• Friedrich August Rosen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 22.08.1826
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich August Rosen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 22.08.1826
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-35028
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.18,Nr.109
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,7 x 21,1 cm
  • Incipit: „[1] Hochzuverehrender Herr Professor!
    In der That weiß ich nicht, wie ich es entschuldigen soll, daß ich für die so höchst [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Hochzuverehrender Herr Professor!
In der That weiß ich nicht, wie ich es entschuldigen soll, daß ich für die so höchst gütige Antwort, deren Ew. Hochwohlgeboren mein neuliches Schreiben gewürdigt, Ihnen erst so spät meinen innigsten Dank sage. Doch war es anfangs das Versprechen des Herrn Prof. Bopp, mir eine kleine Bestellung an Ew. Hochwohlgeboren aufzutragen, die er aber jetzt einem eigenen Schreiben vorbehalten zu haben scheint, und hernach mein eigener Wunsch, vielleicht in kurzer Zeit etwas Genügenderes über den Fortgang meiner Wurzeln-Arbeit sagen zu können, was mich zu so langem Verzug verleitete.
So lassen Sie mich denn vor allen Dingen meinen aufrichtigsten Dank aussprechen für die freundliche Aufnahme, die meine kleine Arbeit bei Ihnen gefunden, für die lehrreichen Erinnerungen, welche Sie mir darüber mitgetheilt. Möge dereinst meine vollendete Wurzelsammlung den Beweis liefern, daß ich mich bemühte, sie zu benutzen! – Würklich entdecke ich in der herausgegebenen Probe jetzt schon so viel Mangelhaftes, daß ich nicht ohne Besorgniß an die baldige Herausgabe des Ganzen denken könnte, wenn ich nicht dabei auf den Beistand des Herrn Prof. Bopp rechnen dürfte.
Ich hatte seit der Ausarbeitung jenes Specimen unablässig für die [2] Vervollständigung meiner Wurzelsammlung weiter gelesen, und war nach Beendigung der beiden Bände des Ramayana eben mit den Gesetzen des Manus beschäftigt, als ich Ew. Hochwohlgeboren Schreiben erhielt. Nach Herrn Prof. Boppʼs Rathe würde ich bei dem damals durchlaufenen Kreise Alt-Indischer Werke, welcher ungefähr Alles begriff, was bis jetzt aus der älteren Indischen Litteraturperiode gedruckt ist, stehen geblieben seyn, um mich sogleich zur Ausarbeitung zu wenden. Mit der Litteratur der späteren Zeit hatte ich mich bis dahin überall noch nicht beschäftigt. Um so mehr muß ich es Ew. Hochwohlgeboren danken, daß ich nun auch einige der künstlicher geschriebenen Gedichte aus dem Zeitalter des Kalidasas kennen gelernt. Ohne die Scholien freilich wäre mir das Verständniß derselben wohl unmöglich gewesen, und auch mit deren Hülfe ist mir Manches nicht ganz klar geworden. Es ist nicht leicht, durch so manche Schwierigkeiten, und durch die überall sich aufdrängende Form so weit durchzudringen, daß man zu dem Genuß des dichterisch Schönen gelange; und ich bekenne, daß mir dieß bis jetzt nur mit dem kleinen Gedicht Ghatakarparam völlig gelungen ist. – Für meinen nächsten Zweck fand ich diese Lectüre nicht sehr belohnend. Ich traf nur solche Wurzeln, und in solchen Verbindungen an, die mir schon in anderen Schriften vorgekommen waren. Es ist deswegen meine Absicht, (da ich schon im nächsten Winter die Wurzelsammlung herauszugeben wünsche) nicht alle Gedichte dieser Art, die etwa hier zu bekommen seyn möchten, durchzulesen, und statt deren lieber die Gesetze des Manus wiederholt durchzugehen, deren Text doch wohl zu dem ältesten und kritisch sichersten gehört, was wir bis jetzt gedruckt besitzen. Wie sehr an Mahabharata die Lesart schwanken müsse, fiel mir besonders bei einigen Stellen [3] auf, die der Commentator von Kalidasaʼs Nalodaya aus unserer Episode vom Nalus anführt (zB. Nalus Lib. XVII sl. 38 und Lib. XVIII sl. 8. ff. vgl. die Scholien zu Nalodaya Lib. IV. dist. 11.)
