• August Wilhelm von Schlegel to Christian Friedrich Tieck

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Unknown · Date: 24.02.1817
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Friedrich Tieck
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.02.1817
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 36283637X
  • Bibliography: Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Hg. v. Karl von Holtei. Bd. 2. Hannover 1872, S. 92‒95.
  • Incipit: „[1] Paris d. 24 Februar 17.
    Geliebtester Freund!
    Deinen Brief vom 1sten Februar habe ich sogleich vorläufig beantwortet. Hier ist ein Brief von [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(71)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 20 x 12,9 cm
    Language
  • German
[1] Paris d. 24 Februar 17.
Geliebtester Freund!
Deinen Brief vom 1sten Februar habe ich sogleich vorläufig beantwortet. Hier ist ein Brief von Hrn. von Barante, den ich etwas verspätet empfangen; alsdann hat mich eine Krankheit der Frau von Stael, die mich seit einigen Tagen sehr beunruhigte, mit der es nun aber besser zu gehen scheint, abgehalten Dir zu schreiben und die Einlage zu schicken.
Ihr müßt demnach, wie Du schon sehen wirst, neue Instructionen aus Berlin verlangen. Vermuthlich ist die Sache doch ungefähr so zwischen dem General Bülow und der Marquise de la Roche-Jaquelin verabredet gewesen. Ihr mögt den Brief selbst nach Berlin schicken, dazu lege ich ihn bey. Man wird das Monument nicht so einrichten wollen, daß es den nächsten Angehörigen der ersten Häupter der Vendée einen Anstoß giebt. Es ist freylich wunderlich, daß man dieß nicht vorher ausgemacht.
Mit Denkmalen auf politische Ereignisse in einem Zeitalter bürgerlicher Unruhen ist es einigermaßen wie mit dem Gemählde einer Geliebten. Zwischen der Bestellung und der Vollendung vergeht die Liebe ‒ und in jenem Falle hat sich die Meynung verändert.
Die Sendung der drey Hauptporträte werdet ihr erhalten, und also auf jeden Fall zu arbeiten haben.
[2] Ich denke mir immer, Du kommst im Leben nicht wieder von Carrara weg, wenn ich Deine Abreise nach Rom von Zeit zu Zeit durch neue Arbeiten aufgeschoben sehe.
Ich beantworte Deine übrigen Aufträge. Wegen des Bildnisses oder der Bildnisse von Bürger wird es das beste seyn, daß Du Dich an Professor Fiorillo wendest. Er war Bürgers guter Freund, und ist außerdem der einzige, der in Göttingen etwas von der Kunst versteht. Ich glaube nicht, daß ein gutes Gemählde vorhanden ist: ich kenne nichts, als den mittelmäßigen Kupferstich vor seinen Gedichten. Sein Arzt war ein gewisser Althof, der seitdem als Leibarzt nach Dresden berufen worden; wo er jetzt ist, weiß ich nicht.
Mit Wolfram von Eschenbach, das scheint mir rein unmöglich. Die Miniaturen in der hier befindlichen Manessischen Sammlung der Minnesinger sind durchaus keine Porträte, sondern idealische Figuren, wenn Du es so nennen willst; oder vielmehr nach einer gewissen Manier mit roher Kunst verfertiget. Wolfram von Eschenbach kommt zweymal vor. 1) Vor seinen Liedern. Hier steht er ganz geharnischt mit heruntergelassenem Visir neben seinem Pferde, so daß man auch nicht das kleinste Eckchen von seinem Gesichte sieht. 2) Vor dem Kriege zu Wartburg. Hier sitzt er unter den streitenden Dichtern, die Namen sind beygeschrieben. Aber das Figürchen ist einmal kein Porträt. Höchstens könnte man das Costum der Mütze und des Haarwuchses davon entlehnen.
Beyde Bilder sind im Umriß in Van der Hagens Museum für altdeutsche Litteratur gestochen. Es wäre möglich daß sich ein [3] Bildniß Wolframs vor irgend einer Abschrift seines Parcifals oder Titurels fände, doch habe ich keine Kenntniß davon, und ist mir nichts dergleichen vorgekommen. Die Manessischen Bilder haben um so weniger Autorität, da sie nicht einmal das rechte Wappen geben, welches ich besitze. Der Kronprinz von Baiern steht vermuthlich noch in der Meinung, daß Wolfram von Eschenbach der Verfasser der Nibelungen sey, welches Misverständniss ich in Friedrich Schlegels deutschem Museum ausführlich widerlegt.
