• August Wilhelm von Schlegel to Christian Friedrich Tieck

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Bern · Date: 28. April [1812]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling, partially newly transcribed
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Friedrich Tieck
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Bern
  • Date: 28. April [1812]
  • Notations: Da Körner nur den Beginn des Briefs gedruckt hat, wurde der Schluss neu transkribiert. ‒ Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Körner, Josef: Das Geheimnis der Frau von Staël. In: Die Neueren Sprachen 34 (1926), S. 449‒450.
  • Verlag: Braun-Elwert Marburg
  • Incipit: „[1] [Edierter Text von Josef Körner:]
    [Coppet] d. 28sten April [1812]
    Allerdings ist es nothwendig, dergleichen zu wissen, lieber Freund, und ihr habt [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(51)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 19,3 x 11,8 cm
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia (Anteil Neutranskription)
  • Varwig, Olivia (Anteil Neutranskription)
[1] [Edierter Text von Josef Körner:]
[Coppet] d. 28sten April [1812]
Allerdings ist es nothwendig, dergleichen zu wissen, lieber Freund, und ihr habt mir damit einen Dienst geleistet, aber einen Dienst, der mich diese Tage her gar sehr aus meiner Fassung gebracht hat. Heute bin ich unwohl. Ich schreibe Dir über die bewußte Geschichte, lies es M.[arie] vor.
Ich habe alle mögliche Gewißheit, daß es nichts als eine boshafte Lüge ist. Zuerst glaubte ich, es käme aus dem pöbelhaften Kreise der unteren Gassen, – jetzt meyne ich auf einer richtigeren Spur zu seyn. Vermuthlich wird es ganz geflissentlich ausgesprengt, durch Agenten der Pol.[izey]. – Auf ähnliche Art hat man es der Fürstin Dolgoroucki gemacht, die ich als eine sehr stolze aber nichts weniger als sittenlose Frau gekannt habe. Weil sie ihre Gesinnungen über das öffentliche zu unvorsichtig geäußert hatte, so kam ein Zeitungs-Artikel über sie mit den gröbsten und gemeinsten Schmähungen ihrer Ehre. Da man sich in solchen Fällen nicht an die Wahrheit bindet, und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die nicht mit den Umständen Bekannten hinreicht, so würde ich gar nicht erstaunt seyn, wenn man die Geschichte nächstens mit allen möglichen Verbrämungen gedruckt zu lesen bekäme. Wenn es wahr wäre, so könntet ihr gewiß seyn, daß man es vollends nicht ungenützt würde vorbey gehn lassen. Was könnte [2] erwünschter seyn, um eine Person deren Geist bewundert wird, und Einem im Lichte steht, in der Achtung herabzusetzen.
Die Angabe daß Jur.[ine] es gesagt haben soll, ist ganz unsinnig. Die Ärzte sind gewohnt, daß ihnen das Geheimste anvertraut wird, es geschieht alle Tage. Sie wissen wohl daß alle Achtung, alles Vertrauen dessen sie genießen, auf ihrer Verschwiegenheit beruht. Ein Arzt, der schwatzt, ist in der That der gefährlichste Mensch von der Welt. Wer kann also glauben, daß ein erprobter Mann von sechzig Jahren sich durch solches Geklatsch selbst den Hals in der Meynung gebrochen haben sollte? Auch kann ich Dir sagen, daß er vielmehr, wenn es wäre, da ich ihn stundenlang sprach, ein Meisterstück der Verstellungskunst ausgeführt hätte, das meine Begriffe übersteigt.
Was dabey zu machen ist? Gar nichts leider, als der Zeit die Aufklärung überlassen. Es fehlt zwar nicht an Leuten, die bereit wären, die Herumträger solcher Neuigkeiten für ihre Mühe auf das tüchtigste zu belohnen. Aber was würde damit geholfen seyn? Das Ärgerniß würde nur schlimmer.
Ich fürchte, die Fortdauer der Krankheit, und vielleicht die bedenkliche Wendung die sie nimmt, wird nur eine allzu gründliche Widerlegung darbieten. Das ist etwas theuer erkauft.
In G.[enf] scheint die gute Gesellschaft es zu wissen, [3] aber recht bestimmt ihre Verachtung des Gerüchtes bezeugen zu wollen. Sie war drey Tage dort, mit Besuchen und Einladungen überhäuft, man beeiferte sich ihr jeden Beweis der Achtung und Theilnahme zu geben.
[Neutranskription:]
Dieß mag genug sind, x ich habe so viele andre Sorgen u Verdruß im Kopfe, daß ich dieses Zuwachses wohl hätte entrathen können.
Es thut mir herzlich leid, daß ich mich mit dem Gelde verrechnet habe. Es ängstigt mich, daß du noch nicht fort kannst, wodurch der du natürlich immer mehr in Nachtheil kommst. Was will die üb rauhe Witterung sagen, die ja gleich jenseit der Alpen aufhört, wo du vielmehr mit Hitze zu kämpfen haben wirst. Mit Mailand, das scheint mir unsicher, du müßtest mir wenigstens eine Adresse geben, u mir den Zeitpunkt deiner Ankunft melden. Hältst du dich dort auf, so verursacht x es ja wiederum Ausgaben.
Ich muß gestehen dx es verstimmt mich ein wenig gegen das kleinstädtische B., daß die Geschichte dort so leicht Eingang gefunden.
