Es war eine Eingebung des Himmels, daß Sie sich von meiner Schwester einen Brief an uns mitgeben ließen. Wie kamen Sie nur darauf? Denn Sie dachten sich doch wohl bey meinem Namen gar nichts weiter. – Aber nicht weniger werth war der Einfall, über J.[ena] zurückzureisen. Wissen Sie auch noch wer ihn gehabt hat? Wir sollten billig dankbar dafür seyn. – Der zweyte Aufenthalt war noch um vieles schöner als der erste, wo ich immer noch mit ihrer Besorgniß zu kämpfen hatte, Als ob ich Sie misdeuten könnte. Auch diese Hülle mußte fallen, um mich Ihr seelenvolles Wesen in seiner ganzen Wahrheit erkennen zu lassen. Sehen Sie, das ist eins von dem vielen, wodurch Annäherungen des Herzens sich selbst belohnen, daß sie so viel verborgne Liebenswürdigkeit ans Licht bringen und wecken. Was fremde Menschen an einem bewundern, oder was ihnen gefällt, ist meistens nur etwas äußerliches und zufälliges.
Heute Abend wird es 14 Tage, daß ich Sie zuerst sah. Die zarte Regung, die Sie mir am letzten Morgen einflößten als ein plötzlicher Schmerz Sie ergriff, und Sie in Thränen ausbrachen, – diese innige und reine Theilnahme ist bey mir das herrschende Gefühl; und ich schmeichle mir, Sie sind überzeugt, daß keine andre, die Sie veranlaßten, je in Widerstreit mit dieser gerathen kann. Mich verlangt sehr, so manches Nähere von Ihrer Lage und Ihren Schicksalen zu wissen, und mich dünkt, jetzt könnte ich recht ruhig neben Ihnen sitzen, und anhören, und Sie niemals unterbrechen. Sollte sich dieß auch vor der Gewalt Ihrer Gegenwart in eine Täuschung auflösen, so weiß ich doch, daß meine Freundschaft Ihnen in die Ferne folgt, und nicht erkalten kann. Es wird mich immer beunruhigen, wenn ich Sie mir nicht glücklich denken darf, – aber mit diesem Schmerz werden die Süßigkeiten eines Umgangs von wenigen Tagen, diese himmlischen Süßigkeiten noch längst nicht nach ihrem Werthe erkauft.
Ich habe immer noch einige freundliche Händel über die verfloßnen Tage durchzufechten. Ich mag mich stellen wie ich will, man ist zu klug, – nämlich von der Seite, wo mir daran gelegen seyn muß, – um nicht durchzusehen. Es thut mir leid, daß Sie Carolinen nicht so ganz kennen gelernt haben, – es war wohl theils Absicht, theils eine unwillkührliche Regung, was machte, daß sie Ihnen eher auswich. Gewiß, Sie können nicht zu groß von ihrem Geist und Charakter denken. Dabey ist unser Bund auf wunderbare Weisen geknüpft. Dennoch ist alles genau wahr was ich Ihnen am letzten Morgen sagte, von der Gefahr für meine Ruhe; so seltsam ist unser Wesen eingerichtet. Wenn aber das unbegreiflich überraschende nur ein schönes Geheimniß ist, so muß man es doch wohl gelten lassen.
Wenn Sie in Br.[aunschweig] persönliche Bekanntschaft mit der Addresse des mitgenommenen Pakets machen, so werden Sie über die Ungleichheit zweyer Schwestern erstaunen. Jene ist sehr gutmüthig, aber niaise, ohne Grazie und ohne Bildung.