Eine Repetir-Uhr wirst Du wohlfeiler und zuverläßiger gut in Genf kaufen als in Paris. Wenn die Umstände nichts in den bisherigen Planen verrücken, so gehen wir im April nach der Schweiz zurück, alsdann könnte ich Deinen Auftrag besorgen, aber Du müßtest mir im voraus Geld assigniren, denn ich bin eben nicht in Vorrath, um die Auslage machen zu können. Wenn Du etwas gutes und sauber gearbeitetes haben willst, mußt Du 12 bis 15 Carolin daran wenden. Eine ganz einfache Repetir-Uhr, die ich vorigen Sommer gekauft, hat mir 300 Franken gekostet. Will man échappement horizontal, Stifte von Rubinen u. dergleichen haben, so beläuft es sich noch weit höher.
Nach dem Namen des Banquiers in Lyon vergaß ich auf Deinen vorletzten Brief zu fragen, und jetzt kann es nicht geschehen; also nächstens.
Da Du in Florenz warst hättest Du meinen Aufsatz über die Niobe lesen können, wenn Du Dich gehörig erkundigt hättest. Janoni hat ein Exemplar, [4] auch Inghiranni. Von der ursprünglichen Anordnung soll Hirt nur nicht mitsprechen. Ein solcher Mensch von groben Sinnen und ohne allen Geist mag sich allerley Kenntnisse erwerben; aber für das höchste in der Kunst hat er einmal kein Gefühl, wie er gleich bey Eröffnung seiner Laufbahn in Deutschland bewiesen. Ich habe ganz andre Stimmen für mich: Visconti, ‒ Quatremère de Quincy. ‒
Ihr erfahrt in Italien zu wenig, was neues über die Kunst erscheint. Ich wollte, Du könntest Viscontiʼs Schrift über die Antiken-Sammlung Lord Elginʼs lesen; ferner Quatremèreʼs über den olympischen Jupiter und überhaupt über die Bildnerey in Elfenbein und Gold. Es ist dieß leicht das wichtigste Werk, welches über die alte Kunstgeschichte seit Winckelmann erschienen. Freylich ist es ein Folio-Band und kostet 240 Franken.
Lebe recht wohl, die besten Grüße an Rauch. Du mußt mir jeden Brief hoch anrechnen, denn wenn man unter den Zerstreuungen in Paris zugleich viel arbeiten will, hat man wahrlich keinen Augenblick übrig. Ich habe in den vier Monaten hier so starke Fortschritte im Indischen gemacht, daß ich nun gewiß bin ohne fremde Beyhülfe fortkommen zu können, vollends wenn ich mir alle nöthigen Bücher verschaffen kann, was sehr schwer seyn soll. Lebe nochmals wohl!
[1] Paris d. 24 Februar 17.
Geliebtester Freund!
Deinen Brief vom 1sten Februar habe ich sogleich vorläufig beantwortet. Hier ist ein Brief von Hrn. von Barante, den ich etwas verspätet empfangen; alsdann hat mich eine Krankheit der Frau von Stael, die mich seit einigen Tagen sehr beunruhigte, mit der es nun aber besser zu gehen scheint, abgehalten Dir zu schreiben und die Einlage zu schicken.
Ihr müßt demnach, wie Du schon sehen wirst, neue Instructionen aus Berlin verlangen. Vermuthlich ist die Sache doch ungefähr so zwischen dem General Bülow und der Marquise de la Roche-Jaquelin verabredet gewesen. Ihr mögt den Brief selbst nach Berlin schicken, dazu lege ich ihn bey. Man wird das Monument nicht so einrichten wollen, daß es den nächsten Angehörigen der ersten Häupter der Vendée einen Anstoß giebt. Es ist freylich wunderlich, daß man dieß nicht vorher ausgemacht.
Mit Denkmalen auf politische Ereignisse in einem Zeitalter bürgerlicher Unruhen ist es einigermaßen wie mit dem Gemählde einer Geliebten. Zwischen der Bestellung und der Vollendung vergeht die Liebe ‒ und in jenem Falle hat sich die Meynung verändert.
Die Sendung der drey Hauptporträte werdet ihr erhalten, und also auf jeden Fall zu arbeiten haben.
[2] Ich denke mir immer, Du kommst im Leben nicht wieder von Carrara weg, wenn ich Deine Abreise nach Rom von Zeit zu Zeit durch neue Arbeiten aufgeschoben sehe.
Ich beantworte Deine übrigen Aufträge. Wegen des Bildnisses oder der Bildnisse von Bürger wird es das beste seyn, daß Du Dich an Professor Fiorillo wendest. Er war Bürgers guter Freund, und ist außerdem der einzige, der in Göttingen etwas von der Kunst versteht. Ich glaube nicht, daß ein gutes Gemählde vorhanden ist: ich kenne nichts, als den mittelmäßigen Kupferstich vor seinen Gedichten. Sein Arzt war ein gewisser Althof, der seitdem als Leibarzt nach Dresden berufen worden; wo er jetzt ist, weiß ich nicht.