Bei der Ausarbeitung des Wurzelbuchs werde ich nun allerdings die Anordnung der Wurzeln nach den Endbuchstaben zum Grunde legen, welche mir von Ew. Hochwohlgeboren abermals empfohlen wurde, und von deren Vortheilen ich mich seitdem völlig überzeugt habe. Es ist sodann meine Absicht, die beiden gedruckten Originalwurzelbücher, des Kasinathas (in Wilkins Radicals) und des Vopadevas (bei Carey), aufs genaueste zu vergleichen, und wo sie in den Anubandhaʼs oder in den Definitionen des Wurzelbegriffs abweichen, die Differenz anzuzeigen. Herr Prof. Bopp scheint auf diese grammatisch-lexikalische Tradition keinen besonderen Werth zu legen; aber mir scheint, daß man sie durchaus beibehalten müsse, bis dereinst unsere Indische Grammatik und Lexikographie völlig frei und philologisch-selbständig dastehen wird. – In Betreff der von jeder Wurzel anzuführenden Tempora denke ich etwa so zu verfahren, daß ich, wo die Wurzel oft in Schriften vorkommt, immer das Präsens, Perfect und den Aorist, das Futurum aber, und den Infinitiv, nur dann gebe, wenn dieselben ohne Bindevokal gebildet werden. Manchen Wurzeln sieht man es ziemlich an, daß sie schwerlich als Verbe in der Sprache [4] vorkommen mögen. Von solchen wird es genug seyn, bloß etwa das Präsens zu nennen. Im Uebrigen werde ich nicht unterlassen, auch die abgeleiteten Bildungen, die Caussative, Intensive, Desiderative anzugeben, wobei mir hoffentlich schon das dritte Heft von Bopps Lehrgebäude wird nützlich werden können.
Der schwierigste Theil der mir obliegenden Arbeit wird die Entwickelung der Bedeutungen seyn. Wenn man von einem guten Wörterbuche mit Recht verlangt, daß eine Grundbedeutung an die Spitze gestellt werde, von der die übrigen nur gleichsam verschiedene Abspiegelungen sind, so muß ich im Voraus gestehen, daß meine Arbeit noch sehr weit von diesem Ziele entfernt bleiben wird. Liegen mir auch gleich nicht wenige Stellen vor, aus denen sich eine Mannichfaltigkeit von Bedeutungen einer Wurzel erkennen läßt, so bedarf es doch einer noch anschaulicheren Kenntniß und eines tieferen Eindringens in das innerste Leben der Sprache, um über die feinen Gedankenverbindungen und Ideen-Uebergänge, vor Allem beim Gebrauch der Verba, entscheiden zu können. Ich glaube deswegen sicherer zu verfahren, wenn ich die verschiedenen Bedeutungen einfach neben einander stelle, ohne dieselben für jetzt aus einander, ohder aus einer allgemeinen Grundbedeutung herleiten zu wollen. – Die von Wilson angeführten, zum Theil etwas unwahrscheinlichen Bedeutungen, die ich nicht bei Schriftstellern gefunden, werde ich um Misverständnisse zu vermeiden, in Noten unter den Text verweisen.
Mit dem wiederholten Danke für die mir bewiesene große Güte, empfehle ich mich ehrerbietig Ihrem ferneren Wohlwollen
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
Fr. Rosen.
Berlin, (Markgrafenstr. N. 57.)
am 22sten August 1826.
Die hiesige Bibliothek besitzt eine bengalisch geschriebene Handschrift der Bhagavad-Gita mit den Scholien des Sridharaswamin. Sollte es für Ew. Hochwohlgeboren von irgend einem Interesse seyn, so würde ich mich gern erbieten, dieselbe nachzusehen und Stellen daraus mitzutheilen.
