• Christian Lassen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: London · Place of Destination: Bonn · Date: 10.10.1824
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Lassen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: London
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 10.10.1824
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370508637
  • Bibliography: Schlegel, August Wilhelm; Lassen, Christian: Briefwechsel. Hg. v. Willibald Kirfel. Bonn 1914, S. 78‒81.
  • Incipit: „[1] London, den 10ten October 24.
    Hochwohlgebohrner Herr Professor!
    Hochverehrtester Lehrer!
    Baron Schilling, dessen Bekanntschaft ich Ewr. Hochwohlgebohren gütigen Empfehlung verdanke, ist vor einigen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-34965
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.14,Nr.27
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,7 x 18,3 cm
    Language
  • German
[1] London, den 10ten October 24.
Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochverehrtester Lehrer!
Baron Schilling, dessen Bekanntschaft ich Ewr. Hochwohlgebohren gütigen Empfehlung verdanke, ist vor einigen Tagen hier angekommen und ich habe ihn heute eben zum ersten Mahle gesehen. Er ist von Paris nach Rom gereist, um zu untersuchen, ob Thibetanische Manuscripte dort vorhanden seyen, hat aber gar nichts der Art vorgefunden. Hier ist freilich vom Chinesischen Ueberfluß, vom Thibetanischen kann ich ihm mit Sicherheit nur Ein Stück nachweisen, unter Dr. Leydenʼs Manuscripten, wo aber noch mehr seyn mag, da aus Mangel an Platz die meisten Sachen noch unausgepackt sind, wie eben auch noch das darunter befindliche Râmâyaṇa, worüber ich Ihnen daher auch nichts näheres habe mittheilen können. Ich wünschte freilich sehr, daß ich auch nur oberflächlich mit dem Zweige der Orientalischen Philologie bekannt wäre, worinn er so wohl bewandert ist; ich habe eine gewisse Vorliebe für die Chinesen gefaßt wegen ihres positiven und praktischen Verstandes, wozu die Indische Litteratur freilich einen grellen Gegensatz bildet. Es ist mir dieses recht fühlbar geworden bei einem Versuch, wegen einer Stelle des zweiten Buches des Râm[âyana] die geographische Lage der Kêkayâs zu bestimmen; daß das Land am Oxus gelegen seyn müßte, ist klar, weil es jenseits (vom Indien aus) der Bactrier gesetzt wird. Man muß sich aber bei einer sehr allgemeinen Bestimmung begnügen; die Commentare, die ich zu diesen Stellen abgeschrieben, erklären bloß grammatisch, von Geographie ist gar nie die Rede; es scheint mir sogar, daß der Verfasser oder Diakeuast des Gedichts selbst keine klare Kunde von den Gegenständen westlich vom Indus gehabt habe, was andernseits für das Alter des Gedichts ein günstiges Zeichen seyn möchte. Aus dem Mahâbhâr[ata] ist vielleicht ein größerer Gewinn für die Indische Geographie zu hohlen und es wäre wohl sehr zu wünschen, daß Bopp zu diesem Zwecke dem Mahâbh[ârata] eine vorzügliche Aufmerksamkeit widmen möchte.
[2] Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon geschrieben habe, daß unter den Commentaren, die die Devan[agari] Hdschften begleiten, der des Tîrtha der ältere ist, weil er nehmlich im râmâbhirâma sehr oft citirt wird; der letztere erwähnt bei zweifelhaften Stellen gewöhnlichen noch auch den Commentar des Katakas, den ich für jünger als den Tîrtha erklären würde, wenn der Râm[âbhirâma] ihn nicht immer zuerst anführte; doch mag dieses zufällig seyn, und es ist mir bis jetzt keine Erwähnung vom Katakas im Tîrtha vorgekommen. ‒ Mit dem zweiten Buche im Toddʼschen Codex bin ich fertig und habe das 4te Buch ganz durchgelesen, was mir zu großer Hülfe gereichen wird, weil dieser Theil des Manuscriptes eine sehr gewaltsame Behandlung erlitten hat, es mag nun im Felde gewesen seyn oder irgendwo Schiffbruch gelitten haben. Mehrere Blätter sehen aus wie alte durchlöcherte Fahnen, andre sind vom Wasser beinahe rein gewaschen und die Schrift gleicht dann der ursprünglichen Schrift eines Codex reseriptus. Einige Lücken muß ich wohl lassen, doch nicht so viele, weil eine manus secunda im Corrigiren am Rande sehr fleißig gewesen und ich sehr oft die corrigirte Stelle da habe, wo die ursprüngliche vernichtet ist. Auf Emendationen lasse ich mich natürlich nicht ein; da Ihnen meine Abschrift vielleicht vor mir selbst zukommen kann, erkläre ich die Zeichen, deren ich mich bediene: ein? bedeutet, daß ich in der Lesung nicht sicher bin; ein Strich in der Reihe der Wörter, daß etwas ausgerissen; am besten wird es vielleicht