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Andere mögen jetzt in geselliger Freude der Stunde des neuen Jahres entgegen harren: ich bin einsam und nur im Geiste meinen Theuersten vereint. So empfangen Sie denn anderthalb Stunden vor dem Beginn des neuen Jahres meine herzlichsten Glückwünsche: der Himmel möge noch lange in Ihrer Person der Wissenschaft und dem Staate eine Stütze erhalten, <anchor type="b" n="6155" ana="15" xml:id="NidB46890"/>der Rheinischen Universität<anchor type="e" n="6155" ana="15" xml:id="NidE46890"/> eine Zierde und <hi rend="offset:4">Ihren</hi> dankbaren Schülern einen wohlwollenden Lehrer! Als mich die ganze Welt zu verlassen schien, da wollten Sie mir aus der Noth helfen: wer sonst darf sich eines wahrhaftig väterlichen Lehrers, wie ich, erfreuen? –<lb/>Gestern habe ich hier mein Lehramt angetreten. Ich habe wöchentlich 21 Stunden zu geben, in <hi rend="family:Courier">Prima <anchor type="b" n="803" ana="11" xml:id="NidB46886"/>Horatius<anchor type="e" n="803" ana="11" xml:id="NidE46886"/></hi>, <anchor type="b" n="1643" ana="11" xml:id="NidB46887"/><hi rend="family:Courier">Tacitus</hi><anchor type="e" n="1643" ana="11" xml:id="NidE46887"/> Annalen, Lateinische und Deutsche Stilübungen, in <hi rend="family:Courier">Secunda <anchor type="b" n="6998" ana="12" xml:id="NidB46910"/><anchor type="b" n="6360" ana="11" xml:id="NidB46909"/>Xenopohons<anchor type="e" n="6360" ana="11" xml:id="NidE46909"/> Anabasis<anchor type="e" n="6998" ana="12" xml:id="NidE46910"/></hi> (nach Ostern <anchor type="b" n="2218" ana="11" xml:id="NidB46888"/><hi rend="family:Courier">Herodot</hi><anchor type="e" n="2218" ana="11" xml:id="NidE46888"/>) und Griechische <hi rend="family:Courier">Exercitia</hi>, zusammen 11 Stunden (wovon eine meinem gutem Willen gehört, da ich im Ganzen wöchentlich nur zu 20 Stunden verpflichtet bin), in <hi rend="family:Courier">Sexta</hi> Lateinische und Deutsche Grammatik, 10 Stunden, und zwar in der Art, daß ich alljährig mit den Schülern eine Klasse höher hinaufrücke. In <hi rend="family:Courier">Prima</hi> habe ich angefangen die Interpretation des <hi rend="family:Courier">Horatius</hi> Lateinisch zu geben, <milestone unit="start" n="22487"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="22487"/> etwas hier bis dahin Ungewöhnliches: deßwegen sahen mich alle auch mit einer ganz sonderbaren Miene an, als ich den Vortrag Lateinisch eröffnete. Um jedoch meiner Seits keinen Anstoß zu geben, besprach ich die Sache vorher viel mit dem Director, der zwar anfangs glaubte, ich sollte zuerst Deutsch und darauf dasselbe auf Lateinisch erklären, zuletzt aber doch in den ganz Lateinischen Vortrag einstimmte. Es versteht sich, daß ich vorher die Schüler die Werke des Dichters Deutsch übersetzen lasse. Eben weil der Director seit der ersten Stunde, wo wir uns kennen lernten, ein ziemliches Zutrauen auf mich setzt (wie ich von einem andern meiner Kollegen gehört), so übertrug er mir mehr Stunden in den oberen Klassen, als ich hätte fordern können. Mein Vorgänger unterrichtete nur in den drei untersten Klassen. – Doch hören Sie nun auch, wie meine Bestellung eigentlich zu Stande kam. Mein Vorgänger kam zu <anchor type="b" n="1018" ana="10" xml:id="NidB46889"/><hi rend="family:Courier">Breslau</hi><anchor type="e" n="1018" ana="10" xml:id="NidE46889"/> bei der Regierung um die Erlaubniß ein, die Frau eines Mannes, der noch lebt, von dem sie aber als Evangelische geschieden ist, zu heirathen und die Trauung durch einen Ev. Prediger vollziehen zu lassen. Darauf erklärte sich das Consistorium, daß er entweder diese nach dem