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Excellenz haben mich durch Ihre Zuschrift und <span class="index-2599 tp-14882 ">Sendung</span> auf die angenehmste Weise überrascht. Ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, daß Sie bei einer beschränkten Mittheilung von Gedichten, die Sie lange als <span class="index-2604 tp-14891 ">ein schönes Geheimniß geheiligter Erinnerungen bewahrt</span> hatten, meiner gedacht haben. Wiewohl Ew. Excellenz in einem ruhmvollen Geschäftleben nur bei besondern Veranlassungen als Dichter öffentlich haben auftreten wollen, so war mir dennoch Ihre Meisterschaft und gewandte Kühnheit in Behandlung der Sprache und des Versbaues wohlbekannt; denn hiezu bedurfte es nur weniger Proben. Hier aber ist etwas, das eine stärkere Theilnahme hervorruft: das Bild einer Lebensgeschichte in einer Reihe von Gedichten, wo der Ausdruck zarter und edler Gefühle in der gewähltesten Form immer wahr und innig bleibt, und wo in der Zusammenstellung alle sich gleichsam gegenseitig bestätigen.<br>Es war mir recht wohlthätig bei dieser Gelegenheit mich in jene Zeit zurück zu versetzen, wo ich unter der Leitung <span class="index-1402 tp-14886 ">meines Meisters und Freundes Bürger</span> meine ersten Ausflüge wagte. <span class="index-2601 tp-14887 ">Eines der Sonette in seiner Sammlung (</span><span class="index-2601 tp-14887 weight-bold ">Wann die goldne Frühe p</span><span class="index-2601 tp-14887 ">)</span> ist von meiner Hand, freilich <span class="index-36 tp-14889 ">dem </span><span class="index-36 tp-14889 index-2602 tp-14888 ">Petrarca</span> nachgebildet.<br>Die Mannichfaltigkeit der Formen achte ich für einen Gewinn, und möchte daher keine der Modificationen ausschließen, deren das Sonett in unserer Sprache empfänglich, selbst den Alexandriner nicht; nur müßte dann die Gliederung besser beobachtet werden, als es von <span class="index-1391 tp-14884 ">Opitz</span> und <span class="index-2603 tp-14890 ">Flemming</span> geschehen ist. Trochäische Verse mit lauter weiblichen Reimen laufen leicht zu sehr in einander, was bei den eilfsylbigen Jamben nicht zu besorgen steht. Ich weiß wohl, was sich mit Grunde gegen den durchgängigen Gebrauch der weiblichen Reime einwenden läßt, nämlich die farblose Einförmigkeit der Schlußsylben. Mich bewog zu dieser Neuerung das Vorbild der südlichen Dichter. Ich glaubte dadurch dem Sonett mehr innere Fülle zu geben, wozu die Vermehrung der Heimsylben erstaunlich viel beiträgt, besonders wenn sie auf Hauptbegriffe oder Bilder fallen, weil die Stimme bei ihnen verweilt. So scheint es mir auch vortheilhaft den Gegensatz zwischen den Quartetten und Terzetten möglichst zu verstärken, z. B. durch die unmittelbare Folge drei verschiedner Reime und Aufsparung der Erwiederung, welches jedoch zum strengeren Style gehört.<br>Möchte ich nur Ew. Excellenz reiche Gabe durch irgend etwas erwiedern können! Aber seit langer Zeit nahm ich von der Ausübung der Poesie beinahe Abschied, wiewohl es immer meine Lieblingsbeschäftigung bleibt, den ächten dichterischen Geist in allen Zeitaltern und Himmelstrichen zu erkennen. Ich bitte um Erlaubniß Ew. Excellenz <span class="index-2600 tp-14885 ">eine Französische Schrift</span> übersenden zu dürfen, deren Durchblätterung Sie mit dem Umfange der sprachlichen und geschichtlichen Forschungen bekannt machen wird, denen ich mich seit zwanzig Jahren zugewendet habe.<br>Genehmigen Sie, nebst dem wiederholten Ausdrucke meiner Dankbarkeit, die Versicherung der ausgezeichnetsten Verehrung womit ich<br>die Ehre habe zu seyn<br>Ew. Excellenz<br>gehorsamster<br>A. W. von Schlegel<br><span class="index-887 tp-14881 ">Bonn</span> d. 4ten Mai<br><span class="weight-bold ">1836</span>' $isaprint = true $isnewtranslation = false $statemsg = 'betamsg13' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/2851' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Friedrich August von Staegemann am 04.05.1836, Bonn' $adressatort = 'Unknown' $absendeort = 'Bonn <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/1001909-1">GND</a>' $date = '04.05.1836' $adressat = array( (int) 1318 => array( 'ID' => '1318', 'project' => '1', 'timecreate' => '2013-02-11 16:19:43', 'timelastchg' => '2017-12-21 15:21:48', 'key' => 'AWS-ap-0039', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_name' => 'Staegemann, Friedrich August von', '39_geschlecht' => 'm', '39_gebdatum' => '1763-11-07', '39_geburtsort' => array( 'ID' => '10015', 'content' => 'Vierraden (Schwedt/Oder)', 'bemerkung' => 'GND:4297951-1', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_toddatum' => '1840-12-17', '39_sterbeort' => array( 'ID' => '15', 'content' => 'Berlin', 'bemerkung' => 'GND:2004272-3', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_lebenwirken' => 'Schriftsteller, Lyriker, Politiker Staegemann verlor früh beide Elternteile und wuchs in einem Berliner Waisenhaus auf. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaft an der Universität Halle. 1785 schlug er als Gerichtsreferendar in Ostpreußen die Beamtenlaufbahn ein. In Königsberg versammelte er mit seiner Gattin Elisabeth Graun bedeutende Persönlichkeiten wie Immanuel Kant um sich. 1807 wurde Staegemann nach Berlin als Chef der preußischen Bank berufen. Er beteiligte sich intensiv an den Stein-Hardenbergschen Reformen. Auch in die Planung der Befreiungskriege und des darauf folgenden Wiener Kongresses war er involviert. Als Gesandter in London vertrat er Preußen. 1816 folgte die Nobilitierung durch Friedrich Wilhelm III. für seine Verdienste. Staegemann war Mitglied im neu gegründeten Staatsrat und leitete die „Allgemeine Preußische Staatszeitung“. 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Hochwohlgeborner
Hochzuverehrender Herr Geheime-Staatsrath!
Ew. Excellenz haben mich durch Ihre Zuschrift und Sendung auf die angenehmste Weise überrascht. Ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, daß Sie bei einer beschränkten Mittheilung von Gedichten, die Sie lange als ein schönes Geheimniß geheiligter Erinnerungen bewahrt hatten, meiner gedacht haben. Wiewohl Ew. Excellenz in einem ruhmvollen Geschäftleben nur bei besondern Veranlassungen als Dichter öffentlich haben auftreten wollen, so war mir dennoch Ihre Meisterschaft und gewandte Kühnheit in Behandlung der Sprache und des Versbaues wohlbekannt; denn hiezu bedurfte es nur weniger Proben. Hier aber ist etwas, das eine stärkere Theilnahme hervorruft: das Bild einer Lebensgeschichte in einer Reihe von Gedichten, wo der Ausdruck zarter und edler Gefühle in der gewähltesten Form immer wahr und innig bleibt, und wo in der Zusammenstellung alle sich gleichsam gegenseitig bestätigen.
Es war mir recht wohlthätig bei dieser Gelegenheit mich in jene Zeit zurück zu versetzen, wo ich unter der Leitung meines Meisters und Freundes Bürger meine ersten Ausflüge wagte. Eines der Sonette in seiner Sammlung (Wann die goldne Frühe p) ist von meiner Hand, freilich dem Petrarca nachgebildet.
Die Mannichfaltigkeit der Formen achte ich für einen Gewinn, und möchte daher keine der Modificationen ausschließen, deren das Sonett in unserer Sprache empfänglich, selbst den Alexandriner nicht; nur müßte dann die Gliederung besser beobachtet werden, als es von Opitz und Flemming geschehen ist. Trochäische Verse mit lauter weiblichen Reimen laufen leicht zu sehr in einander, was bei den eilfsylbigen Jamben nicht zu besorgen steht. Ich weiß wohl, was sich mit Grunde gegen den durchgängigen Gebrauch der weiblichen Reime einwenden läßt, nämlich die farblose Einförmigkeit der Schlußsylben. Mich bewog zu dieser Neuerung das Vorbild der südlichen Dichter. Ich glaubte dadurch dem Sonett mehr innere Fülle zu geben, wozu die Vermehrung der Heimsylben erstaunlich viel beiträgt, besonders wenn sie auf Hauptbegriffe oder Bilder fallen, weil die Stimme bei ihnen verweilt. So scheint es mir auch vortheilhaft den Gegensatz zwischen den Quartetten und Terzetten möglichst zu verstärken, z. B. durch die unmittelbare Folge drei verschiedner Reime und Aufsparung der Erwiederung, welches jedoch zum strengeren Style gehört.
