[ernhardi] sein Testament so eingerichtet, daß Beide erst wenn sie 30 Jahre alt sind über diese Erbschaft verfügen können. Sollten sie früher ohne Kinder sterben, so fällt die ganze grosse Summe, ich weiß nicht welcher öffentlichen Anstallt zu, diese weise Einrichtung macht es ohnmög[3]lich sich früher mit Wilhelm auseinander zu setzen, denn da Felix überhaupt nicht früher über seinen Antheil verfügen kann, so kann er es ja auch nicht zu Gunsten Wilhelms.
Wir haben also die Einrichtung getroffen daß Wilhelm jährlich 600 Th. Preußisch bekommen soll und daß der Überschuß dem Vermögen beigefügt wird, wodurch dieses noch etwas wächst, und da ein junger Mensch mit 1100 Gulden wohl auskommen kann, so hat der Bruder sich vorgenommen ihm nicht mehr zukommen zu lassen.
Ich bitte Sie wenn Sie ihn sprechen sich nicht fester darüber zu erklären daß wir die Absicht haben ihm das ganze Vermögen zu lassen, denn da er eben so eigennützig als verschwenderisch ist, so sucht er dies schon lange von mir zu erpressen, ich hallte ihn aber in der Ungewisheit, und gewinne dadurch ein Mittel ihn von mir entfernt zu hallten.
Felix kann es sich nicht versagen Sie diesen Herbst zu besuchen. Ich brauche Sie nicht zu bitten ihn gut aufzunehmen. Sie haben ihn immer geliebt. Ich bin überzeugt es wird Ihnen Freude machen ihn zu sehen. O! mein theurer Freund alles Gute daß ich vom Himmel hoffe möchte ich auf dies theure geliebte Haupt niederlegen. Sie werden ihn lieben so bald Sie ihn kennen, keiner der Fehler die einen kleinlichen Geist verrahten befleckt seine Seele, aber dennoch ist er nicht tadelloß. Er ist nicht eitel aber der unbändige Stolz seiner Seele kann ihm gefährlich werden, er ist nicht feige, aber seine Kühnheit kann ihm schaden, er ist nicht schwach und deswegen schlecht, aber die Festigkeit seines Charakters kann störriger Troz werden. Er ist höchst friedfertig, aber er [4] wird sich eher auf Tod und Leben schlagen, als eine Erniedrigung dulden. Er hat selbst noch die volle Unschuld und die reinsten Sitten, und deswegen noch die strenge Moral eines zwanzigjährigen Menschen. O mein theurer Freund nehmen Sie ihn mit Liebe auf und schreiben Sie mir aufrichtig ohne Hehl welchen Eindruck er auf Sie gemacht hat. Richten Sie Ihre Antwort an mich nach Reval über Riga, und adressieren Sie lieber Ihren Brief an Carl Gregor Knorring, damit er auf keinen Fall in unrechte Hände gerahten, oder die Neugierde müssiger Menschen reitzen, und mir so verlohren gehen könnte.
Ich muß Sie dringend bitten mein theurer Freund die Vorrede zu Flore und Blanscheflur doch ungesäumt nach Berlin zu schiken, damit nicht der Druck zu lange verzögert wird.
Leben Sie wohl und glücklich, lassen Sie mich keine Fehlbitte gethan haben, und schreiben Sie mir recht bald nach Reval damit ich in der traurig weiten Entfernung doch wenigstens den Trost habe, daß meine Freunde ihre Gesinnung gegen mich nicht ändern. Noch einmal leben Sie wohl, ich bin so ermattet daß ich nicht mehr schreiben kann.
Knorring und Felix bitten um ihre fortwährende Freundschaft, und von mir sind Sie überzeugt daß ich unverändert bin, mit treuer Freundschaft
die Ihrige
S.[ophie] v.[on] Knorring.
Heidelberg. den 4ten Mai 1822
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