Die zurückgelassnen Blätter werden Sie wohl nicht sogleich wieder erhalten, wenigstens nicht bey der Ankunft vorfinden – aber das ersetzt doch wohl dieser Brief? Ich habe schon viel darauf gesonnen, etwas auf unser Verhältniß zu dichten, was schlechthin nur Sie allein sollen deuten können, was übrigens ganz mysteriös wäre; – aber es hat mir noch nicht gelingen wollen, das Individuelle alsdann nicht auszulöschen, was ich gern ausdrücken möchte. – Bey dem Gedicht von Heliodora denke ich gern an Sie: es wurde kurz vor unsrer Bekanntschaft gemacht, mir muß wohl geahndet haben daß mir etwas glückliches bevorstünde. Der Nahme schien mir auf Sie zu passen, – eine so heitre leuchtende Erscheinung, und dann in Rücksicht auf mich, das unerwartete was plötzlich so wie vom Himmel herabkommt. Nebenher habe ich dann auch auf den Ort angespielt, wo wunderlicher Weise alle die schönen Augenblicke erlebt wurden. Haben Sie denn schon die Sonne vergessen, die verwünschte Sonne, in welche die Sonne niemals hineinscheint? Ich gehe doch niemals vorbey, ohne sie freundlich zu grüßen.
Die Frage, wie Sie dazu kamen, uns so gütig aufzusuchen, that ich wirklich ganz unbefangen. Sie kannten zerstreute Gedichte von mir und [hatten] die Uebersetzung des Shaksp.[eare] gelesen, beydes konnte Ihnen gefallen haben, ohne daß es doch gerade den Wunsch einer persönlichen Bekanntschaft erregen mußte. Etwas anders ist es mit Männern von längst gegründetem und sehr ausgebreiteten Ruhm. Da kann die bloße Neugierde schon wirken, wenn man auch ihre Werke eigentlich weder liebt noch bewundert. War ich doch auch begierig den alten Wieland zu sprechen als ich hierherkam, ob ich gleich nichts besser von ihm dachte als jetzt. Mein Ruhm ist noch sehr jung, und längst nicht das, was er nach meinen Entwürfen werden soll, wenn ich Kraft und Leben behalte. Ich kenne den Werth meines Geistes recht gut, – aber eben deswegen achte ich das sehr gering, was ich bis jetzt geleistet habe. Die Umstände sind mir den größten Theil meiner Jugend hindurch, hinderlich gewesen, – meine männlichen Jahre will ich nicht so verlieren. Ich bin jetzt in einem Zuge immer steigender Thätigkeit, worin mich hoffentlich nichts stören wird, da ich meine Unabhängigkeit aufs sorgfältigste in Acht zu nehmen gesonnen bin. – Wenn Sie gern etwas von mir lesen, liebe Elisa, so will ich Ihnen noch oft zu thun geben, und es wird mir ein werther Gedanke seyn, zur Unterhaltung Ihrer einsamen Stunden beyzutragen.
Daß Ihnen bei Ihrer sanften Ansicht der Dinge, ein Theil meiner Schriftstellerey, nämlich der Kriegführende, anstößig seyn muß, ist ganz natürlich; aber wenn ich Sie nur in das ganze Detail der litterarischen Verhältnisse einführen könnte, so bin ich überzeugt, daß Sie mir vollständig Recht geben würden. Ich mag Sie nur nicht von jämmerlichen Menschen und litterarischen tracasserien und misèren unterhalten. Sie haben meinen Umgang frey von Uebermuth Eitelkeit gefunden, glauben Sie mir also auch daß diese keinen Antheil daran haben, wenn ich schneidene Urtheile und Sarkasmen drucken lasse. Ich habe mich nun einmal mit der Kritik eingelassen, und ohne die strengste Schärfe des Urtheils ist diese gar nichts. Wenn man es mit geistlosen Schriften und Menschen zu thun hat, bleibt Spott die einzige Waffe; wenn man ernsthaft zu Werke geht, ist man in Gefahr in gleiche Geistlosigkeit zu gerathen. Bewahre uns der Himmel, daß wir diese Leute sollten bessern wollen, das hieße Mohren bleichen. Aber man kann doch das Publikum, das sie bisher gehabt haben, vielleicht über sie aufklären, und schädlichen Autoritäten entgegen arbeiten. Glauben Sie, wir machen