Möchte ich nur Ew. Excellenz reiche Gabe durch irgend etwas erwiedern können! Aber seit langer Zeit nahm ich von der Ausübung der Poesie beinahe Abschied, wiewohl es immer meine Lieblingsbeschäftigung bleibt, den ächten dichterischen Geist in allen Zeitaltern und Himmelstrichen zu erkennen. Ich bitte um Erlaubniß Ew. Excellenz eine Französische Schrift übersenden zu dürfen, deren Durchblätterung Sie mit dem Umfange der sprachlichen und geschichtlichen Forschungen bekannt machen wird, denen ich mich seit zwanzig Jahren zugewendet habe.
Genehmigen Sie, nebst dem wiederholten Ausdrucke meiner Dankbarkeit, die Versicherung der ausgezeichnetsten Verehrung womit ich
die Ehre habe zu seyn
Ew. Excellenz
gehorsamster
A. W. von Schlegel
Bonn d. 4ten Mai
1836
Hochzuverehrender Herr Geheime-Staatsrath!
Ew. Excellenz haben mich durch Ihre Zuschrift und Sendung auf die angenehmste Weise überrascht. Ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, daß Sie bei einer beschränkten Mittheilung von Gedichten, die Sie lange als ein schönes Geheimniß geheiligter Erinnerungen bewahrt hatten, meiner gedacht haben. Wiewohl Ew. Excellenz in einem ruhmvollen Geschäftleben nur bei besondern Veranlassungen als Dichter öffentlich haben auftreten wollen, so war mir dennoch Ihre Meisterschaft und gewandte Kühnheit in Behandlung der Sprache und des Versbaues wohlbekannt; denn hiezu bedurfte es nur weniger Proben. Hier aber ist etwas, das eine stärkere Theilnahme hervorruft: das Bild einer Lebensgeschichte in einer Reihe von Gedichten, wo der Ausdruck zarter und edler Gefühle in der gewähltesten Form immer wahr und innig bleibt, und wo in der Zusammenstellung alle sich gleichsam gegenseitig bestätigen.
Es war mir recht wohlthätig bei dieser Gelegenheit mich in jene Zeit zurück zu versetzen, wo ich unter der Leitung meines Meisters und Freundes Bürger meine ersten Ausflüge wagte. Eines der Sonette in seiner Sammlung (Wann die goldne Frühe p) ist von meiner Hand, freilich dem Petrarca nachgebildet.
Die Mannichfaltigkeit der Formen achte ich für einen Gewinn, und möchte daher keine der Modificationen ausschließen, deren das Sonett in unserer Sprache empfänglich, selbst den Alexandriner nicht; nur müßte dann die Gliederung besser beobachtet werden, als es von Opitz und Flemming geschehen ist. Trochäische Verse mit lauter weiblichen Reimen laufen leicht zu sehr in einander, was bei den eilfsylbigen Jamben nicht zu besorgen steht. Ich weiß wohl, was sich mit Grunde gegen den durchgängigen Gebrauch der weiblichen Reime einwenden läßt, nämlich die farblose Einförmigkeit der Schlußsylben. Mich bewog zu dieser Neuerung das Vorbild der südlichen Dichter. Ich glaubte dadurch dem Sonett mehr innere Fülle zu geben, wozu die Vermehrung der Heimsylben erstaunlich viel beiträgt, besonders wenn sie auf Hauptbegriffe oder Bilder fallen, weil die Stimme bei ihnen verweilt. So scheint es mir auch vortheilhaft den Gegensatz zwischen den Quartetten und Terzetten möglichst zu verstärken, z. B. durch die unmittelbare Folge drei verschiedner Reime und Aufsparung der Erwiederung, welches jedoch zum strengeren Style gehört.
Möchte ich nur Ew. Excellenz reiche Gabe durch irgend etwas erwiedern können! Aber seit langer Zeit nahm ich von der Ausübung der Poesie beinahe Abschied, wiewohl es immer meine Lieblingsbeschäftigung bleibt, den ächten dichterischen Geist in allen Zeitaltern und Himmelstrichen zu erkennen. Ich bitte um Erlaubniß Ew. Excellenz eine Französische Schrift übersenden zu dürfen, deren Durchblätterung Sie mit dem Umfange der sprachlichen und geschichtlichen Forschungen bekannt machen wird, denen ich mich seit zwanzig Jahren zugewendet habe.
Genehmigen Sie, nebst dem wiederholten Ausdrucke meiner Dankbarkeit, die Versicherung der ausgezeichnetsten Verehrung womit ich
die Ehre habe zu seyn
Ew. Excellenz
gehorsamster
A. W. von Schlegel
Bonn d. 4ten Mai
1836