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[1] Hochzuverehrender Herr Professor!
In der That weiß ich nicht, wie ich es entschuldigen soll, daß ich für die so höchst gütige Antwort, deren Ew. Hochwohlgeboren mein neuliches Schreiben gewürdigt, Ihnen erst so spät meinen innigsten Dank sage. Doch war es anfangs das Versprechen des Herrn Prof. Bopp, mir eine kleine Bestellung an Ew. Hochwohlgeboren aufzutragen, die er aber jetzt einem eigenen Schreiben vorbehalten zu haben scheint, und hernach mein eigener Wunsch, vielleicht in kurzer Zeit etwas Genügenderes über den Fortgang meiner Wurzeln-Arbeit sagen zu können, was mich zu so langem Verzug verleitete.
So lassen Sie mich denn vor allen Dingen meinen aufrichtigsten Dank aussprechen für die freundliche Aufnahme, die meine kleine Arbeit bei Ihnen gefunden, für die lehrreichen Erinnerungen, welche Sie mir darüber mitgetheilt. Möge dereinst meine vollendete Wurzelsammlung den Beweis liefern, daß ich mich bemühte, sie zu benutzen! – Würklich entdecke ich in der herausgegebenen Probe jetzt schon so viel Mangelhaftes, daß ich nicht ohne Besorgniß an die baldige Herausgabe des Ganzen denken könnte, wenn ich nicht dabei auf den Beistand des Herrn Prof. Bopp rechnen dürfte.
Ich hatte seit der Ausarbeitung jenes Specimen unablässig für die [2] Vervollständigung meiner Wurzelsammlung weiter gelesen, und war nach Beendigung der beiden Bände des Ramayana eben mit den Gesetzen des Manus beschäftigt, als ich Ew. Hochwohlgeboren Schreiben erhielt. Nach Herrn Prof. Boppʼs Rathe würde ich bei dem damals durchlaufenen Kreise Alt-Indischer Werke, welcher ungefähr Alles begriff, was bis jetzt aus der älteren Indischen Litteraturperiode gedruckt ist, stehen geblieben seyn, um mich sogleich zur Ausarbeitung zu wenden. Mit der Litteratur der späteren Zeit hatte ich mich bis dahin überall noch nicht beschäftigt. Um so mehr muß ich es Ew. Hochwohlgeboren danken, daß ich nun auch einige der künstlicher geschriebenen Gedichte aus dem Zeitalter des Kalidasas kennen gelernt. Ohne die Scholien freilich wäre mir das Verständniß derselben wohl unmöglich gewesen, und auch mit deren Hülfe ist mir Manches nicht ganz klar geworden. Es ist nicht leicht, durch so manche Schwierigkeiten, und durch die überall sich aufdrängende Form so weit durchzudringen, daß man zu dem Genuß des dichterisch Schönen gelange; und ich bekenne, daß mir dieß bis jetzt nur mit dem kleinen Gedicht Ghatakarparam völlig gelungen ist. – Für meinen nächsten Zweck fand ich diese Lectüre nicht sehr belohnend. Ich traf nur solche Wurzeln, und in solchen Verbindungen an, die mir schon in anderen Schriften vorgekommen waren. Es ist deswegen meine Absicht, (da ich schon im nächsten Winter die Wurzelsammlung herauszugeben wünsche) nicht alle Gedichte dieser Art, die etwa hier zu bekommen seyn möchten, durchzulesen, und statt deren lieber die Gesetze des Manus wiederholt durchzugehen, deren Text doch wohl zu dem ältesten und kritisch sichersten gehört, was wir bis jetzt gedruckt besitzen. Wie sehr an Mahabharata die Lesart schwanken müsse, fiel mir besonders bei einigen Stellen [3] auf, die der Commentator von Kalidasaʼs Nalodaya aus unserer Episode vom Nalus anführt (zB. Nalus Lib. XVII sl. 38 und Lib. XVIII sl. 8. ff. vgl. die Scholien zu Nalodaya Lib. IV. dist. 11.)