Mit Wolfram von Eschenbach, das scheint mir rein unmöglich. Die Miniaturen in der hier befindlichen Manessischen Sammlung der Minnesinger sind durchaus keine Porträte, sondern idealische Figuren, wenn Du es so nennen willst; oder vielmehr nach einer gewissen Manier mit roher Kunst verfertiget. Wolfram von Eschenbach kommt zweymal vor. 1) Vor seinen Liedern. Hier steht er ganz geharnischt mit heruntergelassenem Visir neben seinem Pferde, so daß man auch nicht das kleinste Eckchen von seinem Gesichte sieht. 2) Vor dem Kriege zu Wartburg. Hier sitzt er unter den streitenden Dichtern, die Namen sind beygeschrieben. Aber das Figürchen ist einmal kein Porträt. Höchstens könnte man das Costum der Mütze und des Haarwuchses davon entlehnen.
Beyde Bilder sind im Umriß in Van der Hagens Museum für altdeutsche Litteratur gestochen. Es wäre möglich daß sich ein [3] Bildniß Wolframs vor irgend einer Abschrift seines Parcifals oder Titurels fände, doch habe ich keine Kenntniß davon, und ist mir nichts dergleichen vorgekommen. Die Manessischen Bilder haben um so weniger Autorität, da sie nicht einmal das rechte Wappen geben, welches ich besitze. Der Kronprinz von Baiern steht vermuthlich noch in der Meinung, daß Wolfram von Eschenbach der Verfasser der Nibelungen sey, welches Misverständniss ich in Friedrich Schlegels deutschem Museum ausführlich widerlegt.
Eine Repetir-Uhr wirst Du wohlfeiler und zuverläßiger gut in Genf kaufen als in Paris. Wenn die Umstände nichts in den bisherigen Planen verrücken, so gehen wir im April nach der Schweiz zurück, alsdann könnte ich Deinen Auftrag besorgen, aber Du müßtest mir im voraus Geld assigniren, denn ich bin eben nicht in Vorrath, um die Auslage machen zu können. Wenn Du etwas gutes und sauber gearbeitetes haben willst, mußt Du 12 bis 15 Carolin daran wenden. Eine ganz einfache Repetir-Uhr, die ich vorigen Sommer gekauft, hat mir 300 Franken gekostet. Will man échappement horizontal, Stifte von Rubinen u. dergleichen haben, so beläuft es sich noch weit höher.
Nach dem Namen des Banquiers in Lyon vergaß ich auf Deinen vorletzten Brief zu fragen, und jetzt kann es nicht geschehen; also nächstens.
Da Du in Florenz warst hättest Du meinen Aufsatz über die Niobe lesen können, wenn Du Dich gehörig erkundigt hättest. Janoni hat ein Exemplar, [4] auch Inghiranni. Von der ursprünglichen Anordnung soll Hirt nur nicht mitsprechen. Ein solcher Mensch von groben Sinnen und ohne allen Geist mag sich allerley Kenntnisse erwerben; aber für das höchste in der Kunst hat er einmal kein Gefühl, wie er gleich bey Eröffnung seiner Laufbahn in Deutschland bewiesen. Ich habe ganz andre Stimmen für mich: Visconti, ‒ Quatremère de Quincy. ‒
Ihr erfahrt in Italien zu wenig, was neues über die Kunst erscheint. Ich wollte, Du könntest Viscontiʼs Schrift über die Antiken-Sammlung Lord Elginʼs lesen; ferner Quatremèreʼs über den olympischen Jupiter und überhaupt über die Bildnerey in Elfenbein und Gold. Es ist dieß leicht das wichtigste Werk, welches über die alte Kunstgeschichte seit Winckelmann erschienen. Freylich ist es ein Folio-Band und kostet 240 Franken.
Lebe recht wohl, die besten Grüße an Rauch. Du mußt mir jeden Brief hoch anrechnen, denn wenn man unter den Zerstreuungen in Paris zugleich viel arbeiten will, hat man wahrlich keinen Augenblick übrig. Ich habe in den vier Monaten hier so starke Fortschritte im Indischen gemacht, daß ich nun gewiß bin ohne fremde Beyhülfe fortkommen zu können, vollends wenn ich mir alle nöthigen Bücher verschaffen kann, was sehr schwer seyn soll. Lebe nochmals wohl!
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