Kathol. Kanon ungültige Ehe oder sein Lehramt aufgeben müßte. Er that das erstere. Da aber unterdessen das Ministerium von dem Vorfall unterrichtet wurde, so beschloß es, daß jener schon wegen seines Vorsatzes und wegen des seinen Glaubensgenossen gegebenen Ärgernisses vor der Hand seines Amtes entsetzt <hi rend="offset:4">seye</hi> und ich an seine Stelle treten sollte. Sie können sich vorstellen, wie unangenehm mir dieses war, als ich es zuerst in <hi rend="family:Courier">Breslau</hi> erfuhr. Doch glücklicher Weise hat dieser Umstand kein nachtheiliges Vorurtheil gegen mich erregt, so sonderbar einem Jeden hier die Sache vorgekommen ist. Mit meinem Vorgänger habe ich hier Anfangs noch über 8 Tage ganz friedlich zusammengewohnt, indem ich seine Wohnung bezog, weil er wegen nicht vorhergegangener Kündigung ein Vierteljahr länger hätte zahlen müssen. Übrigens sind auch hier die Wohnungen sehr theuer, und Victualien noch theurer als in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB46896"/><hi rend="family:Courier">Berlin</hi><anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE46896"/>.<lb/><milestone unit="start" n="22488"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="22488"/> Gegen alle Erwartung fand ich in der Gymnasial-Bibliothek manche ganz vortrefflichen Bücher: zum <hi rend="family:Courier">Tacitus</hi> und <hi rend="family:Courier">Horaz</hi> zB habe ich einen Apparat, wie ich ihn nur wünschen kann. Überhaupt sind von den meisten gelesenen Klassikern die beßten neuesten Ausgaben größten Theils vorhanden. Da auch mir das Recht zusteht, Vorschläge zu machen, so habe ich neulich zum Anschaffen empfohlen <anchor type="b" n="5860" ana="12" xml:id="NidB46903"/>Ihre Dramatischen Vorlesungen<anchor type="e" n="5860" ana="12" xml:id="NidE46903"/>, <anchor type="b" n="859" ana="12" xml:id="NidB46905"/>die Werke <anchor type="b" n="8" ana="11" xml:id="NidB46902"/>Ihres Bruders<anchor type="e" n="8" ana="11" xml:id="NidE46902"/><anchor type="e" n="859" ana="12" xml:id="NidE46905"/> und <anchor type="b" n="1905" ana="12" xml:id="NidB46901"/>den <anchor type="b" n="10" ana="11" xml:id="NidB46900"/><hi rend="family:Courier">Pindar</hi><anchor type="e" n="10" ana="11" xml:id="NidE46900"/> von <anchor type="b" n="1740" ana="11" xml:id="NidB46899"/><hi rend="family:Courier">Boeckh</hi><anchor type="e" n="1740" ana="11" xml:id="NidE46899"/><anchor type="e" n="1905" ana="12" xml:id="NidE46901"/>. Aber dafür ist das Local umso schlechter: die meisten Bücher hat man in eine enge Kammer gebracht, damit sie nicht durch Feuchtigkeit zu Grunde gehen möchten; die älteren aber, welche noch von den Jesuiten und Dominicanern herstammen, zum Theil sehr schätzbare Werke (z B. die <anchor type="b" n="6995" ana="12" xml:id="NidB46906"/><hi rend="family:Courier">Bibliotheca maxima Patrum</hi><anchor type="e" n="6995" ana="12" xml:id="NidE46906"/>, die Werke des <anchor type="b" n="6992" ana="11" xml:id="NidB46895"/><hi rend="family:Courier">Augustinus</hi><anchor type="e" n="6992" ana="11" xml:id="NidE46895"/> u anderer Kirchenväter), stehen noch in der alten Bibliothek, wo Dach und Fenstern verdorben sind, so daß man es kaum fünf Minuten darin aushalten kann. Schon seit vielen Jahren sind Pläne zur Errichtung eines neuen Gymasial-Gebäudes (denn auch dieses ist erbärmlich schlecht, so daß ich im Nassauischen weit [die] bessern Elementarschulen gesehen habe: an einem Saal zu Prüfungen u dgl. fehlt es ganz) entworfen worden; aber bis jetzt ist noch keiner zur Ausführung gekommen. Jedoch glaubt <anchor type="b" n="6997" ana="11" xml:id="NidB46908"/>Herr Präsident von <hi rend="family:Courier">Hoppel</hi><anchor type="e" n="6997" ana="11" xml:id="NidE46908"/>, der mich aufs ehrenvollste empfangen hat und mich fortwährend mit Wohlwollen behandelt, daß im nächsten Sommer der Anfang gemacht werde; denn er erwarte tagtäglich die Bestätigung des zuletzt entworfenen Planes von <hi rend="family:Courier">Berlin</hi> aus. – Auch habe ich hier <anchor type="b" n="6994" ana="11" xml:id="NidB46904"/>den Reg. Assessor <hi rend="family:Courier">von Heyden</hi><anchor type="e" n="6994" ana="11" xml:id="NidE46904"/> kennen gelernt, der ein großer Verehrer von Ihnen ist, und sich sehr freuete, daß ich ihm Manches von Ihnen erzählen konnte. Ebenfalls liebt hier einer von den neuesten Übersetzern <anchor type="b" n="4" ana="11" xml:id="NidB46891"/>des <hi rend="family:Courier">Shakespeare</hi><anchor type="e" n="4" ana="11" xml:id="NidE46891"/>, <anchor type="b" n="3556" ana="11" xml:id="NidB46893"/>Reg. R. <hi rend="family:Courier">Benda</hi><anchor type="e" n="3556" ana="11" xml:id="NidE46893"/>. 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Andere mögen jetzt in geselliger Freude der Stunde des neuen Jahres entgegen harren: ich bin einsam und nur im Geiste meinen Theuersten vereint. So empfangen Sie denn anderthalb Stunden vor dem Beginn des neuen Jahres meine herzlichsten Glückwünsche: der Himmel möge noch lange in Ihrer Person der Wissenschaft und dem Staate eine Stütze erhalten, <anchor type="b" n="6155" ana="15" xml:id="NidB46890"/>der Rheinischen Universität<anchor type="e" n="6155" ana="15" xml:id="NidE46890"/> eine Zierde und <hi rend="offset:4">Ihren</hi> dankbaren Schülern einen wohlwollenden Lehrer! Als mich die ganze Welt zu verlassen schien, da wollten Sie mir aus der Noth helfen: wer sonst darf sich eines wahrhaftig väterlichen Lehrers, wie ich, erfreuen? –<lb/>Gestern habe ich hier mein Lehramt angetreten. 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Eben weil der Director seit der ersten Stunde, wo wir uns kennen lernten, ein ziemliches Zutrauen auf mich setzt (wie ich von einem andern meiner Kollegen gehört), so übertrug er mir mehr Stunden in den oberen Klassen, als ich hätte fordern können. Mein Vorgänger unterrichtete nur in den drei untersten Klassen. – Doch hören Sie nun auch, wie meine Bestellung eigentlich zu Stande kam. Mein Vorgänger kam zu <anchor type="b" n="1018" ana="10" xml:id="NidB46889"/><hi rend="family:Courier">Breslau</hi><anchor type="e" n="1018" ana="10" xml:id="NidE46889"/> bei der Regierung um die Erlaubniß ein, die Frau eines Mannes, der noch lebt, von dem sie aber als Evangelische geschieden ist, zu heirathen und die Trauung durch einen Ev. Prediger vollziehen zu lassen. Darauf erklärte sich das Consistorium, daß er entweder diese nach dem Kathol. Kanon ungültige Ehe oder sein Lehramt aufgeben müßte. Er that das erstere. Da aber unterdessen das Ministerium von dem Vorfall unterrichtet wurde, so beschloß es, daß jener schon wegen seines Vorsatzes und wegen des seinen Glaubensgenossen gegebenen Ärgernisses vor der Hand seines Amtes entsetzt <hi rend="offset:4">seye</hi> und ich an seine Stelle treten sollte. Sie können sich vorstellen, wie unangenehm mir dieses war, als ich es zuerst in <hi rend="family:Courier">Breslau</hi> erfuhr. Doch glücklicher Weise hat dieser Umstand kein nachtheiliges Vorurtheil gegen mich erregt, so sonderbar einem Jeden hier die Sache vorgekommen ist. Mit meinem Vorgänger habe ich hier Anfangs noch über 8 Tage ganz friedlich zusammengewohnt, indem ich seine Wohnung bezog, weil er wegen nicht vorhergegangener Kündigung ein Vierteljahr länger hätte zahlen müssen. 