• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Creuzer

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Heidelberg · Date: 29.06.1818
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Creuzer
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Heidelberg
  • Date: 29.06.1818
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Universitätsbibliothek Heidelberg
  • Classification Number: Heid. Hs. 789,14
  • Number of Pages: 2 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Incipit: „[1] Hochgeehrtester Herr Hofrath!
    Ew. Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey die Schriften von Dawes und Buttmann, die beyde mit mehr [...]“
    Language
  • German
  • Greek
  • Latin
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Seidel, Aline
  • Varwig, Olivia
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[1] Hochgeehrtester Herr Hofrath!
Ew. Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey die Schriften von Dawes und Buttmann, die beyde mit mehr Muße durchgegangen zu werden verdienen, als ich jetzt habe, mit vielem Dank zurückzusenden.
Ich weiß nicht ob ich meine Meynung gestern bestimmt ausgedrückt habe, ich bin so frey sie Ihnen schriftlich vorzulegen und Sie zur gelegentlichen Prüfung einzuladen, um in dem Urtheil eines Kenners entweder Widerlegung oder Bestätigung zu finden.
Ich bezweifle das Digamma in allen Wörtern welche den spiritus asper haben, wenigstens kann es meines Bedünkens nur auf Σ gefolgt seyn; und ist vermuthlich früher als dieses weggefallen. Bey der allmählichen Umbildung der Sprache wäre also die Reihe der Formen diese gewesen: ΣFΕΚΥΡΟΣ, ΣΕΚΥΡΟΣ, ἑκυρος; ΣFΑΔΥ, ΣΑΔΥ, ἁδυ; niemals aber hätte man gesagt Fεκυρος, Fαδυ, denn der übrig gebliebene spiritus asper ist dem Sigma verwandt, aber keinesweges dem Digamma. Die Zeugnisse der Grammatiker für das Digamma in einigen solchen Wörtern machen mich nicht irre: denn schwerlich ist wohl anzunehmen, daß sie alte Handschriften vor Augen gehabt, in welchen das Digamma noch geschrieben gewesen wäre, sondern sie stützten sich auf ihre Theorie, dem Hiatus sey durch Einschiebung des Digamma abzuhelfen. Dieß wird aber eben so gut durch das Sigma geleistet. Die Griechischen Grammatiker kannten die Analogie der Lateinischen Sprache nicht, und würden sie als barbarisch verachtet haben. Ich stütze mich nun, nächst dieser längst anerkannten Analogie, auf die des Indischen und der Germanischen Sprache. [2] ZB. im Indischen heißt der Schwiegervater svasuras, die Schwiegermutter svasrūs; socer, oder socrus; im Gothischen svaihr, u. s. w. Welche aspirirten Wörter aber zur Zeit der Abfassung der Homerischen Gedichte noch mit einem Sigma ausgesprochen worden seyn mögen, das käme auf eine Untersuchung an.
Ich wünsche Ihr facsimile noch näher mit Ihnen durchzugehen, besonders in Absicht auf die Formen des Optativs und Conjunctivs Auch möchte ich Ihnen gern manches von meinen Indischen Lucubrationen vorlegen. Daß man vom Ganges Aufklärungen über die Etymologie des Griechischen und Lateinischen herhohlen kann, klingt freylich paradox, doch hoffe ich es wird in der Folge anerkannt werden.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel
Montags d. 29sten Jun
1818

Wenn Ew. Wohlgeb. etwa sonst noch neuere Schriften zur Hand haben, die sich mit den ältesten Formen des Griechischen beschäftigen, so werden Sie mich durch die Mittheilung sehr verbinden.
[3] [leer]
[4] An
Herrn Hofrath Creuzer
Wohlgeb.
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[1] Hochgeehrtester Herr Hofrath!
Ew. Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey die Schriften von Dawes und Buttmann, die beyde mit mehr Muße durchgegangen zu werden verdienen, als ich jetzt habe, mit vielem Dank zurückzusenden.
Ich weiß nicht ob ich meine Meynung gestern bestimmt ausgedrückt habe, ich bin so frey sie Ihnen schriftlich vorzulegen und Sie zur gelegentlichen Prüfung einzuladen, um in dem Urtheil eines Kenners entweder Widerlegung oder Bestätigung zu finden.
Ich bezweifle das Digamma in allen Wörtern welche den spiritus asper haben, wenigstens kann es meines Bedünkens nur auf Σ gefolgt seyn; und ist vermuthlich früher als dieses weggefallen. Bey der allmählichen Umbildung der Sprache wäre also die Reihe der Formen diese gewesen: ΣFΕΚΥΡΟΣ, ΣΕΚΥΡΟΣ, ἑκυρος; ΣFΑΔΥ, ΣΑΔΥ, ἁδυ; niemals aber hätte man gesagt Fεκυρος, Fαδυ, denn der übrig gebliebene spiritus asper ist dem Sigma verwandt, aber keinesweges dem Digamma. Die Zeugnisse der Grammatiker für das Digamma in einigen solchen Wörtern machen mich nicht irre: denn schwerlich ist wohl anzunehmen, daß sie alte Handschriften vor Augen gehabt, in welchen das Digamma noch geschrieben gewesen wäre, sondern sie stützten sich auf ihre Theorie, dem Hiatus sey durch Einschiebung des Digamma abzuhelfen. Dieß wird aber eben so gut durch das Sigma geleistet. Die Griechischen Grammatiker kannten die Analogie der Lateinischen Sprache nicht, und würden sie als barbarisch verachtet haben. Ich stütze mich nun, nächst dieser längst anerkannten Analogie, auf die des Indischen und der Germanischen Sprache. [2] ZB. im Indischen heißt der Schwiegervater svasuras, die Schwiegermutter svasrūs; socer, oder socrus; im Gothischen svaihr, u. s. w. Welche aspirirten Wörter aber zur Zeit der Abfassung der Homerischen Gedichte noch mit einem Sigma ausgesprochen worden seyn mögen, das käme auf eine Untersuchung an.
Ich wünsche Ihr facsimile noch näher mit Ihnen durchzugehen, besonders in Absicht auf die Formen des Optativs und Conjunctivs Auch möchte ich Ihnen gern manches von meinen Indischen Lucubrationen vorlegen. Daß man vom Ganges Aufklärungen über die Etymologie des Griechischen und Lateinischen herhohlen kann, klingt freylich paradox, doch hoffe ich es wird in der Folge anerkannt werden.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel
Montags d. 29sten Jun
1818

Wenn Ew. Wohlgeb. etwa sonst noch neuere Schriften zur Hand haben, die sich mit den ältesten Formen des Griechischen beschäftigen, so werden Sie mich durch die Mittheilung sehr verbinden.
[3] [leer]
[4] An
Herrn Hofrath Creuzer
Wohlgeb.
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