Lebe recht wohl, mir ist der Kopf so schwer, daß ich kaum das übrige fertig zu schreiben weiß.
Vernichte diesen Brief, sobald du ihn vorgelesen besonders wäre es gefährlich, die Vermuthung zu äußern über die Quelle der Erfindung, denn [4] es giebt überall Späher. Die offne Einlage ist für die Schwester – zeige sie aber erst Marien.
[1] [Edierter Text von Josef Körner:]
[Coppet] d. 28sten April [1812]
Allerdings ist es nothwendig, dergleichen zu wissen, lieber Freund, und ihr habt mir damit einen Dienst geleistet, aber einen Dienst, der mich diese Tage her gar sehr aus meiner Fassung gebracht hat. Heute bin ich unwohl. Ich schreibe Dir über die bewußte Geschichte, lies es M.[arie] vor.
Ich habe alle mögliche Gewißheit, daß es nichts als eine boshafte Lüge ist. Zuerst glaubte ich, es käme aus dem pöbelhaften Kreise der unteren Gassen, – jetzt meyne ich auf einer richtigeren Spur zu seyn. Vermuthlich wird es ganz geflissentlich ausgesprengt, durch Agenten der Pol.[izey]. – Auf ähnliche Art hat man es der Fürstin Dolgoroucki gemacht, die ich als eine sehr stolze aber nichts weniger als sittenlose Frau gekannt habe. Weil sie ihre Gesinnungen über das öffentliche zu unvorsichtig geäußert hatte, so kam ein Zeitungs-Artikel über sie mit den gröbsten und gemeinsten Schmähungen ihrer Ehre. Da man sich in solchen Fällen nicht an die Wahrheit bindet, und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die nicht mit den Umständen Bekannten hinreicht, so würde ich gar nicht erstaunt seyn, wenn man die Geschichte nächstens mit allen möglichen Verbrämungen gedruckt zu lesen bekäme. Wenn es wahr wäre, so könntet ihr gewiß seyn, daß man es vollends nicht ungenützt würde vorbey gehn lassen. Was könnte [2] erwünschter seyn, um eine Person deren Geist bewundert wird, und Einem im Lichte steht, in der Achtung herabzusetzen.
Die Angabe daß Jur.[ine] es gesagt haben soll, ist ganz unsinnig. Die Ärzte sind gewohnt, daß ihnen das Geheimste anvertraut wird, es geschieht alle Tage. Sie wissen wohl daß alle Achtung, alles Vertrauen dessen sie genießen, auf ihrer Verschwiegenheit beruht. Ein Arzt, der schwatzt, ist in der That der gefährlichste Mensch von der Welt. Wer kann also glauben, daß ein erprobter Mann von sechzig Jahren sich durch solches Geklatsch selbst den Hals in der Meynung gebrochen haben sollte? Auch kann ich Dir sagen, daß er vielmehr, wenn es wäre, da ich ihn stundenlang sprach, ein Meisterstück der Verstellungskunst ausgeführt hätte, das meine Begriffe übersteigt.
Was dabey zu machen ist? Gar nichts leider, als der Zeit die Aufklärung überlassen. Es fehlt zwar nicht an Leuten, die bereit wären, die Herumträger solcher Neuigkeiten für ihre Mühe auf das tüchtigste zu belohnen. Aber was würde damit geholfen seyn? Das Ärgerniß würde nur schlimmer.
Ich fürchte, die Fortdauer der Krankheit, und vielleicht die bedenkliche Wendung die sie nimmt, wird nur eine allzu gründliche Widerlegung darbieten. Das ist etwas theuer erkauft.
In G.[enf] scheint die gute Gesellschaft es zu wissen, [3] aber recht bestimmt ihre Verachtung des Gerüchtes bezeugen zu wollen. Sie war drey Tage dort, mit Besuchen und Einladungen überhäuft, man beeiferte sich ihr jeden Beweis der Achtung und Theilnahme zu geben.
[Neutranskription:]
Dieß mag genug sind, x ich habe so viele andre Sorgen u Verdruß im Kopfe, daß ich dieses Zuwachses wohl hätte entrathen können.
Es thut mir herzlich leid, daß ich mich mit dem Gelde verrechnet habe. Es ängstigt mich, daß du noch nicht fort kannst, wodurch der du natürlich immer mehr in Nachtheil kommst. Was will die üb rauhe Witterung sagen, die ja gleich jenseit der Alpen aufhört, wo du vielmehr mit Hitze zu kämpfen haben wirst. Mit Mailand, das scheint mir unsicher, du müßtest mir wenigstens eine Adresse geben, u mir den Zeitpunkt deiner Ankunft melden. Hältst du dich dort auf, so verursacht x es ja wiederum Ausgaben.
Ich muß gestehen dx es verstimmt mich ein wenig gegen das kleinstädtische B., daß die Geschichte dort so leicht Eingang gefunden.
Lebe recht wohl, mir ist der Kopf so schwer, daß ich kaum das übrige fertig zu schreiben weiß.
Vernichte diesen Brief, sobald du ihn vorgelesen besonders wäre es gefährlich, die Vermuthung zu äußern über die Quelle der Erfindung, denn [4] es giebt überall Späher. Die offne Einlage ist für die Schwester – zeige sie aber erst Marien.
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