seyn, wenn ich einen Strich für jede fehlende Sylbe mache; ein Strich unter einem Worte bedeutet entweder, daß ich einen grammatischen Fehler vermuthe, oder auch, daß die nachbessernde Hand das Zeichen der Corruption beigeschrieben habe (ein (??) über einem Buchstaben) ich aber nicht fähig gewesen sey, das Wort zu corrigiren. Ich habe übrigens die 8 ersten Capitel des vierten Buches abgeschrieben, das Buch ist das kürzeste von allen, da ich aber aus den erwähnten Ursachen etwas langsam vorwärts gehen muß, kann ich nicht bestimmen, wenn ich damit fertig [3] seyn werde, doch hoffe ich gegen [die] Mitte des nächsten Monaths nicht fern vom Ende zu seyn. Die gemahlten Affen sind abscheulich, die besungenen ohne Vergleich amüsanter; doch weiß ich nicht, ob sie ganz Ihrer Erwartung entsprechen werden. Ein Affe ist vom Haus aus eine sehr verunglückte Nachahmung der menschlichen Gestalt und es mag ein großes Kunststück seyn, die guten Thiere für den poetischen Hof courfähig zu machen. Muthig sind sie aber nicht, und ich bin begierig zu sehen, wie Ramas sein Heer aus ihnen zu Stande bringt. Unsere deutungsreiche Zeit wird nicht fehlen, in ihnen eine Prophezeiung zu sehen, auf Napoleon nehmlich, der auch aus den Italiänern gute Soldaten machte. ‒ Mit den Manuscripten im East-India-H[ouse] bin ich bis zum 154sten fol. gekommen. ‒
Herr Colebrooke läßt sich Ihnen vielmahls empfehlen und hat mich gebeten, Ihnen zu schreiben, daß er gestehen müsse, daß er in seiner Correspondence very deficient sey, und Sie bitte, ihn damit zu entschuldigen, daß er in Ihren und aller Indologen Diensten mit großem Eifer arbeite. Ich kann seine Mittheilsamkeit und Belehrung gegen mich nicht genug rühmen; die Purâṇas muß man freilich aus dem Spiele lassen, sonst findet er keinen Viṣvâsabhûmim. Dr. Wilson wird bald zurückkehren. ‒
Wie es mit Chézy stehe, habe ich mir schon aus dem Journal As[iatique] abgenommen; wer so, wie er, im Rohre sitzt, sollte freilich Pfeifen schneiden. Wenn Sie uns gar ein Ghaṭa Karparam schenken, muß er meinen, daß es auf ihn angelegt sey; um den Spaß vollständig zu machen, habe ich das upâkhyânam von Kaṇḍu abgeschrieben; der Text ist freilich sehr verdorben; man kann ihn aber doch wohl benutzen, freilich würde ein Abdruck mit vielen Haken, Sternchen und andern kritischen Aushängeschildern versehen werden müssen.
Erlauben Sie mir schließlich, mich zu unterzeichnen
Ewr. Hochwohlgebohren
ergebenster und dankbarster
Verehrer
Chr. Laßen.
[4]
[1] London, den 10ten October 24.
Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochverehrtester Lehrer!
Baron Schilling, dessen Bekanntschaft ich Ewr. Hochwohlgebohren gütigen Empfehlung verdanke, ist vor einigen Tagen hier angekommen und ich habe ihn heute eben zum ersten Mahle gesehen. Er ist von Paris nach Rom gereist, um zu untersuchen, ob Thibetanische Manuscripte dort vorhanden seyen, hat aber gar nichts der Art vorgefunden. Hier ist freilich vom Chinesischen Ueberfluß, vom Thibetanischen kann ich ihm mit Sicherheit nur Ein Stück nachweisen, unter Dr. Leydenʼs Manuscripten, wo aber noch mehr seyn mag, da aus Mangel an Platz die meisten Sachen noch unausgepackt sind, wie eben auch noch das darunter befindliche Râmâyaṇa, worüber ich Ihnen daher auch nichts näheres habe mittheilen können. Ich wünschte freilich sehr, daß ich auch nur oberflächlich mit dem Zweige der Orientalischen Philologie bekannt wäre, worinn er so wohl bewandert ist; ich habe eine gewisse Vorliebe für die Chinesen gefaßt wegen ihres positiven und praktischen Verstandes, wozu die Indische Litteratur freilich einen grellen Gegensatz bildet. Es ist mir dieses recht fühlbar geworden bei einem Versuch, wegen einer Stelle des zweiten Buches des Râm[âyana] die geographische Lage der Kêkayâs zu bestimmen; daß das Land am Oxus gelegen seyn müßte, ist klar, weil es jenseits (vom Indien aus) der Bactrier gesetzt wird. Man muß sich aber bei einer sehr allgemeinen Bestimmung begnügen; die Commentare, die ich zu diesen Stellen abgeschrieben, erklären bloß grammatisch, von Geographie ist gar nie die Rede; es scheint mir sogar, daß der Verfasser oder Diakeuast des Gedichts selbst keine klare Kunde von den Gegenständen westlich vom Indus gehabt habe, was andernseits für das Alter des Gedichts ein günstiges Zeichen seyn möchte. Aus dem Mahâbhâr[ata] ist vielleicht ein größerer Gewinn für die Indische Geographie zu hohlen und es wäre wohl sehr zu wünschen, daß Bopp zu diesem Zwecke dem Mahâbh[ârata] eine vorzügliche Aufmerksamkeit widmen möchte.