uns keine Feinde, sondern wir haben Sie schon, – die Feinde jedes Fortschrittes hassen uns, weil wir eine beträchtliche Strecke vor ihnen voraus sind, und weil das was sie gethan haben, durch das unsrige vernichtet wird. Wenn man uns unterdrücken könnte, so würde man es von Herzen gern thun. Stellen Sie sich vor, daß die ganze Deutsche Litteratur in einem revolutionären Zustande ist, und daß wir, mein Bruder, Tieck, Schelling und einige andre zusammen die Bergparthei ausmachen. Wir brauchen uns dabey nicht zu schämen, denn die Häupter, wenn sie gleich nicht Parthey zu nehmen scheinen, sind doch Goethe und Fichte. Wenn man so unbedingt vergöttern kann, wie ich diese Männer, so muß man auch recht determinirt verachten können, und das thue ich denn wirklich. Ueberhaupt, dünkt mich, muß ein Mann, er handle in welchem Fach er will, kriegerisch gesinnt seyn, und wer nicht eine Menge Feinde hat, den halte ich gar nicht für einen rechtlichen Menschen. Doch genug und mehr als genug hievon. Während die Angegriffnen alles gegen uns in Bewegung setzen, und besonders die Weimarschen sich unter die spezielle Protektion des Herzogs zurückziehen möchten, habe ich die ausgeworfenen Raketen längst vergessen, und dichte in der größten Gemüthsruhe. Das ist eine Beschäftigung, wobey man das kleinliche Treiben subalterner Menschen wohlthätig vergißt, und ich werde mich ihr daher immer ausschließender zu widmen suchen.
Goethe, – damit ich auf etwas erfreulichers komme, – ist jetzt hier, und hat sich bey dem ersten Besuche gleich mit großem Interesse nach Ihnen erkundigt. Eine ganze Woche lang habe ich alle Vormittage bey ihm zugebracht; er giebt seine neueren Gedichte – – – – –
Sie sehen leicht, daß ich nicht zu eifrig darauf treiben kann. Dann bin ich auch nicht mit mir einig, was hineinschreiben? Etwas gleichgültiges und allgemeines mag ich nicht, ich muß also etwas finden, was mir gewissermaßen Genüge leistet und doch ostensibel ist. Ich wollte den Sittenspruch des goldnen Zeitalters setzen: Sʼei piace, ei lice. Allein das goldne Zeitalter gilt nicht, wird nicht anerkannt, und also: non lice, benchè piaccia.
Erinnern Sie sich doch an das Gedicht von Heliodora, und lassen Sie es für mich reden. Es wird Ihnen alles sagen, was ich diesem Papier nicht anzuvertrauen wage. Wissen Sie auch was Heliodora heißt? Es ist ein Griechischer Nahme und bedeutet Sonnengabe. Ja von der Sonne müssen schöne und gute Gaben kommen, – nach Einigen soll ja in der Sonne auch der Sitz der Seligen seyn.
Meine Bitte um einen besondern Brief lege ich Ihnen von neuem dringendst ans Herz. Melden Sie auch Ihre unmittelbare Addresse, weil mich der Umweg doch immer ängstlich macht.
Hörten wir nur recht bald von Ihnen!
Uebermorgen verlassen uns unsre Gäste und da unsre Auguste auf einige Wochen mit ihnen nach D.[essau] geht, so wird es sehr ruhig in unserm Hause werden; ich werde mit meinem Bruder und Sch.[elling] Muße genug haben, gemeinschaftlich zu philosophiren oder zu spotten, je nachdem es fällt. Meine Zuflucht ist Beschäftigung. O es muß sehr stille Zeiten im Leben geben, eh solche Momenten kommen dürfen, und möglich sind.
Auf das Papier, worein ich das unscheinbare aber liebe Andenken verwahre, habe ich aus meinem Shakesp.[eare] gesetzt: And thereby hangs a tale.
Ich gebe diesem dürftigen Blatt alles tausendfach mit, was ich ihm nicht mitgeben kann. Leben Sie wohl, liebste beste Elisa, und seyn Sie glücklich. Dazu brauchen Sie Ihre Gesinnungen gegen mich doch nicht zu ändern, oder mich zu vergessen? Adieu! adieu! Gute Nacht, wenn Sie den Brief Abends erhalten, guten Morgen wenn er Ihnen früh gebracht wird.