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Da auch mir das Recht zusteht, Vorschläge zu machen, so habe ich neulich zum Anschaffen empfohlen <anchor type="b" n="5860" ana="12" xml:id="NidB46903"/>Ihre Dramatischen Vorlesungen<anchor type="e" n="5860" ana="12" xml:id="NidE46903"/>, <anchor type="b" n="859" ana="12" xml:id="NidB46905"/>die Werke <anchor type="b" n="8" ana="11" xml:id="NidB46902"/>Ihres Bruders<anchor type="e" n="8" ana="11" xml:id="NidE46902"/><anchor type="e" n="859" ana="12" xml:id="NidE46905"/> und <anchor type="b" n="1905" ana="12" xml:id="NidB46901"/>den <anchor type="b" n="10" ana="11" xml:id="NidB46900"/><hi rend="family:Courier">Pindar</hi><anchor type="e" n="10" ana="11" xml:id="NidE46900"/> von <anchor type="b" n="1740" ana="11" xml:id="NidB46899"/><hi rend="family:Courier">Boeckh</hi><anchor type="e" n="1740" ana="11" xml:id="NidE46899"/><anchor type="e" n="1905" ana="12" xml:id="NidE46901"/>. Aber dafür ist das Local umso schlechter: die meisten Bücher hat man in eine enge Kammer gebracht, damit sie nicht durch Feuchtigkeit zu Grunde gehen möchten; die älteren aber, welche noch von den Jesuiten und Dominicanern herstammen, zum Theil sehr schätzbare Werke (z B. die <anchor type="b" n="6995" ana="12" xml:id="NidB46906"/><hi rend="family:Courier">Bibliotheca maxima Patrum</hi><anchor type="e" n="6995" ana="12" xml:id="NidE46906"/>, die Werke des <anchor type="b" n="6992" ana="11" xml:id="NidB46895"/><hi rend="family:Courier">Augustinus</hi><anchor type="e" n="6992" ana="11" xml:id="NidE46895"/> u anderer Kirchenväter), stehen noch in der alten Bibliothek, wo Dach und Fenstern verdorben sind, so daß man es kaum fünf Minuten darin aushalten kann. Schon seit vielen Jahren sind Pläne zur Errichtung eines neuen Gymasial-Gebäudes (denn auch dieses ist erbärmlich schlecht, so daß ich im Nassauischen weit [die] bessern Elementarschulen gesehen habe: an einem Saal zu Prüfungen u dgl. fehlt es ganz) entworfen worden; aber bis jetzt ist noch keiner zur Ausführung gekommen. Jedoch glaubt <anchor type="b" n="6997" ana="11" xml:id="NidB46908"/>Herr Präsident von <hi rend="family:Courier">Hoppel</hi><anchor type="e" n="6997" ana="11" xml:id="NidE46908"/>, der mich aufs ehrenvollste empfangen hat und mich fortwährend mit Wohlwollen behandelt, daß im nächsten Sommer der Anfang gemacht werde; denn er erwarte tagtäglich die Bestätigung des zuletzt entworfenen Planes von <hi rend="family:Courier">Berlin</hi> aus. – Auch habe ich hier <anchor type="b" n="6994" ana="11" xml:id="NidB46904"/>den Reg. 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In <hi rend="family:Courier">Breslau</hi> habe ich <anchor type="b" n="6993" ana="11" xml:id="NidB46897"/><hi rend="family:Courier">Wachler</hi><anchor type="e" n="6993" ana="11" xml:id="NidE46897"/> und <anchor type="b" n="3648" ana="11" xml:id="NidB46898"/><hi rend="family:Courier">Passow</hi><anchor type="e" n="3648" ana="11" xml:id="NidE46898"/> kennen gelernt, die sich mir in ausgezeichnetem Grade gewogen zeigten, so daß ersterer mir anbot, aus <anchor type="b" n="6996" ana="15" xml:id="NidB46907"/>der Königlichen Bibliothek<anchor type="e" n="6996" ana="15" xml:id="NidE46907"/> Bücher zu meinem Gebrauche hierher zu schicken, letzterer aus seiner Privat-Bibliothek. <lb/>Bald wird es Zwölfe schlagen: also nochmals Glück auf zum neuen Jahr! Leben Sie recht wohl, und erinnern sich zuweilen eines Schülers, der nie vergessen kann, was Sie an ihm gethan haben.<lb/>Ew Hochwohlgeboren<lb/>ergebenster Schüler<lb/><hi rend="family:Courier">N. 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