Bei der Ausarbeitung des Wurzelbuchs werde ich nun allerdings die Anordnung der Wurzeln nach den Endbuchstaben zum Grunde legen, welche mir von Ew. Hochwohlgeboren abermals empfohlen wurde, und von deren Vortheilen ich mich seitdem völlig überzeugt habe. Es ist sodann meine Absicht, die beiden gedruckten Originalwurzelbücher, des Kasinathas (in Wilkins Radicals) und des Vopadevas (bei Carey), aufs genaueste zu vergleichen, und wo sie in den Anubandhaʼs oder in den Definitionen des Wurzelbegriffs abweichen, die Differenz anzuzeigen. Herr Prof. Bopp scheint auf diese grammatisch-lexikalische Tradition keinen besonderen Werth zu legen; aber mir scheint, daß man sie durchaus beibehalten müsse, bis dereinst unsere Indische Grammatik und Lexikographie völlig frei und philologisch-selbständig dastehen wird. – In Betreff der von jeder Wurzel anzuführenden Tempora denke ich etwa so zu verfahren, daß ich, wo die Wurzel oft in Schriften vorkommt, immer das Präsens, Perfect und den Aorist, das Futurum aber, und den Infinitiv, nur dann gebe, wenn dieselben ohne Bindevokal gebildet werden. Manchen Wurzeln sieht man es ziemlich an, daß sie schwerlich als Verbe in der Sprache [4] vorkommen mögen. Von solchen wird es genug seyn, bloß etwa das Präsens zu nennen. Im Uebrigen werde ich nicht unterlassen, auch die abgeleiteten Bildungen, die Caussative, Intensive, Desiderative anzugeben, wobei mir hoffentlich schon das dritte Heft von Bopps Lehrgebäude wird nützlich werden können.
Der schwierigste Theil der mir obliegenden Arbeit wird die Entwickelung der Bedeutungen seyn. Wenn man von einem guten Wörterbuche mit Recht verlangt, daß eine Grundbedeutung an die Spitze gestellt werde, von der die übrigen nur gleichsam verschiedene Abspiegelungen sind, so muß ich im Voraus gestehen, daß meine Arbeit noch sehr weit von diesem Ziele entfernt bleiben wird. Liegen mir auch gleich nicht wenige Stellen vor, aus denen sich eine Mannichfaltigkeit von Bedeutungen einer Wurzel erkennen läßt, so bedarf es doch einer noch anschaulicheren Kenntniß und eines tieferen Eindringens in das innerste Leben der Sprache, um über die feinen Gedankenverbindungen und Ideen-Uebergänge, vor Allem beim Gebrauch der Verba, entscheiden zu können. Ich glaube deswegen sicherer zu verfahren, wenn ich die verschiedenen Bedeutungen einfach neben einander stelle, ohne dieselben für jetzt aus einander, ohder aus einer allgemeinen Grundbedeutung herleiten zu wollen. – Die von Wilson angeführten, zum Theil etwas unwahrscheinlichen Bedeutungen, die ich nicht bei Schriftstellern gefunden, werde ich um Misverständnisse zu vermeiden, in Noten unter den Text verweisen.
Mit dem wiederholten Danke für die mir bewiesene große Güte, empfehle ich mich ehrerbietig Ihrem ferneren Wohlwollen
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
Fr. Rosen.
Berlin, (Markgrafenstr. N. 57.)
am 22sten August 1826.
Die hiesige Bibliothek besitzt eine bengalisch geschriebene Handschrift der Bhagavad-Gita mit den Scholien des Sridharaswamin. Sollte es für Ew. Hochwohlgeboren von irgend einem Interesse seyn, so würde ich mich gern erbieten, dieselbe nachzusehen und Stellen daraus mitzutheilen.
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