[2] Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon geschrieben habe, daß unter den Commentaren, die die Devan[agari] Hdschften begleiten, der des Tîrtha der ältere ist, weil er nehmlich im râmâbhirâma sehr oft citirt wird; der letztere erwähnt bei zweifelhaften Stellen gewöhnlichen noch auch den Commentar des Katakas, den ich für jünger als den Tîrtha erklären würde, wenn der Râm[âbhirâma] ihn nicht immer zuerst anführte; doch mag dieses zufällig seyn, und es ist mir bis jetzt keine Erwähnung vom Katakas im Tîrtha vorgekommen. ‒ Mit dem zweiten Buche im Toddʼschen Codex bin ich fertig und habe das 4te Buch ganz durchgelesen, was mir zu großer Hülfe gereichen wird, weil dieser Theil des Manuscriptes eine sehr gewaltsame Behandlung erlitten hat, es mag nun im Felde gewesen seyn oder irgendwo Schiffbruch gelitten haben. Mehrere Blätter sehen aus wie alte durchlöcherte Fahnen, andre sind vom Wasser beinahe rein gewaschen und die Schrift gleicht dann der ursprünglichen Schrift eines Codex reseriptus. Einige Lücken muß ich wohl lassen, doch nicht so viele, weil eine manus secunda im Corrigiren am Rande sehr fleißig gewesen und ich sehr oft die corrigirte Stelle da habe, wo die ursprüngliche vernichtet ist. Auf Emendationen lasse ich mich natürlich nicht ein; da Ihnen meine Abschrift vielleicht vor mir selbst zukommen kann, erkläre ich die Zeichen, deren ich mich bediene: ein? bedeutet, daß ich in der Lesung nicht sicher bin; ein Strich in der Reihe der Wörter, daß etwas ausgerissen; am besten wird es vielleicht seyn, wenn ich einen Strich für jede fehlende Sylbe mache; ein Strich unter einem Worte bedeutet entweder, daß ich einen grammatischen Fehler vermuthe, oder auch, daß die nachbessernde Hand das Zeichen der Corruption beigeschrieben habe (ein (??) über einem Buchstaben) ich aber nicht fähig gewesen sey, das Wort zu corrigiren. Ich habe übrigens die 8 ersten Capitel des vierten Buches abgeschrieben, das Buch ist das kürzeste von allen, da ich aber aus den erwähnten Ursachen etwas langsam vorwärts gehen muß, kann ich nicht bestimmen, wenn ich damit fertig [3] seyn werde, doch hoffe ich gegen [die] Mitte des nächsten Monaths nicht fern vom Ende zu seyn. Die gemahlten Affen sind abscheulich, die besungenen ohne Vergleich amüsanter; doch weiß ich nicht, ob sie ganz Ihrer Erwartung entsprechen werden. Ein Affe ist vom Haus aus eine sehr verunglückte Nachahmung der menschlichen Gestalt und es mag ein großes Kunststück seyn, die guten Thiere für den poetischen Hof courfähig zu machen. Muthig sind sie aber nicht, und ich bin begierig zu sehen, wie Ramas sein Heer aus ihnen zu Stande bringt. Unsere deutungsreiche Zeit wird nicht fehlen, in ihnen eine Prophezeiung zu sehen, auf Napoleon nehmlich, der auch aus den Italiänern gute Soldaten machte. ‒ Mit den Manuscripten im East-India-H[ouse] bin ich bis zum 154sten fol. gekommen. ‒
Herr Colebrooke läßt sich Ihnen vielmahls empfehlen und hat mich gebeten, Ihnen zu schreiben, daß er gestehen müsse, daß er in seiner Correspondence very deficient sey, und Sie bitte, ihn damit zu entschuldigen, daß er in Ihren und aller Indologen Diensten mit großem Eifer arbeite. Ich kann seine Mittheilsamkeit und Belehrung gegen mich nicht genug rühmen; die Purâṇas muß man freilich aus dem Spiele lassen, sonst findet er keinen Viṣvâsabhûmim. Dr. Wilson wird bald zurückkehren. ‒
Wie es mit Chézy stehe, habe ich mir schon aus dem Journal As[iatique] abgenommen; wer so, wie er, im Rohre sitzt, sollte freilich Pfeifen schneiden. Wenn Sie uns gar ein Ghaṭa Karparam schenken, muß er meinen, daß es auf ihn angelegt sey; um den Spaß vollständig zu machen, habe ich das upâkhyânam von Kaṇḍu abgeschrieben; der Text ist freilich sehr verdorben; man kann ihn aber doch wohl benutzen, freilich würde ein Abdruck mit vielen Haken, Sternchen und andern kritischen Aushängeschildern versehen werden müssen.
Erlauben Sie mir schließlich, mich zu unterzeichnen
Ewr. Hochwohlgebohren
ergebenster und dankbarster
Verehrer
Chr. Laßen.
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